Titel: G. Enrico's Dampfmaschine mit Präcisionssteuerung auf der Turiner Ausstellung 1884.
Fundstelle: Band 255, Jahrgang 1885, S. 457
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G. Enrico's Dampfmaschine mit Präcisionssteuerung auf der Turiner Ausstellung 1884. Mit Abbildungen auf Tafel 32. G. Enrico's Dampfmaschine mit Präcisionssteuerung. Im Gegensatze zu den vielen mehr oder weniger gut gelungenen Nachbildungen bereits bekannter ausländischer Typen von Dampfmaschinen mit Corliſssteuerungen in den verschiedensten Varianten, welche auf der Turiner Ausstellung vertreten waren, fiel eine 60pferdige wagerechte Condensationsdampfmaschine mit Präcisionssteuerung von G. Enrico in Turin durch ihre Einfachheit, Eigentümlichkeit und gute Ausführung auf. Es war auch dies die einzige von 8 ausgestellten schwereren Dampfmaschinen, welche bereits im Anfange der Ausstellung einen Käufer gefunden hatte, während die 7 übrigen stärkeren Dampfmaschinen von je 20 bis 250e und zusammen etwa 800e keine Käufer gefunden hatten, so daſs zum Schlüsse der Ausstellung die verschiedenen Ministerien die ganze Sammlung zur Verwendung in Eisenbahn-Werkstätten und Arsenalen aufkauften. Man kann somit annehmen, daſs der italienische Dampfmaschinenbau bei der Privatindustrie noch nicht dasselbe Vertrauen besitzt, welches ihm die Regierung schenkt, wie auch mit sehr wenigen Ausnahmen die gröſseren Motoren noch fast ausschlieſslich nach Italien eingeführt werden. Es ist sicher, daſs die künstliche Schaffung einer von den Naturverhältnissen nicht begünstigten Industrie, welche bloſs auf Deckung des inländischen Bedarfes angewiesen und folglich zu sehr den Einflüssen von örtlichen Geschäftsstockungen ausgesetzt ist, der Regierung eine gewisse Verantwortlichkeit auferlegt hat. Im gegenwärtigen Augenblicke sind Tausende von Maschinen-Arbeitern in Mailand und Turin ohne Beschäftigung und müssen dann Regierung, Behörden und Privatwohlthätigkeit mit groſsen Opfern zu Hilfe kommen. Die in Fig. 14 bis 17 Taf. 32 dargestellte Dampfmaschine von G. Enrico hatte folgende Hauptabmessungen: D = 375mm; l = 800mm; n = 75; c = 2m,000. Ni = 72e; Ne = 60e; p = 6at. Hub der Ventile 20mm. Einströmungsöffnungen 75qc. Ausströmungsöffnungen 75qc. Höchste Füllung 60%. Ordnungsgemäſse Füllung ⅙%. Schädlicher Raum 2 Procent vom Cylinderinhalte. Schwungraddurchmesser = 4m,000. Gewicht 2900k. Die Dampfvertheilung geschieht mittels einfacher Tellerventile a (Fig. 14), welche vermöge einer speciellen Pumpe und unter Vermittelung einer Flüssigkeit – in diesem Falle Oel – bewegt werden. Auf den beiden Ventilspindeln sind Kolben c angebracht und das Ganze wird am oberen Ende der Spindel durch einen Hebel e und eine in der Mitte dieses Hebels bei f einwirkende Feder niedergehalten. Die kleinen Cylinder, in welchen sich die Kolben c befinden, stehen unten mit den Kammern q des Pumpencylinders h (Fig. 15 und 17) durch Rohre g in Verbindung. Auſserdem sind dieselben oben durch eine Kammer i unter einander verbunden und letztere ist mittels des Rohres k mit einer oberhalb des Pumpencylinders h angebrachten Büchse in Verbindung. Die Kolben c sind mit kleinen, senkrechten und durch Ventile l geschlossenen Oeffnungen versehen und gestatten dieselben, wie weiter unten näher erklärt wird, einen Kreislauf des Oeles zwischen dem Behälter i und den Kammern q; auſserdem sind die Kolben noch mit seitlichen Oeffnungen s versehen, welche den gröſsten Hub des Ventiles bedingen. Die Pumpe, welche die beiden Einlaſsventile regulirt, besteht aus zwei durch eine Spindel m vereinigten Kolben o, welche von einem Excenter auf der Hauptwelle bewegt werden. Kolben und Spindel bilden ein Ganzes und können sich unter der Einwirkung eines mit dem Regulator in Verbindung stehenden Hebels in der Führung n drehen. Die Kolben o sind auf der inneren Stirnfläche mit spiralförmigen Ausschnitten versehen. In den die Kolben umschlieſsenden Hülsen befinden sich 3 Kanäle p, welche durch Oeffnungen p1, p2 die Kammer q mit dem mittleren Pumpenkörper verbinden, und ferner mündet noch in derselben Kammer das oben erwähnte Rohr g ein. Die 3 Kanäle p dienen dazu, die Kammer q mit dem Pumpenkörper h in Verbindung zu bringen, sobald der Kolben o am Ende seines Hubes nach links ankommt und die Oeffnungen p1 schlieſst. Die Steuerung geschieht in folgender Weise: Das ganze System der Kammern, Röhren, Behälter und des Pumpenkörpers wird mit Oel gefüllt; sobald sich der Kolben o nach rechts bewegt und dessen äuſsere ebene Stirnfläche die Oeffnungen der Kanäle p geschlossen hat, drückt der Kolben auf die Flüssigkeit in der Kammer q und in Folge dessen auch unterhalb des Kolbens c, hebt denselben und damit auch das Ventil a, so daſs die Dampfeinströmung beginnt. Während der Bewegung des Kolbens o nach rechts legen die 3 spiralförmigen Ausschnitte auf der entgegengesetzten inneren Stirnfläche die 3 Oeffnungen p1 früher oder später frei, je nach der relativen Stellung der 3 Spiralen, welche von der höheren oder tieferen Stellung des Regulators abhängt. Sobald die 3 Oeffnungen p1 frei werden, läſst der Druck unter dem Kolben c nach, in Folge der Verbindung, welche durch die Kanäle p zwischen der Kammer q und dem Pumpencylinder h hergestellt wurde, und dann schlieſst die Feder f mittels des Hebels e und der Spindel das Ventil a; beim Rückgange bewegt sich der Kolben o nach links, dasselbe Spiel wiederholt sich auf der anderen Seite und während desselben saugt der Kolben o durch die Röhre g wieder das Oel an, so daſs dasselbe von Behälter i durch die senkrechten Oeffnungen des Kolbens c strömt, welche durch den Niedergang des Ventiles l frei geworden sind, so daſs auf diese Art der Kreislauf des Oeles unterhalten wird. Wie man sieht, hängt die Dauer der Druckperiode des Oeles unter dem Kolben c von der relativen Stellung der 3 spiralförmigen Ausschnitte des Pumpenkolbens c zu den Oeffnungen p1 ab; da diese Stellung mit der Lage des Regulators veränderlich ist, so erklärt sich leicht, wie die verschiedenen Expansionsgrade selbstthätig bewirkt werden; je länger nämlich die Dauer der Druckperiode ist, desto länger bleibt das Dampfventil offen und findet Einströmung statt, die Expansionsperiode wird vermindert und umgekehrt. Die Ausströmung geschieht durch zwei unterhalb des Dampfcylinders angebrachte Drehschieber, welche durch ein Excenter von der Hauptwelle aus bewegt werden. Die Condensation erfolgt durch eine mittels Riemen von der Schwungradwelle aus getriebene Flügelpumpe ohne Ventile mit 6 Flügeln von 280mm Breite, 250mm äuſserem Durchmesser, 180mm Theilkreis und machte dieselbe 85 Umdrehungen in der Minute. Die Condensationspumpe kann mit Leichtigkeit abgestellt werden, indem man den Riemen auf die lose Scheibe bringt. Der Behälter, welcher die Pumpe umschlieſst, ist in 2 Kammern getheilt, die mit dem mittleren Theil, in welchem sich die Flügel drehen, in Verbindung stehen; in einer dieser Kammern findet die Condensation statt, während die Flügel das Condensationswasser durch die andere Kammer nach dem Auslaufrohre schaffen. Das Dampfausströmungsrohr ist mit einem Ventile versehen, welches sich schlieſst, sobald die Condensationspumpe saugt, und sich öffnet, sobald der Dampf unmittelbar ins Freie treten soll, und es genügt, ein anderes Ventil in der Nähe des Condensators zu schlieſsen, um ohne Condensation zu arbeiten. Die Vortheile dieser originellen Construction bestehen in der Einfachheit der Steuerungsorgane, bei welchen eine Unzahl von Gelenken in Wegfall kommen, die einfach durch eine Flüssigkeit ersetzt sind; ferner in der Anwendung eines einfachen, sehr leicht herzustellenden und dicht haltenden Tellerventiles anstatt der meist üblichen Doppelventile und endlich in der Möglichkeit einer leichten Umsteuerung durch Verstellung des Excenters, oder unter Anwendung einer Coulissensteuerung. H. B.

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