Titel: | Versuch der Nutzbarmachung von Abgangshitze. |
Fundstelle: | Band 256, Jahrgang 1885, S. 132 |
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Versuch der Nutzbarmachung von
Abgangshitze.
Hurter, über den Versuch der Nutzbarmachung von
Abgangshitze.
Ueber einen Versuch, die Abgangshitze durch Anwendung Perkins'scher Röhren nutzbar zu machen, berichtet Ferd.
Hurter im Journal of the Society of Chemical
Industry, 1884 S. 67. Die zweckmäſsige Ausnutzung
der Abgangswärme hängt im Allgemeinen von der dadurch zu leistenden Arbeit und von
dem Preise der Kohlen ab. Der Verfasser zeigt durch Rechnung, daſs bei einem
Kohlenpreise von 5 M. für 1t (der gewöhnliche
Preis in England) die Temperatur der Rauchgase mindestens 220° sein muſs, bevor sich
die Ausnutzung der Abgangswärme lohnt. Bei einem höheren Preise der Kohlen ist dies
schon bei niederer Temperatur der Fall. Bei Perkins'schen Wasserröhren kostet 0qm,1
Heizfläche 8 M. Die Temperatur der Abgangsgase muſs daher mindestens 450° sein.
In der Sodafabrik von Gaskell, Deacon und Comp. in
Widnes wurden die heiſsen, aus dem Drehofen kommenden Rauchgase zuerst durch einen
Dampfkessel und dann unter einer 11m langen
Abdampfpfanne durchgeführt. Da jedoch die Rauchgase dadurch nur etwa auf 550°
abgekühlt wurden, setzte man zur Vergröſserung der Heizfläche in den Feuerzug und in
die Pfannen Röhren nach Perkins Hochdrucksystem ein. Es
wurden 6 getrennte Röhrensysteme angewendet. Jedes derselben bestand aus zwei mit
einander verbundenen Schlangen, von denen die eine 48m,8 lang im Feuerzeuge, die andere 21m,3
lang in der Pfanne lag. Jedes System war am höchsten Punkte mit einem
Expansionsgefäſse, am niedersten mit einem Ventile zum Füllen mit Wasser versehen.
Die Gesammtheizfläche betrug 33qm. Jedes System
enthielt 28l Wasser.
Es zeigte sich, daſs die Expansionsgefäſse als der wunde Punkt des ganzen Systemes
angesehen werden müssen. Sind dieselben zu groſs, so kocht das Wasser in den Röhren:
sind sie zu klein, so entsteht ein zu groſser Druck und die Röhren bersten. Eine
unregelmäſsige Temperatur der Gase ist sehr hinderlich. Der Hauptgrund, warum sich
das System nicht bewährte, lag darin, daſs die einzelnen Röhrenschlangen viel zu lang waren. Die Geschwindigkeit, mit welcher das Wasser
in den Röhren bewegt wird, ist abhängig von dem Höhenunterschiede der Schlange in der Pfanne und der Schlange im Feuer
sowie von der Länge der Schlange. Bei zu groſser Länge
findet groſse Reibung statt, wodurch die Bewegung verlangsamt und die Temperatur und
damit auch der Druck erhöht wird. In dem Versuchsapparate wurden die Röhren, also
auch wohl der Inhalt derselben, oft geradezu rothglühend. Die Wärmeausnutzung des
Drehofens, welcher bei einem wöchentlichen Verbrauche von 120l Kohle (die Mischungskohle eingeschlossen) 114l Sulfat zersetzte, vertheilte sich bei Anwendung
der Perkins sehen Röhren folgender maſsen, unter
Annahme der Wärmeeinheit = 1000k Wasser und 1°
Celsius:
In der Feuerung des Drehofens entwickelte Wärme:
840000
Im Drehofen verbrauchte Wärme:
a) Zur Zersetzung von Na2SO4 und CaCO3 zu Na2CO3 und CaS
188100
b) Mit der Sodaschmelze entfernt
38760
226860
–––––––
Zur Verdampfung verbrauchte Wärme:
a) Im Dampfkessel (Heiztl. 36qm,8 = 396 Quadratfuſs engl.)
89190
b) In der Pfanne (Heizfl. des Bodens 40qm = 432 Quadratfuſs engl.,
den Perkins'schen Röhren 33qm,4 = 360 Quadrat- fuſs
engl.)
51990
141180
–––––––
Wärmeverluste:
a) Durch den Kamin (Temperatur des abziehenden Gases
450°)
138624
b) Andere Verluste (Differenz)
333720
472344
–––––––
Ohne Benutzung der Röhren, wenn die Abgangshitze zu
unmittelbarer Oberflächen Verdampfung verwendet wurde, fand folgende Wärmeausnutzung
statt:
In der Feuerung des Drehofens entwickelte Wärme
840000
Im Drehofen verbrauchte Wärme
226860
Zur Verdampfung verwendet (Verdampfungsoberfl. 40qm,1)
138624
Diese beiden Ergebnisse lassen sich folgendermaſsen vergleichen:
Durch unmittelbare Oberllächenverdampfung
ausgenutzte Wärme, indem die heiſsen Gase über die 40qm,5 groſse Oberfläche der
Flüssigkeit hinziehen
16,5
Proc.
Die durch die Gesammtheizfläche des Kessels, der
Pfanne und der Perkins-Röhren
(110qm,35 = 1188
Quadrat- fuſs) aufgenommene Wärme, durch Eisenplatten
über- tragen
16,8
„
Die auf 1qm Oberfläche der
zu verdampfenden Flüssigkeit in der Woche bei
Oberflächenverdampfung unmittel- bar übertragene Wärmemenge ist
ungefähr
30,21
„
Kosten der Anlage auf 1 Quadratfuſs engl.
Verdampfungs- fläche = 5 Schilling oder auf 1qm rund
53,75
M.
Die auf 1qm indirekter
Heizfläche (Kessel, Pfanne, Perkins- Röhren) übertragene Wärmemenge ist
ungefähr
11,23
Proc.
Kosten der Anlage auf 1 Quadratfuſs engl. Heizfläche
= 9 Schilling oder auf 1qm
rund
96,75
M.
Es ergibt sich aus diesen Angaben, daſs Nutzbarmachung von Abgangswärme durch Oberflächen-Verdampfung bei weitem am billigsten ist.
Hurter stellt zur Berechnung von Apparaten nach Perkins'schem Principe die folgende Formel auf:
\delta=\frac{H}{C}=\frac{\beta\,log\,[(T_1-t_0)\,:\,(T_1-t_1)]}{\alpha\,log\,[(t_1-T_0)\,:\,(t_0-T_0)]}
In derselben bedeutet:
H die von den Rauchgasen bespülte Heizfläche einer Schlange.
C die Kühlfläche einer Schlange in der zu verdampfenden
Flüssigkeit.
α = 23 Wärmeeinheiten die auf 1qm und
für 1° Temperaturunterschied von den Rauchgasen an das Wasser der Heizschlangen
abgegebene Wärmemenge.
β = 921 Wärmeeinheiten die auf lqm und für 10 Temperaturunterschied von
den heiſsen Röhren an die Flüssigkeit abgegebene Wärmemenge.
T1 Temperatur der Rauchgase.
t1 Höchste Temperatur des Wassers in den Schlangen,
t0 Niederste Temperatur des Wassers.
T0 Siedepunkt der Flüssigkeit in der Pfanne.
Die folgende Tabelle gibt die Verhältnisse von Heiz- und
Kühlfläche, welche bei verschiedenen Temperaturen angewendet werden müssen:
T1
Celsius
T1
Fahrenheit
δ = H : C
1000°
1832°
3,018
900
1652
3,432
800
1472
3,990
700
1292
4,756
600
1112
5,913
500
932
7,801
400
752
11,515
Zur Berechnung der Länge der
Schlangen in dem Abdampfapparate gibt der Verfasser die Formel:
C=37,3\,D\sqrt{\frac{h}{1+\delta}}
wobei D den Durchmesser
der Röhren in Zoll engl., δ den Werth von H : C in der obigen Tabelle und h den Höhenunterschied zwischen der Schlange im Feuer und der im
Abdampfapparate in Fuſs engl. bezeichnen. In das metrische System umgerechnet lautet
die Formel:
C=0,81\,D\sqrt{\frac{h}{1+\delta}}
wo C die Länge in Meter,
D den Durchmesser in Millimeter, h den Höhenunterschied in Meter bedeuten.
Diese Formeln gelten jedoch nur unter Annahme folgender
Temperaturen: Siedepunkt der zu verdampfenden Flüssigkeit 100°, höchste Temperatur
des Wassers in dem Röhrensysteme 240°, niedrigste 120°. Die Formeln nehmen Rücksicht
auf die Reibung des Wassers in den Röhren, aber nicht auf die Biegungen derselben;
sie geben deshalb die gröſste zulässige Länge der Röhren.