Titel: Ueber die Herstellung neuer Farbstoffe.
Fundstelle: Band 254, Jahrgang 1884, S. 389
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Ueber die Herstellung neuer Farbstoffe. Patentklasse 22. Ueber die Herstellung neuer Farbstoffe. Das Verfahren der Badischen Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen (D. R. P. Nr. 27789 vom 18. December 1883) zur Herstellung violetter, blauer und grüner Farbstoffe der Rosanilinreihe ist im Wesentlichen eine Erweiterung der bekannten Synthese des Aurins und Benzaurins aus Phenol und Oxyabkömmlingen des Benzophenons unter Mitwirkung von Phosphorchlorür nach H. Caro und C. Grabe (vgl. Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1878 S. 1074). Von Benzophenonabkömmlingen werden verwendet: Tetramethyldiamidobenzophenon, Tetraäthyldiamidobenzophenon, Dimethylamidobenzophenon und das Diäthylderivat des p-Amidobenzophenons; von aromatischen Aminen: Diphenylamin, Phenyl-α-Naphtylamin, α-Dinaphtylamin, die tertiären Alkylabkömmlinge von Anilin, Orthotoluidin, α-Naphtylamin, Orthoanisidin, Metaphenylendiamin und Chinolin. Das Carbonyl der Amidobenzophenone wirkt ebenso wenig wie das der entsprechenden Oxyketone unmittelbar auf aromatische Kohlenwasserstoffreste ein; es ist daher wie bei der Synthese des Aurins die Mitwirkung von Phosphorchlorür oder Phosphoroxychlorid erforderlich. Aehnlich wirken Chlorkohlenoxyd, Phosphorchlorid, die Brom- und Jodverbindungen des Phosphors, Phosphoroxybromid und Phosphorsulfochlorid. Die Condensation tritt auch bei Gegenwart von Chloraluminium ein und bei Anwendung der genannten secundären Basen erfolgt dieselbe durch Erhitzen mit concentrirter Schwefelsäure. Die an sich indifferenten Amidoketone werden dadurch in reactionsfähigere Zwischenproducte aus der Klasse der Benzophenonhaloidabkömmlinge übergeführt. Werden 2 Th. Tetramethyldiamidobenzophenon mit 1 Th. Phosphorchlorür in der Kälte gemischt, so tritt bald unter freiwilliger Erwärmung der Mischung eine rasch zunehmende Blaufärbung ein. Bei Anwendung gröſserer Mengen ist äuſsere Abkühlung oder die Gegenwart indifferenter Lösungs- und Vertheilungsmittel (Kohlenwasserstoffe, Schwefelkohlenstoff, Chloroform u.s.w.) erforderlich, da sonst die Reactionswärme sich leicht bis zur Zerstörung des entstandenen Productes steigern kann. Schlieſslich wird eine tiefblaue Masse von grünem oder kupferfarbigem Metallglanz erhalten. Dieselbe enthält als wesentlichen Bestandtheil einen äuſserst unbeständigen blauen, basischen Farbstoff, welcher sich in Wasser, Alkohol und Chloroform löst und durch Zusatz von Ligroin zu der Chloroformlösung in fester Form, frei von unverbundenen Phosphorverbindungen, abgeschieden werden kann. Dieser Farbstoff läſst sich nicht unzersetzt trocknen; seine stark blauen Lösungen entfärben sich langsam beim Stehen in der Kälte und schnell beim Erwärmen. Wird die wässerige Lösung zum Sieden erhitzt, so tritt sofort Rückbildung der Ketonbase ein. Ebenso zersetzlich sind seine Metallchloridverbindungen, welche auf Zusatz von Kochsalz und Chlorzink, von Quecksilber- oder Platinchlorid zu der wässerigen Lösung in Form krystallinischer Niederschläge gefällt werden. In der Kälte fixirt sich der Farbstoff auf Seide und tannirter Baumwolle mit blauer Farbe; diese Färbungen verschwinden aber allmählich beim Aufbewahren und sofort beim Erwärmen oder Dämpfen. Das durch wiederholtes Lösen in Chloroform und Fällen mit Ligroin von überschüssigen Phosphor Verbindungen völlig befreite Product löst sich zunächst unverändert in reinem Dimethylanilin. Bei Anwendung von technischem, Monomethylanilin haltigem Dimethylanilin entsteht sofort eine stark gelbe, beim Erhitzen mit Salzsäure wieder verschwindende Färbung. Selbst beim Erwärmen der Dimethylanilinlösung tritt keine oder nur spurenweise Condensation zu Methylviolett ein. Eine solche erfolgt aber äuſserst leicht und glatt auf Zusatz von Phosphorchlorür oder eines seiner vorgenannten Ersatzmittel. Salzsaures Dimethylanilin ist ohne Einwirkung. Die Bildung dieser reactionsfähigen Zwischenproducte und deren Umwandlung in Farbstoffe läſst sich leicht vereinigen, wenn man das Gemisch gleicher Moleküle je eines der genannten Amidobenzophenone und aromatischen Amine mit Phosphorchlorür oder einem seiner erwähnten Ersatzmittel während einiger Zeit sich selbst überläſst. In vielen Fällen beendigt sich die Reaction bereits durch die freiwillig eintretende Erwärmung; in anderen ist es erforderlich, dieselbe durch Erhitzen auf 100° und darüber zu unterstützen. Stets ist es vortheilhaft, einen Ueberschuſs des aromatischen Amins anzuwenden, um die Mischung möglichst neutral und flüssig zu erhalten. Die Farbstoffe, welche durch Condensation der tetraalkylirten Diamidobenzophenone mit den genannten aromatischen Aminen entstehen, sind violett bis blau und besitzen im Allgemeinen den Charakter des Methylviolett; die entsprechenden Farbstoffverbindungen der dialkylirten Amidobenzophenone sind grün und in ihrem Verhalten dem Malachitgrün ähnlich. Zu letzteren gehören auch die grünen Farbstoffe aus Chinolin und den Alkylderivaten des Diamidobenzophenons. Zur Darstellung des krystallisirten Methylviolett und seiner Homologen werden in einem glasirten Rührkessel 10k fein gepulvertes und trockenes Tetramethyldiamidobenzophenon in 20k Dimethylanilin heiſs gelöst und in die kalt gerührte Mischung 6k Phosphorchlorür eingetragen. Die Reaction tritt sofort ein. Die Mischung erwärmt sich und wird in Folge der Bildung des beschriebenen Zwischenproductes stark blau und dünnflüssig. Nach kurzer Zeit beginnt eine schnell fortschreitende Krystallisation in der Masse und unter lebhafter, durch äuſsere Abkühlung zu mäſsigender Wärmeentwickelung erstarrt dieselbe zu einem metallisch grünen Krystallbreie von Methylviolett. Nach mehrstündigem Stehen wird das Product in heiſsem Wasser gelöst, mit Natronlauge schwach übersättigt und das überschüssige Dimethylanilin im Wasserdampfstrome abdestillirt. Die rückständige Farbstoffbase wird von der alkalischen Flüssigkeit getrennt und in der zur Bildung ihres neutralen Chlorhydrates erforderlichen Menge verdünnter Salzsäure heiſs gelöst, Aas der heiſs filtrirten Lösung scheidet sich der Farbstoff auf Zusatz von Kochsalzlösung in amorpher, während des Erkaltens krystallinisch werdender Form ab, durch Umkrystallisiren aus Wasser erhält man denselben in groſsen, gut ausgebildeten Krystallen. Der Farbton desselben entspricht dem des benzylirten Methylviolett 5 B. Zur Herstellung des Malachitgrün werden gleiche Theile Dimethylamidobenzophenon und Phosphorchlorür auf 60 bis 700 erwärmt, bis die dickflüssige, tief grünlich gelbe Lösung des Zwischenproductes entstanden ist. Dann wird die doppelte Gewichtsmenge Dimethylanilin zugesetzt und die sich sofort grün färbende Masse bis zur Bildung einer festen kupferglänzenden Schmelze auf dem Wasserbade erwärmt. Die Farbstoffbase wird dann vom überschüssigen Dimethylanilin durch Destillation mit Wasserdampf getrennt, in ihr neutrales Chlorhydrat übergeführt und die Lösung des letzteren durch Kochsalz und Chlorzink gefällt. Der Farbstoff zeigt das Verhalten des Malachitgrün. Aus dem Diäthylketon und Diäthylanilin wird in derselben Weise ein gelblich grüner Farbstoff von den Eigenschaften des Brillantgrün erhalten. Aehnlich sind die Farbstoffverbindungen mit den tertiären Isobutyl- und Amylderivaten des Anilins. Zur Darstellung des Chinolingrün werden 2k reines Chinolin mit 1k,4 Tetramethyldiamidobenzophenon gut gemischt und 0k,9 Phosphorchlorür zugesetzt. Unter lebhafter, durch Abkühlung zu mäſsigender Reaction färbt sich die Mischung vorübergehend violettblau und geht schnell in eine halbfeste dunkelblaugrüne, metallglänzende Schmelze über. Schlieſslich wird die Farbstoffbildung durch ½stündiges Erhitzen auf dem Wasserbade zu Ende geführt. Das nach dem Erkalten feste Product wird in heiſsem Wasser gelöst und die filtrirte Lösung mit Kochsalz und Chlorzink gefällt. Aus der Mutterlauge wird das unverbrauchte Chinolin durch Uebersättigen mit Natronlauge und Destillation mit Wasserdampf wiedergewonnen. Das Chinolingrün färbt thierische Faser und tannirte Baumwolle bläulichgrün. Tetraäthylirtes Keton gibt in derselben Weise einen gelblicheren Farbstoff. Die Badische Anilin- und Sodafabrik (D. R. P. Nr. 29060 vom 11. März 1884) beschreibt ferner die Herstellung einer neuen Reihe von basischen Farbstoffen, Auramine genannt (vgl. 1884 253 86). Die einfachsten Glieder dieser Reihe sind rein gelbe Farbstoffe, welche aus den tetraalkylirten Diamidobenzophenonen bezieh. deren eben erwähnten Halogenabkömmlingen durch Einwirkung von Ammoniak auf den Methanrest entstehen. Aus diesen Farbstoffen lassen sich Phenyl-, Tolyl-, Naphtyl-Auramine u.a. von rötherem oder braunerem Ton durch Erhitzen mit Anilin, dessen Homologen und im Benzolkern substituirten Derivaten, Naphtylamin u.s.w. unter Ammoniakaustritt darstellen. Dieselben substituirten Auramine erhält man ferner ganz allgemein durch unmittelbare Einwirkung der betreffenden Amine auf die genannten Ketonbasen bezieh. deren Halogenabkömmlingen, Bei Anwendung von Tetramethyldiamidobenzophenon und Tetraäthyldiamidobenzophenon wurden praktisch verwerthbare Erfolge bis jetzt erhalten mit Ammoniak, Anilin, Para- und Orthotoluidin, Metaxylidin und -Phenylendiamin, Cumidin, α- und β-Naphtylamin. Freies Ammoniak wirkt nicht auf die Ketonbasen, leicht aber auf deren Halogenabkömmlinge ein. Wird z.B. das vorhin erwähnte, durch Behandlung von Tetramethyldiamidobenzophenon mit Phosphorchlorür in Gegenwart eines indifferenten Lösungsmittels erzeugte Product unter guter Abkühlung mit concentrirtem Ammoniak vermischt, so tritt sofort Gelbfärbung ein und nach einiger Zeit scheidet sich das Auramin in krystallinischer Form ab. Vortheilhafter ist die unmittelbare Einwirkung der Ketonbasen, welche sich durch Erhitzen mit Salmiak, essigsaurem, weinsaurem, benzoësaurem Ammonium oder Rhodanammonium, namentlich unter Mithilfe von Chlorzink oder ähnlichen Wasser entziehenden Mitteln leicht in Auramine überführen lassen. In einen mit Oel- oder Luftbad versehenen, auf ungefähr 200° vorgeheizten emaillirten Kessel wird z.B. eine innige Mischung von 25k Tetramethyldiamidobenzophenon, 25k Salmiak und 25k Chlorzink eingetragen. Allmählich schmilzt die Mischung zusammen und färbt sich tief gelb. Um das Zusammenschmelzen der Masse zu befördern, wird dieselbe von Zeit zu Zeit kräftig durchgerührt. Bei einer Temperatur im Inneren der Schmelze von etwa 150 bis 160° beendigt sich die Farbstoffbildung in 4 bis 5 Stunden. Man erkennt das Ende der Einwirkung daran, daſs sich eine Probe des Schmelzproductes nahezu vollständig in heiſsem Wasser löst. Die nach dem Erkalten feste Masse wird dann zerkleinert und zunächst mit kaltem, schwach Salzsäure haltigem Wasser bis zur Entfernung der Hauptmenge des überschüssigen Salmiaks und Chlorzinkes behandelt. Man erschöpft den Rückstand sodann mit heiſsem Wasser und fällt die von etwa unangegriffener Ketonbase filtrirten Auszüge mit Chlornatrium. Der krystallinische Niederschlag kann durch Umkrystallisiren aus Wasser leicht völlig gereinigt werden. Der Farbstoff ist das Chlorhydrat einer farblosen Base, welche mit Säuren stark gelb gefärbte, meist gut krystallisirende Salze bildet. Verhältniſsmäſsig leicht löslich in Wasser sind: das Chlorhydrat, Sulfat und Acetat; schwerer löslich die Chlorzinkdoppelverbindung und schwer oder kaum löslich in der Kälte das jodwasserstoffsaure und rhodanwasserstoffsaure Salz. Die Lösungen in Wasser und Alkohol besitzen keine Fluorescenz. Auf Zusatz von Mineralsäuren zu denselben zeigt sich anfangs keine Veränderung- beim längeren Stehen in der Kälte und schnell beim Erhitzen tritt indessen Entfärbung ein unter Rückbildung der Ketonbase und Abspaltung von Ammoniak. Durch alkalische Reductionsmittel, z.B. Natriumamalgam, wird die alkoholische Lösung in der Kälte langsam entfärbt. Auf Wasserzusatz scheidet sich ein farbloses krystallinisches Reductionsproduct aus, dessen kaum gefärbte essigsaure Lösung beim Erwärmen sofort eine tief blaue Farbe annimmt. Dieser Vorgang beruht auf Spaltung des Reductionsproductes in Ammoniak und Tetramethyldiamidobenzhydrol. Beim Erhitzen des Auramins mit Anilin bis zum Sieden des letzteren färbt sich die Mischung unter Ammoniakentwickelung orangeroth und enthält dann das orangegelb färbende Phenylauramin. Aura min ist ein gelber basischer Farbstoff, welcher sich allein oder in Gemischen mit basischen Anilinfarbstoffen, ähnlich wie Chrysanilin oder Flavanilin, verwenden läſst. Die Färbungen sind rein gelb und genügend licht- und seifenbeständig. Ein dem vorstehend beschriebenen durchaus ähnliches Product erhält man durch Anwendung des Tetraäthyldiamidobenzophenons an Stelle der methylirten Ketonbase. Durch Erhitzen mit den entsprechenden aromatischen Aminen lassen sich die Auramine leicht in Phenyl-, Tolyl-, Naphtyl- u. dgl. Substitutionsverbindungen überführen. Nach Beendigung der die Substitution begleitenden Ammoniakentwickelung wird der Ueberschuſs des angewendeten Amins durch Wasserdampf entfernt und der Farbstoff durch Anwendung bekannter Methoden abgeschieden. Die substituirten Amine aus den Halogenverbindungen der Ketonbasen werden von sämmtlichen primären und secundären aromatischen Aminen mit Ausnahme der vorhin genannten phenylirten und naphtylirten Abkömmlinge des Anilins und α-Naphtylamins, mit derselben Leichtigkeit wie durch Ammoniak bereits in der Kälte oder beim Erwärmen in substituirte Auramine übergeführt, so daſs dieser Vorgang sich geradezu zu einem empfindlichen Nachweis der Amido- und Imidgruppen verwerthen läſst. Für die technische Darstellung der substituirten Auramine müssen indessen diese Methoden vor der unmittelbaren Behandlung der Ketonbasen mit den substituirenden Aminen zurücktreten, welche man vortheilhaft in Form ihrer Chlorhydrate anwendet. Es werden z.B. 10k Tetramethyldiamidobenzophenon und 23k salzsaures Metaxylidin innig gemischt und in einem glasirten, mit Rührwerk versehenen Kessel etwa 4 Stunden lang auf 200° erhitzt. Die Mischung schmilzt bald zusammen, färbt sich tief rothgelb und nimmt schlieſslich grünen Metallglanz an. Die Einwirkuug ist beendigt, wenn eine Probe sich nahezu vollständig in Wasser löst. Die Schmelze wird dann mit Wasser ausgekocht und die filtrirte Lösung nach dem Erkalten mit Natronsalpeter gefällt. Der Farbstoff scheidet sich dabei in orangegelben Flocken aus. Das erhaltene Salz des Metaxylylauramins ist in kaltem, mit Essigsäure schwach angesäuertem Wasser leicht löslich. Durch Mineralsäuren wird die Lösung beim Erwärmen schnell unter Rückbildung der Ketonbase und Abspaltung von Metaxylidin entfärbt. Der Farbstoff fixirt sich leicht auf thierische Faser und tannirter Baumwolle mit goldgelber Farbe. Nach demselben Verfahren liefert das Tetramethyl- bezieh. Tetraäthyldiamidobenzophenon beim Erhitzen mit den Chlorhydraten von Cumidin und Orthotoluidin ähnliche goldgelbe Farbstoffe. Die mit Anilin und Paratoluidin erzeugten Phenyl- bezieh. Paratolylauramine färben orangeroth. Der entsprechende Metaphenylendiaminfarbstoff ist orangebraun, die α- und β-Naphtylauramine liefern bräunlichgelbe Töne. Keines der genannten substituirten Auramine hat sich bisher in krystallisirter Form erhalten lassen. Bei ihrer Behandlung mit Mineralsäuren und Reductionsmitteln treten die beim Auramin beschriebenen charakteristischen Erscheinungen auf. Nach dem Verfahren zur Herstellung Schwefel haltiger Farbstoffe von Ewer und Pick in Berlin (D. R. P. Nr. 28529 vom 16. Februar 1884) erhitzt man 1 Molekül Paranitranilin, Paraniträthylanilin oder Paranitrodimethylanilin mit 1 Mol. Schwefel; es bildet sich unter lebhafter Schwefelwasserstoffentwickelung die entsprechende Thioverbindung, welche durch Reduction in das Thiotetramin übergeht. Je nachdem letzteres aus einem primären, secundären oder tertiären Paranitramin entstanden ist, entsteht, aus demselben durch Oxydation ein violetter, blauer oder grünblauer Farbstoff. Wie die Abkömmlinge des Anilins verhalten sich auch die Abkömmlinge des Orthotoluidins, Orthoamidoanisols und Orthoamidophenetols. Durch Einführung von Alkylgruppen in die primäre oder secundäre Amidogruppe der Thioparanitramine entstehen die entsprechenden secundären oder tertiären Amine. Man erhitzt z.B. 20k Paranitranilin mit 10k Schwefel in einem mit Rückfluſskühler versehenen Kessel auf 230 bis 250°, bis eine lebhafte Schwefelwasserstoffentwickelung eintritt, und erhält die Masse bis zur Beendigung der Reaction auf dieser Temperatur. Das zu einer braunen, spröden Masse erstarrende Reactionsproduct wird gepulvert und ungefähr 3 Stunden lang mit 105k Zinnchlorür (SnCl2 + 2H2O) und 100 Th. 30procentiger, mit 150l Wasser verdünnter Salzsäure erhitzt. Die entstandene bräunliche Lösung verdünnt man mit etwa 800l Wasser und fällt das Zinn mit 65k Zinkstaub aus. Man filtrirt, sättigt das Filtrat mit Kochsalz und setzt zu demselben so lange von einer 15procentigen Eisenchloridlösung, bis durch weiteren Zusatz des letzteren kein Farbstoff mehr gefällt wird. Der als blaue Flocken in der Lösung der übrigen Bestandtheile aufgenommene Farbstoff wird durch Filtration von der Flüssigkeit getrennt, durch Lösen in Wasser, Filtriren seiner Lösung und nochmaliges Fällen u. dgl. gereinigt. Der getrocknete und gepulverte Farbstoff stellt ein braunes Pulver dar, dessen wässerige Lösung Wolle, Seide und gebeizte Baumwolle röthlich-violett anfärbt. Farbstoffe mit gleicher oder ähnlicher färbender Eigenschaft erhält man aus Metanitroorthotoluidin (CH3 : NH2 : NO2 = 1 : 2 : 5), Metanitroorthoamidoanisol und Metanitroorthoamidophenetol. Erhitzt man in entsprechender Weise 24k Paranitroäthylanilin mit 10k Schwefel auf 240 bis 250°, so erhält man einen blauen Farbstoff. Aehnliche Farbstoffe liefern Paranitromethylanilin, Metanitroortho-Aethyltoluidin und -Methyltoluidin, Metanitroortho-Methylamidoanisol und -Aethylamidoanisol, Metanitroortho-Methylamidophenetol und -Aethylamidophenetol. Durch Erhitzen von 24k Paranitrodimethylanilin mit 10k Schwefel erhält man ein braunes Pulver, dessen Lösung grünstichig blau färbt. Ebenso färbende Stoffe erhält man aus Paranitrodiäthylanilin und -Methyläthylanilin, Metanitroorthodimethyltoluidin, -Diäthyltoluidin und -Methyläthyltoluidin, Metanitroorthodimethylamidoanisol, -Diäthylamidoanisol und -Methyläthylamidoanisol, Metanitroorthodimethylamidophenetol, -Diäthylamidophenetol und -Methyläthylamidophenetol. Das Reactionsproduct aus 20k Paranitroanilin und 10k Schwefel, erhalten durch längeres Erhitzen auf 240 bis 250°, fein gepulvert und in einem Autoklaven mit 16k Salzsäure von 30 Proc. Gehalt und 7k Aethylalkohol etwa 10 Stunden lang auf 240 bis 250° behandelt, liefert in entsprechender Weise einen blauen Farbstoff. Nimmt man statt 7k Aethylalkohol 10k Methylalkohol, so erhält man einen grünblauen Farbstoff. Zur Herstellung von Azofarbstoffen aus Tetrazodiphenyl werden nach P. Böttiger in Lodz (D. R. P. Nr. 28753 vom 27. Februar 1884) Tetrazodiphenylsalze in wässerigen Lösungen mit Salzen des α- oder β-Naphtylamins oder mit Salzen der verschiedenen Sulfosäuren des α- oder β-Naphtylamins zusammengebracht. Statt wässerige Lösungen von Naphtylaminsalzen anzuwenden, kann man auch alkoholische Lösungen von α- oder β-Naphtylamin oder in Wasser fein vertheiltes α- oder β-Naphtylamin oder in Wasser fein vertheilte Salze des α- oder β-Naphtylamins verwenden. Durch Verbindung von Tetrazodiphenyl mit den beiden Naphtylaminen erhält man in Wasser unlösliche, in Spiritus lösliche Farbstoffe, welche sich durch Behandeln mit concentrirter Schwefelsäure, rauchender Schwefelsäure, Schwefelsäureanhydrid oder -Monochlorhydrin leicht in ihre bezüglichen Mono- und Disulfosäuren überführen lassen, deren Alkalisalze wasserlösliche gelbrothe bis blaurothe Farbstoffe bilden. Bei Anwendung von α-Naphtylamin erhält man rothe Farbstoffe, während β-Naphtylamin mit Tetrazodiphenyl mehr gelbrothe Farbstoffe liefert. Vereinigt man Tetrazodiphenyl mit den Sulfosäuren des α- oder β-Naphtylamins, so erhält man Verbindungen, welche sich in säurefreiem Wasser lösen und deren Alkalisalze ebenfalls gelbrothe bis blaurothe Farbstoffe sind. Zur Darstellung dieser letzten Verbindungen läſst man die wässerige Lösung eines Tetrazodiphenylsalzes in eine alkalische wässerige Lösung eines Salzes der α- oder β-Naphtylaminsulfosäuren einlaufen, wobei man die letztere Lösung stets alkalisch hält und wobei unmittelbar alkalische Lösungen der neuen Farbstoffe entstehen, oder man gibt die wässerige Lösung eines Tetrazodiphenylsalzes zu in Wasser fein vertheilter oder in Alkohol gelöster α- oder β-Naphtylaminsulfosäure. Die Bildung dieser neuen Farbstoffe verläuft jedoch dann am glattesten, wenn man die Lösung eines Tetrazodiphenylsalzes der verschiedenen Sulfosäuren des α- oder β-Naphtylamins einlaufen läſst, welcher man so viel essigsaures Natron zugesetzt hat, daſs nach dem Vereinigen der beiden Lösungen keine freie starke Säure, wie Schwefelsäure oder Salzsäure, sondern nur etwas freie Essigsäure vorhanden ist. Die neuen Farbstoffe entstehen durch Zusammentritt je eines Mol. Tetrazodiphenyl mit 2 Mol. α- oder β-Naphtylaminsulfosäure nach der Gleichung: (C6H4N.N.Cl)2 + 2C10H7NH2.HCl = 2HCl + (C6H4N.NC10H6NH2.HCl)2 oder: (C6H4N.N.Cl)2 + 2C10H6SO3NaNH2 = 2NaCl + (C6H4N.N.C10H5SO3H,NH2)2. Die Salze des Tetrazodiphenyls entstehen bekanntlich durch Einwirkung von Salpetrigsäure auf die Salze des Benzidins. Es werden z.B. 25k,7 salzsaures Benzidin oder 28k,2 schwefelsaures Benzidin oder eine äquivalente Menge eines andern Benzidinsalzes unter Zusatz von 30k Salzsäure von 20° B. 500l Wasser fein vertheilt; hierauf wird unter kräftigem Rühren langsam und in kleinen Posten eine Lösung von 13k,8 100procentiges Natriumnitrit in 150l Wasser hinzugesetzt. Es ist zweckmäſsig, die zu diazotirenden Benzidinsalze nicht getrocknet, sondern möglichst in feuchtem Zustande als Paste anzuwenden, da getrocknete Benzidinsalze sich schwer und langsam diazotiren. Das Benzidinsalz löst sich auf und es entsteht eine Lösung von Tetrazodiphenylchlorid. Diese Lösung läſst man in eine Lösung von 36k,5 salzsaurem a-Naphtylamin in 2000l Wasser unter Umrühren einlaufen. Es entsteht sofort ein Niederschlag, welcher nach mehrstündigem Stehen, mechanisch von der Lauge getrennt, ausgewaschen und getrocknet wird. Zum Zwecke der Ueberführung des so erhaltenen spirituslöslichen Farbstoffes in seine Monosulfosäure rührt man z.B. 25k desselben, fein gemahlen und gesiebt, unter Abkühlung in 75k rauchende Schwefelsäure von 20 Proc. Anhydridgehalt langsam ein und erwärmt dann so lange auf 30°, bis eine herausgenommene Probe der Schmelze in ammoniakalischem Wasser klar und vollständig löslich ist. Dann wird die Masse in etwa 1000l kaltes Wasser eingerührt; die entstandene Sulfosäure scheidet sich als Niederschlag ab, wird mechanisch von der Lauge getrennt und in bekannter Weise in das Natron- oder Ammoniaksalz übergeführt. Zur Darstellung einer Disulfosäure der aus Tetrazodiphenyl und α-Naphtylamin entstehenden Verbindung rührt man ebenfalls z.B. 25k desselben in 75k rauchende Schwefelsäure von 20 Proc. Anhydridgehalt unter Abkühlen ein, setzt dann noch 75k rauchende Schwefelsäure von 20 Proc. Anhydridgehalt zu und erhitzt etwa 1 Stunde lang auf 50 bis 60°. Die Schmelze gieſst man dann in etwa 3000l Wasser, bringt zum Kochen, sättigt mit Kalkmilch, filtrirt und zersetzt das im Filtrate enthaltene Kalksalz der Disulfosäure durch kohlensaures Natron oder kohlensaures Ammoniak. Man erhält so Lösungen des Natron- oder Ammoniaksalzes der Disulfosäure des α-Amidonaphtalintetrazodiphenyls, welche man entweder, nachdem dieselben vom ausgeschiedenen kohlensauren Kalke mechanisch getrennt wurden, zur Trockne bringt, oder aus derselben in üblicher Weise durch Eindampfen und Aussalzen mit Kochsalz die darin enthaltenen Salze gewinnt. In gleicher Weise werden 25k,7 salzsaures Benzidin diazodirt, die entstehende Lösung von Tetrazodiphenylchlorid wird in eine Lösung von 55k naphtionsaurem Natron, sowie von 12k essigsaurem Natron in 1000l Wasser unter starkem Rühren langsam einlaufen gelassen. Nach etwa 12stündigem Stehen wird der entstandene Farbstoffbrei, mechanisch von der Lauge getrennt, in üblicher Weise in das Natron- oder Ammoniaksalz verwandelt und getrocknet. Der so erhaltene neue Farbstoff färbt Wolle und Baumwolle, letztere auch ohne Anwendung von Beizen, echt roth. Läſst man nach Angabe der Actiengesellschaft für Anilinfabrikation in Berlin (D. R. P. Nr. 28318 vom 14. Februar 1884) ameisensaures Chlormethyl oder Brommethyl auf Dimethylanilin, Diäthylanilin oder Methyläthylanilin in Gegenwart von Chloraluminium einwirken, so werden blauviolette Farbstoffe gebildet. Zur Darstellung von Aethylviolett trägt man z.B. in 45k Diäthylanilin unter Abkühlung 15k Aluminiumchlorid ein und läſst 10k ameisensaures Chlormethyl einflieſsen. Die Reaction beginnt schon in der Kälte und ist nach mehrtägigem Stehen bei Temperaturen unter 40° beendet. Der gebildete Farbstoff wird durch Auflösen in Wasser, Aussalzen und Trocknen bei 60° in fester Form erhalten; derselbe zeigt die Stärke des „Benzylviolett 6 B extra“, ist aber etwas blauer.