Titel: Ueber Neuerungen an Nähmaschinen.
Autor: Gl.
Fundstelle: Band 256, Jahrgang 1885, S. 306
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Ueber Neuerungen an Nähmaschinen. Mit Abbildungen auf Tafel 17 und 20. (Patentklasse 52. Schluſs des Berichtes S. 249 d. Bd.) Ueber Neuerungen an Nähmaschinen. Die Ledernähmaschine von Dan. Mills in Philadelphia (* D. R. P. Nr. 17490 vom 5. April 1881) ist als Cylindermaschine gebaut und zeigt eine geschickte Anordnung der Werkzeuge, sowie in constructiver Hinsicht – entsprechend der Beanspruchung – passende Formen und Abmessungen der einzelnen Theile. Dieselbe erzeugt, wie Keats' Nähmaschine mit Hilfe einer Hakennadel und Schiffchen eine Doppelsteppstichnaht, jedoch mit dem wesentlichen Unterschiede, daſs hier beide Werkzeuge unterhalb der Nähplatte angebracht sind, während dieselben bei der letztgenannten Maschine oberhalb des Arbeitstückes liegen. Die gerade Nadel und die Verwendung einer Ahle ermöglicht es, starke oder harte Lederstücke zu nähen, und die Stoffverschiebung, welche durch die Ahle erfolgt, ist als eine sehr sicher wirkende zu bezeichnen. Der auf einem hohen Untergestelle befestigte Nähmaschinenarm A (Fig. 1 bis 3 Taf. 20) trägt die wagerecht liegende Hauptwelle B, die Ahle C, den Fadeneinleger D, den Stoffdrücker E und die Oberfadenspule H nebst dem Fadenheber J. Dagegen nimmt der schmale Tisch K (Fig. 1 und 6) das Schiffchen L, den Greifer N und die Hakennadel M auf. Hakennadel und Fadeneinleger: Die Hakennadel M wird in der aus Fig. 1 zu entnehmenden Weise im oberen Ende des Nadelhalters M1 befestigt; letzterer ist in einem unterhalb des Tisches K angegossenen Lager geführt und durch Vermittelung des im senkrechten Schlitze M2 gleitenden Stückes M3 auf- und abbewegt. Hierbei erleidet der Nadelhalter M1 in Folge Eingriffes eines mit Führungsrolle versehenen Stiftes M4 in die gewundene Nuth in M1 gleichzeitig eine Vierteldrehung um seine Achse. Der Gleitbacken M3 steht mit dem Hebel P (Fig. 2) in Verbindung und dieser wieder mit dem doppelarmigen Hebel P1, welcher durch die Curvennuth P2 einer Scheibe Bewegung erhält. In der höchsten Nadelstellung decken sich die beiden Schlitze dieser Hebel P und P1, so daſs der Verbindungsbolzen verschoben werden kann, ohne den Nadelstand zu verändern; da jedoch die Drehpunkte beider Hebel nicht zusammen fallen, so wird eine Verschiebung dieses Bolzens eine Aenderung in der Nadelsenkung zur Folge haben, was erforderlich ist, um die Nadel so einzustellen, daſs die Schleife leicht erfaſst und abgenommen werden kann. Ist die Nadel von unten durch das Arbeitstück getreten, so beginnt der Fadeneinleger D (vgl. Fig. 1 und 2) seine Thätigkeit, indem derselbe den Faden um die Nadel schlingt. Dieser Fadeneinleger wird von einem kurzen Arme eines bei D1 am unteren Ende des Armes D2 drehbaren Hebels D3 getragen. Der Arm D2 ist mit seinem oberen Ende an dem Maschinenkopfe A drehbar befestigt und hat einen schrägen Schlitz D4 (Fig. 1) für die Aufnahme des Zapfens, welcher dem um Q1 drehbaren Hebel Q (Fig. 2) angehört. Der längere Arm des Hebels D3 enthält am Ende ebenfalls einen schrägen Schlitz, in welchem sich der Stift mit Führungsrolle der Stange B führt; letztere wird von dem Hebel B2 auf- und abbewegt, so daſs durch die vereinigte Bewegung dieser beiden Hebel B2 und Q der Fadeneinleger einen Bogen um die Hakennadel beschreibt, um den Faden in den Haken zu bringen (vgl. auch oben Cutlan S. 253 d. Bd.). Greifer und Schiffchen: In zwei Lagern des Tisches K (Fig. 6 Taf. 20) ruht eine Hohlwelle N1 deren vorderes Ende einen zu einem Greifer geformten Ringtheil N (vgl. Fig. 1) bildet. Auf der hinteren Seite steht diese Hohlwelle N1 durch elliptische Winkel- und Stirnräder mit der Hauptwelle B in Verbindung, so daſs der Greifer N eine schnelle Drehung annimmt, sobald er die Schleife fängt und erweitert, darauf aber sich langsam dreht, damit die anderen Werkzeuge Zeit haben, ihre Arbeit auszuführen. Auſser der Drehbewegung erhält die Hohlwelle N1 noch eine Längsverschiebung (vgl. Hurtu und Hautin 1882 245 * 445), durch eine an der Maschinenwand befestigte Rolle, welche in die Curvennuth des Cylinders N2 (Fig. 6) eingreift. In Fig. 3 ist ersichtlich, daſs der Bolzen N3 der eben genannten Rolle in einem Schlitze der Maschinenwand eine Verstellung erlaubt, um die Längsbewegung der Hohlwelle N1 genau zu regeln. Innerhalb der Hohlwelle N1 und zum Theile in einer Führung des Tisches K bewegt sich das cylindrische Schiffchen L (vgl. Fig. 6); dieses erhält die erforderliche hin- und hergehende Bewegung durch zwei auf beide Schiffchenenden wirkende Kolben S, S1 welche gemeinschaftlich durch den um S2 (Fig. 3) drehbaren Hebel mittels der Stangen S3 und S4 ihre Bewegung erhalten. Der vordere Kolben S1 kann leicht von seiner Stange S4 abgenommen werden, da das Ende derselben aufgeschlitzt ist; der Kolben S1 wird aber beim Nähen so an S4 befestigt, daſs derselbe den zum Fadendurchgange nöthigen Spielraum zwischen dem Schiffchen läſst. Der Deckel des Schiffchens wird durch Bajonnetverschluſs mit dem Hauptkörper verbunden. Der Pechfaden oder Schuhdraht geht vom Inneren des Schiffchens durch eine in der Nabe des Deckels (vgl. Fig. 5 Innenansicht) angebrachte Oeffnung und von da zwischen einer durch die Schraube T1 stellbaren Spannfeder T und inneren Wandung des Deckels hindurch und schlieſslich durch die in dem Deckel und Schiffchenkörper befindlichen Löcher nach auſsen. Der Zugang zu der Schraube T1 ist möglich, sobald der vordere Kolben entfernt worden ist, und man kann somit die Fadenspannung verändern, ohne das Schiffchen heraus nehmen zu müssen. Ahle und Stoffverschiebung: Durch Vermittlung einer Curvenscheibe und eines zweiarmigen Hebels erfolgt zunächst der Auf- und Niedergang der Stange U (Fig. 1 bis 3), welche ihre Bewegung durch die Zugstange U1 auf den Ahlenhalter überträgt. Die Führung des letzteren ist in einem wagerecht verschiebbaren Schlitten U2 am unteren Ende des Maschinenkopfes angebracht; eine Platte U3, welche zugleich die Führung für die beim Fadeneinleger-Mechanismus beschriebene Stange R enthält, deckt den beweglichen Schlitten U2. Auf demselben kann eine kleine Platte V mit Führungsschlitz so durch die Daumenschraube V1 befestigt werden, daſs der Schlitz einen Winkel mit der Achse des Ahlenhalters bildet. Die Verschiebung des Schlittens bezieh. der Ahle und somit auch des Arbeitstückes erfolgt durch die Bewegung der Stange R, welche mit einer am Arme R1 angebrachten Rolle in den Schlitz der kleinen Platte V eingreift; die Gröſse der Verschiebung oder die Stichlänge kann durch Verstellung dieser Platte V verändert werden. Stoffdrücker: Der Drückerfuſs E (Fig. 4) ist an dem unteren Ende einer Röhre befestigt, welche eine Spiralfeder aufnimmt, die einerseits gegen die Stellschraube E1, andererseits gegen einen Stift E2 drückt. Der Stift geht quer durch das obere Lager und führt sich in Schlitzen der Röhre, so daſs der Stoffdrücker sich durch den Hebel E3 (Fig. 3) von dem Arbeitstücke abheben läſst Um aber ein Aufheben durch die empor gehende Nadel M zu verhindern, ist zwischen den beiden oberen Lagern W und W1 eine Hülse W2 auf die Stoffdrückerrohre geschoben, die eine durch den Maschinenkopf reichende Mutter bildet, in welche sich die Spindel W3 einschrauben kann; letztere liegt mit ihrem hinteren Ende in dem Lager W4 und legt sich mit einem Bunde an dasselbe; ein kleiner Arm Y dieser Spindel veranlaſst mittels einer Hubscheibe deren Drehungen; dadurch zieht die Spindel die Hülse fest an den Stoffdrücker, so daſs sich derselbe durch die entstehende Reibung nicht zu heben vermag. Diese Einrichtung hat gegenüber derjenigen z.B. von Keats oder Cutlan den Vortheil, daſs sich der Stoffdrücker ganz der Lederstärke entsprechend selbstthätig einstellt und in dieser Höhe gehalten wird. Die Oberfadenspule H (Fig. 3) wird in gewöhnlicher Weise durch eine Spiralfeder gebremst; ihr Faden geht über die Rollen H1 bis H5 zum Fadeneinleger D. Die Rolle H2 wird von einem bei J1 drehbaren Hebel J getragen und letzterer durch eine Curvenscheibe bewegt. Dieser Hebel läſst den Faden nach, sobald die Fadenschleife von der Nadel erfaſst worden ist. Ferner ist die Rolle H4 an einem Schieber befestigt und dieser wird durch eine Spiralfeder nach auſsen geschoben, so daſs die Rolle den Unregelmäſsigkeiten des Fadeneinlegers D folgen kann. Erwärmung der Werkzeuge: Bei allen Nähmaschinen, welche Pechfäden vernähen, muſs eine Erwärmung derjenigen mit dem Faden in Berührung kommenden Theile erfolgen. An vorstehend beschriebener Nähmaschine ist hierzu die Gasleitung X (Fig. 3) angeordnet, welche zwei Bunsen-Brenner speist; der eine erwärmt die im Maschinenkopfe gelagerten Theile, der andere den Tisch K mit dem Schiffchen L. Die Wirkungsweise der Nähmaschine ist nun kurz folgende: Hat die Hakennadel M (Fig. 7) eine neue Schleife erfaſst und ist mit derselben durch den Stoff getreten, so findet während ihres weiteren Tiefganges eine Vierteldrehung derselben statt und bringt dadurch die Fadenschleife in eine günstige Stellung zum Greifer; derselbe tritt in die Fadenschleife ein und wird darauf senkrecht zur Bildfläche verschoben, um der Nadel aus dem Wege zu kommen. Nun beginnt die Fadenschleife (vgl. Fig. 8) sich hinter den Ringtheil des Greifers N zu legen, wobei die Schleife von der Nadel abgezogen wird. Bevor jedoch die wieder aufwärts gehende Nadel das Arbeitstück trifft, hat die Ahle C dasselbe durchstochen und um eine Stichlänge weiter gerückt. Der Stoffdrücker E wird nun fest gehalten. Die Nadel und die Ahle, Spitze gegen Spitze, steigen aufwärts durch das Material, der Greifer dreht sich weiter, so daſs die Schleife den Durchgang des Schiffchens gestattet und der vorhergehende Stich fest angezogen ist. Hat die Nadel ihre höchste Stellung erreicht, so bewegt sich die Ahle um eine Stichlänge zur Seite, um wieder ein neues Loch vorzustechen; der Stoffdrücker drückt frei beweglich auf das Arbeitstück und der Fadeneinleger D legt den Oberfaden aufs Neue in den Nadelhaken ein, während das Schiffchen zurück geht. Noch ist ein Vortheil dieser Nähmaschinenconstruction zu erwähnen, darin bestehend, daſs die Nadel nur die Fadenschleife durch das Arbeitstück zu ziehen hat, während die Erweiterung derselben und das Anziehen des Stiches lediglich durch den Greifer geschieht; in Folge dessen wird die Nadel weniger in Anspruch genommen, so daſs dieselbe verhältniſsmäſsig dünn, dagegen der Faden, welcher das Stichloch ausfüllt, dick sein kann und mithin die Haltbarkeit der Naht erhöht. Gl.