Titel: | Die Scheurer-Kestner'schen Versuche über die Verwendung der Steinkohlen im Dampfkesselbetriebe; von Ferd. Fischer. |
Autor: | Ferd. Fischer |
Fundstelle: | Band 251, Jahrgang 1884, S. 323 |
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Die Scheurer-Kestner'schen Versuche über die Verwendung
der Steinkohlen im Dampfkesselbetriebe; von Ferd. Fischer.
Fischer, über Verwendung der Steinkohlen im
Dampfkesselbetriebe.
Scheurer-Kestner ist so liebenswürdig, im Bulletin de Mulhouse, 1883 S. 627 und 628 (vgl. S. 329
d. Bd.) zu behaupten, ich hätte seine Arbeit nicht gelesen, jedenfalls aber das von
ihm angewendete Verfahren der Entnahme von Gasproben nicht verstanden.
Nach seinen Angaben im Bulletin de Mulhouse, 1868 * S.
211 und 215 benutzte Scheurer-Kestner zur Entnahme von
Gasproben ein enges Platinrohr, dessen Schlitz nur einige Zehntelmillimeter weit
war. Es wurde nun mit Hilfe einer Wasserluftpumpe einige Stunden hindurch
ununterbrochen ein Gasstrom angesaugt, von welchem durch Auslaufenlassen von
Quecksilber 0,4 bis 0,2 Proc. in eine Flasche abgesaugt wurden, um zur Analyse zu
dienen. Bei dieser Quecksilberflasche betrug der Druckunterschied gegen die äuſsere
Luft meist 2 bis 3mm Quecksilber; er stieg aber,
so bald der Schlitz anfing, sich zu verstopfen (vgl. 1870 196 * 29). Da zudem die saugende Wirkung der Wasserluftpumpe doch wohl
kaum gleichmäſsig gewesen ist, die Zugkraft des Schornsteines (vgl. Bulletin, 1868 S. 238) nicht gleichförmig war, die
Zusammensetzung
Nr. des Ver-suches
Kohlensäure
Kohlenoxyd
Kohlenstoff-dampf
Wasserstoff
Sauerstoff
Stickstoff
Somit über-schüssigeLuft
Höchste Tem-peratur derRauchgase
Auf 1qm
Rost-fläche stündl.verbrannteKohlen
Dauer derAspiration
Proc.
k
Stund.
1
13,08
0,83
–
–
4,84
81,25
23,04
–
45
2,5
2
7,73
0,41
–
–
11,42
80,44
54,37
–
–
3,5
3
14,03
0,94
–
–
2,82
82,21
13,42
–
–
4
4
13,80
–
0,86
1,06
5,53
78,75
26,32
–
–
1
5
8,62
–
0,14
0,53
10,83
79,88
51,42
–
45
8
6
13,21
–
0,52
1,08
5,27
79,92
25,09
–
–
8
7
8,23
–
0,04
0,52
11,35
79,86
53,78
94°
16,6
3
8
12,89
–
0,28
0,96
5,53
80,34
26,18
93,2
23
3
9
14,63
0,86
0,49
0,56
2,80
80,66
13,32
126
47
3
10
10,87
–
0,19
0,19
8,99
79,76
42,84
156
92,5
3 †
11
14,16
0,97
0,98
1,11
2,18
80,60
10,47
128
47
–
12
14,87
0,84
1,15
1,35
1,41
80,38
6,66
119
40
–
13
13,34
–
0,46
0,91
3,77
81,52
17,61
135
40
–
14
13,43
0,24
0,32
1,41
4,42
80,18
20,94
–
40
–
† Am Ende dieses Versuches wurde das Gasauffangrohr
rothglühend, während die abziehenden Gase höchstens 156° zeigten.
der Rauchgase aber sehr stark schwankte (vgl. Bulletin, 1868 S. 837 und 1869 S. 280), so kann von
einer wirklich zutreffenden Durchschnittsprobe nicht die Rede sein. Die
UntersuchungScheurer-Kestner ist entrüstet darüber, daſs ich
ihn an seine eigene Aussage im Bulletin, 1868
S. 314 erinnere: die gefundenen Zahlen für Wasserstoff und in geringerem
Grade für Kohlenstoff seien etwas zu hoch. der so gewonnenen
Gasproben gab die in vorstehender Tabelle ersichtlichen Resultate.
Die bei diesen Versuchen verwendete Kohle von Ronchamp hatte in runden Ziffern
folgende Zusammensetzung, welche den Berechnungen zu Grunde gelegt wurde:
Kohlenstoff
70,0
Wasserstoff
4,0
Sauerstoff
4,0
Stickstoff
1,0
Asche
21,0
–––––
100,0.
Scheurer-Kestner schlieſst daraus im Bulletin, 1868 S. 319, daſs sich in den abziehenden
Verbrennungsproducten die geringste Menge von brennbaren Gasen befinde, wenn über
10cbm Luft für je 1k Steinkohle (also etwa das doppelte der
theoretisch erforderlichen Menge) zugeführt werde. Diese doch nur für die
vorliegenden Versuche geltende Annahme ist offenbar die Veranlassung gewesen, daſs
noch jetzt irrthümlich behauptet wird (vgl. Schnirch
1882 245 358), es müsse überhaupt die doppelte Luftmenge
zugeführt werden, während es doch bei guten Feuerungen vortheilhafter ist, weniger
Luft zuzuführen (vgl. F. Fischer 1879 232 345. 1883 250 75). Diese
Versuche haben also zur Aufstellung falscher Ansichten
über Feuerungen geführt.
Der zu den Hauptversuchen verwendete 6m,6 lange
Kessel ist mit drei 7m,87 langen Siederohren und
sechs neben dem Kessel liegenden, ebenfalls 7m,87
langen Vorwärmröhren verbunden. Die Heizfläche des Kessels beträgt 12qm, die der Siederohre 28qm und die des Vorwärmers 71qm, die Rostfläche 1qm,61 (vgl. Bulletin de Mulhouse, 1869 * S.
244). Die Feuergase ziehen unter den Siedern nach hinten, dann im linken Zuge nach
vorn, im rechten nach hinten und treten schlieſslich in den Vorwärmer. Das
verwendete Speisewasser wurde gemessen, von den für die Versuche bestimmten Kohlen
wurden etwa 20000k abgewogen, hiervon etwa 100k getrennt, um in bekannter Weise die
Durchschnittsprobe zu nehmen.
Zur Feststellung des Verlustes durch die Rauchgase wurden nicht etwa in der
angegebenen Weise Proben genommen und analysirt, sondern es wurde ein von Sainte Claire-Deville vorgeschlagenes wagrechtes Rohr
in den Heizkanal eingeschoben, welches an der Oberkante mit einzelnen Oeffnungen
versehen war, so daſs, wenn man Wasser hindurchleitete, Gase angesaugt wurden,
welche man in einem etwa 50l fassenden Gasometer
aufsammelte. Fünf in dieser Weise gewonnene Proben hatten folgende
Zusammensetzung:
I
II
III
IV
V
Stickstoff
87,18
8,60
86,60
85,78
84,31
Kohlensäure
7,16
5,27
3,33
5,63
3,77
Sauerstoff
4,66
7,16
9,86
8,58
11,92
Scheurer-Kestner nimmt nun auf Grund der angegebenen 14
Analysen und der 6 Analysen von Rauchgasen aus Saarkohlen (vgl. Bulletin, Sitzungsbericht vom 24. Juni 1868) an, daſs
die Verbrennungsgase 1 Proc. brennbare Gase enthalten, so daſs bei 21 Proc.
Sauerstoff der atmosphärischen Luft folgende Zusammensetzung der Gase als wirklich
vorhanden angenommen wird (vgl. Bulletin, 1868 * S. 328
u. 1869 S. 273):
I
II
III
IV
V
Stickstoff
79,0
79,0
79,0
79,0
79,0
Brennbare Gase
1,0
1,0
1,0
1,0
1,0
Sauerstoff
4,1
7,3
9,6
7,8
11,2
Kohlensäure
15,9
12,7
10,4
12,2
8,8
Auf Grund dieser Annahmen, welche an kühner Combinationsgabe
nichts zu wünschen übrig lassen, wird nun weitergerechnet. Als Beispiel möge der im
April 1868 ausgeführte Versuch mit Friedrichsthaler Kohle (Saarbrücken) erwähnt
werden (Bulletin, 1869 S. 295 u. 347):
April
Ver-brannteKohle
Ver-dampftesWasser
Sauerstoffgehalt der Gase
Temperatur
höchster
niedrig-ster
Mittel
desWassers
desRauches
derLuft
1718212425
10639631010948955
68706000625060506500
11,1 9,1 10,213
13,5
5,8 6,15 6,3 9,3
10,0 8,0 8,1 8,710,7
10,0 9,810,011,011,0
121108113 98111
1820192224
Mittel
9,1
10,5
110
20,6
Demnach ergibt sich:
Gefundene Sauerstoffmenge
9,1 Proc.
Correction
2,3
–––––
Angenommener Sauerstoffgehalt
6,8
Daraus wird weiter geschlossen, daſs die Verbrennungsgase 12,2
Proc. Kohlensäure enthalten und daſs für je 1k
Kohle 10cbm,715 Stickstoff' und Luft nebst 1cbm,485 Kohlensäure entwichen sind. Diese
entsprechen einem Wasserwerthe von 3k,705 oder bei
101,4° Temperaturüberschuſs (in Wirklichkeit sind es nur 90,4°, 11° werden auf die
im Vorwärmer voraussichtlich zutretende Luft als Correction gerechnet) 372c. Ferner wird auf Grund der 20 Analysen angenommenDa die Durchschnittsprobe der bei obigem Versuche verwendeten Kohle eine
andere Zusammensetzung hat als diejenige, bei welcher die beiden Gasanalysen
gemacht wurden, so müssen diese doch wohl zu einer anderen Zeit ausgeführt
sein als dieser Verdampfungsversuch und können daher unmöglich für diesen
als maſsgebend betrachtet werden. , daſs 5,5 Procent des
Kohlenstoffes und 15 Procent des Wasserstoffes unverbrannt entwichen sind,
entsprechend 595c, daſs 1 Proc. Kohlenstoff im
Rauche entweicht, entsprechend 63c, und daſs durch
den Wasserdampfgehalt der Rauchgase 282c entführt
werden; somit:
Dampf
5013c
Gase
372
Brennbare Gase
595
Ruſs
63
Wasserdampf
282
–––––
6325c.
Die calorimetrische Bestimmung der Durchschnittsprobe ergab
8457c, so daſs 2132c oder 25,2 Proc. durch Leitung und Strahlung
verloren sind.
Die Verlustberechnungen stützen sich also lediglich auf
die Sauerstoffbestimmungen in den über Wasser aufgefangenen Proben (wie Scheuerer-Kestner dies bestreiten kann, ist mir völlig
unverständlich) und auf Annahmen und Voraussetzungen so kühner Natur, daſs sie sich
jeder ernsten Kritik entziehen.
In Bezug auf die sonstigen gegen mich gerichteten Bemerkungen Scheurer-Kestner's muſs ich ihm leider die Einbildung rauben, als ob ich
bei meinen an den verschiedensten Feuerungen
ausgeführten Versuchen und den auf Grund der gewonnenen Erfahrungen gemachten
kritischen Bemerkungen immer nur die Scheurer-Kestner'schen Versuche im Auge gehabt habe. Nachdem ich mich
überzeugt hatte, daſs die ganze Versuchsanordnung durchaus ungenügend und die
(übrigens nur an einem Kessel angestellten) Versuche zu
falschen Schlüssen führten, so habe ich lediglich auf die genannten Arbeiten
verwiesen, da sie nur noch historischen Werth haben.
Hätte Scheurer-Kestner nicht in solch anspruchsvoller
Weise (er wirft mir wiederholt mangelhaftes Verständniſs u. dgl. vor) seine Versuche
jetzt wieder als noch unerreicht mustergültig hingestellt, ich würde wahrlich kein
Wort weiter darüber verloren haben. So aber halte ich es für meine Pflicht, auf die
gewaltigen Mängel dieser Dampfkessel-Untersuchung aufmerksam zu machen und vor den
daraus gezogenen falschen Schlüssen zu warnen.
Die calorimetrischen Untersuchungen werde ich später
besprechen.