Titel: Ueber neue Theerfarbstoffe und deren Darstellung.
Fundstelle: Band 249, Jahrgang 1883, S. 350
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Ueber neue Theerfarbstoffe und deren Darstellung. (Patentklasse 22. Fortsetzung des Berichtes Bd. 248 S. 252.) Ueber neue Theerfarbstoffe und deren Darstellung. Das Verfahren der Farbwerke vormals Meister, Lucius und Brüning in Höchst a. M. (D. R. P. Nr. 22545 vom 2. September 1882) zur Darstellung eines gelben Farbstoffes bestehend aus einer Binitronaphtolmonosulfosäure beruht auf der gleichzeitigen Einwirkung von salpetersauren und salpetrigsauren Salzen in saurer Lösung auf Naphtylamintrisulfosäure. Zur Darstellung der α-Naphtylamintrisulfosäure ist es vortheilhaft, das Naphtylamin zunächst in die Monosulfosäure zu verwandeln und diese weiter zu sulfoniren. Zu diesem Zwecke trägt man 1 Th. der schwerlöslichen α-Naphtylaminmonosulfosäure unter Abkühlung in 3 bis 4 Th. rauchender Schwefelsäure (mit 40 Proc. Anhydrid) ein und erhitzt die Mischung langsam auf 120°, bei welcher Temperatur das Erhitzen noch 6 bis 10 Stunden fortgesetzt wird. Das Sulfonirungsproduct wird nun in kaltes Wasser gegossen. Nach dem Neutralisiren der Flüssigkeit mit Kalkmilch wird das gebildete schwefelsaure Calcium entfernt und die Lauge eingedampft. Der Rückstand besteht aus dem Calciumsalz der α-Naphtylamintrisulfosäure, welches ohne weitere Reinigung verarbeitet werden kann. Die Trisulfosäure kann natürlich auch durch Einwirkung sonstiger Sulfonirungsmittel auf die α-Naphtylaminsulfosäure erhalten werden, z.B. durch Einwirkung von Schwefelsäuremonochlorhydrin oder reiner Schwefelsäure bei Gegenwart Wasser entziehender Mittel. Aus Naphtylamin und rauchender Schwefelsäure entstehen nur geringe Mengen Trisulfosäure. Die Bildung des gelben Farbstoffes aus der α-Naphtylammtrisulfo-säure geschieht nach der Gleichung: C10H4 (SO3H)3NH2 + HNO2 + 2HNO3 + H2O = C10H4 (NO2)2SO3HOH + 2H2SO4 + 2H2O + N2. Diese Einwirkung von Salpetersäure und Salpetrigsäure kann zwar in verschiedener Weise ausgeführt werden; doch hat sich folgendes Verfahren am besten bewährt: 10k α-Naphtylamintrisulfosaurer Kalk, 3 bis 4k salpetrigsaures Natrium und 6k Chilisalpeter werden in einem groſsen Gefäſse in 30l Wasser kochend gelöst; dann wird eine ebenfalls kochende Mischung von 8k Schwefelsäure mit 8k Wasser in jene Lösung eingegossen. Sobald die unter Roth gelbfärbung entstehende starke Stickstoff-Entwickelung aufgehört hat, wird mit Potasche neutralisirt. Es entsteht ein dicker, gelbbrauner Brei von dem in Wasser schwer löslichen Kaliumsalze der Binitronaphtolmonosulfosäure, welcher abgepreſst und umkrystallisirt wird. Durch doppelte Umsetzung des Kaliumsalzes mit schwefelsaurem Natrium gewinnt man schlieſslich das Natriumsalz des gelben Farbstoffes. Die Farbfabrik vormals Brönner in Frankfurt a. M. (D. R. P. Nr. 22547 vom 5. Juli 1882) führt die β-Naphtolmonosulfosäure in zwei neue β-Naphtylaminsulfosäuren über, um dieselben zur Darstellung von Farbstoffen zu verwenden. Die Herstellung der β-Naphtolmonosulfosäure geschieht nach den Angaben von Schäffer (vgl. Liebig's Annalen, 1869 Bd. 152 S. 296) und gewinnt man die Säure mittels der gut krystallisirenden Kalk- und Natronsalze. Es werden nun 60k β-naphtolmonosulfosaures Ammoniak mit 12k Kalkhydrat oder 20k calcinirter Soda und 60k Wasser 24 Stunden lang auf 180° unter Druck erhitzt. Die erhaltene Masse wird in 50l heiſsen Wassers gelöst, die Lösung filtrirt und angesäuert, worauf sich die schwerlösliche β-Naphtylaminmonosulfosäure in dichten krystallinischen Massen abscheidet. Durch heiſses Abfiltriren und Abpressen erhält man die Säure fast völlig rein. Statt des Ammoniumsalzes kann man auch das Natriumsalz verwenden, welches mit Soda und Salmiak erhitzt gute Resultate gibt. Die so erhaltene Naptylaminmonosulfosäure löst sich in etwa 260 Th. siedenden Wassers, die aus β-Naphtylamin dargestellte (vgl. 1883 248 253) dagegen in etwa 70 Th. Die freie Säure und ihre Salze zeichnen sich durch Silberglanz aus, welcher den Verbindungen der Säure aus β-Naphtylamin fehlt. Die bei der Herstellung dieser schwer löslichen β-Naphtylaminmonosulfosäure erhaltene Mutterlauge enthält noch in nicht unbedeutender Menge eine in Wasser leicht lösliche β-Naphtylaminmonosulfosäure; zur Gewinnung derselben wird die Mutterlauge mit Soda neutralisirt, zur Trockne verdampft und mit 2 bis 3 Th. Alkohol von 90° ausgekocht. Aus der angesäuerten alkoholischen Lösung scheidet sich die Säure beim Erkalten aus. Die so erhaltene β-Naphtylaminmonosulfosäure löst sich schwerer in siedendem Alkohole als die leicht lösliche Sulfosäure aus β-Naphtylamin und rauchender Schwefelsäure. Die Diazoverbindung der ersteren gibt mit α-Naphtolmonosulfosäure einen schönen rothblauen Farbstoff, die Diazoverbindung der aus β-Naphtylamin dargestellten Säure dagegen in gleicher Weise behandelt einen blutrothen, stark ins Bräunliche ziehenden Farbstoff. Im Allgemeinen zeigen die Azofarbstoffe der leicht löslichen Naphtylaminsulfosäuren aus β-Naphtylamin durchweg gelbere bezieh. bräunliche Töne, während die Azofarbstoffe aus vorliegender Säure mehr rothe bezieh. blaue Töne zeigen. Durch Combination der Diazoverbindungen der beschriebenen beiden β-Naphtylaminmonosulfosäuren mit den Phenolen, Oxyphenolen und Naphtolen, deren Aether und Sulfosäuren erzielt man eine Reihe neuer schöner Farbstoffe. Die schwer lösliche Säure liefert die mehr gelben, die leicht lösliche Säure dagegen die mehr rothen bezieh. blauen Töne. So gibt z.B. die Diazoverbindung der schwer löslichen Sulfosäure mit Phenol ein sehr gelbes Orange, mit β-Naphtolmonosulfosäure gelbroth, mit α-Naphtolmonosulfosäure und mit α-Naphtol blutroth. Die Diazoverbindungen der leicht löslichen Sulfosäuren geben dagegen mit α-Naphtolmonosulfosäure ziegelroth, mit α-Naphtolmonosulfosäure und α-Naphtol tief blauroth. W. Harmen in Waldhof bei Mannheim (D. R. P. Nr. 22707 vom 9. September 1882) beschreibt ein neues Verfahren zur Bar Stellung von gelben, orangen und rothen Farbstoffen durch Paarung von diazotirten Basen mit aromatischen Oxysäuren und einer β-Oxynaphtoesulfosäure. Danach geben die Oxysäuren der aromatischen Reihe beim Mischen mit gleichen Molekülen diazotirter Basen Farbstoffe, deren Farbe mit steigendem Kohlenstoffgehalte der verwendeten Verbindungen von gelb bis roth wechselt. Die Carboxylgruppe der Oxysäuren ist in den neuen Verbindungen unverändert enthalten, so daſs sie noch als Säuren wirken, Carbonate zersetzen und selbst Salze bilden. Die Farbstoffe, welche ihrer Constitution nach Oxyazocarbonsäuren sind, lösen sich in Alkohol mit lebhafter Farbe auf, während ihre Alkalisalze wasserlöslich sind und Wolle wie Seide direkt waschecht färben. Von diesen sind die Natriumsalze am lebhaftesten gefärbt und diese werden daher als Farbstoffe angewendet. Zur Darstellung dieser Farbstoffe werden gleiche Moleküle von diazotirten Basen und des Natriumsalzes einer aromatischen Oxysäure mit einander gemischt, das Gemenge wird durch Natronlauge alkalisch gemacht, die Lösung filtrirt und mit Kochsalz ausgesalzen, wobei der Farbstoff in Flocken ausfällt, welche abgepreſst, getrocknet und gepulvert werden. Zur Herstellung des durch Paarung von Metaoxybenzoësäure mit Diazobenzol entstehenden gelben Farbstoffes werden in einem Bleigefäſse von 500l Inhalt 20k Anilin in 200l Wasser und 40k Salzsäure gelöst; dann bringt man die Flüssigkeit durch eingetragene Eisstücke auf 0°, diazotirt mit 16k,5 100 procentigem Natriumnitrit und läſst die alkalische Lösung von 30k Metaoxybenzoësäure in 150l Wasser langsam und unter beständigem Umrühren hinzuflieſsen, worauf man verdünnte Natronlauge hinzufügt, bis die tiefgelbe Lösung schwach alkalisch reagirt. Nach dem Filtriren wird mit Kochsalz ausgesalzen, der Niederschlag abgepreſst, bei 60 bis 70° getrocknet und gepulvert. In Alkohol löslicher Form erhält man den Farbstoff durch Fällen des Filtrates mit Salzsäure und Abpressen des Niederschlages. Nach dem gleichen Verfahren erhält man gelbe Farbstoffe aus 3 Th. Anilin mit 5 Th. Oxymetatoluylsäure oder aus 4 Th. Toluidin mit 5 Th. Oxybenzoësäure; orange Farbstoffe aus 5 Th. Anilin mit 9 Th. Oxyisophtalsäure, bez. 7 Th. Toluidin mit 10 Th. Oxytoluylsäure, 5 Th. Toluidin mit 8 Th. Oxyisophtalsäure, 6 Th. Xylidin mit 7 Th. Oxybenzoësäure, 4 Th. Xylidin mit 5 Th. Oxytoluylsäure, 8 Th. Xylidin mit 11 Th. Oxyisophtalsäure, 1 Th. Cumidin mit 1 Th. Oxybenzoësäure, 9 Th. Cumidin mit 10 Th. Oxytoluylsäure, 9 Th. Cumidin mit 11 Th. Oxyphtalsäure. Scharlachrothe Farbstoffe erhält man aus 1 Th. Anilin mit 2 Th. β-Oxynaphtoesäure, bez. 7 Th. Toluidin mit 12 Th. β-Oxynaphtoesäure, 1 Th. Naphtylamin mit 1 Th. Oxybenzoësäure, 14 Th. Naphtylamin mit 15 Th. Oxytoluylsäure; ponceaurothe Farbstoffe aus 5 Th. Xylidin mit 8 Th. β-Oxynaphtoesäure, bez. 9 Th. Cumidin mit 14 Th. β-Oxynaphtoesäure, 6 Th. Naphtylamin mit 7 Th. Oxyisophtalsäure. Einen kirschrothen Farbstoff gewinnt man aus 3 Th. Naphtylamin mit 4 Th. β-Oxynaphtoesäure. Da die Natriumsalze der vom Naphtylamin abzuleitenden Farbstoffe in Wasser nur ziemlich schwer löslich sind, so führt man sie in die Sulfosäuren über, indem man die getrocknete freie Säure mit der doppelten Menge Schwefelsäure von 1,8 sp. G. 2 Stunden lang unter beständigem Umrühren auf 160° erhitzt. Die tiefblaue Lösung wird in die 4 fache Menge Wasser gegossen, wobei sich die besonders in verdünnter Schwefelsäure schwer lösliche Sulfosäure abscheidet. Nach vollständigem Erkalten werden die Flocken abgepreſst oder ausgeschleudert, in Natronlauge gelöst und mit Kochsalz ausgesalzen. Die hier entstandenen Natronsalze sind leichter löslich und besitzen eine gröſsere Färbekraft als die direkt aus den Oxysäuren entstandenen Producte. In gleicher Weise können selbstverständlich auch die übrigen Farbstoffe in die Sulfosäuren übergeführt werden; nur ist alsdann an Stelle der gewöhnlichen rauchende Schwefelsäure anzuwenden. Die rothen Farbstoffe, welche sich von der durch Ueberleiten von Kohlensäure über β-Naphtolnatrium bei 280° und Ausfällen des in Wasser gelösten Rückstandes mit Salzsäure erhaltenen β-Oxynaphtoësäure ableiten, führt man jedoch dadurch bequem in die Sulfosäuren über, daſs man an Stelle der Oxynaphtoësäure deren Sulfosäure anwendet. Die Oxynaphtoësäure wird in concentrirter Schwefelsäure gelöst und einige Zeit lang bei 150° erhitzt, bis ein Tropfen der Mischung sich in Wasser klar auflöst. Darauf verdünnt man mit der 10 fachen Menge Wasser und setzt zu der erwärmten Lösung Kalkmilch bis zur alkalischen Reaction hinzu. Vom ausgeschiedenen Gypse wird abfiltrirt und die Lösung des Kalksalzes mit Salzsäure versetzt, wobei ein selbst in heiſsem Wasser schwer lösliches saures Kalksalz, (C10H5.OH.COOH.SO3)2Ca, als ein aus äuſserst feinen Nadeln bestehender Niederschlag ausfällt. Dieser wird durch Kochen mit der äquivalenten Menge Soda in Calciumcarbonat und das neutrale β-oxynaphtoësulfosaure Natrium übergeführt. Dieses löst sich leicht in Wasser, wird vom kohlensauren Kalke abfiltrirt und gibt mit diazotirtem Anilin und Toluidin scharlachrothe, mit Xylidin und Cumidin ponceaurothe und mit Naphtylamin dunkel kirschrothe Lösungen, welche, ganz wie oben beschrieben, mit Natronlauge neutralisirt, abfiltrirt und ausgesalzen werden. Besonders die auf letztere Weise erhaltenen Farbstoffe sollen sich durch groſse Schönheit, Echtheit und Färbekraft auszeichnen. Bezüglich ihres Verfahrens zur Darstellung brauner Azofarbstoffe aus Chrysoidinen und Diazoverbindungen bemerkt die Actiengesellschaft für Anilinfabrikation in Berlin (D. R. P. Nr. 22714 vom 8. November 1882), daſs wenn man bei der Chrysoidinherstellung aus m-Phenylendiamin mit der Lösung eines Diazobenzolsalzes: C6H5.N2.Cl + C6H4.[1]NH2.[3]NH2 = C6H5.N2.C6H3.[1]NH2.[3]NH2.HCl an Stelle des Diazobenzolchlorids die diazotirte Sulfanilsäure oder andere diazotirte Amidosäuren anwendet, man Chrysoidinsulfosäuren, Chrysoidincarbonsäuren u.s.w. erhält, deren Alkalisalze in Wasser löslich sind. Die Chrysoidine und die erwähnten sauren Abkömmlinge derselben paaren sich nun mit einem zweiten Molekül einer diazotirten Base oder Amidosäure und liefern Farbstoffe vom Typus des Phenylendiamindisazobenzols, (C6H5.N2)2.C6H2.[1]NH2.[3]NH2, wodurch der gelbe bis gelbrothe Ton der Chrysoidine in einen bräunlichen übergeführt wird. Das gewöhnliche Chrysoidin liefert z.B. durch Vereinigung mit Diazobenzolchlorid einen braunen Farbstoff, welcher fast den Ton des Triamidoazobenzols (Bismarckbrauns) besitzt. Die Diazoverbindungen des Toluols, Xylols oder Cumols liefern ähnliche Farbstoffe von mehr röthlicher Tönung. Die aus α- und β-Naphtylamin und aus Amidoazobenzol erhaltenen Diazoverbindungen geben dunkler färbende Verbindungen. Gewöhnlich sind die aus den basischen Chrysoidinen und Diazoverbindungen entstehenden Farbstoffe in Wasser unlöslich, aber in Alkohol löslich. Um derartige Verbindungen in Farbstoffe zu verwandeln, welche in Wasser löslich sind, führt man sie durch Schwefelsäure in der bekannten Weise in Sulfosäuren über und stellt Salze der letzteren dar. Oder man geht von einer Chrysoidinsulfosäure bezieh. Chrysoidincarbonsäure aus und läſst auf diese das Salz einer Diazoverbindung oder eine diazotirte Amidosäure einwirken. Man kann ferner ein Chrysoidin mit einer diazotirten Amidosäure zusammenbringen. Als Basen können zur Darstellung der Chrysoidine und der neuen Farbstoffe für die Diazoverbindungen dienen: Anilin, Toluidin, Xylidin, Cumidin, Anisidin, Amidophenetol und Naphtylamine, sowie deren Sulfosäuren oder Carbonsäuren. Zur Ausführung des Verfahrens werden z.B. 10k Sulfanilsäure in 300l Wasser vertheilt und mit 3k,6 Natriumnitrit und 6k Salzsäure von 22° B. versetzt. In diese Lösung läſst man eine Lösung von 6k m-Phenylendiamin in 300l Wasser einflieſsen und fügt 7k Natronlauge von 40° B. hinzu. Das so entstandene Natriumsalz der Chrysoidinsulfosäure wird darauf mit einer Lösung von Diazobenzolchlorid, welche aus 6k,5 Anilin, 12k Salzsäure und 3k,6 Natriumnitrit bereitet ist, gemischt, dann mit 7k Natronlauge versetzt; der Farbstoff wird nach dem Filtriren ausgesalzen oder die Lösung abgedampft. Eine isomere Säure erhält man, wenn man die Diazoverbindung aus Anilin und Sulfanilsäure in umgekehrter Reihenfolge auf Phenylendiamin einwirken läſst. Wendet man statt 6k,5 Anilin 10k Sulfanilsäure an, so erhält man die entsprechende Disulfosäure. (Schluſs folgt.)