Titel: Die Maisstärke-Fabrikation als ein neuer landwirthschaftlicher Industriezweig.
Autor: Ladislaus von Wágner
Fundstelle: Band 250, Jahrgang 1883, S. 174
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Die Maisstärke-Fabrikation als ein neuer landwirthschaftlicher Industriezweig. L. v. Wágner, über die Maisstärke-Fabrikation. Die Wichtigkeit und Notwendigkeit gewisser Industrien für die Landwirtschaft wird heut zu Tage wohl kaum irgend Jemand mehr bezweifeln. Nur zu häufig bildet die Industrie eine Existenzbedingung der Oekonomie. Schlechter Boden und mangelhafte Düngerkraft nöthigen den Landwirth, Industrien zu errichten, welche ihm direkt Futter, indirekt Dünger liefern. Solcherweise wird die Möglichkeit geboten, einerseits das Gleichgewicht im Boden zu erhalten, andererseits aber selbsterzeugte Feldproducte möglichst hoch zu verwerthen. Die direkte Aufgabe der landwirtschaftlichen Industrie ist somit Futtergewinnung, die indirekte Düngerproduction. Die Spiritusbrennereien liefern Schlempe, die Zuckerfabriken Preſslinge bezieh. Diffusionsrückstände, die Mühlen Kleie u. dgl. als Abfall oder Nebenproduct: Futter von verschiedener Zusammensetzung und verschiedenem Werthe. Welcher Nährstoffe bedarf aber der Landwirth in erster Linie, um sein Vieh mit Erfolg zu füttern und guten Dünger in reichlicher Menge erzeugen zu können? Unstreitig der Proteïnstoffe! An Kohlenhydraten in Form von Holzfaser, Stärke, Zucker u. dgl. mangelt es ja in den verfügbaren Futtermitteln, als Stroh, Spreu, Wurzeln, Knollen u.a., niemals; um so fühlbarer hingegen erweist sich in den meisten Fällen der Mangel an Proteïnstoffen. Jene Industrie wird somit den Bedürfnissen der Landwirtschaft am besten und vollkommensten entsprechen, welche Proteïnkörper in möglichst groſser Menge und in unverändertem frischem Zustande als Nebenproduct bezieh. Abfall liefert. Ein solcher Industriezweig ist unstreitig die Maisstärke-Fabrikation. Dieser Industriezweig wurde eigentlich erst jüngster Zeit geschaffen. Nach einem in Oesterreich-Ungarn und anderen Industriestaaten von Ad. Gillitzer in Budapest patentirten Verfahren wird der Mais zu Stärke verarbeitet und die darin enthaltenen 8 bis 15 Proc. Proteïnstoffe in unverändertem frischem und süſsem Zustande als Nebenproduct der Landwirthschaft zugeführt. Nicht in Form von dünner Schlempe, sondern als leicht conservirbare dickflüssige Masse lagern sich die Proteïnstoffe bei diesem Industriezweige ab, welche dann in richtigem Verhältnisse gemengt mit Strohhäcksel, zerkleinerten Maiskolben, Knollen und Wurzeln, sowie mit den ebenfalls als Nebenproduct dieser Industrie gewonnenen Maishülsen und Keimen für das gesammte landwirtschaftliche Zug- und Nutzvieh ein vorzügliches und leicht verdauliches Futter liefern.Die von der Maisstärke-Fabrikation gewonnenen Abfälle, die sogen. Maisschlempe, ist mit den schlechten und gesundheitswidrigen Eigenschaften der Brennereischlempe selbstverständlich nicht behaftet. Die Maisschlempe enthält – wie bereits wiederholt betont wurde – zumeist nur Eiweiſs und zwar in absolut unverändertem Zustande, ist somit zur Milchproduction vorzüglich geeignet. Dieser Umstand verdient um so mehr ganz besondere Berücksichtigung, da ja die Branntweinschlempe „dieser in allen solid geleiteten Milch wirtschaften verpönte Fabriksabfall“ (häufig so bezeichnet von den Milchgenossenschaften) eben zur Fütterung des Milchviehes absolut ungeeignet, ja nur zu oft höchst schädlich ist. Da die guten Eigenschaften der Milch in Folge der Branntweinschlempe-Fütterung des Melkviehes oft auf ein Minimum herabgezogen werden, fühlen sich die meisten Milch- und Molkereigenossenschaften neuerer Zeit veranlaſst, zu erklären, daſs sie die mittels Branntweinschlempe-Fütterung erzeugte Milch nicht übernehmen. In Amerika wird wohl schon seit Jahren Maisstärke in groſsen Mengen erzeugt und es bestehen daselbst kolossale Maisstärkefabriken, die auch vorzüglich gedeihen. Das amerikanische Verfahren der Maisstärke-Fabrikation mittels Aetznatron ist aber nicht geeignet, um daraus eine landwirtschaftliche Industrie zu schaffen. Die Proteïnstoffe gehen bei dem amerikanischen Verfahren zum groſsen Theile verloren, abgesehen davon, daſs sie in Folge der Behandlung des Rohmaterials mit Aetznatron zur Fütterung mehr oder weniger untauglich werden. Welch groſsen Werth aber die Proteïnstoffe vorstellen und welch wichtige Rolle sie auch in der Bilanz einer Maisstärkefabrik zu spielen berufen sind, soll weiter unten ersichtlich gemacht werden. Das neue Gillitzer'sche Verfahren der Maisstärkegewinnung hat – wie bereits erwähnt – den groſsen Vortheil, daſs die Proteïnstoffe in unverändertem Zustande und in ihrer ganzen Menge gewonnen werden. Ebenso wird aber auch die Stärke aus dem Maise zum gröſsten Theile in fast chemisch reinem Zustande und zwar nur in einer einzigen QualitätBei der Weizenstärke-Fabrikation gewinnt man bekanntlich neben der Prima-Stärke auch Sekunda und Tertia, welch letztere zwei Stärkequalitäten mitunter kaum zu verwerthen sind. gewonnen, da die Gesammtausbeute Prima-Waare ergibt. Als Hauptproduct liefert somit dieser wichtige Industriezweig: Maisstärke Prima-Qualität, als Nebenproduct: Proteïnstoffe (Maisfibrin und Glutin), als Abfall: Maishülsen und Keime. Die Ausbeute an Stärkemehl beträgt je nach Güte des Maises 52 bis 60 Proc. an Proteïnstoffen 8 bis 15 Proc. an Hülsen und Keimen 12 bis 18 Proc. Da der Wassergehalt des lufttrockenen Maises im Mittel 14,5 Proc. beträgt, so wird der Verlust an Trockensubstanz bei dieser Verarbeitung 1,5 bis 4 Proc. betragen. Das erwähnte Verfahren scheidet aus dem Maiskorne vor allem die an Oel reichen Keime heraus:, diese Vorarbeit ermöglicht dann die vollständigere Ablagerung der Stärkekörnchen auf der Rinne und seine entsprechend reichere Ausbeute an Stärkemehl. Selbstverständlich dienen zu diesen Operationen eigene mechanische Vorrichtungen, deren Beschreibung hier nicht beabsichtigt ist. Die zweite Operation bezweckt die Trennung der Proteïnkörper einerseits und der Hülsen bezieh. Keime andererseits vom Stärkemehle. Hierzu dienen höchst sinnreich eingerichtete rotirende Siebvorrichtungen. Das solcherweise abgeschiedene Stärkemehl gelangt dann auf die Rinnen, Pressen, Trockenstuben u. dgl., um zu handelsfähiger Waare verarbeitet zu werden.Unter Umständen kann die so gewonnene Rohstärke auch sofort zu Spiritus verarbeitet, somit der Alkohol-Industrie zugeführt werden. Die landwirtschaftlichen Stärkefabriken verarbeiten heut zu Tage zumeist Kartoffeln. Ziehen wir eine Parallele zwischen der Kartoffelstärke- und Maisstärke-Fabrikation: Die guten Kartoffeln enthalten durchschnittlich 25 Proc. Trockensubstanz mit 1,1 Proc. Proteïngehalt. In 100k Trockensubstanz enthält somit die Kartoffel 4k,4 Proteïnstoffe. Der Mais enthält durchschnittlich 77,6 Proc. Trockensubstanz mit 10,6 Proc. Proteïn geh alt, so daſs in 100k Maistrockensubstanz 13k,6 Proteïn, sonach mehr als 3mal so viel, als in der Kartoffel enthalten ist. Die Kartoffelfaser (Schlempe der Kartoffelstärke-Fabrikation) enthält 11 Proc. Trockensubstanz mit durchschnittlich 0,5 Proc. Proteïn geh alt. Die Trockensubstanz der Kartoffelfaser enthält somit 4,5 Proc. Proteïn. Das bei der Maisstärke-Fabrikation gewonnene Nebenproduct, die sogen. Maisschlempe, enthält 25 bis 33 Proc. Trockensubstanz, welche fast ausschlieſslich aus verdaulichen Proteïnstoffen besteht, während die getrennt als Abfall gewonnenen Keime und Hülsen den gröſsten Theil des im Maise enthaltenen FettesDer Rohmais enthält bekanntlich bis zu 9 Proc. im Mittel 6,5 Proc. Fett. in sich einschlieſsen, da ja die an Fett reichen Keime des Maises fast unverändert ausgeschieden werden. Man erhält somit einerseits eine dicke concentrirte Proteïnmasse, andererseits eine an Fett reiche Cellulose als zur landwirtschaftlichen Nutzung höchst geeignete Abfälle der Maisstärke-Fabrikation, welche den Transport selbst auf gröſsere Entfernungen gestatten, da ja der Futter- sowie Geldwerth im Vergleiche zum Gewichte und Volumen sehr hoch steht. Eine zweite Berechnung soll die Ausbeute an Stärke, die Erschöpfung des Bodens in Folge der landwirthschaftlichen Production und die gewonnene Proteïnmenge als industrielles Nebenproduct (Futter) in beiden Fällen veranschaulichen. 1) Kartoffelbau: Nehmen wir an, daſs die Ernte an Kartoffeln auf 1ha 110, 140 bezieh. 170 Centner (zu 100k)1hl Kartoffeln mit 75k gerechnet und den Stärkegehalt zu 17 Proc. angenommen. betrage, so wird sich die Erschöpfung des Bodens an den wichtigsten Pflanzennährstoffen für 1ha folgendermaſsen gestalten: ErnteertragKartoffelknollen Erschöpfung von 1ha Boden an Kali Phosphorsäure Stickstoff         110 Ctr    74k 24k 49k         140   92 30 61         170 111 36 73 Die Kartoffeln enthalten im Mittel 1,1 Proc. Proteïn, somit wird man – angenommen, daſs die Gesammtmenge der Proteïnstoffe in die Schlempe gelangt – für je 1ha mit Kartoffeln bestellten Boden 121, 154 bezieh. 187k Proteïn gewinnen. 2) Maisbau: Vorausgesetzt, daſs die Ernte an Mais für 1ha 24, 28 bezieh. 34 Centner1hl Mais zu 75k gerechnet. beträgt, so wird die Erschöpfung des Bodens an Pflanzennährstoffen für 1ha betragen:Vgl. Emil Wolff: Aschenanalysen, Berlin 1880 Bd. 2 S. 18. ErnteertragMaiskörner Erschöpfung von 1ha Boden an Kali Phosphorsäure Stickstoff     24 Ctr 58k 25k 53k     28 68 29 62     34 82 35 73 Der Mais enthält im Mittel 10,6 Proc. Proteïn; somit gewinnt man auf je 1ha mit Mais bestellten Boden 254, 297 bezieh. 360k Proteïn, somit 2 mal so viel als auf Grund des Kartoffelbaues. Die Ausbeute an Stärkemehl wird für 1ha mit Kartoffeln bestellten Boden – die Stärkeausbeute durchschnittlich mit 12 Proc.Die Ausbeute an Stärke aus den Kartoffeln beträgt zu Beginn der Betriebszeit – bei rationellem Verfahren – allerdings etwas mehr, als oben angegeben wurde, fällt aber später so bedeutend, daſs man mit einer durchschnittlichen Stärkeausbeute von 12 Proc. unter unseren Verhältnissen im Allgemeinen wohl zufrieden sein dürfte. So ist es ja bekannt, daſs beispielsweise die Kartoffel, die in den Monaten November, December und Januar 17 Proc. Stärke enthält, im Monate Februar nur mehr 16 Proc. im März 15 Proc. April 13,75 Proc. und im Monate Mai nur mehr 10 Proc. Stärkemehl enthalten wird. Die Ausbeute an Stärkemehl wird demnach auch von der Dauer der Betriebszeit abhängen. gerechnet – 1320, 1680 bezieh. 2040k betragen; bei der Maisstärke-Fabrikation wird sich dieselbe (bei 55 Proc. Ausbeute) auf 1320, 1540 bezieh. 1870k belaufen. Hierbei muſs aber berücksichtigt werden, daſs der Preis der Maisstärke um etwa 40 Proc. höher steht als jener der Kartoffelstärke.Hierbei ist zu berücksichtigen, daſs man Kartoffelstärke verschiedener Güte gewinnt und daſs die minderen Sorten der Stärke einen sehr niedrigen Preis haben, oft kaum zu verwerthen sind. Angenommen, daſs die Maisstärke für je 100k um den Preis von durchschnittlich 36 M. abgesetzt wird, so kann die Kartoffelstärke – unter gleichen Verhältnissen – höchstens um 22 M. für 100k Absatz finden. Der Geldertrag für 1ha mit Kartoffeln bezieh. mit Mais bestellten Bodens wird somit 290, 370 bezieh. 449 M. für die auf Grund des Kartoffelbaues und 475, 554 bezieh. 673 M. für die auf Grund des Maisbaues gewonnene Stärke betragen. Welch bedeutender Unterschied im Geldertrage zu Gunsten des Maisbaues und der Maisstärke-Fabrikation! Man kann somit sagen, daſs bei fast gleicher Erschöpfung des BodensBei Kartoffelbau ist die Erschöpfung des Bodens an Kali bedeutend gröſser als in Folge des Maisbaues; hingegen ist die Erschöpfung des Bodens an Phosphorsäure und Stickstoff in beiden Fällen nahezu gleich. 1ha Maisfeld auf Grund der Stärkegewinnung einen um 50 bis 60 Procent höheren Geldertrag liefert als 1ha Kartoffelfeld. Weiter ist der Werth der als Nebenproduct gewonnenen Futtermittel zu berücksichtigen. Praktischen Erfahrungen gemäſs stellen die Abfälle dieser Industrie nach je 100k verarbeiteten Mais einen Geldwerth von 3,60 M., so daſs die Abfälle selbst bei einem kleineren Betriebe (bei täglicher Verarbeitung von etwa 2000k Mais) die Fabrikations- und Regiekosten der Stärkegewinnung vollkommen decken, während der Unterschied zwischen dem Ankaufspreise des Maises und dem Verkaufspreise der daraus gewonnenen Stärke in der Bilanz als Reinertrag erscheint. Die auf Grund dieses vorliegenden Verfahrens errichteten und jüngst in Betrieb gesetzten Maisstärke-FabrikenErste Maizena- und Maisstärkefabrik in Budapest (IX. Martingasse 19), Lauffer in Czernowitz (Galizien), Dammann und Comp. in Halle a. S.u.a. arbeiten durchgehends mit Erfolg. Die Abfälle der Ersten Maizena- und Maisstärke-Fabrik in Budapest werden von den Milchmeiern der Hauptstadt, sowie den Schweinemästereien in Steinbruch reiſsend abgenommen und mit 2,16 M. für 1hl bezahlt. Die Fabrikationsspesen sammt GesammtregieArbeiter, Fuhrlöhne, Heizmaterial, Beleuchtung, Bureauspesen, Delcredere, Zinsen und Amortisirung der Kapitalien, Verschiedenes. betragen für 100k verarbeiteten Mais 3 M., während die Einnahmen vom Futterverkaufe ebenfalls für 100k verarbeiteten Mais 3,60 M. betragen, so daſs in diesem Falle (der auſserordentlich günstigen Futterverwerthung zu Folge) noch 60 Pf. Mehrbetrag für 100k verarbeiteten Mais verfügbar werden, abgesehen von dem durch den Stärkeverkauf erzielten groſsen Geldertrage.Eine Maisstärkefabrik nach diesem Verfahren arbeitend, mit etwa 27000 M. Einrichtungskosten, wirft reichlich 20 bis 40 Proc. Reinertrag und unter einigermaſsen günstigen Verhältnissen selbst darüber ab. Der rationelle Landwirth muſs heut zu Tage Futter und Dünger in möglichst guter und reichlicher Menge erzeugen. Hand in Hand mit der Futterproduction schreitet die Fleischerzeugung, der rentabelste Zweig der Landwirthschaft, vorwärts. Die von Jahr zu Jahr steigenden Fleischpreise, sowie die fortwährende Zunahme des Fleischbedarfes bieten hierfür die sicherste Bürgschaft. Jener Landwirth, welcher schwungvoll Mästung treibt, wird die Ertragsfähigkeit seines Bodens auf das Höchste steigern. Der Durchschnittsertrag der Weizenernte in England beträgt auf 1ha 26hlVgl. Max Eyth: Die königliche landwirtschaftliche Gesellschaft von England und ihr Werk. Heidelberg 1883. und in Frankreich sollen Erträge von 30hl Weizen auf 1ha nicht zu den Seltenheiten gehören.Vgl. E. Lecouteux: Le blé à 30 hectolitres par hectare im Journal d'agriculture pratique, 1883 Nr. 31. Die groſse Productionskraft verdankt der englische Boden nebst seiner vorzüglichen Kultur unstreitig der stärkeren Bereicherung desselben mittels animalischen und künstlichen Düngers. Die ausgedehnte Viehzucht und die in jeder englischen Wirthschaft eingebürgerte Fleischerzeugung ermöglichen, die Düngerkraft aufs Höchste zu steigern, dadurch aber auch die Productionsfähigkeit des Bodens zu kulminiren. Bei weitem nicht so günstig sind diesbezüglich die bei uns herrschenden landwirtschaftlichen Zustände, wo der Viehstand nur zu häufig auf den Minimalstand beschränkt, die Düngererzeugung bei weitem nicht hinreicht, um die Erschöpfung des Bodens in Folge des Getreidebaues zu verhindern. Die Bodenkraft muſs unter solchen Verhältnissen von Jahr zu Jahr merklich abnehmen und wird der Kulturboden dadurch zur intensiven Leistung völlig unfähig. Der englische Landwirth verdoppelt ideell seine Bodenfläche, indem er auf 1ha Boden 2mal so viel Getreide gewinnt als wir. Diese so bedeutend gesteigerte Production ist daselbst aber nicht nur hinsichtlich des Getreidebaues, sondern in noch höherem Maſse beim Futterbaue wahrnehmbar. Welch hoher Ertrag: 26hl Weizen auf 1ha! Ein Bruttoertrag von 26 × 20 = 520 M. für 1haAngenommen, daſs das Gewicht des Weizens für 1hl 80k sei und der Preis für 100k 20 M., dazu der Werth des Strohes und der Spreu. Dabei sind die Productionskosten kaum erhöht. Pacht (Zinsen des Bodenkapitals), Bearbeitung des Bodens, Anbausamen u. dgl. erscheinen bei dem doppelten Ernteertrage in gleichem Werthe als bei dem einfachen; nur die Ernte- und Druschkosten erleiden dabei eine geringe Steigerung. Der Landwirth muſs somit jede sich ihm bietende Gelegenheit mit Freude ergreifen, um normale Zustände zu schaffen. Die Maisstärke-Fabrikation als landwirtschaftliche Industrie ist berufen, so manche Uebelstände und Mängel unserer Landwirtschaft zu beseitigen. Abgesehen von der Rentabilität dieses Industriezweiges gewinnt der Landwirth eine groſse Menge höchst werthvollen kräftigen Futters, womit er sein Zug- und Nutzvieh rationell und ausgiebiger füttert, dadurch aber auch viel und werthvollen Dünger erzeugt. Solcherweise kann die Bodenkraft gesteigert und der Boden zur intensiven Kultur geeignet gemacht werden. Die hohe Wichtigkeit und Rentabilität der Fleischproduction (ebenso auch der Milchgewinnung), in Verbindung mit der Maisstärke-Fabrikation, kann aus folgenden Berechnungen ersehen werden. Bei kräftiger Fütterung des Mastviehes – und hierzu sind wohl in erster Linie die von der Maisstärke-Fabrikation gewonnenen Abfälle geeignet – kann die tägliche Zunahme des Lebendgewichtes für 1 Stück Mastochs mittleren Schlages zu 0k,8 angenommen werden. Bei unausgesetztem BetriebeEin groſser Vortheil der Maisstärke- gegenüber der Kartoffelstärke-Fabrikation bezieh. der Kartoffelbrennerei besteht eben darin, daſs der Mais leicht conservirbar ist und somit Rohmaterial zu einem das ganze Jahr – Sommer und Winter – betreibbaren Industriezweige liefert. kann somit angenommen werden, daſs je 3 Stück Mastochsen (eine 122tägige Mastperiode zur Grundlage genommen) 292k Lebendgewicht (Fleisch bezieh. Fett u.s.w.) darstellen. Eine kleine Maisstärkefabrik, welche nur 2000k Mais verarbeitet, wird (Sonn- und Feiertage abgerechnet) während eines 300tägigen Betriebes 600t Mais verbrauchen, d.h. die Maisernte von etwa 150 bis 250ha. Das in Form an Proteïn reicher Schlempe gewonnene Futter wird, mit entsprechenden Zusätzen (wozu auch die zerkleinerten Maiskolben, ferner Strohhäcksel, Spreu u. dgl. geeignet sind) vermengt, genügen, um 370 Ochsen bezieh. 2000 Schweine zu mästen, oder eine entsprechende Anzahl von Milchkühen reichlich zu füttern.Angenommen, daſs der Proteïngehalt des Maises im Mittel 10 Proc. betrage, so sind in 600000k Mais 60000k Proteïnstoffe enthalten. Da der Mastochs auf 1000k Lebendgewicht täglich und im Durchschnitte der gesammten Mästungsperiode 2k,7 Proteïn bedarf, so wird die obige Proteïnmenge genügen, um die bei einer 122tägigen Mastungsperiode für 370 Stück Mastochsen benöthigte Proteïnmenge zu liefern; dabei ist der Mastochs mit 500k mittlerem Lebendgewichte gerechnet. Dabei wird die Fleischerzeugung bezieh. Lebendgewichtszunahme jährlich in runder Zahl 370 × 120 × 0,8 = 35520k betragen. Der durch die Mästung erzielte Geldertrag wird nun bestehen: aus dem Preisunterschiede zwischen fettem und magerem Fleische für 370 × 500 = 185000k, ferner aus dem Werthe der Zunahme an Lebendgewicht im Betrage von 35000k. Angenommen, daſs die Preisdifferenz zwischen fettem und magerem Fleische nur 7,25 M. für 100k betrage, der Werth des fetten Fleisches (bezieh. Lebendgewicht im gemästeten Zustande) 82 M. für 100k sei, so erhalten wir im ersteren Falle 185000 × 0,0725 = 13412, im zweiten Falle 35000 × 0,82 = 30352, zusammen also 43764 M. Hierzu wäre dann noch der Werth des erzeugten Düngers zu rechnen. Die 370 Stück Mastochsen werden bei einer 122tägigen Mastperiode das Stück in runder Zahl 5000k, zusammen somit 1850t Dünger liefern.Die Geldwerthberechnung des erzeugten Düngers wurde hier absichtlich unterlassen. Der englische Landwirth schätzt den animalischen Dünger auf 65 bis 75 Pf. Voelcker und Grandeau berechnen seinen Werth auf Grund der chemischen Zusammensetzung (nur den Kali-, Phosphorsäure- und Stickstoffgehalt berücksichtigend) zu 1,25 M. für 100k. Im Allgemeinen wird indessen der Werth des Stallmistes in der Praxis unterschätzt. Diese Düngermenge wird genügen, um 69ha Boden kräftig zu düngen. Die Ausbeute an Maisstärke Prima-Qualität wird im vorliegenden Falle (im Mittel 56 Proc. gerechnet) 336t betragen und, nur mit 35 M.Die Maisstärke ist gegenwärtig weder auf den österreichischen und ungarischen, noch auf den deutschen Börsen notirt. Auf der Pariser Börse figurirt die Maisstärke heute mit 37,50 bis 39 M. für 100k – eine Stärke, welche, mittels Aetznatron erzeugt, zu Zwecken der Appretur weniger geeignet ist. für 100k gerechnet, eine Geldeinnahme von 117600 M. ergeben. Als Reinertrag dieser Industrie berechnet sich somit im vorliegenden Falle nebst dem erzeugten Dünger: Die vom Verkaufe der Stärke erzielte Einnahme 117600 M. Weniger dem Ankaufspreise des verarbeiteten Maises    600000k zu 14,25 M. für 100k   85500 ––––––––– Somit Reinertrag   32100 M. Ein so günstiges Ergebniſs wird man wohl bei kaum irgend einem anderen landwirtschaftlichen Industriezweige erzielen können. Noch günstiger gestaltet sich der Reinertrag, wenn die Maisstärkefabrik in gröſserem Umfange angelegt wird. Bei einigermaſsen günstigen Verhältnissen werden sich somit die Anlagekosten in 1 bis 2 Jahren vollkommen decken. Gefehlt wäre zu glauben, daſs wir den Landwirth durch Einführung dieses Industriezweiges zum übertriebenen Maisbaue aneifern wollten: die Maisstärke-Fabrikation wird auch in solchen Wirtschaften vortheilhaft sein, welche wenig oder gar keinen Maisbau treiben, desgleichen aber auch als selbstständiger Industriezweig in Städten auſserordentlich gut rentiren, wo bekanntlich das Futter zu jeder Zeit leicht und gut abgesetzt werden kann – abgesehen davon, daſs ja schlieſslich auch der Industrielle selbst Mast- und Melkvieh einstellen kann. Erst neuerer Zeit wurde auf einem norddeutschen Gute eine Maisstärkefabrik nach dem vorliegenden Verfahren eingerichtet, trotzdem in jener Gegend der Mais mit Erfolg überhaupt gar nicht gebaut werden kann. Diese Fabrik verarbeitet amerikanischen Pferdezahnmais, welcher heute in der Fabrik auf 14,25 M. für 100k zu stehen kommt. Wirthschafter, welche durch Eigenbau den Bedarf des Rohmaterials wenig oder gar nicht decken, können eben die fehlenden Posten durch Ankauf von kleineren Erzeugern der Umgebung oft sehr vortheilhaft ergänzen. Schlieſslich wollen wir hier noch einiges über unsere Absatzverhältnisse für Stärke bemerken. Abgesehen davon, daſs der Stärkeverbrauch Europas von Jahr zu Jahr bedeutend zunimmt, müssen wir zur richtigen Beurtheilung dieser Frage unser Augenmerk namentlich auf zwei wichtige Momente richten und zwar auf die kolossale Maisstärke-Einfuhr von Amerika und England nach dem europäischen Festlande und auf die gewaltige Stärkeproduction aus Weizen. Den ersten Punkt anbelangend, bedarf es wohl keiner besonderen Begründung, daſs in Folge der gesteigerten inländischen Erzeugung die Stärkeeinfuhr verdrängt werden wird. Hinsichtlich des zweiten Punktes wird es wohl genügen zu bemerken, daſs unsere vorzüglichste Brodfrucht, der Weizen, schon seines hohen Marktpreises wegen viel weniger geeignet ist, zu Stärke verarbeitet zu werden, als der Mais, abgesehen davon, daſs man aus dem Weizen stets auch mindere Stärkequalitäten gewinnt, deren schwierige Verwerthung die Rentabilität der Weizenstärke-Industrie nur zu oft ganz problematisch gestaltet. Das naturgemäſseste Rohmaterial zur Stärkegewinnung ist unstreitig der Mais und zweifeln wir nicht im geringsten, daſs die Maisstärke die Weizenstärke vom europäischen Markte gänzlich verdrängen wird. Die vorzüglichen Eigenschaften der Weizenstärke besitzt die MaisstärkeDer Maisstärkekleister hat ein gröſseres Steifungsvermögen als der Kleister der Weizen- und Kartoffelstärke. Auch in Bezug auf Gleichmäſsigkeit der Steifung steht die Maisstärke obenan. (Vgl. Lad. v. Wágner: Stärkefabrikation, zugleich 7. Auflage von Otto-Birnbaum's Lehrbuch der landwirtschaftlichen Gewerbe. Braunschweig 1876. Vieweg und Sohn.)Die Maisstärke kann in den meisten Fällen die Weizenstärke vollkommen ersetzen; als Klebemittel verdient sie sogar den Vorzug. (Vgl. Franz Schwackhöfer: Lehrbuch der landwirtschaftlichen chemischen Technologie. Wien 1883. G. P. Faesy.) in gesteigertem Maſse; auch wird dieselbe nach dem erwähnten Verfahren fast chemisch rein gewonnenDie Weizenstärke enthält immer – wenn auch nur geringere Mengen – Kleber. Mindere Qualitäten zeigen einen deutlichen Stich ins Graue von anhaftendem Kleber., liefert bei ihrer Fabrikation viel und vorzügliches Futter und verbürgt schlieſslich dieser Industriezweig einen so hohen Reinertrag, daſs zu Zeiten, in denen die Weizenstärkefabriken mit Verlust arbeiten, die Maisstärkefabriken noch immer einen erklecklichen Reinertrag abwerfen werden. Damit erscheint der Gegenstand ausführlich genug erörtert und wir empfehlen diesen Industriezweig der besonderen Aufmerksamkeit der Interessenten und erklären uns zu weiteren Auskünften gern bereit. Ladislaus von Wágner,                   Professor an der technischen Hochschule zu Budapest.