Titel: Ueber den J. B. Thompson'schen Bleichprozess.
Autor: S.
Fundstelle: Band 253, Jahrgang 1884, S. 428
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Ueber den J. B. Thompson'schen Bleichprozeſs. Mit Abbildung. Ueber den Thompson'schen Bleichprozeſs. Die J. B. Thompson'sche Bleichmethode, welche in Fachkreisen Aufsehen erregt zu haben scheint, ist in ihren Hauptzügen schon kurz beschrieben worden (vgl. 1884 252 392). Der vom gewöhnlichen Verfahren am meisten abweichende Punkt derselben besteht in der vereinfachten und verkürzten Chloroperation. Die Zersetzung des Chlorkalkes und Freimachung des bleichenden Prinzipes wird nämlich durch gasförmige Kohlensäure ausgeführt, während bei der bisher gebräuchlichen Arbeitsweise neben der ebenfalls eine Rolle spielenden atmosphärischen Kohlensäure Mineralsäure zur Vollendung der Reaction in Anwendung gebracht wird. Die Anlage des von Thompson vorgeschlagenen Apparates gestattet Chlorkalktränkung und darauf folgende Säuerung in ein und demselben Gefäſse vorzunehmen, ohne daſs die Waare ihren Ort zu verändern braucht. Textabbildung Bd. 253, S. 428 In den dicht verschlieſsbaren Kessel A wird die zu bleichende Waare gebracht. Das Gefäſs C enthält die Bleichflüssigkeit bezieh. die Lösung der als solche verwendeten unterchlorigsauren Salze. Der Kohlensäure-Entwickelungsapparat D ist mit dem Waschgefäſse E und dem Sammelgasometer B verbunden. Durch die Röhre G wird die Chlorkalklösung, durch die Röhre F die Kohlensäure in den Bleichkessel A eingeführt. Zum ersteren Zwecke dient die Pumpe H, mittels welcher auſserdem die Bleichflüssigkeit nach einigem Verweilen im Bleichkessel wieder durch das Rohr K in das Gefäſs C zurückgezogen werden kann. Man bedient sich dieses Apparates nach Iron, 1884 Bd. 23 S. 351 in folgender Weise. Die nach gewöhnlichem Verfahren ausgelaugten und gewaschenen Stücke werden im Kessel A aufgeschichtet, ganz in der Art wie dies zum Zwecke des Kalk- oder Sodakochens geschieht; hierauf schlieſst man A luftdicht. Der Hahn J ist ebenfalls geschlossen. Hingegen öffnet man einen Lufthahn im Deckel des Bleichkessels A, damit die Luft entweichen kann, während man mit der Pumpe H die (sehr verdünnte, nicht einmal 1° Tw. starke) Chlorkalklösung durch die Stücke preſst. Sind die letzteren damit vollständig getränkt, was nach 5 Minuten der Fall ist, so wird bei geschlossenem Lufthahne und offenem Hahne J die Flüssigkeit wieder durch das Rohr K weggezogen und gleichzeitig tritt, unter dem Drucke des Wassers im oberen Theile des Gasometers, die Kohlensäure ein; letztere bleibt nahezu eine Stunde mit der feuchten Waare in Berührung und hat nach dieser Zeit allen in den Fasern zurückgebliebenen Chlorkalk zersetzt, wobei die frei werdende Unterchlorigsäure bleicht. Die Behandlung mit Bleichflüssigkeit und Kohlensäure wird abwechselnd so lange wiederholt, bis das Weiſs von gewünschter Reinheit ist. Die Bleiche von mittelstarkem, zuvor während 3 Stunden gebauchtem Gewebe nimmt 8 Stunden in Anspruch, während nicht ausgelaugter Stoff längere Einwirkung erfordert. Nach dem Bleichen wird die Waare gründlich gewaschen, durch eine Lösung von Triäthylrosanilinsalz gezogen und wieder gewaschen. Die Dauer dieser ganzen Arbeit ist 8 bis 12 Stunden, je nach der Natur der zu bleichenden Stoffe. Der beschriebene Prozeſs ist praktisch im Betriebe bei R. Ainsworth, Son and Co. in den Halliwell Bleachworks bei Bolton. Den Genannten zu Folge belaufen sich die gesammten Bleichkosten auf nicht einmal 30 M. für 1t Gewebe bei Befolgung des Thompson'schen Verfahrens, während nach der gewöhnlichen Methode dieselben auf 80 bis 100 M. zu stehen kommen sollen. Was nun die Originalität des Thompson'schen Bleichverfahrens anbelangt, so muſs dieselbe in Frage gezogen werden. Im J. 1855 erhielt nämlich schon Paul Firmin Didot, Chemiker in Paris, das englische Patent Nr. 1131 auf „ein verbessertes Verfahren zum Bleichen von Papierganzzeug, Textil- und anderen Stoffen“. Dasselbe ist im Prinzipe mit dem Thompson'schen identisch, wovon man sich durch folgenden Auszug aus der Didot'schen Patentschrift überzeugen kann (vgl. auch 1855 137 376): „Ich bewirke das Bleichen von Ganzzeug und anderen Stoffen mittels Chlorkalk oder anderen Hypochloriten unter dem Einflüsse gasförmiger Kohlensäure. Indem man Kohlensäuregas zur Zersetzung des Hypochlorites benutzt, bewirkt man eine rasche Bleiche und ohne die Gefahr eines Angriffes des Ganzzeuges oder der anderen Stoffe, welcher bei Verwendung von Schwefelsäure oder einer anderen starken Säure eintreten kann. Die Kohlensäure, auf irgend eine passende Art (Verbrennung von Kohlenstoff oder Zersetzung von Carbonat mit Säure) dargestellt, wird, wenn nöthig, gereinigt und mittels einer Pumpe in die in einem geeigneten Gefäſse enthaltene Mischung von Chlorkalk und Wasser gepreſst. Kohlensäure, aus kohlensaurem Kalke und Salzsäure in einem geschlossenen Gefäſse entwickelt, wird unter ihrem eigenen Drucke durch die zu bleichenden Materialien hindurchgepreſst.“ Das Didot'sche Verfahren hat sich zu jener Zeit nicht in die Praxis einbürgern können, während es heute nach fast 30 Jahren unter den Händen Thompson's mehr Erfolg zu haben scheint; wie kommt es aber, daſs bei neuen Patentertheilungen derartige Thatsachen, wie das Didot'sche Patent, übersehen werden? Ein gewisses Bedenken möchte man wohl auch im Thompson'schen Prozesse einentheils gegen die Anwendung des Cyankaliums, anderntheils gegen diejenige des Hofmann'schen Violett hegen. Das erstere ist zu giftig und zu sehr zur Blausäure-Entwickelung geneigt, zudem zu theuer, um ein industrielles Hilfsmittel im groſsen Maſsstabe zu werden, und das letztere ist zu vergänglich an Luft und Licht, um z.B. Ultramarin als Bläumittel ersetzen zu können. Ein anderer Nachtheil des Thompson'schen Verfahrens scheint auch die nothwendig werdende Behandlung mit Oxalsäure behufs Wegnahme von aus dem Bleichmittel stammendem, die Faser färbendem Eisenoxyd zu sein; letzteres verschwindet beim gewöhnlichen Verfahren sehr leicht durch die stets stattfindende Schluſsbehandlung in Salzsäure. S.