Titel: | Ueber das Anilinschwarz. |
Autor: | S. |
Fundstelle: | Band 254, Jahrgang 1884, S. 265 |
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Ueber das Anilinschwarz.
Liechti und Suida, über das Anilinschwarz.
L. Liechti und W. Suida
theilen in den Mittheilungen des Technologischen
Gewerbemuseums in Wien, Fachzeitschrift für die chemische Seite der
Textilindustrie, 1884 S. 22 die Ergebnisse einer noch nicht abgeschlossenen
Untersuchung über Anilinschwarz mit. Obgleich die Zusammensetzung dieses Farbstoffes
schon vor längerer Zeit von Nietzki (1876 222 592), Kayser (vgl. Wagner's Jahresbericht, 1876 S. 977) und Goppelsroeder (1877 224 439)
übereinstimmend festgestellt worden ist und auch seither die Richtigkeit dieser
Analysen nicht in Zweifel gezogen wurde, sehen sich die Verfasser veranlaſst,
nochmals reines Anilinschwarz der Verbrennung zu unterwerfen, wobei sie jedoch bei
der Darstellung des letzteren die Mitwirkung eines Metalles ganz und gar umgehen.
Die Verfasser gehen vom Chlorsäuren Anilin aus, welches sie darstellen durch
doppelte Umsetzung zwischen chlorsaurem Baryt und schwefelsaurem Anilin. Das
letztere wird im feuchten, frisch gefällten Zustande in eine gesättigte Lösung von
Bariumchlorat eingetragen und so lange geschüttelt, bis die Umsetzung sichtlich
vollendet ist: BaCl2O6 + (C6H5NH2)2H2SO4 = BaSO4 + 2(C6H5NH2.HClO3). Man gieſst die klare, neutrale Lösung vom
abgesetzten Bariumsulfate ab und bewahrt sie in geschlossenen Gefäſsen auf.Auch Referent hat sich zur fabrikmäſsigen Darstellung des Anilinchlorates
eines ähnlichen Verfahrens bedient: Warm gesättigte Bariumchloratlösung
wurde mit der nöthigen Menge verdünnter Schwefelsäure versetzt; dann wurde
absetzen gelassen und in die überstehende Chlorsäurelösung die äquivalente
Menge Anilinöl eingerührt; diese Darstellungsart möchte ökonomischer sein
wie die in den Druckereien gewöhnlich befolgte, wobei Kaliumchlorat mit
Weinsäure bis zur Bildung von schwer löslichem Weinstein zersetzt und die
frei gewordene Chlorsäure mit Anilin gesättigt wird. Die Lösung
von Anilinchlorat liefert nach einiger Zeit farblose Prismen dieses Salzes, welche
sich beim Liegen an der Luft direkt in Anilinschwarz (Emeraldin) zersetzen. Die
Chlorsäure vollführt also hierbei die Oxydation des Anilins ohne Mitwirkung von
Metall durch Zerfall in niedrigere Chloroxydationsproducte. Beim Erwärmen ist die
Zersetzung eine explosionsartige. Eine Veränderung der Form der Krystalle findet
hierbei nicht statt; letztere werden nur schwarzblau und stahlglänzend, sind also
als eine Pseudomorphose von Anilinschwarz nach Anilinchlorat zu betrachten.
Zwischenproducte lassen sich keine nachweisen und ist somit die Oxydation des
Anilins als eine direkte, einheitliche, glatt verlaufende Reaction aufzufassen.
Liechti und Suida studiren
nun das Verhalten der reinen Anilinchloratlösung unter verschiedenen Bedingungen und
bestätigen folgende Thatsachen:
1) Wie schon Paraf beobachtet, läſst
sich diese Lösung ohne Veränderung kochen.
2) Wird die Lösung mit Salzsäure versetzt, so tritt beim Erwärmen
reichliche Emeraldinbildung ein.
3) Mit verdünnter Schwefelsäure versetzt, scheidet die Lösung beim
Erwärmen sehr wenig
Emeraldin aus und wird dunkelviolett; beim folgenden Abkühlen tritt eine
Ausscheidung von brauner Farbe ein.
4) Versetzt man die Lösung mit einer Spur Eisenchlorid, so tritt
beim Erwärmen eine sehr reichliche schwarze Ausscheidung ein.
5) Vanadinchlorürlösung bewirkt, der Flüssigkeit zugesetzt, beim
Erwärmen wie Eisenchlorid reichliche Schwarzbildung.
6) Wird der Lösung etwas Kupfersulfat zugesetzt und dann gekocht,
so tritt nur eine Braunfärbung ein; auf Zusatz von Salzsäure jedoch entsteht sofort
ein reichlicher schwarzer Niederschlag.
7) Weinsäure und Essigsäure sind auf die Lösung selbst beim Kochen
ohne Einwirkung; wird dann Eisenchlorid hinzugefügt, so entsteht sehr wenig
Emeraldin, aber eine tiefbraune Lösung und schlieſslich eine ebenso gefärbte
Ausscheidung.
8) Die ursprüngliche Lösung kann mit verdünnter Salpetersäure
längere Zeit ohne wesentliche Aenderung gekocht werden; ein folgender Zusatz von
Eisenchlorid führt eine heftige Reaction herbei unter Bildung eines anfangs blauen,
dann grün werdenden Niederschlages in einer röthlich gefärbten Flüssigkeit.
9) Verdünntes Chromsäuregemisch bringt sofort in der Lösung von
Anilinchlorat eine reichliche Schwarzbildung hervor.
10) Wird die Lösung mit Chlorammonium gekocht, so tritt keine
Aenderung ein; auf folgenden Zusatz von Kupfersulfat entsteht sofort eine schwarze
Ausscheidung, während die überstehende Flüssigkeit röthlich gefärbt erscheint.
11) Mit Ammonvanadat gekocht, wird die Lösung braun gefärbt und
entsteht schlieſslich eine braune, in Alkohol lösliche Fällung, welche auf Zusatz
von Salzsäure nicht schwarz wird.
12) Wird die Lösung mit salzsaurem Anilin erwärmt, so erleidet sie
keine Veränderung.
13) Die Lösung von reinem Anilinchlorat wurde kalt mit Salzsäure
versetzt und 24 Stunden stehen gelassen. Es hatte sich nach dieser Zeit viel
Emeraldin ausgeschieden, während die überstehende Flüssigkeit schwach braun gefärbt
worden war. Nach dem Abfiltriren wurde das Filtrat erwärmt, worauf neuerdings
reichliche Emeraldinbildung eintrat und sich wenig eines braunen Stoffes abschied.
Das nun rothviolette Filtrat lieferte beim Eindampfen nochmals Emeraldin. Aus dem
Trockenrückstande nahm Wasser etwas salzsaures Anilin, Chlorammonium und einen
dritten fremden Stoff auf.
Die Krystalle von Anilinschwarz stellen nach Behandlung mit Salzsäure, Alkohol,
Aether und verdünnter Kalilauge reines Emeraldin dar,
welches vollständig mit dem von Nietzki beschriebenen
Anilinschwarz übereinstimmt und bei der Analyse mit der Formel C18H15N3.HCl stimmende Zahlen liefert. Die einfachste
Formel dieses Farbstoffes ist demnach C6H5N, wenn man die Säure nicht in Betracht zieht, und
erhellt hieraus aufs Neue, daſs 1 Mol. Anilin bei seiner Umwandlung in Schwarz 2
Atome Wasserstoff verliert. Welches Vielfache jenes einfachsten Aufdruckes als die
wahre Formel des Emeraldins zu betrachten ist, geht aus den Untersuchungen Liechti und Suida's noch
ebenso wenig hervor, wie aus denjenigen ihrer Vorgänger. Diese Lücke bleibt also
auszufüllen. Durch Destillation mit Zinkstaub finden die Verfasser als
Zersetzungsproducte des Emeraldins der Hauptmenge nach: Diphenylphenylendiamin,
Diphenylamin, Diamidodiphenylamin und in geringeren Mengen Phenylendiamin, Anilin
und Ammoniak. In einem Punkte ihrer Untersuchung scheinen Liechti und Suida mit Nietzki nicht einig zu sein. Letzterer betrachtet sein Schwarz als
Chlorhydrat der Base C18H15N3, d.h. als C18H15N3.HCl; die Verfasser hingegen sind geneigt, das Emeraldin als ein
Chlorsubstitutionsproduct der Base C18H15N3 anzunehmen.
Ihnen zu Folge ist es nämlich unmöglich, das Chlor aus dem Schwarz zu entfernen,
selbst nicht durch Silberoxyd, was doch der Fall sein müſste, wenn dasselbe als
Säure salzartig darin gebunden wäre. Das Chlor wird nach ihren Beobachtungen in alle
Derivate des Emeraldins, in Sulfat, Chromat, oxydirtes Emeraldin (oder eigentliches
Anilinschwarz) mit übergeführt; es läge daher allen diesen Verbindungen ein
Chloremeraldin von der Formel C18H14ClN3 zu Grunde.
Diese Ansicht scheint durch die Thatsache gestützt zu werden, daſs die Chlorate der
schweren Metalle bei der Zersetzung Chlorsauerstoffverbindungen erzeugen und daſs
z.B. Cl2O3 mit
organischen Körpern gechlorte Derivate gibt. (HClO bildet mit Anilin kein Schwarz.)
Nicht damit in Einklang zu bringen ist Nietzki's
chlorfreies Phenyl- und Diacetylanilinschwarz.
In Bezug auf die Frage des unvergrünlichen Anilinschwarz
berichtigen Liechti und Suida die Ansicht Nietzki's, daſs dasselbe
als bloſses chromsaures Salz des Emeraldins aufzufassen sei. Unter den Bedingungen,
wie dieselben in der Praxis beim Unvergrünlichmachen des Anilinschwarz eingehalten
werden (d. i. Einwirkung eines heiſsen Bades von Kaliumbichromat und Schwefelsäure
auf das fixirte Schwarz), findet entschieden eine Oxydationswirkung statt und das
Chrom findet sich im behandelten Schwarz in der Oxydform. Ein Theil des
Kohlenstoffes wird hierbei zu Kohlensäure verbrannt, was durch Versuche nachgewiesen
wurde. Ferner tritt Sauerstoff in das Schwarz ein. Emeraldin konnte auch durch
Kochen mit verdünnter ChlorkalklösungDiese Thatsache verdient nach Liechti praktische
Würdigung, indem Chlorkalk die Chromsäure zum bewuſsten Zwecke in der
Druckerei vortheilhaft ersetzen könnte. in die unvergrünliche
Modification übergeführt werden und ergab sich bei der Analyse der letzteren
ebenfalls ein Sauerstoffgehalt.Die Nietzki'sche Ansicht ist übrigens von den
Praktikern nie angenommen worden, schon aus dem Grunde, da ja Eisensalze in
saurer Lösung nach der Vorschrift der Gebrüder
Köchlin (vgl. 1883 248 84) die Chromate
bei der Erzeugung von unvergrünlichem Schwarz ersetzen können; stets wurde
hierbei, wie bei der Chrombehandlung, eine oxydirende Einwirkung angenommen
und vom unvergrünlichen Schwarz als einem „überoxydirten“ Schwarz
(noir suroxydé) gesprochen.
In Bezug auf die Bildung des Anilinschwarz auf der Faser selbst und auf die Rolle,
welche hierbei die der Farbe zugegebenen Metallverbindungen spielen, führen Liechti und Suida folgende
Untersuchung aus: Gelöstes Anilinchlorat wird mit gelöstem Anilinchlorhydrat in den
Molekularverhältnissen von 1 : 0, 1 : 1 und 1 : 2 gemischt, darin der Stoff geklotzt
und parallel damit derselbe Versuch bei Gegenwart einer Spur Vanadiumchlorür
ausgeführt. Beim Hängen unter den üblichen Bedingungen (bei 31,35°) wurden, wie
vorauszusehen, die Vanadium haltigen Proben bald schwarz; die von Vanadium freien
Proben zeigten keine Veränderung. Nun wurden letztere mit verdünnter Salzsäure
bedruckt, worauf binnen
kurzer Zeit Emeraldinbildung eintrat. Ebenso wurden diese von Vanadin freien Proben
sofort schwarz, sobald dieselben einer höheren Temperatur, etwa 80 bis 90°,
ausgesetzt wurden, und zwar schritt dann die Schwarzbildung von dem erhitzten Punkte
des Stoffes rasch weiter, selbst in den nicht erhitzten Theil des Gewebes. Aus
diesem Versuche geht hervor, daſs. zur Bildung des Schwarz auf der Faser die
Chlorsäure frei gemacht werden muſs, was bei höherer Temperatur von selbst, bei
niederer Temperatur nur durch Einwirkung freier Säure vor sich geht.
Nun werden zur Herstellung des Anilinschwarz Metalle verwendet, deren Chlorate nach
Rosenstiehl (vgl. 1877 223 638) sich leicht, d.h. bei verhältniſsmäſsig niedrigerer Temperatur,
zersetzen, weshalb ja die Wirkung dieser schweren Metalle als Entwickler von
niederen Chlor-Sauerstoff Verbindungen angenommen wurde. Liechti und Suida fügen auf Grund der
angeführten Versuche als zweiten wichtigen Umstand die auftretende freie Salzsäure hinzu. Setzt man eine Farbe aus
salzsaurem Anilin, chlorsaurem Kalium und Kupferchlorid zusammen, so ist vorerst aus
dynamischen Gründen anzunehmen, daſs Kaliumchlorat und Kupferchlorid sich
wechselseitig umsetzen. Das Kupferchlorat wirkt, indem es sich zersetzt, oxydirend
(oder chlorirend) auf das Anilinsalz und hierbei tritt freie Salzsäure auf: 6C6H5NH2.HCl + CuCl2O6 = 2C18H16.ClN3 + 4HCl +
CuCl3 + 6H2O.
Das zurückgebildete Kupferchlorid könnte nun neuerdings Mengen von salzsaurem Anilin
und chlorsaurem Kalium in Schwarz überführen; es ist aber zu bedenken, daſs die
Bildung von Kupferchlorat bei Gegenwart der frei gewordenen Salzsäure unmöglich ist.
Das Verhalten des Anilinchlorates gegenüber freier Salzsäure beweist, daſs letztere
durch Zersetzung der Chlorate Schwarz bilden kann: 3C6H5NH2HCl
+ KClO3 + HCl = KCl + 3HCl + 3H2O + C18H16ClN3. Bei dieser
Auffassung der Schwarzbildung läge dem Kupfer, Vanadium u. dgl. die Aufgabe ob, die
Oxydation einzuleiten; die frei gewordene Salzsäure würde dieselbe dann
selbstständig fortsetzen. Damit wäre auch erklärt, daſs so geringe Mengen der
schweren Metalle verhältniſsmäſsig groſse Mengen Anilin in Schwarz umzuwandeln
vermögen. Auſserdem aber liegt der Gedanke nahe, einen Theil (⅓) des Anilins an
schwächere Säuren, z.B. Essigsäure zu binden, wodurch einer der Hauptübelstände des
Anilinschwarz, Schwächung der Faser, wenigstens zum Theile verhütet würde.Letzteres geschieht oft, namentlich bei der Herstellung von
Dampfanilinschwarz, wobei man einen Theil des Anilins an Weinsäure,
Essigsäure u. dgl. bindet. Noch einfacher verfährt man praktisch, daſs man
das salzsaure Anilin geradezu durch Anilinöl
theilweise entsäuert; letzteres wird ja von einer Lösung des ersteren in
bedeutenden Mengen gelöst und bietet das so dargestellte gewissermaſsen basische Anilinsalz dieselbe Sicherheit gegen
Angriff der Faser wie z.B. essigsaures Anilin.
S.