Titel: | Ueber die Anwendbarkeit der Borsäure zur Conservirung von Speisen. |
Fundstelle: | Band 251, Jahrgang 1884, S. 170 |
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Ueber die Anwendbarkeit der Borsäure zur
Conservirung von Speisen.
J. Forster, über Borsäure zur Conservirung von Speisen.
Wie J.
Forster in den Berichten der deutschen
chemischen Gesellschaft, 1883 S. 1754 hervorhebt,
hängt die Anwendbarkeit der so genannten antiseptischen Stoffe zur Conservirung von
Speisen und Getränken nicht allein davon ab, in wie weit dieselben vom Menschen in den
Körper aufgenommen werden können, ohne daſs deutlich wahrnehmbare Wirkungen, welche
den Arzneimitteldosen derselben ähnlich sind, durch sie hervorgerufen werden,
sondern daſs der Verbrauch der genannten Stoffe als Zusatz zu Nahrungsmitteln
möglicher Weise auch eine Beschränkung erleiden kann, wenn die durch Conservesalze
haltbar gemachten Speisen im menschlichen Darme unter dem Einflüsse der ersteren
anders ausgenützt werden als die gewöhnlichen, nicht conservirten Speisen.
Es wurde nun in zwei Versuchsreihen der Einfluſs der Borsäure, wenn sie in kleinen
Dosen den täglichen Speisen zugesetzt wird, auf eine sogen, gemischte Kost und auf
eine Tagesnahrung, die ausschlieſslich aus Milch und Eiern bestand, festzustellen
gesucht und 3 Tage hindurch eine Nahrung verzehrt, in welcher in Form von Milch,
Brod, Fleisch, Gemüse u.s.w. täglich enthalten war: 475g,7 Trockensubstanz, 17g,33 Stickstoff,
140g,4 Fett. Es wurden von den durch den Mund
aufgenommenen Mengen von Trockensubstanz und dem in den verzehrten Speisen
enthaltenen Stickstoffe mit den Fäces wieder ausgeschieden:
Trockensubstanz
Stickstoff
1. Reihe.
1. Versuch,
ohne
Borsäure
12,4 Proc.
20,0 Proc.
2.
mit 3g
„
14,8
23,9
3.
ohne
„
14,2
22,5
2. Reihe.
1.
mit 1g,5
„
6,2
4,2
2.
ohne
„
5,2
3,1
3.
mit 0g,5
„
5,8
4,0
4.
ohne
„
4,6
3,0
Nach beiden Versuchsreihen kann es keinem Zweifel unterliegen, daſs die Aufnahme von
Borsäure als Zusatz zu den Speisen und zwar in Dosen, von denen allgemeine oder
pharmakodynamische Wirkungen auf den Menschen noch nicht hervorgerufen werden, einen
Einfluſs auf die menschlichen Verdauungsorgane ausübt. Dieser Einfluſs äuſsert sich
zunächst darin, daſs die Ausscheidung der Fäces, speciell der Trockensubstanz und
des Stickstoffes in denselben, wenn auch nur wenig, aber deutlich nachweisbar
vermehrt wird. Bemerkenswerth ist, daſs die Wirkung der Borsäure auf die
Darmentleerungen bereits bei einem Verbrauche von nur 0g,5 im Tage deutlich erkannt werden kann, daſs sie proportional der
aufgenommenen Menge der Säure ist, und endlich, daſs sie sich noch auf einige Zeit
nach der Unterbrechung der Borsäurezufuhr hin erstreckt.
Von Bedeutung ist dabei noch, daſs der Einfluſs der Borsäureaufnahme nicht allein bei
der aus pflanzlichen und thierischen Stoffen gemischten Kost, welche an sich bereits
viel unverdauliche Bestandtheile enthält, wahrgenommen werden kann, sondern auch bei
dem Genüsse von Milch und Eiern, welche nach den verschiedensten Erfahrungen – bis
auf einige wenige, den Verdauungssäften nicht zugängliche Stoffe – im menschlichen
Darme verdaut und resorbirt werden. Diese Wirkung kann darauf beruhen, daſs unter
dem Einflüsse der in den Darmkanal eingebrachten Borsäure eine gesteigerte Absonderung der
Verdauungsäfte stattfinde und daſs sonach die Trockensubstanz in den Fäces durch die
normalen Rückstände der etwas reichlicher gelieferten Darmsäfte vermehrt worden
wäre. Andererseits aber wäre es möglich, daſs von den verzehrten Speisebestand
theilen, speciell von den eigentlichen Nahrungsstoffen, wenn sie Borsäure haltig
sind, weniger im Darme resorbirt wurden, oder daſs sich diesen auf ihrem Wege durch
den Darmkanal feste Stoffe, z.B. Epithelien, von der Darmschleimhaut o. dgl. in
reichlicher Menge beimischten als normal und so die Menge der Fäces erhöhten. Die
ersterwähnte Wirkung könnte als eine günstige angesehen werden; in den beiden
letzten Fällen aber, bei verminderter Resorption oder bei vermehrter Abstoſsung
zelliger Elemente von der Schleimhaut des Verdauungskanales, wäre ohne Zweifel ein
nachtheiliger Einfluſs gegeben, der bei öfters wiederholtem oder ausdauerndem
Gebrauche der Säure allmählich üble Folgen haben müſste.
Es scheinen nun die Borsäurefäces an Wasser, Stickstoff, Asche, sowie an
Neutralfetten und freien Fettsäuren sich kaum oder nur wenig von den normalen Fäces
bei gleicher Nahrungszufuhr zu unterscheiden. Dagegen ist die Menge des Extractes,
welches mit Säure haltigem Alkohol aus den Borsäuremilchfäces erhalten wird und das
die Stickstoff haltigen Zersetzungsproducte der Verdauungssäfte (Galle) und
ursprünglich gebundene Fettsäuren enthält, entschieden gröſser als das gleiche
Extract der gewöhnlichen Milchfäces; zu gleicher Zeit ist aber auch die Menge der
Stickstoff haltigen Stoffe, welche in den verschiedenen Extractionsmitteln unlöslich
sind, in den gewöhnlichen Milchfäces geringer als in den Fäces, welche bei Zufuhr
von Milch und Eiern mit Borsäure erhalten wurden. Demnach würde die Aufnahme von
Borsäure mit den Speisen einerseits zu einer vermehrten Gallenabsonderung,
andererseits aber, was besonders wichtig ist, zu einer vermehrten Entleerung von
Eiweiſsstoffen, welche wohl zum gröſsten Theile von den aufgenommenen Speisen
stammen, aus dem Darmkanale führen. Diese letztere Wirkung auf den menschlichen Darm
muſs jedenfalls als eine nicht zweckmäſsige bezeichnet werden.
Danach würde die Borsäure sich nicht in dem Grade zur Conservirung von Speisen
eignen, als man meist anzunehmen geneigt ist. Insbesondere aber müſste man mit dem
Zusätze der Säure zu Milch, welche zur Ernährung von Kindern und namentlich von
Säuglingen verwendet wird, vorsichtig sein.