Titel: Ueber Hartguss-Panzergeschosse und Hartguss-Panzerungen; von G. Lucas.
Autor: G. Lucas
Fundstelle: Band 252, Jahrgang 1884, S. 381
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Ueber Hartguſs-Panzergeschosse und Hartguſs-Panzerungen; von G. Lucas.Nach einem Vortrage auf Grundlage der betreffenden Aufsätze des Ingenieurs Julius v. Schütz in den Neuen Militärischen Blättern im Dresdener Zweigvereine des Sächsischen Ingenieur- und Architektenvereins, mit Genehmigung der Verlagshandlung dem Civilingenieur, 1884 S. 81 entnommen. Mit Abbildung. Lucas, über Hartguſs-Panzergeschosse und Hartguſs-Panzerungen. Wenn ich mir gestatte, Ihre Aufmerksamkeit für kurze Zeit auf ein Gebiet zu lenken, welches uns im Allgemeinen ferner liegt, so glaube ich dies damit rechtfertigen zu können, daſs einmal die mit der Wehrkraft des Vaterlandes eng zusammenhängenden Vorrichtungen für jeden Bürger ein gewisses Interesse besitzen müssen und andererseits die Waffentechnik ein specieller Zweig unserer groſsen Wissenschaft ist, welcher die Gleichgültigkeit, mit der ihm nicht allein die Laien, sondern auch weitaus die Mehrzahl der Techniker gegenüber zu treten pflegen, durchaus nicht verdient. Wohl nur wenige Gebiete der Technik haben seit jeher, namentlich aber in den letzten Jahrzehnten eine so aufmerksame Behandlung von Seiten aller Nationen gefunden, wie das der Angriffs- und Vertheidigungsmittel für Kriegszwecke. Jahrhunderte lang schien das bereits in den ältesten Zeiten bemerkbare Ringen zwischen beiden endgültig zu Gunsten der Angriffswaffen entschieden, nachdem die Erfindung des Pulvers diesen das Uebergewicht verliehen hatte; erst in der Neuzeit lieſsen die groſsartigen Fortschritte der Technik Defensivmittel entstehen, welche aller Angriffe spotten zu können schienen. Naturgemäſs wurden derartige Vertheidigungsmaſsregeln zunächst für die gefährdetsten und des Schutzes am meisten bedürftigen Punkte ersonnen; die hölzernen Wandungen der Schiffe waren der Zerstörung durch jedes Eisengeschoſs ungeschützt ausgesetzt und hier war es, wo unser eisernes Zeitalter einsetzte und wo der Wettstreit neu begann. Panzerschiffe entstanden, deren eiserne Wandungen für die jeweilige Kraft der Geschosse undurchdringlich waren; Geschoſs- und Geschützconstructionen folgten, welche auch diese Eisen wände durchbohrten. Jede Verbesserung der Angriffswaffen rief nach kurzer Frist eine deren Wirkung ausgleichende Vervollkommnung der Vertheidigungsmittel hervor. Eine kurze Zeit schien es, als ob die gewalzten schmiedeisernen 610mm (24 Zoll engl.) starken Platten des Inflexible allen Angriffen trotzen könnten; doch auch diese mächtigen Panzerungen wurden besiegt: das Geschoſs der Krupp'schen 35cm-Kanone durchschlägt noch auf 1800m Entfernung den Inflexible-Panzer und die neuesten englischen Geschützconstructionen übertreffen diese Wirkung noch wesentlich. Der entbrannte Kampf zwischen Geschoſs und Panzerung tobt heute noch und wird immer heftiger, je mehr sich beide der Vollkommenheit nähern. Im Beginne des ausbrechenden Streites suchte man die verstärkten Panzerungen seitens der Offensive einfach durch stärkere Kaliber und gröſsere Pulverladungen zu überbieten; bald indessen erkannte man, daſs von wesentlichstem Einflüsse vor Allem die Eigenschaften des Geschoſsmaterials seien. Zwei Anforderungen sind es, welche an ein gutes Panzergeschoſsmaterial gestellt werden müssen: das Geschoſs muſs zunächst eine sehr groſse Härte besitzen, welche allein es befähigt, eine Panzerplatte ohne zu groſse eigene Deformation zu durchschlagen; diese Härte muſs aber gleichzeitig auch mit der genügenden Zähigkeit gepaart sein, da sie sonst statt des Durchschlagens des Panzers nur eine Zertrümmerung des Geschosses bewirken würde. Diese beiden nicht leicht zu vereinenden Haupterfordernisse eines guten Panzergeschosses führten zunächst zu der Verwendung des Guſsstahles, da dieser allein den zu stellenden Anforderungen wenigstens annähernd zu genügen schien, wenngleich auch er noch Mängel zeigte, welche namentlich in der bedeutenden Formänderung des Geschosses bei dem Durchschlagen einer Panzerung und der hierdurch beeinträchtigten Eindringungsfähigkeit desselben fühlbar wurden. Trotzdem konnte weder dieser Nachtheil, noch der sehr hohe Preis (160 M. für das Geschoſs der 24cm, 230 M. für das Projectil der 27cm-Kanone) die Verwendung der Stahlgeschosse beeinträchtigen, da kein anderes brauchbares Material vorhanden war. Da stellte im Anfange der sechziger Jahre H. Gruson in Buckau-Magdeburg dem preuſsischen Kriegsministerium das Anerbieten, für den vierten Theil des Preises der Guſsstahlgeschosse Projectile zu liefern, deren Leistungen die jener noch überträfen und zwar Geschosse aus Guſseisen, welches früher als jeder Verbesserung für diese Zwecke unfähig bereits aufgegeben worden war; allerdings Guſseisen in Form des in Guſsschalen erzeugten Hartgusses. Wohl kam man, wie kaum anders zu erwarten war, diesem Anerbieten zunächst mit dem äuſsersten Miſstrauen entgegen; wohl fielen auch die ersten Proben – namentlich in Folge der für Hartguſs unzweckmäſsigen, noch ellipsoidalen Form des Geschoſskopfes – nicht vollständig befriedigend aus; doch eine lange Reihe von Versuchen innerhalb der J. 1864 bis 1877, welche in umfassendster Weise auf verschiedenen preuſsischen Schieſsplätzen angestellt worden sind, hat die Ueberlegenheit des immer mehr verbesserten Hartguſsgeschosses über alle anderen Projectile bewiesen. Vom J. 1868 ab vermögen die englischen Palliser-Geschosse, vom J. 1874 ab auch die Guſsstahlgranaten nicht mehr mit den Hartguſsgeschossen zu concurriren, deren Durchschlagsfähigkeit sowohl, als auch deren Verlässlichkeit bezüglich der Regelmäſsigkeit des Explodirens diejenige der Stahlgeschosse übertrifft. Die Ueberlegenheit in ersterer Beziehung hängt eng zusammen mit den charakteristischen Eigenschaften des Schalen-Hartgusses. Wie bekannt, beruhen dieselben auf dem Vorhandensein einer stahlharten, durch schnelle Abkühlung hervorgerufenen Schicht von weiſsem Guſseisen auf einer zähen Unterlage von grauem Guſseisen, in welche die erstere allmählich übergeht. Gerade diese Eigenschaften aber befähigen den Hartguſs in seltener Weise zu seiner Verwendung als Panzergeschoſs; die Härte seiner Oberfläche schlieſst bei dem Durchschlagen einer Panzerung fast jede Formänderung aus und die Zähigkeit seiner unteren Schichten verhindert das Zertrümmern und Zerschellen des Geschosses bei dem Auftreffen auf die Schmiedeisen-Panzerung. Die Versuche haben nicht nur die Wahrheit dieser Behauptung bewiesen, sie haben auch überzeugend das Vorhandensein des in zweiter Linie angeführten Vortheiles dargethan. Die Entzündung der Sprengmasse tritt bei dem Durchschlagen der Panzerung bei den Hartguſsgranaten regelmäſsiger ein als bei den Guſsstahlgranaten und die sprödere Hartguſsgranate springt bei dem Explodiren in eine gröſsere Anzahl Theile als das zähe Guſsstahlgeschoſs, wirkt also viel zerstörender als das letztere. Diese wesentlich gröſsere Sprengwirkung wird, verbunden mit dem bedeutend niedrigeren Preise, voraussichtlich der Hartguſspanzergranate den Vorzug vor den Guſsstahlpanzergeschossen selbst dann sichern, wenn sich die Durchschlagskraft der letzteren durch verbesserte Fabrikation über diejenige der Hartguſsgranaten stellen sollte, wie dies nach den jüngsten englischen Versuchen mit Withworth's Stahlgranaten der Fall zu sein scheint. Die gröſsere Regelmäſsigkeit in der Entzündung ist eine Folge der Vorgänge, welche die Explosion der Ladung im Gegensatze zu den gewöhnlichen, mit Schlag- oder Zeitzündern versehenen Projectilen bei den Panzergeschossen ohne besondere Zündvorrichtung bewirken. Früher nahm man allgemein an, daſs die Entzündung der Geschoſsladung eine Folge der Wärmeentwickelung sei, welche sich bei dem Durchschlagen eines Panzers in Folge der eintretenden Formänderungen und Molekularverschiebungen erzeugt. Für die Guſsstahlgranaten scheint diese Annahme auch richtig zu sein, da man bei denselben beobachtet hat, daſs ihr Zerspringen nicht nach dem Durchschlagen der Panzerungen, sondern im Augenblicke des Durchdringens, also zur Zeit der stärksten Deformation, d.h. im Augenblicke der gröſsten Hitze erfolgt; für die Hartguſsgranaten hat sich dieselbe indessen in Folge von Erfahrungen, welche man über das Verhalten derselben sammelte, als eine irrige herausgestellt. Das Hartguſsgeschoſs gibt bei dem Durchschlagen eines Panzers die Hauptsumme der geleisteten mechanischen Arbeit an den Panzer ab; es erleidet selbst nur eine sehr unbedeutende Formänderung und bleibt deshalb auch, wie durch Versuche nachgewiesen worden ist, mit Ausnahme eines Theiles der Spitze, fast vollkommen kalt, während sich der Panzer in einem solchen Grade erhitzt, daſs auch bei nicht geladenen Granaten häufig eine Entzündung der Holzhinterlage stattfindet. Trotzdem explodiren die Hartguſsgranaten mit absoluter Regelmäſsigkeit; es bleibt also nur die Erklärung übrig, daſs die Reibung, welche die Ladung in der Sprengkammer bei dem Durchschlagen erleidet, die zur Entzündung nothwendige Wärme entwickelt. Im Anfange der Bewegung eines Geschosses drückt sich die Ladung an den Boden desselben an; in dem Augenblicke, wo dasselbe auf das Ziel auftrifft, schnellt die Pulverladung in den vorderen, scharf kegelförmigen Theil der Sprengkammer und erhitzt sich durch Reibung an den Wänden der Kammer, sowie durch Verdichten derartig, daſs sich das Pulver regelmäſsig entzündet. Der Beweis für die Richtigkeit dieser Erklärung wurde einfach dadurch geführt, daſs man den vorderen Theil der Sprengkammer einer scharf geladenen Granate mit Watte ausfüllte, worauf nach dem Durchschlagen ein Explodiren nicht erfolgte. Bei den Guſsstahlgranaten ist diese Reibung allerdings auch vorhanden, doch nicht in so hohem Grade wie bei den Hartguſsgeschossen, weil einestheils deren Kammer nicht so spitz zulaufend und anderentheils, weil ausgedreht, nicht so rauh ist; auſserdem bewirkt bei denselben die mit ihrer starken Formänderung unausbleiblich verbundene hohe Erhitzung eine frühzeitigere Entzündung, als dies die Reibung erzielen würde; daher explodiren, wie bereits erwähnt, die Guſsstahlgranaten meist im Augenblicke des Durchschlagens, während sie noch im Panzer stecken, also nicht zur vollen Sprengwirkung gelangen können, die Hartguſsgranaten regelmäſsig erst nach dem Durchschlagen der Panzerung und der Holzhinterlagen; denn ehe sich die Ladung so fest in die Spitze einpreſst, daſs sie sich entzündet, vergeht immer ein gewisser kleiner Zeitraum, in welchem die Granate inzwischen Panzer und Hinterlage durchdringt. Hat so der Hartguſs auf dem Gebiete der Angriffsmittel zur Zeit die erste Stelle unter allen concurrirenden Materialien errungen, so ist der gleiche Erfolg auch für einen Theil des Bereiches der Vertheidigungsvorrichtungen zu verzeichnen. Die neue Epoche für letztere begann, wie bereits in der Einleitung bemerkt worden ist, als es gelang, walzeiserne Platten so stark und so groſs darzustellen, daſs dieselben, rasch in ihren Stärken wachsend, zu Schiffspanzerungen Verwendung finden konnten; das Walzeisen feierte seine höchsten Triumphe, als es glückte, nicht allein Schiffspanzer, sondern auch Batterien, Thürme und ganze Forts aus diesem Materiale herzustellen. England gebührt das Verdienst, Millionen nicht gespart zu haben, um durch zahllose Versuche die besten Constructionen ausfindig zu machen. Dieselben hatten bereits im J. 1871 einen solchen Grad von Vollkommenheit erreicht, daſs auch das preuſsische Kriegsministerium bereit war, dieses System der Walzeisenbefestigungen aufzunehmen, obgleich die Verwendung des Walzeisens zu Vertheidigungszwecken ein offenes Eingeständniſs der Ueberlegenheit der Angriffswaffen war. Den stahlharten Hartguſsgranaten gegenüber verzichtete man darauf, die Vervollkommnung der Panzer, als deren Ideal doch unbedingt eine unzerstörbare Wandung zu betrachten ist, welche allen Angriffen zu trotzen vermag, in der Verminderung der Eindringungstiefe der Geschosse zu suchen; man richtete vielmehr alle Bestrebungen darauf, den verderblichen Wirkungen eines Treffers bestimmte Grenzen anzuweisen und durch eine möglichst zähe, aber weiche Masse nur unberechenbaren Sprüngen und Rissen des Panzers vorzubeugen. Durch Annahme dieses Constructionsprinzipes fügte man sich seitens der Vertheidigung nothgedrungen in die Ueberlegenheit eines nachdrücklichen Angriffes und entfernte sich durch die weitere Vervollkommnung desselben immer mehr von dem Ideale eines Panzers. Die Möglichkeit einer gröſseren Anzahl Treffer auf einen Punkt wurde hierbei als unwahrscheinlich auſser Betracht gelassen, was für Schiffspanzerungen und Küstenbefestigungen angängig sein mag, indessen die Walzeisenpanzer für Binnenbefestigungen untauglich werden läſst. Auſser dieser Schwäche im Prinzipe der Construction haften den Walzeisenpanzern (immer die Schiffspanzerungen ausgenommen) indessen auch noch verschiedene Mängel an, welche in der durch das Material bedingten Ausführungsart begründet sind. Zunächst erreicht der Versuch, höheren Anforderungen durch gröſsere Stärken zu entsprechen, bald seine praktische Grenze, welche durch die auſserordentlich rasch zunehmenden Fabrikationsschwierigkeiten bedingt ist. Auſserdem gestattet die Art der Herstellung nur die Anfertigung von Platten mit durchgehends gleicher Stärke – ein Umstand, der an manchen Stellen bedeutende Materialverschwendung verursacht – und erlaubt auch nur, den Thürmen eine cylindrische Gestalt zu geben, welche, vom Standpunkte der möglichsten Ausnutzung des Raumes betrachtet, unvortheilhaft ist und schwere Deckenconstructionen veranlaſst, deren Verbindung mit den Thurmwänden ebenso wie die aller einzelnen Platten unter einander durch Schraubenbolzen erfolgen muſs, welche nicht allein die Platten schwächen, sondern auch gegen Absprengen nur mangelhaft gesichert sind und für die Bedienungsmannschaft verhängniſsvoll werden können. Diese nicht zu übersehenden Fehler der Panzerconstructionen aus Walzeisen waren ein fortwährender Antrieb, auf Mittel zu sinnen, auch die Vertheidigungsfähigkeit den gesteigerten Angriffsmitteln entsprechend zu erhöhen. Gelang dies auch nicht für die Vorrichtungen zum Schütze der Kriegsflotte, so glückte es doch für die Zwecke der Küstenvertheidigung und der Binnenbefestigungen, und zwar war es auch auf diesem Gebiete das Gruson'sche Metall, welches die Panzerconstructionen für diese Zwecke in vollständig neue Bahnen lenkte. Dieselben charakteristischen Eigenschaften, welche den Hartguſs in Geschoſsform so ausnehmend geeignet zur Zerstörung der Panzerungen erscheinen lassen, sind auch wiederum die Ursache seiner vorzüglichen Verwendbarkeit zu der Herstellung der Panzer. Allerdings wird bei der Construction der Hartguſspanzer von einem Prinzipe ausgegangen, welches dem für die Walzeisenpanzer maſsgebenden vollständig entgegengesetzt ist; nicht in der Lokalisirung der Wirkung des Treffers innerhalb möglichst eng gezogener Grenzen liegt der Schwerpunkt der Verteidigung, sondern in der Paralysirung derselben, welch letztere einestheils durch die auſserordentliche Härte der Panzeroberfläche, anderentheils durch die Zähigkeit der Unterlage und die Vertheilung der Geschoſswirkung auf eine groſse Fläche und eine möglichst groſse Masse erzielt wird. Das letztere ist nur erreichbar bei Verwendung von Guſseisen und sind alle Vorzüge, welche in der Eigenart des Metalles begründet sind, in den Gruson'schen Panzerconstructionen auf das Vortheilhafteste ausgenutzt worden. Die Platten haben eine doppeltgewölbte Form erhalten, welche sich im senkrechten Schnitte einem Ellipsenquadranten nähert; die einzelnen, in jeder beliebigen Form und Gröſse herstellbaren Platten stützen sich gewölbeartig an einander und bewirken durch diese Lage, in welcher sie lediglich durch ihr Gewicht ohne weitere Verbindungsbolzen festgehalten werden, daſs die Wirkung des Schusses nicht allein von einer Platte, sondern von einer Plattengruppe aufgenommen wird. Im J. 1868 wurde der erste Schieſsversuch gegen Hartguſs-Panzerplatten von Batterien und Thürmen angestellt, welchem bis 1874 vielfach andere folgten, die sämmtlich deutlich bewiesen, daſs Hartguſs zur Zeit und voraussichtlich auf immer das zu Panzerungen für Küstenvertheidigung und im Binnenlande geeignetste Material ist. Aus den Specialergebnissen der einzelnen Versuche sollen nachstehend nur einige angeführt werden, um ein Bild darüber zu geben, welchen riesigen Stoſswirkungen die Panzerungen zu widerstehen haben. Zur Erläuterung muſs vorher bemerkt werden, daſs die Anfangsgeschwindigkeiten der Panzergeschosse zwischen 425 und 444m in der Secunde wechseln und das Gewicht eines Geschosses aus einer 15cm-Kanone bei 36cm Länge rund 30k, aus einer 21cm-Kanone bei 50cm Länge 90k, aus einer 24cm-Kanone bei 60cm Länge rund 120k beträgt und sich bei einer 32cm-Kanone (85cm lang) auf 350k, bei einer 40cm-Kanone (72t-Geschütz von Krupp) auf 830k steigert. Bei einem Versuche wurde eine Fläche von nur 0qm,223 einer Frontplatte mit 10 Schüssen einer 21cm-Kanone aus 377m Entfernung belegt, welche eine Arbeit von 8261mt übertrugen (auf 1qm demnach 38000 Meter-Tonnen). Selbst bei diesen, in der Wirklichkeit nie vorkommenden, ganz abnormen Verhältnissen gelang es erst nach dem 10. Schusse, die Ablösung eines Theiles der Panzerplatte zu bewirken, nachdem sich allerdings schon vorher einige Risse gezeigt hatten. Bei einem weiteren Schieſsversuche gegen einen von Gruson zu diesem Zwecke zur Verfügung gestellten Drehthurm gelang es, die eine Schartenplatte desselben mit 288 Schüssen aus 15 und 17cm-Geschützen mit einem Gesammtgehalte der lebendigen Kraft von 62110mt zu belegen. Trotz dieser auſserordentlichen Beanspruchung war die Platte, wenngleich sie einen Riſs erhalten hatte, noch keineswegs breschirt, vielmehr noch vollkommen vertheidigungsfähig, der Thurm selbst noch vollkommen drehbar und bewegungsfähig. Beschieſsungen mit der 28cm-Kanone aus 750m Entfernung ergaben bei den ersten zwei Schüssen gar kein Resultat, bei den folgenden feine Risse; selbst nach dem 19. Schusse war die Platte, wenngleich durch Abblättern und Erweitern einiger Risse unansehnlich geworden, noch vollständig dienstfähig. Durch die sämmtlichen Schieſsversuche wurde zunächst auf das Deutlichste die auſserordentliche Härte des Materials nachgewiesen, eine Härte, an welcher die sämmtlichen aufprallenden Geschosse abglitten und zerschellten, mochten sie nun unter rechtem oder spitzem Winkel aufschlagen; kein einziges hinterlieſs einen merkbaren Eindruck oder eine Vertiefung, nur glätter erschienen die Aufschlagstellen nach dem Schusse. Die vernichtende Gewalt des Geschosses kehrt sich bei dem Hartguſspanzer gegen das Geschoſs selbst, ein groſser Theil der lebendigen Kraft des Projectiles wird von den weit umher geschleuderten Geschoſstrümmern aufgenommen. Deutlich trat ferner auch die günstige Wirkung der weichen Unterlage unter der harten Oberfläche hervor; erst ein wiederholtes Beschieſsen lieſs Risse im Panzer entstehen und erklärt sich die verhältniſsmäſsige Wirkungslosigkeit dieser gewaltigen Stöſse in der Hauptsache durch die groſse Elasticität des Materials, welche den Stoſs vom Treffpunkte auf die ganze Masse überträgt und die Wirkung des Geschosses in ungefährliche Schwingungen der Platte umsetzt. Vorzüglich bewährte sich die gewählte Kugelform der Platten, indem dieselbe nicht nur das Abgleiten der nicht unter rechtem Winkel aufschlagenden Projectile begünstigte, sondern auch in Folge des Bestrebens des Materials, immer möglichst in radialer Richtung zu springen, ein Hineinschleudern der losgetrennten Stücke in das Innere des Thurmes verhinderte. Das riesige Gewicht und die Dicke der Platten erwies sich ebenfalls als ein weiterer Vorzug; auch vollständig abgetrennte Theile wurden in Folge ihres groſsen Gewichtes durch fortgesetztes Feuern nicht aus ihrer Lage gebracht, so daſs für die Mannschaft im Inneren fast absolute Sicherheit vorhanden ist. Gegenüber diesen vorzüglichen Eigenschaften des Hartguſspanzers, zu welchen sich noch der Umstand gesellt, daſs derselbe sich bedeutend billiger stellt als die Kosten des Walzeisenpanzers, treten die Vorzüge des letzteren sehr zurück; sie beschränken sich auſser seiner etwas gröſseren Widerstandsfähigkeit gegen Mörserfeuer in der Hauptsache nur darauf, daſs es möglich ist, seine Abmessungen annähernd theoretisch zu bestimmen, während die Grundlagen für die erforderlichen Maſsverhältnisse beim Hartgusse nur auf empirischem Wege gefunden werden können, und, was allerdings sehr wesentlich, auf die Verwendbarkeit des Walzeisens zu Schiffspanzerungen, für welche bei dem heutigen Stande der Schiffsbaukunst der Hartguſs noch nicht benutzbar erscheint. Die Verwendung der Hartguſs-Panzerplatten erfolgt nun entweder in der Form einfacher Schilde als Ersatz des Erdwalles für einzelne Geschütze, oder in Gestalt von ungedeckten oder gedeckten Batterien, oder endlich in höchster Vollendung in der Vereinigung zu Panzerdrehthürmen. Die gedeckten Batterien bestehen für jedes Geschütz aus einer Schartenplatte, die sich auf eine so genannte Pivotplatte aufsetzt und seitlich an zwei Pfeilerplatten, deren jede zwei benachbarten Geschützständen gemeinschaftlich ist, anlehnt, während der Schutz gegen Bogenschüsse durch Deckplatten bewirkt wird, welche sich auf Scharten- und Pfeilerplatten verbandartig aufsetzen und an der Rückseite auf Mauerwerk ruhen, an welches sich Kasematten an-schlieſsen. Die Stoſsfugen der einzelnen Platten sind glatt abgefräst und mit einer Rinne versehen, welche bei der Montirung mit Zink ausgegossen wird. Eine weitere Verbindung ist bei der Gröſse der einzelnen Platten, die durchschnittlich 3m,25 lang, 2m,2 hoch und 0m,78 stark sind und etwa 37500k, die Pfeilerplatten sogar 42500k wiegen, überflüssig. Die erwähnte Pivotplatte enthält den Pivotzapfen der Lafette, welche bei den für Panzerungen zur Verwendung gelangenden Geschützen nach Gruson'scher Erfindung durchgängig so construirt ist, daſs der Pivotpunkt (Drehpunkt des Geschützrohres) an der in der Scharte befindlichen Rohrstelle liegt. Hierdurch wird die Schartenöffnung auf das kleinste Maſs beschränkt und auſserdem zum gröſsten Theile durch die Rohrmündung verdeckt, so daſs ein Eindringen von Geschoſssplittern durch den verbleibenden kleinen Raum in das Innere des Panzers auch ohne besondere Schartenblende nicht möglich ist. Erfordert der besondere Zweck einer Panzeranlage gröſsere Ausschlagswinkel der Geschoſsbahnen in der Horizontalebene, als sich bei stabilen Batterien mit Bequemlichkeit erreichen lassen, so wendet man Drehthürme an. Die kugelsegmentförmige Kuppel eines solchen ruht, wie die umstehende Skizze zeigt, auf dem oberen Theile eines aus Blechen, I-Trägern und Winkeleisen zusammengenieteten Gitterringes, der in seinem unteren Theile auf eingehängten Querträgern die Lafetten trägt und sich mittels eines Kranzes loser, mit entsprechenden Flanschen versehener conischer Rollen auf einer durch angebrachte eiserne Rippen in das gemauerte Fundament eingreifenden, ⊓-förmig gestalteten Rollbahn dreht. Gegen die Wirkung der Geschosse ist dieser Unterbau durch einen sich auf Quader- und Betonblöcke aufsetzenden Vorpanzer geschützt, welcher aus einem Ringe gewölbter Panzerplatten besteht, der je nach dem Bedürfnisse um einen gewissen, groſsen oder kleinen Theil des Thurmumfanges geführt ist. Die Anordnung eines Systemes loser Rollen ohne festen Drehpunkt als Mittel zur Drehung gestattet die Benutzung des ganzen Innenraumes und vor Allem die Einführung der Geschütze in den Thurm von unten her. Diese Möglichkeit wiederum bietet den ganz wesentlichen Vortheil, etwa beschädigte Geschütze unter dem Feuer der feindlichen Kanonen ohne Gefahr auswechseln zu können. Bei den englischen und belgischen Constructionen muſs ein solches Geschütz sammt Lafette (zusammen bis 60000k schwer) von auſsenher in den Thurm gebracht werden; es ist daher, da die Ausführung dieser Arbeit unter dem Feuer feindlicher Geschütze nur schwer zu bewirken sein dürfte, möglich, einen solchen Panzerthurm vollständig zum Schweigen zu bringen. Textabbildung Bd. 252, S. 386 Der eigentliche Thurm, die Kuppel des Hartguſs-Panzerthurmes, hat wie bereits erwähnt, eine einer Kugelcalotte ähnliche Form, durch welche eines-theils der Raum möglichst ausgenutzt und die Verbindung der einzelnen, sich durch ihre Schwere im Gleichgewichte haltenden Platten durch Bolzen oder Schrauben überflüssig wird, anderentheils der Stoſs des Geschosses auf die ganze Thurmmasse übertragen und das Abgleiten der aufschlagenden Geschosse befördert wird. Die einfache Deckenconstruction besteht bei groſsen Thürmen aus 3 Theilen, 2 Halbringen und einer mittleren gewölbten Scheibe, bei kleinen nur aus letzterer. Die Drehung des Thurmes wird durch einen auf der oberen Rollbahn angebrachten Zahnkranz ermöglicht, in welchen ein Getriebe auf senkrechter Welle eingreift; dieses Getriebe wieder wird mittels entsprechender Uebertragungen durch Maschinen- oder, wie neuerdings vorgezogen wird, durch Menschenkraft in Bewegung gesetzt. Die Menschenkraft genügt vollständig; die Thurmmasse im Gewichte von etwa 550000k folgt mit gröſster Leichtigkeit dem Antriebe von einem Gangspille aus, welcher in einem Räume der unter dem Thurme befindlichen Kasematten aufgestellt ist. 2 Mann genügen, die Drehung einzuleiten, einer sie fortzusetzen, 8 Mann drehen den Thurm in 7 Minuten um 360°. Die Drehung kann so genau erfolgen, daſs eine weitere Einstellung des Geschützes durch die Lafettenschwenkung entbehrlich wird.Neuerdings hat Hermann Gruson in Buckau-Magdeburg Patentschutz erlangt auf eine gepanzerte Minimalscharten-Lafette (* D. R. P. Kl. 72 Nr. 25377 vom 17. Februar 1883) bezieh. auf eine Höhenricht-Vorrichtung für Minimalscharten-Lafetten (* D. R. P. Kl. 72 Nr. 26031 vom 30. März 1883).Red. Die nöthigen Befehle für die Drehung des Thurmes erfolgen mittels Sprachrohres von einem Ausguckposten bezieh. von dem Commandeur, welcher, auf einer Treppe stehend, zu einer Oeffnung der Decke hinauslugt und mit Hilfe eines auf dem Thurme angebrachten Visires die allgemeine Richtung der Geschütze bestimmt, worauf dieselbe durch Einschwenken der Lafetten genauer fixirt wird. Zum Hantiren mit dem Geschütze genügt das durch Scharten und Ausgucköffnung in das Innere des Thurmes eindringende Licht, dessen Wirkung noch durch einen weiſsen Anstrich des Thurminneren gehoben wird, entgegen allen vorherigen Vermuthungen, vollständig. Schallwirkung und Gase, deren nachtheilige Einwirkungen man gleichfalls anfänglich als sehr bedeutend vorhersagte, verursachten der Mannschaft keinerlei Unannehmlichkeiten; erstere wirkt bei der engen Scharte dermaſsen nach auſsen, daſs die Mannschaft bei Versuchen sogar die Watte aus den Ohren entfernte, und die Gase ziehen, auch bei fortgesetztem Feuern, durch Scharte und Vorraum überraschend schnell ab. Ausgeführt sind derartige Panzerdrehthürme entweder für zwei 15cm-Geschütze oder für ein oder für zwei 28cm-Geschütze. Der Zahl und dem Kaliber der Geschütze entsprechend variirt der lichte Durchmesser eines Thurmes in den Abmessungen 5200, 7880, 8260mm mit entsprechenden radialen Stärken der Schartenplatten von 700, 770 und 850mm, bei einer Höhe der Scharten platten von ungefähr 2000mm. Ein Thurm von 8260mm lichtem Durchmesser, wie solche an der Wesermündung aufgerichtet worden sind, besteht aus 9 Platten, von denen die zwei Schartenplatten je 32500k, die anderen je 27500k wiegen. Aus einem Thurme mit zwei 15cm-Geschützen konnte bei einem Versuchsschieſsen alle 2 bis 3 Minuten ein Schuſs abgegeben werden, eine Schnelligkeit, wie sie in einer offenen Batterie kaum gröſser sein kann, und ein Beweis dafür, daſs der Rauminhalt des Thurmes für die aus dem Commandeur und 4 Artilleristen bestehende Bedienungsmannschaft vollständig ausreichend ist. Die Hinaufschaffung der in Magazinen unter dem Thurme lagernden Geschosse erfolgt mittels eines Aufzuges, die Beförderung vor das Ladeloch mittels eines Krahnes. Die riesigen Abmessungen, in denen die Panzerplatten hergestellt werden müssen, bedingen natürlich gleich kolossale Verhältnisse in allen zur Herstellung und zum Fortschaffen der Platten nothwendigen Vorkehrungen. So sind z.B. die Formgruben, in denen die bis zu 50000k schweren Platten gegossen werden, 7 bis 8m tief und liegen innerhalb einer Halle von 150m Länge, 20m Breite und 13m lichter Höhe, welche in ihrer ganzen Ausdehnung von hydraulischen Krahnen bestrichen wird, deren Tragfähigkeit etwa 100000k beträgt und mittels deren auch die ungefähr das 1½ fache des Panzergewichtes wiegenden Guſsschalen in die Grube gesenkt werden. Die Herstellung dieser Schalen erfolgt nach genauen Gypsmodellen der künftigen Panzer, auf Grund deren die Schalenmodelle geschaffen werden. Kaum geringere Schwierigkeiten als die Fabrikation verursacht auch der Versand und die Aufstellung der Panzerplatten. Es wurde nothwendig, für die Versendung derselben besondere Eisenbahnwagen zu construiren; für die Anlage der Panzerthürme in Metz muſste eine Straſsenlocomotive, für die Anlagen an der Wesermündung ein besonderes Transportschiff beschafft werden, ganz abgesehen von den hydraulischen Krahnanlagen, welche an Ort und Stelle behufs Ausführung des Aufbaues vorhanden sein müssen. Der Schalen-Hartguſs hat, wie aus den vorstehend aufgeführten Versuchsresultaten hervorgeht, zur Zeit sowohl auf dem Gebiete der Angriffsmittel, als auch auf dem der Vertheidigungsmaſsregeln kaum ebenbürtige Rivalen. Auf dem Gebiete der Panzerungen, soweit solche nicht Schiffspanzerungen sind, ist er voraussichtlich endgültiger Sieger; denn die Abmessungen der Hartguſspanzer sind durch keinerlei Rücksichten in irgend welche Grenzen gebannt; jeder Vergröſserung der Angriffsfähigkeit eines Projectiles kann durch Verstärkung des Panzers begegnet werden. In dem heftig auf- und niederwogenden Wettstreite zwischen Geschoſs und Panzerung ist diese Möglichkeit ein Ruhepunkt, der um so wohlthätiger wirkt, als der Vortheil dieser hoffentlich endgültigen Ueberlegenheit der Sicherung und dem Schütze des Lebens und Eigenthumes, in diesem besonderen Falle vor Allem der Sicherung unserer heimathlichen Küste, zu gute kommt.