Titel: Ueber Neuerungen an Compound-Dampfmaschinen.
Fundstelle: Band 258, Jahrgang 1885, S. 337
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Ueber Neuerungen an Compound-Dampfmaschinen. Patentklasse 14. Mit Abbildungen im Texte und auf Tafel 22. Ueber Neuerungen an Compound-Dampfmaschinen. Die Neuerungen an Compound-Dampfmaschinen können, soweit sie das Compoundsystem betreffen, naturgemäſs sich nur auf die Anordnungen der Cylinder und des Zwischenbehälters, die Heizung dieser Theile u. dgl. beziehen. (Vgl. auch den Bericht über Compound-Locomobilen * S. 193 d. Bd.) In der Regel stimmt die allgemeine Anordnung der Maschinen mit den bekannten Anordnungen liegender oder stehender Zwillingsmaschinen überein; die Cylinder liegen neben einander und wirken auf zwei um 90° gegen einander versetzte Kurbeln. In einzelnen Fällen sind allerdings auch senkrecht zu einander stehende, auf eine Kurbel wirkende Cylinder benutzt (vgl. z.B. Biérix 1885 257 * 301). Der sogen. Receiver wird gewöhnlich als besonderer Behälter über, unter oder auch zwischen den Cylindern untergebracht; zuweilen ist derselbe jedoch auf das Ueberströmrohr und den Dampfkasten des groſsen Cylinders beschränkt. Im letzteren Falle wird natürlich die Vorderdampfspannung im kleinen Cylinder während der Ausströmung sowie die Hinterdampfspannung im groſsen Cylinder während der Einströmung in höherem Maſse veränderlich, als wenn ein gröſserer Behälter vorhanden ist. Fig. 1 Taf. 22 zeigt nach dem Maschinen-Constructeur, 1884 * S. 86 im Querschnitte die Cylinder- und Receiver-Anordnung einer Compoundmaschine, welche von Escher, Wyſs und Comp. in Zürich im J. 1883 in Zürich ausgestellt war. Auſser den beiden die Cylinder einhüllenden Mänteln ist noch ein weiterer Mantel vorhanden, welcher den groſsen Cylindermantel umgibt und sich bis zur Mitte des kleinen Cylinders erstreckt. Der auf diese Weise eingeschlossene Raum r, welcher einerseits unmittelbar in den Dampfkasten des groſsen Cylinders übergeht, bildet den Zwischenbehälter. Der frische Dampf tritt an einem Ende oben bei e in den Mantel des groſsen Cylinders, bestreicht die obere Hälfte des letzteren, gelangt am anderen Ende durch Oeffnungen der eingegossenen Zwischenwand s in den unteren Mantelraum und strömt in diesem zurück, um dann durch Rohr o in den Mantel des kleinen Cylinders zu gelangen, an welchen sich der Schieberkasten anschlieſst. Der kleine Cylinder gibt den Dampf an den Zwischenraum r ab, aus dem er in den groſsen Cylinder und schlieſslich in den Condensator gelangt. Bei dieser Anordnung wird die von den Dampfmänteln nach auſsen abgegebene Wärme zum gröſsten Theile von dem Dampfe der Zwischenkammer r aufgenommen, die Dampfmäntel dienen also gleichzeitig zur Heizung der Cylinder und der Zwischenkammer. Zu letzterem Zwecke sind dieselben noch mit angegossenen Rippen p versehen. Die Deckel und Böden der Cylinder werden gleichfalls mit frischem Dampfe geheizt. Das Ganze ist mit einer Wärmeschutzmasse und Blechverkleidung umgeben. Das Hin- und Herführen des Dampfes in dem groſsen Cylindermantel erscheint allerdings überflüssig. Beide Cylinder sind mit Expansionsschiebern versehen, welche durch kleine Dampfkolben bewegt werden; die letzteren werden mittels kleiner Hähne gesteuert und beide vom Regulator beeinfluſst. Die Schieber sind so tief gelegt, daſs das sich etwa niederschlagende Wasser frei aus den Cylindern abflieſsen kann. Das Gestell der Maschine bildet eine groſse dreizinkige Gabel, deren Zinken an der Spitze in je ein Kurbellager übergehen. Ein viertes Lager für die Welle ist dicht hinter dem für Hanfseilübertragung eingerichteten Schwungrade angebracht. Um eine recht ausgiebige Heizung des überströmenden Dampfes zu erreichen, hat A. Kux in Berlin (* D. R. P. Nr. 17988 vom 19. August 1881) die in Fig. 6 und 7 Taf. 22 veranschaulichte Einrichtung in Vorschlag gebracht. In einer zwischen beiden Cylindern angebrachten geräumigen Kammer k ist eine Anzahl flacher viereckiger Kasten aufgestellt, deren jeder aus zwei Buckelplatten (Fig. 7) und einem zwischengelegten Rahmen zusammengenietet ist. Am Boden wie an dem abnehmbaren Deckel der Kammer k sind Rippen angegossen, an welche die Kasten abwechselnd sich anschlieſsen, derart, daſs ein langer, zwischen den Kasten hindurch auf- und absteigender Kanal gebildet wird. Diesen Kanal muſs der Dampf auf seinem Wege vom kleinen nach dem groſsen Cylinder durchströmen. Die Kasten sind sämmtlich einerseits oben an ein Rohr m, andererseits unten an ein Rohr o angeschlossen; durch ersteres wird Kesseldampf eingeführt, durch letzteres das sich bildende Wasser abgeleitet. Die Kasten werden zwischen zwei Platten mittels Keile fest zusammengepreſst, so daſs die Beulen sich berühren und dem Dampfdrucke hinreichender Widerstand geboten wird. An Stelle des gewöhnlichen Kesseldampfes soll unter Umständen überhitzter Dampf oder auch heiſses Wasser benutzt werden. Daſs bei der dargestellten Anordnung die beiden Cylinder mit dem Zwischendampfe geheizt werden, erscheint, mindestens für den kleinen Cylinder, unzweckmäſsig. – Der Apparat soll auch, abgesondert von der Maschine, für andere Zwecke, z.B. für Kochapparate, für Dampf- oder Heiſswasserheizung u. dgl. verwendet werden. Bei der in Fig. 2 Taf. 22 nach der Revue industrielle, 1883 * S. 141 im Querschnitte abgebildeten Compoundmaschine, welche nach D. Halpin's System von Manlove, Alliott, Fryer und Comp. in Nottingham und Rouen gebaut ist, besteht der Zwischenbehälter nur aus einem U-förmigen Rohre r von rechteckigem Querschnitte. Dieses Rohr ist wie die Cylinder, deren Deckel, die Schieberkasten u.s.w. mit Heizrippen versehen (vgl. auch 1880 235 * 409) und der gesammte, die Cylinder und das Rohr r umgebende Raum ist mit gespanntem Dampfe gefüllt. Auch die Cylinderdeckel werden mit frischem Dampfe geheizt. Jeder Cylinder ist mit seinem Schieberkasten und dem inneren Deckel in einem Stücke gegossen und in den gemeinschaftlichen Mantel eingesetzt, welcher von oben durch eine groſse, mit Deckel verschlossene Oeffnung zugänglich ist. Jeder Cylinder ist durch einen Corliſsbalken mit einem der beiden Kurbellager verbunden und beide Balken hängen durch eine starke senkrechte Platte, an welche die Cylinder angebolzt sind, und eine wagerechte Platte, welche den Condensator mit der Luftpumpe trägt, zusammen. Mitten zwischen beiden Lagern befindet sich das als Riemenscheibe zu benutzende Schwungrad. Die Cylinder haben 230 bezieh. 356mm Durchmesser; der Hub beträgt 533mm. Versuche, welche von den Erbauern mit dieser Maschine ausgeführt wurden, lieferten äuſserst günstige Ergebnisse. Während eines 8 stündigen Versuches wurden bei 4at,64 Dampfspannung und 69cm,1 Luftleere 31e,2 insgesammt (14e,5 im kleinen und 16e,7 im groſsen Cylinder) indicirt und hiervon an der Bremse 27e,05 gewonnen, entsprechend einem Wirkungsgrade von 0,86. Die Maschine machte dabei 95,9 Umläufe in der Minute und verbrauchte für 1e in der Stunde nur 7k,91 Dampf, wovon 1k,29 oder 16,4 Proc. im Dampfmantel niedergeschlagen, d.h. zur Heizung der Cylinder u.s.w. verbraucht wurden. Nebenstehend sind nach dem Engineer, 1882 Bd. 54 * S. 202 zwei zusammengehörige Diagramme der Maschine wiedergegeben, aus welchen das Ansteigen der Vorderspannung im kleinen Cylinder in Folge der starken Heizung des Zwischendampfes ersichtlich ist. Die Versuchsergebnisse würden allerdings werth voller sein, wenn die Versuche von unbetheiligter Seite angestellt wären. Textabbildung Bd. 258, S. 339In Fig. 9 Taf. 22 ist nach Armengaud's Publication industrielle, 1883 Bd. 29 * S. 441 der Querschnitt einer stehenden Compoundmaschine von Schneider und Comp. zu Creuzot abgebildet, welche zum Betriebe von Dynamomaschinen für die elektrische Beleuchtung in den „Magazins du Printemps“ in Paris aufgestellt ist. Jeder Cylinder ist mit seinem Mantel, Schieberkasten und unteren Boden, mit welchem er auf einem Hammergestelle ruht, in einem Stücke gegossen und beide Cylinder sind mittels eines Flanschringes zusammengeschraubt. Das allerdings ziemlich weite Ueberströmrohr u1 bildet allein den Zwischenbehälter. Von einer Heizung des letzteren ist hier vollständig abgesehen. Die Cylinder dagegen werden beide mit frischem Dampfe geheizt. Der kleine Cylinder ist mit einer von Hand stellbaren Meyer'schen Steuerung versehen, welche 0,2 bis 0,7 Füllung gestattet. Der groſse Cylinder erhält durch einen gewöhnlichen Muschelschieber stets 0,5 Füllung. Die Regelung des Ganges durch den Porter'schen Regulator mit auſsergewöhnlich groſsem Hülsengewichte T geschieht mittels zweier cylindrischer Hähne (sogen. Laternenventile), von denen der eine S in das Dampfeinströmrohr dicht vor dem Schieberkasten des kleinen Cylinders, der andere S1 in das Ueberströmrohr u1 vor dem Schieberkasten des groſsen Cylinders eingeschaltet ist und welche immer gleichzeitig durch den Regulator verstellt werden. Da diese Hähne nicht genau zu dichten brauchen und ihre Spindeln zwischen Spitzen laufen, so wird der vom Regulator zu überwindende Widerstand nur gering sein und wegen der doppelten Drosselung ist eine sehr energische Einwirkung des Regulators und recht genaue Regelung des Ganges möglich. Hinsichtlich des Dampfverbrauches erscheint die Maschine allerdings weniger günstig. Bei 100 Umläufen in der Minute, 4,5k/qc Einströmspannung (Ueberdruck) und 5,5 facher Expansion leistet die Maschine etwa 20e. Behufs Raumersparniſs hat M. Friedrich in Plagwitz-Leipzig (Erl. * D. R. P. Nr. 14984 vom 5. December 1880) die an sich nicht neue Anordnung benutzt, bei welcher der kleine Cylinder auf den groſsen gelegt und so stark geneigt ist, daſs seine Achse die Kurbelwellen-Mittellinie schneidet (vgl. Fig. 3 Taf. 22), die senkrechten Mittelebenen beider Cylinder aber einen solchen Abstand von einander haben (vgl. Fig. 5), daſs beide Triebstangenköpfe neben einander auf dem gemeinschaftlichen Kurbelzapfen Platz finden. Die Maschine gehört daher mehr zu den Woolf'schen, als zu den Compound-Maschinen, sofern man zu den ersteren solche Maschinen rechnet, bei welchen die Schwingungen beider Kolben zusammenfallen, und zu letzteren solche, bei welchen dieselben um einen halben Kolbenhub gegen einander versetzt sind. Das Patent betraf eine Regulirvorrichtung (Fig. 4 Taf. 22), welche ähnlich der vorbeschriebenen bei der Schneider'schen Maschine wirkt und aus zwei an der Regulatorhülse hängenden Kolbenschiebern besteht. Dieselbe Cylinderanordnung in doppelter Ausführung findet sich auch bei einer viercylindrigen Fördermaschine von M. Friedrich in Plagwitz und W. Schubert in Leipzig (Erl. * D. R. P. Nr. 15000 vom 1. März 1881). Die Maschine soll in der Weise gehandhabt werden, daſs jedesmal beim Anheben der beladenen Förderschale dem groſsen Cylinder frischer Dampf zugeführt wird. Zu diesem Zwecke ist der Schieberkasten jedes kleinen Cylinders mit dem zugehörigen Ueberströmrohre durch ein Rohr mit Hahn b (Fig. 5 Taf. 22) verbunden, welcher beim Anheben für kurze Zeit geöffnet wird. Eine Maschine von Galloway und Söhne, welche zu den groſsten Maschinen auf der Erfindungsausstellung in London 1885 gehörte, zeigte ebenfalls die vorbeschriebene Anordnung der Cylinder (vgl. S. 237 d. Bd.). G. B. Massey in New-York (Erl. * D. R. P. Nr. 19867 vom 28. December 1881) hat die Steuerung der Maschine auf Kosten einer Vergröſserung des kleinen Cylinders in der Weise vereinfacht, daſs besondere Steuerorgane nur für den Einlaſs in den kleinen Cylinder nöthig sind, im Uebrigen aber die Dampfvertheilung durch den kleinen Kolben selbst geregelt wird. Letzterer besteht nach Fig. 8 Taf. 22 aus zwei Theilen, deren Entfernung etwas gröſser als der Kolbenhub ist, so daſs der kleine Cylinder reichlich doppelt so lang als gewöhnlich sein muſs. Beide Cylinder sind durch zwei parallele Kanäle b und zwei sich kreuzende Kanäle a verbunden, in welche zur Umsteuerung dienende Hähne c eingeschaltet sind. In der gezeichneten Stellung hat der kleine Kolben die Hälfte seines Weges nach abwärts zurückgelegt, der Dampfeintritt über demselben ist abgesperrt. Beim Weitergange öffnet er den oberen Kanal b, so daſs der über dem kleinen Kolben befindliche Dampf nun in beiden Cylindern zugleich expandirt, während der Dampf unter dem groſsen Kolben durch den unteren Kanal b und die Oeffnung g in der Mitte des kleinen Cylinders entweicht. Die Spannung über den Kolben fällt zunächst sehr schnell, bis der kleine Kolben am unteren Hubende angelangt ist, und dann langsamer, während der kleine Kolben zur Mittelstellung zurückkehrt, der groſse Kolben aber seinen Hub abwärts vollendet, worauf sich der Vorgang im entgegengesetzten Sinne wiederholt. An den Enden des kleinen Cylinders findet nach Abschluſs der Kanäle b eine Verdichtung statt. Da bei dieser Anordnung in beiden Cylindern nahezu beide Temperaturgrenzen erreicht werden, so fällt dabei der sonst vorhandene Hauptvorzug der Expansion in zwei Cylindern – nämlich die Verminderung des Unterschiedes zwischen der höchsten und niedrigsten Temperatur in jedem Cylinder – fort; die Wärmeverluste müssen demnach erheblichere als sonst sein. Der einzige Vorzug solcher Constructionen gegenüber den Maschinen mit einem Cylinder würde mithin in der Verminderung des Einflusses der schädlichen Räume und dem gleichmäſsigeren Antriebe der Welle zu suchen sein. Die weitere Ausbildung des den Woolf'schen und Compound-Maschinen zu Grunde liegenden Prinzipes führt zu Maschinen mit drei und mehr Cylindern, welche von dem Dampfe nach einander durchströmt werden. Derartige Anordnungen sind selbstverständlich nur für sehr groſse Maschinen geeignet, für solche aber auch sehr zweckmäſsig und in der That haben ja die Dreifach-Expansionsmaschinen auf Schiffen schon eine sehr ausgedehnte Verbreitung gefunden (vgl. 1885 257 * 121). Um eine Expansion in 4 Cylindern in möglichst einfacher Weise zu erreichen, hat C. T. Burchardt in Berlin (* D. R. P. Nr. 27628 vom 21. December 1883) den Vorschlag gemacht, zwei Woolf'sche Maschinen derart mit einander zu verbinden, daſs der kleine Cylinder der einen gröſser ist als der groſse Cylinder der anderen, den Dampf aus diesem durch einen Zwischenbehälter erhält und mit ihm eine Compoundmaschine mit zwei um 90° versetzten Kurbeln bildet. Die Anordnung kann etwa die in Fig. 10 Taf. 22 dargestellte sein. Die Cylinder I und II bilden die eine, III und IV die andere Woolf'sche Maschine, II und III mit dem Receiver X aber eine Compoundmaschine. I und II werden durch einen gemeinschaftlichen Schieber gesteuert, ebenso III und IV. In derselben Weise könnten auch 3 Woolf'sche Maschinen mit einander verbunden werden, wobei dann die Kurbeln Winkel von 60 bezieh. 120° mit einander bilden würden. Bei einer solchen Anordnung fällt allerdings der letzte Cylinder ganz auſsergewöhnlich groſs aus. Gebrüder Howaldt in Kiel (* D. R. P. Nr. 32394 vom 27. Februar 1885, Zusatz zu * Nr. 27628), welche das Burchardt'sche Patent erworben haben, trafen deshalb die Aenderung, daſs der letzte und der vorletzte Cylinder (III und IV bezieh. V und VI) gleiche Gröſse erhalten und in beide der Dampf (aus II bezieh. IV) gleichzeitig, aber von entgegengesetzten Seiten, eingelassen wird. Das letzte Cylinderpaar bildet also danach nicht mehr eine Woolf'sche, sondern eine Zwillings-Maschine mit um 180° versetzten Kurbeln und die ganze Maschine ist nur noch eine Dreifach-Expansionsmaschine. Hierbei würde es dann auch zulässig sein, jeden dieser beiden gleichen Cylinder kleiner zu machen als den vorhergehenden, wenn nur beide zusammen gröſser als dieser sind. Hinsichtlich der Ausnutzung des Dampfes dürfte diese Howaldt'sche Viercylindermaschine wegen der gröſseren Abkühlungsfläche hinter den Dreifach-Expansionsmaschinen mit drei Cylindern zurückstehen.

Tafeln

Tafel Tafel 22
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