Titel: | Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und Sprengtechnik. |
Fundstelle: | Band 255, Jahrgang 1885, S. 337 |
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Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und
Sprengtechnik.
(Patentklasse 78. Fortsetzung des Berichtes Bd.
254 S. 110.)
Mit Abbildungen auf Tafel
24.
Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und
Sprengtechnik.
Th. Nordenfelt in London und V.
A. Meurling in Christianstad, Schweden (D. R. P. Nr. 30676 vom 21. August
1884) haben ein Verfahren zur Herstellung eines Baumwolle
haltigen Schiefspulvers angegeben: Vor Allem wird eine kohlige Substanz aus
Baumwolle, Holzfaser o. dgl. erzeugt, indem letztere in lockerem Zustande in ein
Gefäſs gebracht und ein Strom Chlorwasserstoffgas hindurchgeleitet wird, wodurch die
Faser bald brüchig wird; schlieſslich treibt man den Chlorwasserstoff durch einen
Luftstrom aus. Der Schwefel wird unter gelinder Erwärmung auf dem Wasserbade in
Schwefelkohlenstoff bis zur Sättigung gelöst, wobei, eine Wasserschicht auf
letzterem die Verdunstung hindert. Mit dieser Schwefellösung wird die gepulverte
Faserkohle in einem geschlossenen Gefäſse mit Rührvorrichtung innig vermengt und der
Schwefelkohlenstoff durch Abdampfen und Abkühlen verjagt und wiedergewonnen. Die so
vom Schwefel gänzlich durchdrungene Faserkohle kann ohne Gefahr fein vermählen,
sodann mit in Wasser gelöstem Salpeter durch eine Rührvorrichtung vermengt und
schlieſslich das Wasser verdampft werden, worauf das Pulver in der gewöhnlichen Weise weiter
verarbeitet wird.
Nordenfelt und Meurling's
Vorschlag ist ein Schritt weiter in dem Bestreben der Neuzeit, die Bestandtheile des
Schieſspulvers als Lösungen zu verarbeiten; ob jedoch dieses Verfahren im Groſsen
ausführbar sein wird, ist fraglich. Abgesehen von der Gesundheitsschädlichkeit und
hohen Feuersgefahr ist die Mengung eine sehr kostspielige, nachdem viel
Schwefelkohlenstoff in die Luft gehen wird; es ist auch wahrscheinlich, daſs sich
Chlorwasserstoffgas mit dem Wassergehalte der Pflanzenfaser zu flüssiger Salzsäure
verbinden wird, was eine umständliche Reinigung der kohligen Substanz zur Folge
haben muſs, wenn nicht das Pulver einen hohen Grad von Gefährlichkeit erhalten soll.
Die Verkohlung bezieh. Zerkleinerung der Faser durch Chlorwasserstoff ist von
Interesse, wenngleich sie nur eine Veränderung des auch bei Herstellung der
Nitrohydrocellulose angewendeten Girard'schen
Verfahrens der Behandlung von Baumwolle mit Schwefelsäure ist, bei welchem
gleichfalls die Baumwolle verkohlt, ein in diesem Falle unliebsamer Umstand, den man
möglichst zu verhindern sucht.
Zu den vielen Stoffen, hauptsächlich organischen Ursprunges, deren Nitrirung schon
versucht wurde, ist nun ein neuer hinzugekommen. Friedr. W.
Gilles in Köln (D. R. P. Nr. 27969 vom 14. April 1883) will nämlich
Nitromelasse durch Nitrirung der gewöhnlichen Melasse und der Rückstände nach der
Entzuckerung der Melasse herstellen und zwar in zwei Formen: als feste und als flüssige
Nitromelasse. In beiden Fällen ist das Mischungsverhältniſs ungefähr
dasselbe wie bei der Nitroglycerin-Erzeugung, nämlich 380g Melasse, 1000g
rauchende Salpetersäure und 2000g concentrirte
Schwefelsäure.
Für die feste Nitromelasse wird die Melasse ohne weitere Vorbereitung mit den Säuren
vermischt, das Ganze in Wasser geworfen und erst kalt, dann warm ausgewaschen; es
entsteht ein Niederschlag von grauer, gelber oder weiſslicher Farbe, welcher
unvermittelt als Sprengstoff benutzt werden kann. – Zur Herstellung flüssiger
Nitromelasse bedarf die Melasse besonderer Vorbereitungen. Gilles gibt nämlich an, daſs die feuchte
Melasse für die Verarbeitung zu Nitromelasse so zusammengesetzt sein soll, daſs das
Verhältniſs zwischen Kohlenstoff und Sauerstoff (den
Sauerstoff des Wassers mitgerechnet) annähernd 2: 3 betrage, die Melasse
also eine Zusammensetzung von etwa 34 Th. Kohlenstoff, 54 Th. Sauerstoff und 12 Th.
Wasserstoff, Stickstoff und Salzen habe. Da nun die Melassen fast nie von gleicher
Zusammensetzung sind, so wird gewöhnlich, nach vorhergegangener chemischer
Untersuchung, eine Verbesserung derselben vorzunehmen sein. Enthält die Melasse zu
wenig sowohl von Kohlenstoff, wie von Sauerstoff, so wird sie in offenen Gefäſsen
mit Bleisuperoxyd und Schwefelkohlenstoff gemischt und soll dann unter zeitweiligem
Umrühren gähren, wobei die Temperatur 130° nicht überschreiten darf. Nach beendigter
Gährung, welche bei 50 bis 70° Wärme 20 bis 24 Stunden dauern soll, zapft man die
überstehende flüssige Masse ab und nitrirt dieselbe; der feste Rückstand soll nach
dem Auswaschen Bleiglanz liefern. Die Mengen des verwendeten Bleisuperoxydes und
Schwefelkohlenstoffes richten sich natürlich nach dem Betrage der zu ersetzenden
Stoffe. Fehlt Sauerstoff allein, so ist um so viel mehr Bleisuperoxyd zu nehmen, als
nöthig ist, um das Verhältniſs zwischen Kohlenstoff und Sauerstoff richtig zu
stellen; es kann jedoch auch der Sauerstoff ohne Anwendung von Schwefelkohlenstoff
unmittelbar zugeführt werden, indem der Sauerstoff, auf bekannte Weise entwickelt,
bei 0,14 bis 3at Druck in die Melasse geleitet
wird, welche sich in geschlossenen Behältern befindet. Die flüssige Nitromelasse ist
– alles nach Gilles' Angabe – gelb, siedet, langsam erwärmt, bei 180 bis 200°, detonirt
zwischen 220 bis 250° und kann von allen bekannten Saugstoffen aufgenommen
werden.
S. R. Divine in Loch-Sheldrake, Nordamerika (D. R. P.
Nr. 29665 vom 5. December 1883) tränkt trockenes chlorsaures Kali, das in Patronen
von Tuch, Papier oder ähnlichen porösen Stoffen gefüllt ist, mit dem Schweröle des
Kohlentheeres in solchem Verhältnisse, daſs hierdurch ein Sprengstoff entsteht. Da jedoch die Menge des Schweröles allein nicht
genügend ist, um die Saugfähigkeit des chlorsauren Kalis vollständig in Anspruch zu
nehmen, so setzt Divine dem Schweröle vorher
Schwefelkohlenstoff oder eine andere leicht flüchtige Flüssigkeit in genügender
Menge hinzu und läſst nach erfolgter Aufsaugung den Schwefelkohlenstoff an der Luft
verdunsten. Um den Sprengstoff empfindlicher zu machen, fügt er noch 1 bis 3 Procent
vom chlorsauren Kali fein gepulverten Schwefel hinzu, welcher in dem
Schwefelkohlenstoffe vorher gelöst wurde.
Die Absicht, den Schwefel in Gestalt einer Lösung in Schwefelkohlenstoff dem Pulver
beizubringen, tritt jetzt mehrfach auf; jedoch ist das Arbeiten mit so leicht
flüchtigen und entzündlichen Körpern stets sehr
gefährlich, besonders, wenn – wie Divine es
denkt – chlorsaures Kali und Schweröl (Schwefel-Schwefelkohlenstoff-Bad) getrennt
versendet und die Patronen am Verwendungsorte hergestellt werden sollen.
Ein Apparat zur Darstellung von Nitroglycerin von Dr.
C. D. A. Schroeder in Dresden-Neustadt (* D. R. P.
Nr. 29130 vom 28. December 1883) besteht aus einem Behälter G1 (Fig. 1 Taf. 24), aus
welchem abgemessene Mengen Glycerin in das Gefäſs G2 flieſsen; das Glycerin läuft nach Abschluſs des
Zufluſshahnes h – durch beim Hahne h1 eintretende
gepreſste Luft beschleunigt – durch Hahn h2 und einen Rohransatz in ein weiteres Rohr r, welches am Boden einer umgestürzten Flasche N aus Glas o. dgl. ausmündet. Durch dasselbe Rohr r tritt auch gepreſste Luft ein, welche das Glycerin
zerstäubt und mit letzterem gemischt durch das mit dem Trichter T in das Rohr R
eingegossene Säuregemisch aufsteigt. Die Säuredämpfe entweichen durch dasselbe Rohr R in die Thonrohrleitung V, von wo die Dämpfe
abgesaugt und zur Verdichtung in einen Thurm geleitet werden. Das Nitrirgefäſs N steht in einem blechernen Kühlschiff K, dem aus einem Behälter W stetig mit Eis gekühltes Wasser zuflieſst. Das Gefäſs N ist in Fig. 1 mit einem
eingeschliffenen Glashahne geschlossen, in Fig. 2 aber mit
Kautschukschlauch S und Klemme O, über welcher eine kurze Quecksilbersäule Q
die Zerstörung durch die Säure verhindert.
Der Apparat bietet wenig Neues. Die Zuführung des Glycerins von unten, zerstäubt
durch gepreſste Luft, ist von C. Kurtz schon früher
(vgl. 1879 234 * 389) angegeben worden. Die Verwendung
von Glasgefäſsen hat manche Uebelstände im Gefolge.
Von unterrichteter Seite erhielt Referent einige Mittheilungen über das Himly-Pulver (vgl. 1883 248
510), wonach ein und derselben Sendung solchen Sprengpulvers Proben entnommen und
von 3 Chemikern untersucht wurden; es enthielt dasselbe in 100 Th. nach:
Emmerling
P. Lohmann
3. Chemiker
Chlorsaures Kali
45,50
33,50
62,50
Salpetersaures Kali
34,38
48,78
25,00
Steinkohlenpech
20,12
17,72
12,50
Diese Ungleichheit in der Zusammensetzung dürfte jedenfalls
darin ihren Ursprung haben, daſs bei der Erzeugung des Himly-Pulvers durch das
Steinkohlenpech sich Klumpen bilden, welche mit den übrigen Bestandtheilen sich
begreiflicherweise nicht innig vermengen. In neuerer Zeit werden die meisten direkt
explodirbaren Stoffe, welche nur zu Sprengzwecken dienen sollen, nicht so sorgfältig
gemengt, als dies beim Schwarzpulver der Fall ist. Man entschuldigt diese
hauptsächlich wegen der Billigkeit beliebte Erzeugungsweise damit, daſs ja im
Bohrloche stets gröſsere Mengen (von 100g
aufwärts) verwendet werden und daſs eine nicht ganz gleiche Zusammensetzung sich
durch die groſse Masse hindurch ausgleiche, – mit Unrecht; denn zweifellos würden
diese Sprengmittel durch eine innigere Mengung bedeutend gewinnen. Das Himly-Pulver
soll etwa um die Hälfte stärker als Schwarzpulver – eine Folge des hohen Gehaltes an
chlorsaurem Kali – und trotzdem ziemlich sicher zu handhaben sein, was von einer
Commission von Fachleuten bestätigt wurde; immerhin muſs betont werden, daſs auch
dieses wie jedes Pulver durch Hammerschläge detoniren
wird.
In der Pulverfabrik von F. C. Dickson und Comp. in
Blackbeck fand am 26. Juli 1884 die Explosion durch
Blitzschlag eines Körnhauses statt.
Auch in diesem Falle (vgl. 1884 251
121) kam der Blitz ohne vorherige Anzeichen, schlug zuerst in eine 800m entfernte Lärche, sodann in eine 230m entfernte Eiche und entlud sich schlieſslich im
Körnhause. Dieses war aus Holz erbaut, hatte ein Wellblechdach und war mit einem
Blitzableiter versehen, welcher aus zwei Auffangstangen bestand, die mit einem
Kupferseile unter einander und mit der Erdplatte verbunden waren. Oberst A. Ford, welcher die Untersuchung pflegte und eifrig
den Standpunkt der Londoner Blitzableiter-Conferenz vertritt, hatte viele Mühe, um
diesen Fall zu erklären. Er fand, daſs das Kupferseil in scharfen Ecken, statt in Bögen
gekrümmt war, daſs ein Verbindungsseil von der Maschine weg mit dem Hauptseile nicht
zusammengelöthet, sondern dessen Enden nur herumgewickelt wurden, daſs die Leitung
nur auf dem Dache lag und nicht genügend damit verbunden war und daſs die Erdplatte
zu kleine Abmessungen hatte. Ford meint nun, daſs,
nachdem auf dem Wege von der Eiche zum Körnhause keine Blitzspur gefunden wurde,
nachdem nicht anzunehmen ist, daſs ein Blitzschlag von solcher Kraft, um eine groſse
Eiche zu fällen, von einem zweiten gefolgt wurde, der so unbedeutend war, daſs an
den Bäumen und der Erde ringsum kein Schaden geschah, die Explosion nur durch einen
„Rückschlag“ zu erklären sei. Die nicht durch Löthung hergestellte
Verbindung habe den elektrischen Strom nicht vollständig weiter leiten können, die
Maschine sei allmählich wie ein Condensator geladen worden, bis die Explosion
entstand; – oder durch den Widerstand in der unvollkommenen Verbindung sei ein Funke
übergesprungen, welcher den feinen Pulverstaub in der Luft des Körnhauses
entzündete. Die letztere Annahme ist wahrscheinlicher; es ist aber nicht nothwendig,
daſs der Funke gerade an dieser Stelle entstanden sei, da ja ein in der Nähe der
Leitung befindlicher Nagel auch einen Funken erzeugen kann. Wir haben schon einmal
erklärt, daſs der Franklin'sche Blitzableiter in seiner
gegenwärtigen Verwendungsweise für Explosivstofffabriken geradezu Gefahren mit sich
bringt und es ist durch die bisherigen Erfahrungen die Annahme berechtigt, daſs
dieses Körnhaus ohne Blitzableiter selbst mit dem Blechdache eher der Gefahr
entgangen wäre, da die ringsum dicht stehenden hohen Bäume ihren alten Ruf als gute
Blitzableiter bewährt haben. So lange man nicht im Stande ist, jeden kleinsten Theil
eines Gebäudes verläſslich mit der Leitung zu verbinden und diese selbst unter allen
Umständen wirksam zu machen, in so lange ist – nach Ansicht des Referenten – der
gesetzliche Blitzableiter-Zwang, wie er in England besteht, unklug. Vielleicht
werden die Zenger'schen Blitzschutzvorrichtungen,
welche Hauptmann Heß bei Versuchen im Kleinen als sehr
zweckentsprechend fand, für die Anwendung im Groſsen brauchbar werden.
In der Pulverfabrik von Shortridge und Wright in
Worsborough Dale explodirte am 15. Oktober 1884 eine Kollermühle, wobei der
Vorarbeiter seinen Tod fand.
In dieser Fabrik war es üblich, daſs nach beendigter Incorporirung
der Arbeiter durch zwei Glockenschläge dem Maschinisten das „Achtung“-Zeichen
gab, welcher die Maschine abstellte, wenn der Arbeiter noch einen Glockenschlag
führte; in der Zwischenzeit ging der Arbeiter in die Mühle, kehrte mit einer Bürste
die Beschickung während des Ganges zusammen und machte
so einen zusammenhängenden „Kuchen“. Kollermühlen arbeiten nur dann
verhältniſsmäſsig ungefährlich, wenn die Pulverschicht, über welche die Läufer
gehen, möglichst gleichmäßig ist und das Heben und
Auffallen der schweren Läufer vermieden werden kann. Es ist zweifellos, daſs durch
das Zusammenkehren des Pulvers, während die Mühle in Gang ist, die Läufer
wellenförmige Bewegungen machen müssen, welche unter Umständen stark genug sein
können, um Explosionen hervorzurufen, wie dies thatsächlich auch hier der Fall
war.
Prof. Hanns Hoefer in Leoben hat die Leistung der Häuer beim Handbohren zum Gegenstande
eingehender, jedoch nicht beendeter Untersuchungen gemacht, über welche in der Oesterreichischen Zeitschrift für Berg- und
Hüttenwesen, 1884 S. 603 ff. berichtet ist.
Es hängt bekanntlich die Arbeit des Häuers wesentlich davon ab, in welcher Richtung
das Bohrloch getrieben wird, und naturgemäſs wird die Leistung bei senkrecht abwärts
gerichteten Löchern am gröſsten, bei senkrecht aufwärts gerichteten am kleinsten
sein. Angenommen nun, es werden mehrere Bohrlöcher in demselben Gesteine, unter
denselben Schichtenverhältnissen, mit gleichen Werkzeugen getrieben, so wird es jedenfalls
zweckmäſsiger sein, die Arbeit des Häuers unmittelbar zu messen, statt dies an der
Wirkung im Gesteine zu thun; dies wird aber zur Notwendigkeit, sobald die
Gesteinsverhältnisse auch nur einigermaſsen wechseln.
Hoefer hat nun einen sogen. Schlagindicalor hergestellt, dessen Anordnung aus Fig. 3 und 4 Taf. 24 ersichtlich ist.
Eine Bufferfeder B im Gehäuse C ist mit einer Eisenplatte D geschlossen,
hat nach abwärts eine gut geführte Stange E, nach oben
einen Ambos F, in dessen Mitte sich eine Vertiefung
befindet; in dieser Oeffnung ist ein Zapfen leicht drehbar, der an Stelle des
Meiſsels das untere Ende der Bohrerstange G bildet.
Unter dem Ambosse greift ein bei H gelagerter
ungleicharmiger Hebel J ein, welcher eine Führung K und K1 und an dieser einen Stift L aus Blei befestigt hat; dieser schreibt senkrechte Linien auf einem
Streifen Papier M, welcher sich zwischen zwei
stehenden, mit Drahtschnurtrieb verbundenen Walzen N
und N1, wovon der eine
nach jedem Schlage mit Handkurbel gedreht wird, ab- und aufwickelt. Durch
Fallenlassen von Gewichten aus 1m Höhe auf die
Bohrerstange erhält man einen nach Meter-Kilogramm eingetheilten Maſsstab. Wird nun
das Maſs der Häuerschläge durch ihre Anzahl in der Minute getheilt, so erhält man
die thatsächliche Häuerleistung für die Secunde. Je nachdem das Bohlenstück A, auf welchem der Indicator ruht, verschiedene Neigung
erhält, kann die Häuerleistung bei den verschiedensten Bohrerneigungen bemessen
werden.
Aus den mit diesem Schlagindicator angestellten Versuchen ergab sich, daſs ein
mittelguter Häuer mit einem 2k,42 schweren Fäustel
bei jedem Schlage 4mk,24 und in jeder Secunde 6mk,28 Arbeit verrichtete, wenn das Bohrloch senkrecht nach abwärts gerichtet war. In den
verschiedenen Neigungen leistete ein Häuer:
Bohrerneigung
Nach abwärts
Nach aufwärts
Grad
90
60
30
0
15
30
Secundliche Leistung Proc.
100
76,1
61,6
49,7
37,6
32,2
Aus diesen Ergebnissen berechnet Hoefer auch, daſs die
Arbeit mit stoſsenden Handbohrmaschinen nicht vortheilhaft sei, nachdem die Leistung
an denselben, nach Abzug der Wirkungsverluste, jedoch ungerechnet die
Aufstellungszeit, beim senkrechten Abwärtsbohren nur 6mk,4 in der Secunde gegenüber 6mk,28 des
Häuers beträgt und bei der durchschnittlichen Bohrerneigung von 40° 4mk,15 des Häuers ihr gegenüber stehen, wobei die
Mehrleistung durch die Nebenarbeiten groſsentheils aufgewogen werde.
Eine weitere Versuchsreihe ergab, daſs zum Abbohren von je 1cm in der festen, feinkörnigen Grauwacke im
Heiligenberger Schachte von Przibram, wo die Versuche stattfanden, bei 24mm mittlerer Meiſselschneide ein Arbeitsaufwand
von 255mk,1, an der Bohrerbahn zur Wirkung
gelangt, nothwendig war und zu einer anderen, bekannt festen Grauwacke im
Franz-Josef-Schachte 504mk,5 erforderlich
wurden.
Man beschäftigt sich noch zu wenig mit der wissenschaftlichen Prüfung der innig
zusammenhängenden Bohr- und Sprengarbeit beim Bergbaue. Eine vernunftgemäſse
Beobachtung aller Erscheinungen würde wesentlich zur ordentlichen Regelung der
Lohnverhältnisse und damit zur besseren Ertragsfähigkeit der Gruben beitragen. Prof.
Hoefer bemüht sich seit längerer Zeit in dieser
Richtung, allein zur vollständigen Lösung solcher Fragen bedarf es viel Zeit und
Geld, welche dem Staate leichter zur Verfügung stehen als Privaten.
Auch Prof. R. v. Rziha hat in einem jüngst gehaltenen,
in der Wochenschrift des Oesterreichischen Ingenieur- und
Architektenvereins, 1884 S. 331 abgedruckten Vortrage über die bedauerliche
Thatsache gesprochen, daſs man in Bezug auf die Gewinnungsarbeiten des Gesteines sich in vieler Hinsicht noch rein auf dem
Standpunkte des Handwerkes befinde und daſs dem groſsen Umfange dieser Arbeiten ein
sehr spärliches wissenschaftliches Erkennen gegenüber stehe. Der Vortragende
versuchte, in die Frage einiges Licht zu bringen, welchen Widerstand die Erdarten
und Gesteine ihrem Abbruche entgegensetzen, und hält als richtigen Maſsstab hierfür
die zur Lösung des Gesteines aufgewendete Arbeit, deren Kenntniſs eine
wissenschaftliche Beurtheilung der Gewinnungsarbeiten, Anregung zum Studium der
menschlichen Arbeitsmaschine, Beziehungen zu den Festigkeitsuntersuchungen und in
praktischer Hinsicht einen Fortschritt im Baue von Arbeitsmaschinen für die
Gesteinslösung, sowie hinsichtlich der Erzeugung von Sprengmitteln als Gewinn
brächte.
Für die Schlagarbeit findet Rziha bei einer gröſsten
Hubhöhe von 2m als äuſserste Grenze eine
Endgeschwindigkeit von 8m,9. Es ist nämlich die
Schlagarbeit nicht nur das Product aus Fäustelgewicht und Hubhöhe, sondern es kommt
hierzu die vom Arbeiter dem Fäustel mitgetheilte lebendige Kraft. Die Schlagwirkung
muſs sonach mit 2Qh ausgedrückt werden, wobei Q das Fäustelgewicht, h
die Hubhöhe ist und angenommen wird, daſs der Arbeiter beim Niederschlage die
gleiche Arbeit leistet wie beim Heben, da er ja das Fäustel nicht einfach fallen
läſst, sondern demselben noch eine gewisse Kraft verleiht.
Die durchschnittliche tägliche Arbeitsleistung eines Menschen nimmt Rziha mit 130000mk
an, die Lösungsarbeit für solches Material, bei welchem Trockenbagger verwendet
werden können, mit 65000 bis 100000mk auf 1cbm, die Leistung von 1k Pulver mit 35000mk und von 1k Dynamit mit 100000mk (Roux und Sarraux fanden als theoretische Wirkung 242335 bezieh.
547250mk). Hieraus wird gefolgert, daſs unter
Umständen die Gewinnungsarbeit im Tunnel- und
Stollenbaue vortheilhafter durch maschinelle Ausbohrung zu bewerkstelligen
sei. Rziha hat zu diesem Zwecke eine Maschine geplant,
welche einen Stollen von 2m,1 Durchmesser ausbohrt
und durch Wasserdruck betrieben werden soll. Bekanntlich wurde auch bei den
Versuchsarbeiten im unterseeischen Tunnel zwischen Calais und Dover eine Tunnelbohrmaschine
mit Luftdruck in der Kreide verwendet (vgl. 1883 247 471.
249 * 77) und zur Herstellung von sogen. Ueberhauen
sind in Deutschland gleichfalls Kernbohrmaschinen gebraucht.
Für die verschiedenen Bodenarten gibt Rziha nachstehende
Annahme als Gewinnungsfestigkeit: Stichboden 10000, Hackboden 20000, gebräches
Gestein 65000, Sprenggestein 1. Kategorie 113000, 2. Kategorie 185000, 3. Kategorie
257000mk auf 1cbm. Nach dem Vortragenden sollen die Messungsergebnisse beim Bohren nicht
auf je 1cc Bohrloch, sondern auf je 1qc Bohrlochsfläche bezogen werden; er nimmt nun
an, daſs die mittlere Bohrfestigkeit auf 1qc von
Sprenggestein 1. Kategorie 2000, 2. Kategorie 5000, 3. Kategorie 8000mk beträgt. Sowohl Hoefer, der die erstere Ansicht vertritt, als auch Rziha, dürfte entgegengehalten werden können, daſs mit der wachsenden
Breite der Bohrerschneide die Schlagwirkung um so weniger zur Geltung kommen wird,
je weiter das getroffene Gestein vom Schlagmittelpunkte entfernt ist; also wird
stets die Leistung nach Cubikcentimeter Bohrloch im
Vergleiche zur Bohrlochsfläche entscheidend sein müssen.