Titel: | Zur Bestimmung des Brennwerthes von Steinkohlen; nach Scheurer-Kestner. Erwiderung von F. Stohmann. |
Autor: | F. Stohmann |
Fundstelle: | Band 252, Jahrgang 1884, S. 73 |
Download: | XML |
Zur Bestimmung des Brennwerthes von Steinkohlen;
nach Scheurer-Kestner. Erwiderung von F. Stohmann.
F. Stohmann, zur Bestimmung des Brennwerthes der
Steinkohlen.
In einer vorzugsweise gegen die Münchener Heizversuchsstation gerichteten
AbhandlungBulletin de la Société industrielle de Mulhouse,
1883 S. 607 (vgl. D. p. J. 1884 251 278. 327). gedenkt Scheurer-Kestner auch meiner und sucht die von mir an
Hrn. Bunte gelieferten Resultate einer noch nicht
veröffentlichten Abhandlung zu bemängeln. Von dieser Arbeit kennt Scheurer-Kestner nichts als einige Zahlen; er weiſs
nichts von der von mir verwendeten Methode, er hat keine Kenntniſs von allen
Vorsichtsmaſsregeln, welche nicht auſser Acht gelassen sind, er steht meinen Zahlen
völlig fremd gegenüber und dennoch wagt er es, in der absprechendsten Weise zu
urtheilen, – weil meine Beobachtungen nicht mit seinen Resultaten übereinstimmen.
Wie weit ein solches Verfahren den guten Sitten entspricht, überlasse ich Anderen zu
beurtheilen. Ich werde mich unter solchen Umständen nicht dazu herbeilassen, Hrn.
Scheurer-Kestner auf diesen Theil seiner Arbeit
auch nur ein Wort zu entgegnen, sondern werde die betreffende Untersuchung demnächst
veröffentlichen und sehe dem Urtheile unbefangener Sachverständiger in Ruhe
entgegen.
Gleiches Stillschweigen kann ich mir dagegen nicht in Bezug auf einen weiteren
Abschnitt, welcher als Note F: Der calorimetrische Apparat
des Herrn Stohmann, der Originalarbeit angehängt ist, auferlegen, da dieser
auf einer von mir bekannt gemachten und daher zu vertretenden Abhandlung fuſst.
Scheurer-Kestner beginnt mit folgenden Worten: „Der
von Stohmann
gewählte und
verbesserte Apparat ist das Calorimeter Frankland's, welches wegen Ungenauigkeit von seinem Erfinder verlassen
ist.“ – Es charakterisirt den Kritiker, daſs in diesen wenigen Worten nicht
weniger als drei Fehler enthalten sind, denn: 1) habe ich nicht Frankland's Calorimeter verbessert, 2) hat Frankland nicht das von ihm benutzte Calorimeter wegen
Ungenauigkeit verlassen und 3) hat Frankland niemals
ein Calorimeter erfunden.
Dies geht deutlich aus Frankland's eignen Worten
hervorPhilosophical Magazine, 1866 Bd. 32 S.
183.: „Die Bestimmungen wurden mit einem vor einigen Jahren von
Lewis Thomson erdachten Calorimeter, dessen ich
mich wiederholt auch bei anderen ähnlichen Untersuchungen mit Befriedigung
bedient habe, ausgeführt.“
Das Calorimeter, welches ich für exacte Untersuchungen brauchbar gemacht habe, ist
daher das Thomson'sche und Frankland hat das alte Instrument nicht wegen seiner Ungenauigkeit
verlassen, sondern hat dasselbe bei allen seinen Untersuchungen benutzt. Die
Unbrauchbarkeit des Thomson'schen Calorimeters und die
Ungenauigkeit der mit demselben erhaltenen Resultate sind erst durch meine Untersuchungen erwiesen worden.
Indem ich auf die ausführliche Beschreibung meiner calorimetrischen MethodeJournal für praktische Chemie, 1879 Bd. 19 * S.
115 (vgl. 1879 234 * 394). verweise,
sei zum allgemeinen Verständnisse nur Folgendes erwähnt. Die in das feinste Pulver
verwandelte Substanz wird, mit chlorsaurem Kali gemischt, in einem Platincylinder,
der sich in einer von Wasser umgebenen Taucherglocke befindet, verbrannt; die durch
die Verbrennung und durch die Zersetzung des chlorsauren Kalis gebildeten Gase
durchströmen das Wasser und geben dabei ihre Wärme an dieses ab.
Erster Einwand des Hrn. Scheurer-Kestner:
„Die Verbrennungsgase durchströmen die Flüssigkeit, ohne daſs es möglich wäre,
ihre Temperatur festzustellen.“ – Wenn man ihn nicht schwarz auf weiſs
sieht, ist ein solcher Einwurf kaum faſslich. Da die ganze Methode auf der genauen
Messung der Wärme der Verbrennungsgase beruht, so ist es wohl selbstverständlich für
Jeden, der nicht absichtlich blind sein will, daſs man sich überzeugt hat, ob die
Wärme der Gase wirklich an das Wasser abgegeben wird. Die Methode würde völlig
unbrauchbar sein, wenn es, wie Scheurer-Kestner
behauptet, nicht möglich wäre, die Temperatur der entweichenden Gase zu messen. Zum
Glück gibt es hierzu ein einfaches Mittel. Man bringt ein Thermometer unmittelbar
über dem Spiegel des Wassers an. Schon Frankland hat
beobachtet, daſs das von den Gasen umspülte Thermometer stets die gleiche Temperatur
wie das im Wasser befindliche anzeige, und ich habe dies in vielfachen Beobachtungen
bestätigt gefunden.
Zweiter Einwand:„In diesem Apparate ist es unmöglich, die Asche der untersuchten Substanz zu
sammeln und zu wägen. Dieser Umstand würde genügen, um seinen Gebrauch bei der Untersuchung
von Steinkohlen zu verwerfen.“ – Genau mit dem gleichen Rechte könnte man
sagen: Die Ausführung der Elementaranalyse unter Verwendung von chromsaurem Bleie
ist bei Asche haltigen Substanzen nicht zulässig, weil man die Asche nicht sammeln
kann. Und doch bedient man sich dieser Methode mit Vorliebe bei der Analyse von
Asche haltigen Substanzen, ist sogar vielfach gezwungen, sie anzuwenden, um genaue
Resultate zu erhalten. Ebenso wie man es allgemein bei der Elementaranalyse in
diesem Falle macht, so verfahre ich auch bei der calorimetrischen Bestimmung. In
einer besonderen möglichst groſsen Probe wird mit aller Sorgfalt der Aschengehalt
ermittelt und die so gefundene Zahl in Rechnung gestellt. Das Verfahren, welches
dort allgemein angewendet wird, ist hier ebenso zulässig und gewährt gröſsere
Sicherheit als das von Scheurer-Kestner, bei welchem
die bei der Verbrennung im Calorimeter zurückbleibende Asche gewogen wird. Zu
welchen Resultaten das Scheurer-Kestner'sche Verfahren
führt, möge aus folgenden Zahlen des Bulletin de
Mulhouse, 1868 S. 720 sich ergeben: Die zweite Probe der Ronchamp-Kohle
ergab bei der Elementaranalyse einen Gehalt von 20,80 Proc. Asche. Dieselbe Probe
derselben Kohle hinterlieſs beim Verbrennen im Calorimeter bei der ersten Bestimmung
12,49 Proc., bei der zweiten Bestimmung 16,74 Proc., bei der dritten Bestimmung
14,74 Proc. Asche. Auſser Scheurer-Kestner wird wohl
Niemand glauben, daſs eine fein gepulverte, gut durchmischte Probe ein und derselben
Substanz Differenzen im Aschengehalte von mehr als 8 Proc. zeigen könne. Vielmehr
ist es sehr wahrscheinlich, daſs ein Theil der Asche durch den unmittelbar auf die
verbrennende Kohle blasenden Sauerstoffstrom und durch die sich lebhaft
entwickelnden Verbrennungsgase mechanisch fortgeführt und zu Verlust gegangen
ist.
Dritter Einwand:„Die mit diesem Calorimeter gemachten Operationen gelingen selten; Stohmann sagt selbst, unter 10 Versuchen fänden
sich manchmal 5, welche gut seien.“ Der Wortlaut meiner Beschreibung sagt
dagegen: „Die Zahl der auf Richtigkeit Anspruch machen könnenden Beobachtungen
reducirt sich demnach sehr- im günstigsten Falle darf man hoffen, unter 10
Versuchen 5 zu haben, welche unseren Anforderungen
genügen, aus denen eine Durchschnittszahl abzuleiten ist.“ – Dieser
Ausspruch lautet etwas anders, als Scheurer-Kestner
sagt. Wenn ich unter 10 Versuchen 5 habe, welche meinen Anforderungen genügen, so
gelingen darum die Versuche nicht selten, sondern ich verwerfe unter 10 Bestimmungen
5, welche nicht meinen Anforderungen entsprechen. Bei aufmerksamer Durchsicht meiner
Arbeit wird es Jedem klar werden, daſs diese meine Angabe in Beziehung auf das
Vorhergehende zu bringen und als das Gegensätzliche der Frankland'schen Angaben zu betrachten ist. Während Frankland jede Bestimmung, sei sie gut oder mangelhaft, gelten lassen
muſs, weil er keine Controle des Erfolges hat, so gehen
meine Anforderungen weiter und ich habe es durch eine
einfache Controle in der Hand, die weniger guten von den genauen Beobachtungen zu
sondern. Es ist dies ein Vorzug, nicht ein Mangel der Methode. Hieraus aber zu
folgern, „die mit diesem Calorimeter gemachten Beobachtungen gelingen
selten“, ist eine unverantwortliche Verdrehung des Sachverhaltes. Hätte Scheurer-Kestner, ehe er seine absprechende Kritik
ausübte, meine weiteren Veröffentlichungen abwarten wollen, so würde er erfahren
haben, daſs es uns inzwischen gelungen ist, durch richtige Auswahl des
Mischungsverhältnisses der Materialien, durch Zusätze von Substanzen, welche die
Verbrennung regeln, die Bestimmungen so sicher ausführen zu können, daſs ein
Miſsglücken nie mehr eintritt. Dies sei hiermit auch Anderen gesagt.
Vierter Einwand:„Der Apparat gestattet eine Analyse der Verbrennungsgase nicht.“ – Hiermit
hätte Scheurer-Kestner beinahe einen wunden Fleck
getroffen und ich gestehe, es hat mir dieser Umstand anfangs manche schwere Stunde
verursacht. Doch da man für einen erkannten Mangel bei einiger Mühe gewöhnlich
Abhilfe findet, so ist es mir gelungen, auch diesen Fehler zu beseitigen, indem ich
bereits vor 4 Jahren durch meinen damaligen Assistenten Dr. v. Rechenberg einen Apparat construiren lieſs, welcher die vollständige
Aufsammlung der Verbrennungsgase und die Bestimmung der wesentlichen Bestandtheile
derselben gestattet. Dies hätte Scheurer-Kestner
bekannt sein können, denn der Apparat ist längst beschrieben und abgebildet im Journal für praktische Chemie, 1880 Bd. 22 S. 244. Er
wird regelmäſsig von uns benutzt, nicht nur zur Controle der Menge der bei der
Verbrennung gebildeten Kohlensäure, sondern auch zur Nachweisung von Kohlenoxyd,
wenn solches vorhanden ist.
Fünfter Einwand:„Es ist zu bedauern, daſs der Werth des Apparates und der Methode nicht vorher
durch Verbrennen von Holzkohle geprüft worden ist.“ – Wenn Scheurer-Kestner das Erscheinen meiner Arbeit über die
Verbrennungswärme der Kohlen abgewartet hätte, so würde er gefunden haben, daſs ich
mich recht eingehend mit der Holzkohle beschäftigt habe. Um Hrn. Scheurer-Kestner hierfür den Beweis zu liefern, will
ich nur einen willkürlich gewählten Versuch anführen:
0g,231 Holzkohle lieferten bei
der Verbrennung 1759c. Im Controlapparate wurden
gefunden von 100 Kohle:
Kohlenstoff als CO2
86,9
Kohlenstoff als CO
11,5
Kohlenstoff
08,4
Für die Verbrennungswärme des Kohlenoxydes nehme ich dieselbe Zahl
wie Scheurer-Kestner 2403c.
11,5 Kohlenstoff entsprechen 26,8 Kohlenoxyd oder 644c. 0g,231 Kohle
hatten 1759c gegeben, folglich 0g,984 = 7493c.
Wir haben also
7493c
für verbrannten Kohlenstoff
644
für Kohlenoxyd
–––––
Zusammen
8137c.
Diese Zahl weicht von der von Favre und Silbermann gefundenen nicht zu sehr ab und steht den
Beobachtungen Scheurer-Kestner's ebenfalls nahe. Ich
lege aber gar keinen Werth auf dieselbe, da ich jede Verbrennung, bei welcher
Kohlenoxyd mehr als in Spuren gebildet wird, als unvollkommen betrachte und nur
solche Bestimmungen als maſsgebend anerkenne, bei denen der Kohlenstoff in
Kohlensäure verwandelt wird.
In Bezug auf die Umwandlung des Kohlenstoffes in Kohlensäure sind die einzelnen
Körper sehr verschieden. Alle organischen Verbindungen verbrennen leicht zu
Kohlensäure, ohne Kohlenoxyd zu liefern. Holzkohle, Koke und Anthracit verhalten
sich abweichend; die Verbrennungsproducte derselben enthalten stets reichliche
Mengen von Kohlenoxyd und es hat bislang nicht gelingen wollen, das letztere
vollständig zu verbrennen. Wenn ich nun auch mittels des Controlapparates im Stande
bin, die Menge des Kohlenoxydes zu bestimmen, so sehe ich doch davon ab und
betrachte jene Körper als für meine Methode nicht geeignete Materialien. Bei der
Verbrennung von Steinkohlen werden die im Controlapparate gesammelten Gase durch ein
mit Palladiumchlorür gefülltes Kugelrohr geleitet. Findet hier eine irgendwie
nennenswerthe Schwärzung statt, so wird der Versuch verworfen. Dies kommt jedoch nur
bei einzelnen wenigen, den Anthraciten nahestehenden Kohlen vor.
Meine Untersuchungen unterscheiden sich von denen Scheurer-Kestner's in einem wesentlichen Punkte. Ich bestimme den
Verbrennungswerth der angewendeten Stoffe, während Scheurer-Kestner den Verbrennungswerth der Producte der trockenen
Destillation der Kohlen ermittelt; denn anders ist ein Prozeſs, bei welchem bis zu
35 Procent vom Gewichte der verwendeten Kohle an Koke unverbrannt zurückbleiben,
nicht zu bezeichnen.
Sechster Einwand:„Die Berechnung der Correctionen ist sehr umständlich; sie ist daher mit mehr
Irrthümern behaftet, wie wenn die Correctionscoefficienten weniger zahlreich
sind.... Die Summe der Correctionen beträgt 1600 bis 1700c auf 1500 bis 5000c.“ – Nichts davon ist wahr. Die
anzubringenden Correctionen sind mit gröſster Leichtigkeit und Schärfe zu ermitteln
und beschränken sich im Wesentlichen auf den Abzug einer Constanten, welche auf
experimentellem Wege zu 602c gefunden wurde,
während die Berechnung für dieselbe 623c, mit
einer Abweichung von ± 18c, ergeben hatte. Aus der
wirklichen Correctionszahl 602 wird von Scheurer-Kestner durch ganz willkürliche Addition der bei der Berechnung
theils mit negativen, theils mit positiven Vorzeichen versehenen Zahlen der Werth
von 1600 bis 1700° herausconstruirt.
Wenn Scheurer-Kestner von der Gröſse der
Correctionszahlen reden will, so sollte er doch seine eigenen Versuche ins Auge
fassen. Seine Unités de Chaleur mesurées setzen sich
aus folgenden Beobachtungen zusammen: 1) Direkte Anzeige am Calorimeter, 2) berechneter
Wärmewerth der Kokes, 3) berechneter Wärmewerth des Kohlenoxydes, 4) berechneter
Wärmewerth des Wasserstoffes.
Wie weit diese berechneten Werthe die Beobachtung beeinflussen, möge aus folgendem
Beispiele erhellen:
Bei der zweiten Probe Ronchamper Kohlen werden als gemessene
Wärmeeinheiten 3191° aufgeführt. Diese gemessenen
Wärmeeinheiten haben folgenden Ursprung:
0,1495g
Kokes × 8080
=
1208c
0,032g
Kohlenoxyd × 2403
=
77
0,00027g
Wasserstoff × 34600
=
9
–––––
Also berechnet
1294c
Am Calorimeter gemessen
1897
–––––
So genannte gemessene
Wärmeeinheiten
3191c.
Wie weit Scheurer-Kestner hiernach berechtigt ist, mir
einen Vorwurf aus der Gröſse meiner Correctionen zu machen, überlasse ich dem Leser
zur Beurtheilung.