Titel: | Ueber Vorbereitung und Färbung des Chinagrases. |
Autor: | S. |
Fundstelle: | Band 251, Jahrgang 1884, S. 135 |
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Ueber Vorbereitung und Färbung des
Chinagrases.Nach dem eben erschienenen Werke von Dr. A. Renard: Traité des
matières colorantes, du blanchiment et de la teinture du colon, S. 405
ff. (Paris 1883. J. Baudry.)
Renard, über Vorbereitung und Färbung des Chinagrases.
Das Chinagras (Ramie) könnte in Anbetracht der zu
groſsen Menge darin enthaltener pektinartiger Stoffe einen Röstprozeſs, wie er für
Hanf und Flachs üblich ist, nicht aushalten, ohne daſs die stattfindende
Pektingährung die Zerstörung des Textilstoffes nach sich ziehen würde. Man beginnt
daher die Trennung des Rindenbastes von den holzigen Bestandtheilen mit mechanischen
Mitteln. Die hierzu angewendeten Maschinen erfüllen den doppelten Zweck, einestheils
den Bast vom Stengel zu trennen, anderentheils die dünne gefärbte Oberhaut vom Baste
zu entfernen. Die von Berthet in Rouen 1881 construirte
Maschine quetscht zuerst die frischen oder wieder aufgefrischten Stengel zwischen
geriffelten Walzen und nähert sie dann einer Trommel, welche – auf der Auſsenseite
mit Messern versehen und in Drehung versetzt – die Stengel entschält und die Fasern
hierdurch ihrer ganzen Länge nach ziemlich vollständig bloſslegt (vgl. 1882 244 * 121). Trotz dieser ersten Behandlung haften sie
jedoch noch durch die sogen. Intercellularsubstanz bündelweise fest an einander und
erfordern jetzt zu ihrer Isolirung in spinnbaren Zustand eine chemische Einwirkung,
ähnlich wie der Flachs u. dgl. Das Rotten oder Rösten besteht, nach vorhergehendem
24 stündigem Einweichen in warmem Wasser, in Kochen mit Natronlauge von 2 bis 3° B.;
letzteres geschieht am besten in geschlossenen Kesseln unter Druck, wobei die
einzelnen Fasern sich nicht verwirren können, sondern, dank der regelmäſsigen
Bewegung der Lauge, in ihrer Lage verharren. Es ist dies für die nachfolgenden
Spinnoperationen von Bedeutung. Nach 4 bis 5 stündigem Kochen wird die stark braun
gefärbte Lauge abgelassen und die Arbeit in gleicher Weise wiederholt. Dann wird
gründlich gewaschen und ausgeschleudert. Die Fasern hängen nun nicht mehr an
einander an und zeigen nur noch eine schwach gelbliche Färbung; trotz der kräftigen
Einwirkung des Alkalis sollen sie nichts von ihrer Festigkeit eingebüſst haben. Die Kosten des Röstens
betragen ungefähr 8 Pf. für 1k. Der Abgang beträgt
zwischen 35 und 40 Procent der entschälten Stengel. Gewöhnlich werden die gerösteten
Faser sofort verwendet. In gewissen Fällen ist Bleichen vor dem Spinnen angezeigt.
Dies geschieht durch Chlorkalk und Säure wie bei der Baumwolle. Man hat
vorgeschlagen, um der Faser mehr Glanz und Biegsamkeit zu ertheilen, sie nach dem
Rösten oder Bleichen durch schwache Glycerin- oder Oelbäder zu nehmen. Ein
Seifenbad, 5g auf 1l, leistet denselben Dienst und ist in Bezug auf Erleichterung des Kämmens
und Spinnens vortheilhafter.
Die Länge der Bastzelle von Chinagras beträgt von 6 bis 25cm, weit mehr also wie diejenige der anderen
Bastfasern. In Bezug auf Dichte befindet sie sich zwischen Flachs und Baumwolle.
Dank ihrer Länge erfordert sie beim Zwirnen ⅓ weniger Drehung wie Flachs und die
Hälfte weniger wie Baumwolle. Was ihre Zugfestigkeit anbelangt, so ist sie allen
anderen Pflanzenfasern voraus.Hartig (1883 247 370)
hat die Reiſslänge der Chinagrasfaser zu 20km bestimmt. Vor den letzteren endlich zeichnet sich
das Chinagras durch seinen Glanz aus. Nach dem Rösten erscheint es in
silberglänzenden Bändern, welche durch das Kämmen in lange seidenähnliche Haare
umgewandelt werden. Leider verschwindet im weiteren Gange des Spinnens durch die
Drehung ein Haupttheil dieses hervorragenden Glanzes.Es ist dies auch der Grund, warum die Chinesen das Spinnen umgehen und die
Fäden in der Art herstellen, daſs sie die von Hand in gleicher Dicke
zusammengerollten Fasern, Ende bei Ende, an einander legen und mittels eines
Klebmittels, dessen Natur unbekannt ist, zusammenpappen. Vgl. Dr. G. Pennetier; Traité des matières premières
organiques. – Grothe dagegen erwähnt in seinen Bilder und Studien zur Geschichte vom Spinnen, Weben
und Rahen, Berlin 1875 S. 13, daſs das chinesische Garn aus
einzelnen dem Pflanzenstengel entnommenen Faserbündeln durch Andrehen
zusammengestückt wird (vgl. Hartig 1883 247 370). Dennoch können die
erhaltenen Fäden noch zu sehr schönen Stoffen von seidenähnlichem Ansehen verwoben
werden. Das Haus A. Goulon in Rouen leistet in dieser
Beziehung Musterhaftes.
Färben des Chinagrases. Das Chinagras besitzt an und für
sich eben so wenig Verwandtschaft zu den Farbstoffen wie die Baumwolle; es gelten
daher für diese Textilfaser die gewöhnlichen auf letztere angewendeten
Färbeverfahren. Doch ist das Färben des Chinagrases in so fern mit ungleich
gröſseren Schwierigkeiten verknüpft, als es sich darum handelt, die ihm
eigenthümlichen und ausgezeichneten Eigenschaften des Glanzes, der Geschmeidigkeit
und Festigkeit bei der Behandlung zu erhalten. Die Natur der Beizen und Farben
scheinen hierbei eine eingreifende Rolle zu spielen. Viele Mineralfarben, wie
Chromgelb und Orange, Eisenchamois u. dgl., entziehen der Faser ihren Glanz ganz und
gar. Schwefelcadmiumgelb gibt nach E. Blondel und H. Schmid ein hiervon ganz abweichendes Resultat. Man fixirt CdS durch
Tränken in CdN2O6
und Na2S2O3, Trocknen und Dämpfen; das Gelb, ausgezeichnet
durch seine Durchsichtigkeit und Lebhaftigkeit, thut der natürlichen Elasticität und
dem Glänze der Faser nicht den geringsten Abbruch.
Alizarinroth und Violett, mit Hilfe von Sulforicinat aufgefärbt, nehmen der Faser
allen Glanz weg. Nach Blondel wäre die Fettsäure Schuld
hieran. Wendet man hingegen anstatt Alizarin einen Anilinfarbstoff unter Benutzung
desselben Mordant an, so behält nach Renard die Faser
ihren Glanz; die schlechten mit Alizarin erhaltenen Resultate rühren daher eher vom
Farbstoffe selbst oder von den zahlreichen beim Färben nöthig werdenden Behandlungen
her, als von der geringen Menge fetter Stoffe. Die mit Catechu erzeugten Töne sind
gleichfalls glanzlos. Ebenso rauben Indigoblau, Blauholzschwarz und Grau der
Chinagrasfaser fast allen Glanz.
Anilin schwarz, auf kaltem Wege fixirt, gibt die besten Resultate. Von allen
Farbstoffen verhalten sich noch am günstigsten die vom Rosanilin sich ableitenden
und die Azofarbstoffe, indem sie dem Textilstoffe den Hauptglanz bewahren. Die Art
der Befestigung ist diejenige, welche für die Baumwolle üblich ist. Einige jener
Farbstoffe, z.B. Anilinviolett, scheinen selbst den Glanz der Faser zu erhöhen, was
einen besonderen, von der Befestigungsmethode unabhängigen Einfluſs des Farbstoffes
anzuzeigen scheint.
Durch einige Farbstoffe der Phtaleïngruppe, wie Eosin, Phloxin u.s.w., verliert das
Chinagras bei Anwendung von Bleioxyd als Beize seinen Glanz fast vollständig. Es
erscheint nach dem Färben trübe und schlecht, der Baumwolle ähnlich. Im Groſsen und
Ganzen ist zu bemerken, daſs die Chinagrasfasern beim Färben um so besser ihren
Glanz bewahren, je kleiner die Menge des fixirten Farbstoffes und je heller die
Färbung ist.
Färbt man Chinagras, anstatt nach dem Spinnen, gleich nach dem Rösten, indem man erst
nach dem Färben kämmt, so bleibt ihm sein Glanz vollständig erhalten. Die so
erhaltenen Fasern sind in letzterer Beziehung der Seide vergleichbar. Unter dem
Einflüsse der Drehung, welche die Fasern behufs ihrer Vereinigung zu webbaren Fäden
erhalten, vermindert sich der Glanz einigermaſsen; letzterer ist jedoch noch
merklich stärker als beim Färben des zuvor gesponnenen Chinagrases. Zugleich
verhindert man hierbei die Steifigkeit, welche diese Fasern annehmen, wenn man sie
nach dem Benetzen mit Wasser trocknet. Das Kämmen ertheilt durch die Trennung der
einzelnen Fasern dem Textilfabrikate den höchst möglichen Grad der Biegsamkeit.
A. Berthet, eine Autorität auf diesem Gebiete, hat
bestätigt, daſs es vortheilhaft ist, gleich nach dem Rösten zum Färben zu schreiten.
Die Faser ist schöner und glänzender und behält einen wolligen Griff. Die einzige
Schwierigkeit, welche mit dieser Aenderung des Verfahrens verknüpft ist, besteht in der
vollständigen, gleichmäſsigen Durchdringung der ganzen Dicke der Faser durch die
Farblösung, da die einzelnen Faserbündel oft ziemlich stark zusammenhängen. Es
möchte dies erleichtert werden, wenn man diese Fasern vor dem Färben einer
mechanischen Operation unterwürfe, dazu bestimmt, die einzelnen Bündel oder
Faserstränge zu öffnen, so daſs die Farbbäder leichter ins Innere dringen.
Blondel hat vorgeschlagen, um den durch die Arbeiten
beim Färben mehr oder weniger veränderten Fasern Durchsichtigkeit und Glanz
zurückzugeben, dieselben einem kräftigen Schlagen oder Stampfen (beetlage) zu unterwerfen; doch erfahrt die Faser
hierbei, obgleich sie ihren Glanz zum gröſsten Theile wieder annimmt, eine
unangenehme Veränderung der Form und Verplattung. Besser wäre vielleicht an Stelle
des Schlagens das Lüstriren, wie es für Seidenstränge üblich ist (vgl. sogen.
Chevillirmaschine 1879 234 * 26), anzuwenden.
Aber trotz der günstigen Einwirkung dieser mechanischen Mittel bleibt der Erfolg doch
noch von der Natur der auf der Faser abgelagerten Farbstoffe abhängig. So machen die
stets Fettsäure zurückhaltenden Alizarinroth, sowie die geseiften Farben im
Allgemeinen einen platten, unangenehmen Eindruck. Das Chromgelb verpappt die Faser,
welche trotz der nachfolgenden mechanischen Behandlung steif und wenig glänzend
bleibt. Die Indigo- und Berlinerblaufarben erhalten in Folge der besonderen Natur
der betreffenden Lacke durch das Stampfen ein sehr schönes Aussehen. Die chromirten
Catechu- und Blauholzfarben verhalten sich weniger unangenehm, als man aus dem
Umstände, daſs sie die Textilfasern überhaupt hart machen, zum Voraus zu schlieſsen
geneigt wäre. Die Blauholz- und Sumachgrau sind sehr glänzend. Methylenblau und
Anilinviolett zeichnen sich aus durch die Seide ähnliche Beschaffenheit der damit
gefärbten Fasern.
Zur Ermittelung des Grundes der Veränderungen, welche die Chinagrasfasern beim Färben
erleiden, untersuchte Blondel dieselben nach
vorhergegangener Benetzung mikroskopisch. Das gebleichte Chinagras gewährt einen
glänzenden, Seide ähnlichen Anblick. Das Kämmen macht die Fasern biegsam, indem sie
dieselben durch Spalten verfeinert, und die daraus gewobenen Stoffe sind elastisch
und glänzend. Tränkt man die Gewebe mit Wasser bis zur vollständigen Durchdringung
und trocknet in der Hänge zwischen 25 und 30°, so werden sie hart und verlieren
einen Theil ihres Glanzes.
Prüft man unter dem Mikroskope die nicht benetzten und benetzten und in angegebener
Weise getrockneten Fasern, so bemerkt man, daſs die ersteren durchsichtig sind und
nur einzelne Längsstreifungen zeigen. Legt man die ersteren kreuzweise über die
letzteren, so unterscheidet man beim Durchsehen die feinsten Einzelheiten der unten
liegenden Faser. In der benetzten Faser beobachtet man eine gegen die Mitte zunehmende körnige
AnsammlungDiese körnige Ansammlung ist nicht bemerkbar, wenn man bei hoher Temperatur
getrocknet hat. , welche die Ursache der verminderten
Durchsichtigkeit ist. Es scheinen dies wässerige, ziemlich bewegliche runde Körnchen
zu sein, welche sich durch Druck in der Richtung der Längsachse verschieben. Unter
stärkerem Drucke verschwinden die Kügelchen und die Faser nimmt ihre frühere
Durchsichtigkeit an.
Nach dem Färben beobachtet man je nach den beim Trocknen herrschenden Bedingungen
dieselben körnigen Bildungen, welche sich dem Drucke gegenüber in der gleichen Weise
verhalten. Was die mit Mineralfarben, z.B. Chromgelb, gefärbten Fasern anbelangt, so
findet sich deren Oberfläche mit einer pulverigen Ablagerung bedeckt, welche
Undurchsichtigkeit und Glanzlosigkeit bedingt.
Aus diesen Beobachtungen geht hervor, daſs, um der Chinagrasfaser den ursprünglichen
Glanz zu bewahren, das Färben in der Weise vorgenommen werden soll, daſs der
Farbstoff in den Poren der Faser vollständig verbunden sich ablagert und nicht bloſs
an der Oberfläche in Form unlöslicher Lacke; daſs ferner diese Fasern so vollständig
als möglich getrocknet und alsdann einem kräftigen Schlagen unterworfen werden
müssen, um die innere Körnerbildung, Ursache der Undurchsichtigkeit, zum
Verschwinden zu bringen.
Die Anwendungen des Chinagrases sind zahlreich in Folge seiner groſsen Festigkeit,
seines Glanzes und seines niedrigen Preises, welcher bedeutend unter demjenigen
schönen Leinens steht. Die Chinesen wenden zur Fabrikation der Schnüre, Seile und
Fischernetze kein anderes Material an als Chinagras, indem letzteres dem Verderben
durch Luft und Feuchtigkeit nicht unterworfen ist. Wegen seiner Festigkeit fertigen
sie daraus ihre gewöhnlichen Kleidungsstücke und sonstige Stoffe, welche mit der
Seide wetteifern; letztere sind bekannt als Cantoner
Seidenwaaren (Soieries de Canton). Das Chinagras kann zu allen Geweben
verwendet werden, vom feinsten Battist bis zu den gröbsten Zeugen, zu Hosen- und
Möbelstoffen, Sammt u.s.w., auch zur Tüll- und Spitzenfabrikation. Es läſst sich
sehr wohl mit der Wolle verarbeiten, schon beim Spinnen, gar beim Weben als Kette
oder Einschlag, ebenso mit Leinen, mit welchem es, Dank seinem Glänze, wirkungsvolle
Muster hervorzubringen gestattet. Unterwirft man es dem Gaziren und Lüstriren, so eignet es sich sehr
gut zum Verweben mit Seide als Kette oder Einschlag. Endlich ist noch die Verwendung
zur Fabrikation von Nähfaden, Schnüren, Posamenterieartikeln u. dgl. zu
erwähnen.
Das Chinagras wird zwar im Allgemeinen stets mehr als weiſser Faden, so wie ihn die
Spinnerei liefert, als im gefärbten Zustande zur Verwendung kommen; in Verbindung
mit Wolle und Seide jedoch wird der Fall eintreten, wo man ihm die für die
betreffenden Gewebe erforderlichen Färbungen zu ertheilen hat.
Obgleich seit langer Zeit bekannt, ist das Chinagras in Frankreich erst seit wenigen
Jahren Gegenstand ernster industrieller Anwendung geworden. Die Aufgabe rationeller
und praktischer Isolirung der Faser ist heutzutage gelöst; mehrere Spinnereien sind
entstanden und die Chinagraspflanzer brauchen nicht mehr zu befürchten, für ihre
Producte keinen Absatz zu finden. Es ist voraussichtlich anzunehmen, daſs der Bau
dieser Pflanze im mittäglichen Frankreich und in den Kolonien in wenigen Jahren eine
beträchtliche Ausdehnung gewonnen und eine blühende Industrie ins Leben gerufen
haben wird.Eine die Nesselfaser gründlich behandelnde Arbeit, angeregt durch das
Bestreben, auf die Vermehrung heimischer
Faserstoffproduction einzuwirken, ist kürzlich in zweiter sehr vermehrter –
und wir gestehen: auch sehr verbesserter –
Auflage erschienen: Ramie, Rheea, Chinagras und
Nesselfaser. Ihre Erzeugung und Bearbeitung als Material für die
Textilindustrie. Bearbeitet von Dr. Hermann
Grothe. 156 S. in gr. 8. Mit 46 Textabbildungen und 3 Tafeln.
(Berlin 1884. Julius Springer.)S.