Titel: | Zur Geschichte des Alizarinblau; von Albert Scheurer. |
Fundstelle: | Band 253, Jahrgang 1884, S. 297 |
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Zur Geschichte des Alizarinblau; von Albert
Scheurer.
A. Scheurer, zur Geschichte des Alizarinblau.
Im Bulletin de Mulhouse, 1884 S. 327 gibt Alb. Scheurer in kurzen Zügen die Geschichte des
Alizarinblau, welche in diesem Zusammenhange und dieser Vollständigkeit von
Interesse ist.
Im September 1875 theilte Gustav Schaeffer dem Comité de Chimie die merkwürdige, von Strobel beobachtete Reaction mit, wonach mit
Alizarinroth bedruckte oder gefärbte Gewebe unter dem Einflüsse salpetriger Dämpfe
sich orangegelb färbten. Es fand hierbei nicht etwa ein bloſser vorübergehender
Farbenumschlag statt, wie z.B. bei den Lackmusreactionen, sondern das so erhaltene
Orange widerstand dem Seifen ebenso gut wie das ursprüngliche Roth. Der neue
Alizarinabkömmling wurde von Rosenstiehl als
Mononitroalizarin erkannt und kurze Zeit darauf industriell dargestellt; 2 Jahre
später gab derselbe zur Bildung eines neuen Farbstoffes Veranlassung, des Alizarinblau.
Am 27. Juni 1877 zeigte Prud'homme der Société industrielle de Mulhouse die gleichzeitige
Entdeckung zweier Farbstoffe, eines blauen und eines braunen, an, welche beide durch
Erwärmen eines Gemisches von Mononitroalizarin (Alizarinorange), Glycerin und
Schwefelsäure gewonnen wurden.Die dabei nach Prud'homme einzuhaltende
Temperatur von 200° ist übrigens viel zu hoch und kann die Reaction schon
auf dem Wasserbade ausgeführt werden. Die technische Darstellung
derselben folgte ihrer Entdeckung nach einem Zwischenräume von wenigen Monaten.
Dr. Heinr. Brunck, Chemiker der Badischen Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen (vgl. 1878 230 433), erkannte den braunen Farbstoff als
Amidoalizarin, gebildet als Nebenproduct der Reaction und sonst noch darstellbar
durch Reduction des Nitroalizarins mittels Zinnsalz oder Traubenzucker in Gegenwart
von Natronlauge. Brunck isolirte den blauen Farbstoff
im krystallisirten Zustande und bestimmte seine hauptsächlichsten Eigenschaften. Vom
December 1877 an brachte die Fabrik in Ludwigshafen das Alizarinblau in Form einer
10 procentigen Paste in den Handel.
Die Anwendung des neuen Productes bot indeſs anfänglich, gewisse Schwierigkeiten dar
in Folge seiner Unlöslichkeit in Wasser, Essigsäure und Salzlösungen. Man hatte es
mit einem Farbstoffe neuer Art zu thun, welcher, wie H.
Koechlin und Prud'homme sich in der Sitzung
der Société industrielle vom 29. Mai 1878 ausdrückten,
zur gleichen Zeit die Merkmale des Indigos und des Alizarins an sich trug, d.h. sich
wie ersterer in alkalischer Lösung zu einer Küpe reduciren und andererseits sich wie
letzteres auf metallischen Beizen fixiren lieſs.
In der Färberei erhielt man durch Anwendung des Küpen Verfahrens nur unsolide Farben
in Folge der Abwesenheit von Metallbeizen.
Eng. Dollfus schlug das Färben auf Nickelbeize vor,
wobei die beständigsten und reinsten Töne erhalten wurden. (In neuester Zeit ist
Nickelacetat auch als Beize für Alizarinblau dampf färben empfohlen worden; man
erzeugt auf diese Weise viel reinere grünere Farben wie mit Chromacetat, dessen
Lacke leicht ins Violette spielen. Das essigsaure Nickel wird erhalten durch
Umsetzung zwischen Nickelsulfat und Bleizucker. Zinksulfit gibt mit Alizarinblau
ebenfalls sehr lebhafte und reine Propiolblau ähnliche Töne; doch hat sich dieser
Mordant in der Druckerei nicht eingebürgert. S.)
Das nach dem Vorschlage von H. Koechlin und Prud'homme (1878 230 434)
mit Chromacetat befestigte Alizarinblau zeigte gegenüber Hypochloriten und anderen
Reagentien eine bedeutende Beständigkeit. Das Licht zwar wirkte verhältniſsmäſsig
kräftiger ein und wandelte das Blau in neutrales Grau um.
Georg Witz bestätigte in der Sitzung vom 13. September
1878 der Société de Rouen (vgl. 1878 230 435), daſs das Blau der Einwirkung starker
oxydirender Mittel besser widersteht wie Indigo, namentlich der Chromsäure und dem
alkalisch gemachten rothen Blutlaugensalz, mit Hilfe welcher man Indigo vollständig
ätzt, während Alizarinblau in den dunkeln Tönen dieselben bis zu einem gewissen
Grade aushält. Der Unterschied der Beständigkeit der beiden Farbstoffe gegenüber dem
Lichte, welche so sehr zu Gunsten des Indigo zu sein schien, war für Witz eine Anomalie und er glaubte daraus schlieſsen zu
dürfen, daſs die richtige Art der Alizarinblau-Befestigung noch aufzufinden sei.
Eine neue Verbesserung gestattete der Ludwigshafener Fabrik, das Alizarinblau im
löslichen Zustande in den Handel zu bringen. H.
Koechlin war nämlich zuerst dazu gelangt (vgl. 1877 224 463), das Cöruleïn durch Anwendung der Alkalibisulfite auf dem Gewebe
zu befestigen. Prud'homme studirte diese Reaction und
zeigte, daſs das Cöruleïn sich in derselben Weise mit doppelt schwefligsauren Salzen
verbinden könne, wie Aldehyde und Ketone, und daſs hierbei ein ungefärbtes und
krystallisirbares Product entstehe, wovon er am 8. Oktober 1879 dem Comité de Chimie in Mülhausen eine Probe vorwies.
Dieses Product ist es, welches die Badische Anilin- und
Sodafabrik unter dem Namen Cöruleïn S in den
Handel bringt. In
der gleichen Weise ist es H. Brunck, nicht ohne
Schwierigkeit, gelungen, das Alizarinblau mit Natriumbisulfit zu verbinden. Die so
erhaltene Doppelverbindung ist löslich in Wasser, fixirt sich einfach mit
Chromacetat und liefert reine Farben, deren Lichtbeständigkeit gröſser ist wie
diejenige des Indigo. Mit anderen Farbstoffen gemischt, gestattet sie, eine Reihe
der verschiedensten Töne hervorzubringen, deren Durchsichtigkeit und Feinheit
unübertroffen dastehen. Das Alizarinblau S ist ein
Farbstoff ersten Ranges; es hat seinen Platz neben dem Alizarin, trotz seinem hohen
Preise, erobert und sein Erscheinen befriedigte ein längst gefühltes Bedürfniſs.
Gräbe hat die Zusammensetzung des Alizarinblau bestimmt
(vgl. 1878 230 435): C17H9NO4.
Entsprach diese Formel den Thatsachen, so muſste sich aus Nitrobenzin an Stelle von
Alizarin das Chinolin erhalten lassen: C6H4.N(CH)3, eine
Synthese, welche in der That von Skraup ausgeführt
worden ist. Das Alizarinblau ist daher als ein Chinolin des Alizarins aufzufassen.
Das Alizarinblau S enthält auf 1 Mol. Blau 2 Mol.
Natriumbisulfit: C17H9NO4.2NaHSO3.