Titel: Zur Kenntniss neuerer Fette.
Fundstelle: Band 258, Jahrgang 1885, S. 454
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Zur Kenntniſs neuerer Fette. Zur Kenntniſs neuerer Fette. H. Nördlinger (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1885 S. 2617) untersuchte das Bicuhybafett. Verfasser bekam von Hamburg aus unter der Bezeichnung „überseeische Nüsse“ Bicuhybanüsse zu Fabrikationsversuchen zugesendet und hielt diese anfangs für dieselben wie die damals auf dem Londoner Marktangebotenen „Oil-nuts“, welche ohne Zweifel das Material für die Untersuchung von Reimer und Will (vgl. S. 192 d. Bd.) abgaben: Ahles bestimmte aber die „überseeischen Nüsse“ als Samen von Myristica bicuhyba oder M. officinalis, einer in Brasilien heimischen Myristicacee. Die Samen der Myristica bicuhyba, wie sie im Handel vorkommen, bestehen aus dem Samenkerne, umgeben von einer dünnen und leicht zerbrechlichen schwarzen Samenschale, welche von breiten Furchen durchzogen ist und durch den sich darin festsetzenden Staub an den gefurchten Stellen grau oder braun gefärbt erscheint. Die Samenkerne haben die Form und ungefähr auch die Gröſse der Gewürzmuscatnüsse. Das Gewicht des einzelnen Kernes beträgt bis 1g,2. Den eigentlichen Samenkern umgibt eine hellbraune, dünne Haut, durch welche das röthlich oder gelblich weiſse Samenfleisch an den Schnittflächen durch Einfaltung des inneren Integuments braun marmorirt erscheint. Die Kerne können mit dem Fingernagel geritzt und im Porzellanmörser leicht zu einer weichen Masse zerrieben werden; der Geschmack ist dem der Cacaobutter ähnlich, talgartig mit bitterem Nachgeschmack. Die Nüsse besitzen, namentlich wahrnehmbar, wenn sie zerquetscht sind, angenehmen, Cacao ähnlichen Geruch. Die Schalen machen 15,5 Procent vom Gesammtgewichte der Nüsse aus. Zur Bestimmung des Fettgehaltes wurden die Nüsse als Schalen and Kerne je für sich gemahlen und mit Aether ausgezogen: Wasser Fett Gesammtfrucht   6,0 Proc 59,6 Proc. Samenschalen 11,2   2,6 Samenkerne   5,0 70,0 Samenkerne (getrocknet) 73,7 Zur Gewinnung des Fettes wurden Samen mit Schalen zwischen Walzen gequetscht und hierauf bei etwa 50° und einem Drucke von 200 bis 230at eine Stunde lang in hydraulischen Pressen gepreſst. Auf diese Weise wurden aus 430k Nüssen 205k oder 47,56 Proc. Fett gewonnen. Die röthlich braunen Kuchen, welche bei einer nochmaligen Pressung noch mehr Oel abgegeben hätten, waren folgendermaſsen zusammengesetzt: Wasser 8,86 Asche 4,50 Fett 17,74 Rohfaser 30,62 Proteïn 17,62 Stickstoff freie Extractstoffe 20,66 –––––– 100,00. Das mit Aether gewonnene Fett ist hellgelb gefärbt; aus der ätherischen Lösung krystallisiren glänzende, weiſse Blättchen, während eine gelbe, ölige Mutterlauge zurückbleibt. Das ausgepreſste Fett ist gelbbraun gefärbt und überzieht sich nach längerem Stehen an der Oberfläche mit einem weiſsen, krystallinischen Beschläge; geschmolzen bildet es ein dunkelbraunes Oel. Das Fett riecht stark aromatisch, Cacao ähnlich; der Geschmack ist talgartig, mit schwach gewürzhaftem Nachgeschmack. Der Schmelzpunkt liegt bei 42,5 bis 43°. Es ist leicht löslich in heiſsem Aether, Petroleumäther, Schwefelkohlenstoff und Chloroform, theilweise löslich in heiſsem Alkohol, sehr wenig löslich in heiſsem Eisessig. Das in den Preſskuchen verbliebene und durch Ausziehen mit Aether daraus gewonnene Fett ist dunkelbraun gefärbt. Der Schmelzpunkt ist 44,5 bis 45°, der Erstarrungspunkt 32 bis 33°. In den Samenschalen sind zwei Fettarten in geringer Menge enthalten: ein mittels Aether leicht ausziehbares, braunes, angenehm riechendes, ziemlich weiches Fett, bei 43 bis 44° schmelzend, und ein wachsartiger, selbst in heiſsem Aether sehr schwer löslicher Stoff, welcher sich beim Erkalten vollständig aus dem Lösungsmittel in feinen weiſsen Flöckchen abscheidet; diese Flöckchen, auf dem Wasser bade um geschmolzen, erstarren zu einem ziemlich harten, gelblich weiſsen Wachse. Der Schmelzpunkt desselben liegt bei 74 bis 75°, der Erstarrungspunkt bei 71 bis 72°. Sämmtliche genannte Fettarten, mit Ausnahme des Wachses, geben mit concentrirter Schwefelsäure prachtvolle, fuchsinrothe Färbung. Versuche ergaben, daſs das Fett der Myristica bicuhyba im Wesentlichen aus den Glyceriden der Myristinsäure und Oelsäure besteht; in geringer Menge sind Harze und freie Myristinsäure darin enthalten, neben ganz geringen Antheilen ätherischen Oeles, flüchtigen Säuren und etwa 0,1 Procent eines unverseiflichen, in Aether ziemlich schwer löslichen Oeles, auſserdem vielleicht noch ein brauner Farbstoff. R. H. Bavies (Pharmaceutical Journal, 1885 S. 634) und Holmes (daselbst S. 636) haben asiatische fette Oele untersucht. Beachtenswerth ist namentlich das Oel von Elalococca oder Aleurites cordata, im Handel Wood Oil genannt. Die das Oel liefernde baumartige Euphorbiacee, in Japan Abura-giri (Oelbaum) oder Yani-giri genannt, wächst in den wärmeren Theilen von Japan wild, wird aber auch in bergigen Gegenden kultivirt. Die Samen geben bei kaltem Auspressen 35 Procent Oel. Dasselbe ist geruchlos, geschmacklos und fast farblos und trocknet an der Luft auſserordentlich rasch, so daſs es selbst das Leinöl übertrifft und namentlich als Firniſs verwendet wird. Gröſsere Mengen dieses Oeles werden in China gewonnen und in den Provinzen Kiangsi, Tschikuang und Szechum findet es allgemeine Anwendung zum Kalfatern der Schiffe und zum Firnissen von Holzwerk überhaupt. Anbauversuche mit dieser Pflanze sind bereits in Ceylon, Demerara, Domingo, Jamaika, Zanzibar und schon früher in Algier gemacht. Ein derartiges braunes Oel aus China hatte nach Davies einen unangenehmen Geruch und Geschmack, zeigte aber die austrocknende Eigenschaft in hohem Grade. Das Oel hat 0,940 sp. G., verseift rasch beim Erhitzen mit weingeistigem Kali und scheint nach der zur Verseifung nöthigen Kalimenge (211 : 1000) eine bis jetzt unbekannte Fettsäure zu enthalten. Die Brassicaöle Ostasiens haben vor unserem Rüböle keinen Vorzug. Holmes hat zwei japanische Oele aus der Gesundheitsausstellung von South Kensington in London 1884 erhalten. Das hellere Oel von Brassica campestris, Aburana genannt, dient als Brennöl und als Speiseöl, zum Befeuchten der Tabaksblätter, um den Zerfall derselben nach zu raschem Trocknen zu verhüten, und zur Bereitung von chinesischer Tusche. Das dunkle Oel stammt von Brassica Sinensis, sog. Petsai, die auch in China namentlich in den Fluſsthälern der Jantsekiang und Hongkiang in der Provinz Hupsch angebaut wird. Dieses Oel hat 0,914 sp. G. Die Fettsäuren schmelzen bei 19 bis 22°. Das Oel der Samen von Camellia Japonica ist dem Olivenöle sehr ähnlich, wird in Japan besonders von den Uhrmachern als feines Schmieröl benutzt. Ein ähnliches Oel, welches in China aus dem Samen von Camellia oleïfera in sehr groſsen Mengen gewonnen wird, bildet einen sehr bedeutenden Handelsartikel. Die Samen werden zu grobem Pulver zerstampft, gekocht und ausgepreſst. Das Camelliaöl ist sehr flüssig, hell und frei von unangenehmem Geschmacke und könnte, wenn es durch Kaltpressen bereitet würde, vielleicht statt Mandelöl verwendet werden. Das Chinesische Theeöl welches neuerdings auf dem Londoner Markte erschienen ist, wo auch die Theesamen unter dem Namen „Tanne“ (was aber lediglich „Samen“ bedeutet) angeboten werden, hat 0,917 sp. G., gibt bei – 13° nur einen unbedeutenden Bodensatz, bestehend vorwiegend aus Oleïn, und enthält fast gar keine freie Säure. Nach W. Eitner (Gerber, 1885 S. 124) wird das seit 1881 in Deutschland eingeführte japanesische Fischöl hauptsächlich auf der Insel Yesso gewonnen, auſserdem aber überall an der Meeresküste der Hauptinsel und besonders an der Ostküste der Yokohama gegenüber liegenden Halbinsel Awa. Man benutzt meistens Häringe und Sardinen, welche man wegen Mangel an Salz oder an Absatz nicht anderweitig verwerthen kann, ferner alle möglichen Abfälle. Die zerschnittenen Fische werden in Kessel mit kochendem Wasser geworfen und das an die Oberfläche steigende Oel wird abgeschöpft. Mitunter folgt dann noch ein Pressen der ausgekochten Fische. Während der Fangzeit scheinen häufig nicht genügende Arbeitskräfte vorhanden zu sein, um die Fische rasch aufzuarbeiten. Dann gehen die Fische in Fäulniſs über und liefern ein Oel von mitunter entsetzlichem Gerüche und dunkler Farbe. Das Oel kommt nach Tokio und Yokohama in Fässern von der Form eines beinahe cylindrischen, abgestumpften Kegels aus weichem Holze. Die Japaner klären das Oel in der Weise, daſs das Oel in guſseisernen Kesseln auf 50 bis 60° erwärmt und in Bottiche geschüttet wird, in denen es für mehrere Tage der Ruhe überlassen bleibt. Dort scheidet es sich in drei Schichten: die obere ist flüssiges Oel, die mittlere: Abscheidung von festem Fett und die untere: Wasser mit Schleim und Fischtheilen sowie mit Oel in feinster Emulsion. Mehrere Hähne sind an dem Bottiche in verschiedener Höhe angebracht. Man zieht zunächst das flüssige Oel ab, welches verkaufsfertig ist und dann das breiige Fett. Dieses bringt man auf Filter aus Papier oder Baumwollenzeugen, läſst es abtropfen, preſst es ab, schmilzt es noch einmal um und gieſst es in Kisten. Der in ähnlicher Weise am Mittelmeer durch Pressen der ganzen Fische, namentlich Sardellen, gewonnene Thran enthält ebenfalls feste Fette, welche sich in der Kälte ausscheiden. Wie dieser Sardellenthran ist der japanesische Thran trüb von festen Fetten, obgleich er bereits einmal von festem Fett abfiltrirt wurde. Bei niederer Temperatur und längerem Lagern scheiden sich aber die festen Fette völlig ab. Der Japaneserthran gehört zu den leichteren Thranen (ähnlich den Walfischthranen) und ist als solcher vorzüglich zu verwenden. Der Gehalt an festen Fetten, welche ihn trübe machen, mindert seinen Werth nicht im Mindesten, da dieselben beim Schmieren einen Theil des Unschlittes ersetzen; auch ist der Japaneserthran frei von dem bei anderen Thranen vorkommenden schmutzigen Satz, welcher allerdings im Gebrauche sehr störend wirken kann. Der Fischtalg ist das bei obiger Thrangewinnung erhaltene und von dem Thrane durch Filtriren und Pressen abgeschiedene feste Fett. Derselbe hat den gleichen Schmelzpunkt wie Rindstalg, seine Farbe ist weiſs oder schwachgelblich, je nachdem er von hellerem oder dunklerem Thran abgeschieden ist. Bis jetzt hat man versucht, dieses Fett für die Seifenfabriken und Stearingewinnung zu benutzen; für ersteren Zweck jedoch ist es nicht gut tauglich, weil der daraus erzeugten Seife der Sardellengeruch hartnäckig anhaftet. Der Fischtalg ist dagegen geeignet, in der Lederfabrikation das Rindsunschlitt zu ersetzen, indem er sich hier ganz gleich wie jenes verhält, der Fischgeruch nichts schadet, da dieser ohnedies mit dem Thrane ins Leder kommt und man an diesen gewöhnt ist, und da er sich bedeutend billiger als Unschlitt stellt.