Titel: Ueber die Reinigung gewerblicher Abwässer.
Fundstelle: Band 253, Jahrgang 1884, S. 84
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Ueber die Reinigung gewerblicher Abwässer. Ueber die Reinigung gewerblicher Abwässer. G. Wolff berichtet in der Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medicin, 1883 * S. 121 u. 298 über einige in England und Schottland besichtigte Anlagen zur Reinigung von Abwässern. Der Midcalder wurde früher durch die Abwässer der Oakbank Companys Paraffin-Oil-Works sehr stark verunreinigt, so daſs das Fluſswasser im Liter 54mg Paraffinöl enthielt. Das Werk verarbeitet jetzt täglich 500 bis 600t Boghead Shale mit einem Ausbringen von 11 bis 12 Proc. Rohöl und 0,2 bis 0,4 Proc. Ammoniak in 5 bis 6m hohen und 0m,5 weiten lothrechten Retorten, welche in ihrer unteren, stets weiſsglühenden Hälfte aus feuerfestem Thone, in dem oberen, dunkelrothwarm gehaltenen Theile aus Guſseisen bestehen. Die Retorten sind unten mit einem eisernen, kegelförmigen Ansatzrohre versehen, das 15 bis 20cm tief in Wasser eintaucht. Dadurch verdampft das Wasser theils in die Retorte, theils in die Atmosphäre und reicht diese Verdampfung aus, alle Abwässer, nachdem man sie in Klärbehältern hat absetzen lassen, zu verdampfen, so daſs jetzt keine mehr in den Fluſs abgelassen werden. Papierfabriken haben theils ihr Fabrikationsverfahren dahin geändert, daſs sie weit weniger Abwasser bekommen, theils reinigen sie dasselbe durch Filtration oder durch Fällen mit Eisenchlorid und Kalk. Für einige Fabrikabwässer hat sich die Reinigung mit Kalk bewährt. (Vgl. F. Fischer: Abfallstoffe, 1875 S. 146 und 155. Parker-Clark * S. 35 d. Bd.) Der Bericht der technischen Deputation des k. sächsischen Ministeriums des Innern kommt nach dem Civilingenieur, 1883 S. 229 zu dem Resultate daſs die Bestimmungen des bezüglichen englischen Gesetzes (vgl. 1874 211 209) in Sachsen zwar nicht unbedingt durchführbar sind; sie hält aber die Bestimmung der River Pollution Prevention Act von 15. August 1876 für wichtig, welche die Einführung fester Abfälle von Fabrikationsprozessen und von Flüssigkeiten, wenn sie giftig, schädlich oder verunreinigt sind, in Flüsse, Bäche oder Ströme verbietet. Nach § 4 tritt die hierdurch sich ergebende Straffälligkeit eines Fabrikbesitzers jedoch nicht ein, wenn er der zuständigen Behörde den Nachweis überzeugend führt, daſs er die bewährtesten und wirksamsten Mittel benutzt hat, die oben bezeichneten Flüssigkeiten unschädlich zu machen. Die technische Deputation ist nun der Ansicht, daſs eine solche gesetzliche Bestimmung, welche sich ihrem wesentlichen Inhalte nach den beiden angeführten Paragraphen des englischen Gesetzes anschlieſst, das Zeitgemäſseste und Zweckentsprechendste wäre, was im Augenblicke in Sachsen geschehen könnte. Denn an der Hand dieser Verordnung läſst sich ohne weiteres den gröſsten Unzuträglichkeiten sofort begegnen und die ganze Frage allmählich einer befriedigenden Lösung zuführen. Positiv verboten wäre dadurch, was von jedem Fabrikanten unweigerlich verlangt werden und was durch eine nur einigermaſsen wirksame Filtereinrichtung erreicht werden kann: die Fortschwemmung von festen oderoder oder auch nur suspendirten Abfällen durch die Abwässer, oder deren direkte Abfuhr in flieſsendes Wasser. Die Bestimmung des § 4 setzt die Behörden in die Lage, Nachsicht im Anfange zu üben und erst allmählich das Gesetz in seiner vollen Wirkung durchzuführen und zwar in dem Maſse, als es der Praxis und der Wissenschaft gelingt, die Frage der Reinigung jeder einzelnen Art der Abfallwässer zu lösen. So wird es z.B. nach dem oben dargelegten Verhältnisse geboten erscheinen, die Abfallwässer der Wollwäschereien und Walkereien und theilweise auch der Papierfabriken von den flieſsenden Wässern auszuschlieſsen, während man die Farbewässer aus den Färbereien, wenn für diese keine Reinigungsmethode gefunden wird, welche hinreichend wirkt, bis zu einem gewissen Maſse zulassen müſste. Die Reinigungsmethoden müſsten aber die Betheiligten selbst finden bezieh. aus den vorhandenen auswählen. Nur scheint es der technischen Deputation nothwendig, damit eine einheitliche Behandlung dieses Gesetzes durch ganz Sachsen erreicht und nicht jede Polizeibehörde durch einen anderen Sachverständigen berathen wird, daſs eine staatliche Commission, bestehend aus Technikern und Chemikern, in Verbindung mit dem Laboratorium der Centralstelle für öffentliche Gesundheitspflege, zu welcher Männer aus der Praxis hinzugezogen werden, eingesetzt wird, welche alle bei der Durchführung des Gesetzes auftretenden Fragen zu begutachten hätte. Diese Commission könnte auch Erörterungen anstellen und Versuche veranlassen, um Reinigungsmethoden, welche aber im Wesentlichen Aufgabe der Betheiligten bleiben müssen, zu finden. Schlieſslich wird darauf hingewiesen, daſs in sehr vielen Fällen an einem Fluſslaufe dicht neben einander mehrere Anlagen sich befinden, welche sämmtlich zur Verunreinigung des Wassers beitragen. Da nun, wenn auch nicht in allen, so doch in manchen solchen Fällen ohne Benachtheiligung des öffentlichen Wohles oder der berechtigten Interessen von Privatpersonen die Beseitigung der Verunreinigung durch mehrere Anlagen gemeinschaftlich in wirksamerer und weniger kostspieliger Weise als durch jede Fabrik einzeln ausgeführt werden kann, so dürfte der Bildung von Genossenschaften zu diesem Zwecke Vorschub zu leisten sein, selbst dann, wenn die Ausübung eines gewissen Zwanges zur Durchführung der Maſsregel sich nothwendig erweisen sollte.