Titel: Edm. Roy's Strassenbahn-Locomotive.
Autor: M-M.
Fundstelle: Band 255, Jahrgang 1885, S. 357
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Edm. Roy's Straſsenbahn-Locomotive. Mit Abbildungen auf Tafel 25. Edm. Roy's Straſsenbahn-Locomotive. Die in Fig. 1 und 2 Taf. 25 dargestellte Straſsenbahn-Locomotive ist nach dem französischen Patente von Edm. Roy in der Maschinenfabrik der Compagnie de Fives-Lille in Fives-Lille (Frankreich, Departement Nord) ausgeführt und für die Straſsenbahnlinien der Pariser Omnibus-Gesellschaft bestimmt. Dort wurde die Locomotive auf der Linie Louvre-St. Cloud – normalspurig, mit Curven bis zu 18m Radius – im Juli und August 1884 versuchsweise eingeführt und fand allgemein Anerkennung, entbehrt jedoch vorläufig noch der behördlichen Ermächtigung zur Aufnahme des regelmäſsigen Betriebes, welcher hier in Folge des lebhaften Verkehres mit auf sergewöhnlichen Vorsichtsmaſsregeln erschwert wird. Da aber die Roy'sche Maschine entschieden die praktischste Lösung unter den bis jetzt bekannten Straſsenbahn-Locomotiven darstellt, so ist an ihrer endgültigen Betriebsetzung in groſsem Maſsstabe kaum zu zweifeln. Wie aus Fig. 2 hervorgeht, bildet die Maschine mit dem zur Aufnahme der Fahrgäste bestimmten Wagen ein Ganzes und macht hiermit, was eine Grundbedingung für die zweckmäſsige Lösung der Aufgabe ist, einen Theil des Zuggewichtes für die Adhäsion der Maschine nutzbar. Dabei ist jedoch die Maschine nicht allein vollständig von dem Personenraume geschieden, sondern läſst sich auch erforderlichenfalls ganz von dem Wagen loslösen, so daſs bei Ausbesserungen des Mechanismus derselbe Wagen mit einer anderen Locomotive fahren kann. Die Bestandtheile der Locomotive sind nämlich derart angeordnet, daſs der ganze Mechanismus sammt den Wasserkasten unterhalb des Fuſsbodens vom Wagenkasten Platz findet und nur der Kessel sammt Führerstand, welcher über die Vorderachse frei herausragt, eine gröſsere Höhe beansprucht. Es kann daher der gröſste Theil der Locomotive unter den Wagen geschoben werden und wird die Gesammtlänge des zusammengestellten Fahrzeuges, trotzdem es aus zwei von einander getrennten Bestandtheilen besteht, wenig länger als die gewöhnlicher Straſsenbahnwagen und nimmt selbstverständlich viel geringeren Raum ein als die bekannten Pariser Omnibuswägen mit ihren 3 Pferden. Indem ferner der Rahmen der Locomotive nur durch einen Drehzapfen mit dem Wagengestelle verbunden ist, bildet erstere ein vollkommenes Truckgestell und erhält so das Fahrzeug alle Vortheile dieser Construction, welche den ruhigen Gang einer groſsen Radbasis mit der zwanglosen Einstellung in die Curven vereinigt. Dies war bei dem vorliegenden Falle um so nöthiger, als der ursprünglich nur für Pferdebetrieb bestimmte Oberbau der betreffenden Linie auf sehr schwachen Langschwellen ruht, keine Querversteifungen und auch nur eine Schiene mit Spurkranzrille besitzt, wie aus dem Querschnitte Fig. 1 ersichtlich wird. Hier handelte es sich also ganz besonders um eine sichere Auflage des Fahrzeuges und Vermeidung jeder seitlichen Beanspruchung der Fahrbahn. Radstand und Lastvertheilung im voll ausgerüsteten Zustande ergibt sich aus Fig. 2; die Effectabmessungen sind folgende: Heizfläche 9,6qm Rostfläche etwa 0,2qm Cylinderdurchmesser 160mm Hub 240mm Wasserraum 220l Kohlenraum 60k Gewicht der Maschine allein im leeren Zustande 4650k Die Dampfspannung ist nicht angegeben, kann aber bei der gewählten Kesselconstruction beliebig auf 12 oder 15at gebracht werden. Auf die Einzelconstruction übergehend, ist zunächst zu bemerken, daſs die Maschine, wie aus Fig. 1 hervorgeht, mit Innenrahmen und äuſserem Mechanismus construirt ist; die Verbindung mit dem Wagen wird durch einen Drehzapfen gebildet, welcher am hinteren Ende des Locomotivgestelles in der Mitte befestigt ist und der in einen Querträger des Wagengestelles lothrecht frei beweglich eingreift, so daſs hier nur die Zugkraft der Locomotive, nicht aber das Gewicht des Wagens übertragen wird. Letzteres geschieht durch ein nach dem Radius r (Fig. 2) gekrümmtes -Eisen, welches sich mit seiner ringförmigen Nuth auf zwei an den Locomotivrahmen angebrachte Buffer stützt, ohne dadurch die freie Einstellung in der Curve zu hindern. Sobald das Fahrzeug wieder in die Gerade kommt, gibt der auf das Hintergestell ausgeübte Zug die nöthige Kraftcomponente, um das Truckgestell wieder in seine Mittelstellung zurückzuführen- übrigens hindert nichts, zur Unterstützung dieser Bewegung noch entsprechend geneigte schiefe Ebenen (in der Ringnuth) oder seitlich wirkende Federn anzubringen. Der beachtenswerteste Theil der Roy'schen Locomotive ist jedenfalls der Kessel, welcher in Fig. 1 im Querschnitte dargestellt ist; derselbe besteht aus zwei senkrecht neben einander aufgestellten Cylindern, von denen der eine hauptsächlich als Feuerungsraum, der andere zur Unterbringung der Rohrheizfläche dient. Beide Cylinder haben in der unteren Hälfte eine cylindrische Feuerbüchse eingesetzt, welche mittels eines den äuſseren Mantel durchsetzenden Rohrstutzens in Verbindung stehen. Die beiden Cylindermäntel sind auſserdem noch an zwei Stellen, im Wasserraume und im Dampfraume, durch kurze Stutzen mit einander verbunden. Aus der einen Feuerbüchse führt ein trichterförmig erweitertes Rohr nach aufwärts und ist oben mit einem Deckel verschlossen; hier wird das Brennmaterial (Kokes) von oben eingefüllt und sinkt allmählich, wenn die Verbrennung fortschreitet, nach, so daſs der Führer während der Fahrt nichts mit der Bedienung des Feuers zu thun hat und die knapp oberhalb des Rostes befindliche Heizthür nur zum Anheizen benöthigt. Damit hierbei nicht etwa die ganze Feuerbüchse mit Kokes erfüllt und das Feuer erstickt werde, sind rings um das centrale Füllrohr kurze Field'sche Rohre angebracht, welche jedenfalls öfters erneuert werden müssen und deshalb an besonderen eingeschraubten Stutzen befestigt sind. Die Heizgase gehen durch den wagerechten Stutzen in die zweite Feuerbüchse, welche ganz mit Field'schen Hängerohren angefüllt ist und den Haupttheil der Heizfläche (im Ganzen 9qm,6) liefert. Von hier ziehen die Gase unten ab in einen zwischen den beiden Kesselcylindern gebildeten Zug, so daſs die Gase auch noch je einen Theil des Kesselmantels bespülen, ehe der Rauchfang erreicht wird. Dieser verhältniſsmäſsig lange Weg der Heizgase trotz der gedrungenen senkrechten Aufstellung ist sehr bemerkenswerth und der Oekonomie günstig; auch muſs hervorgehoben werden, daſs der so oft gegen die Field'schen Rohre erhobene Vorwurf, ihre unteren Enden seien bei Kesselsteinablagerung dem raschen Verderben ausgesetzt, gerade hier weniger zutrifft, da für die Mehrzahl der Rohre die unteren Enden erst von abgekühlteren Heizgasen getroffen werden. M-M.

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