Titel: Die Technik der Darstellung von Monostrontiumzucker aus Melasse.
Fundstelle: Band 260, Jahrgang 1886, S. 37
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Die Technik der Darstellung von Monostrontiumzucker aus Melasse. Scheibler's Darstellung von Monostrontiumzucker aus Melasse. Nachdem die Verarbeitung der Melasse mittels Monostrontiumsaccharat (vgl. 1883 248 426) bereits in zwei Fabriken durchgeführt wird, hält es C. Scheibler (Neue Zeitschrift für Rübenzucker-Industrie, 1886 Bd. 16 S. 1 und 13) an der Zeit, das Verfahren ausführlich zu beschreiben. Monostrontiumzucker, C12H22O11.SrO, ist nur schwer löslich, so daſs zur Erzielung groſser Ausbeuten niedrige Temperaturen und concentrirte Lösungen erforderlich sind. Die Melasse wird daher mit so viel heiſs gesättigter Strontiumhydratlösung versetzt, daſs nach Bildung von Monostrontiumsaccharat noch etwas Strontian im Ueberschusse vorhanden ist. Die beim Löschen des Aetzstrontians mit Wasser entstehende heiſsgesättigte Lösung enthält in 1l gewöhnlich 340 bis 380g Sr(OH)2.8H2O. 100k einer Melasse, welche 50 Proc. Polarisationszucker enthält, würden somit 115l einer 30- bezieh. 105l einer 33procentigen Salzlösung erfordern. Bei einer täglichen Verarbeitung von 20l Melasse empfiehlt es sich, letztere in Posten von je 500k mit je 575 bezieh. 525l der heiſsen Strontianlösung zu vermischen. Die Vermischung erfolgt in einem mit Rührwerk versehenen Mischgefäſse und ist in längstens 5 Minuten vollzogen, indem die kalte Melasse sich in der heiſsen Lauge rasch löst. Die Ausscheidung eines Saccharates findet hierbei nicht statt; die Auflösung ist klar oder nur von mechanischen Verunreinigungen durchsetzt. Unmittelbar nach erfolgter Vermischung läſst man jetzt die meist nur etwa 70° warme Melassestrontianlösung durch Oeffnen eines Hahnes am Boden des Mischgefäſses in eine Rinne laufen, durch welche die Mischung auf einen Kühlapparat geleitet wird. Als Kühler haben sich die bekannten Lawrence'schen Maischekühler, wie sie von E. Theisen in Leipzig geliefert werden, bewährt. Dieser Gegenstromkühler erfordert nur wenig Kühlwasser (etwa die doppelte Menge der abzukühlenden Mischung) und die Melassestrontianlösung wird dadurch in kürzester Zeit auf eine Temperatur gebracht, welche etwa um 1° höher als die des Kühlwassers liegt. Den Zufluſs der Melassestrontiumlösung zur oberen Auflaufrinne des Kühlers regelt man durch Stellung des Ablaufhahnes am Mischgefäſse. Am besten ist es, zwei Mischgefäſse sowie zwei Kühler zu haben, welche abwechselnd in Betrieb sind, so daſs das eine Mischgefäſs frisch beschickt und der zugehörige Kühler mitunter gereinigt werden kann, während die fertige Mischung aus dem anderen Mischgefäſse abflieſst. Aus den unteren Ablaufrinnen der Kühler flieſst nun die gekühlte Melassestrontianmischung zur Bildung des Monosaccharates in einfache Behälter, welche in gröſserer Anzahl vorhanden sind, und denen man einen besonders kühlen Standort gibt. Diese Behälter müssen bei einer täglichen Verarbeitung von 20l Melasse einen Gesammtinhalt von etwa 40cbm haben; sie sind aus Eisenblech, rund oder viereckig, oben offen, ohne Rührwerk und am Boden mit einem weiten Ablaſsrohre versehen, welches mittels eines Hahnes oder Stöpsels verschlössen ist. Sobald eines dieser Gefäſse mit gekühlter Melassestrontianlösung nahezu gefüllt ist, wird anfangs eine gewisse Menge bereits fertig gebildeten krystallisirten Monostrontiumsaccharates einer früheren Darstellung durch Umrühren gleichmäſsig in der Lösung vertheilt, wodurch die Krystallisation angeregt wird. Dieser Zusatz ist nur bei der ersten Benutzung eines frischen Behälters erforderlich; er kann späterhin fortfallen, weil am Boden und an den Wänden eines einmal benutzten Behälters genug Monosaccharat zurückbleibt, um die Krystallisation in den folgenden Füllungen einzuleiten. Jeder in dieser Weise beschickte Krystallisationsbehälter bleibt nun je nach der Temperatur 3 bis 6 Stunden sich selbst überlassen; während dieser Zeit verwandelt sich sein Inhalt in eine anscheinend feste Masse, indem sich die ganze Flüssigkeit mit auskrystallisirendem Monostrontium-saccharat, C12H22O11SrO.5H2O, locker erfüllt, welches die vorhandene Mutterlauge in sich aufgesaugt einschlieſst. Der durch Umrühren verflüssigte Inhalt der Krystallisirbehälter wird nun zur Trennung des Monosaccharates durch Filterpressen gedrückt und mit einer kalt gesättigten Lösung von Monosaccharat ausgewaschen. Die Filterkuchen enthalten 75 bis 80 Procent des in der Melasse enthaltenen Zuckers; der Rest findet sich in den Ablauf laugen. Sobald einer der beiden vorhandenen Behälter mit den ablaufenden Mutterlaugen und Waschwässern gefüllt ist, wird der Inhalt desselben gemischt und der Gehalt der Flüssigkeit an Zucker durch Polarisation, an Alkalität durch Titriren bestimmt.Zum Zwecke des Titrirens sind an dieser Stelle die nöthigen Geräthe aufgestellt. Zum Titriren selbst wird zweckmäſsig eine Säure gewählt, welche aus Normalsalpetersäure oder Salzsäure hergestellt ist, indem man 750cc derselben zu 1l mit Wasser verdünnt. Je 1cc derselben entspricht dann 0g,1 Sr(OH)2.8H2O. Die Säure wird am besten gleich bei ihrer Darstellung mit Phenolphtalem als Indicator versetzt. Der Farbenwechsel bei beendeter Titration ist bei genügender Verdünnung der ursprünglich braunen Nichtzuckerlösung deutlich zu erkennen.Bezüglich der Polarisation der Flüssigkeit ist daran zu erinnern, daſs die Strontianalkalität derselben zunächst beseitigt werden muſs. Am besten ist es, sich eine verdünnte Essigsäure gleichwerthig mit derjenigen Säure zu stellen, mit welcher man den Strontiangehalt bestimmte. Man bringt alsdann die einfache oder mehrfache Normalmenge der Melassestrontiumlauge in ein Kölbchen mit Marke, versetzt mit einer der gefundenen Strontianmenge entsprechenden Anzahl Cubikcentimeter Essigsäure, dann mit Bleiessig, schüttelt um, filtrirt und polarisirt. Man kann aber auch so verfahren, daſs man die Melassestrontiumlösung im Meſskölbchen sogleich mit ein paar Tropfen Bleiessig vermischt, welche einen Niederschlag erzeugen, der sich in der alkalischen Flüssigkeit sofort wieder auflöst. Tröpfelt man nun verdünnte Essigsäure unter Umschwenken ein, so kommt ein Punkt, wo der wiedererscheinende Bleiniederschlag nicht mehr verschwindet; in diesem Augenblicke ist die Alkalität beseitigt, man setzt dann noch so lange Bleiessig zu, als der Niederschlag sich vermehrt, und verfährt weiter wie bekannt. Dann wird sie in einem mit Rührwerk und Dampfschlange versehenen Kochgefäſse zum Kochen gebracht, um den Zucker als Bistrontiumzucker abzuscheiden. Zu dem Ende wird in die zunächst nur mäſsig, bis etwa 80° erwärmte Lauge so viel Strontian als krystallisirtes Salz oder als heiſse Strontianlösung eingetragen, daſs unter Berücksichtigung des schon durch Titration gefundenen Strontiums die Gesammtmenge desselben sich zum Polarisationszucker wie 3,5 Mol. zu 1 Mol. verhält, d.h., daſs auf 1 Th. Zucker etwa 2,7 Th. Strontiumsalz, Sr(OH)2.8H2O, vorhanden sind. Hierbei verwendet man unter anderen stets das braune Salz, welches beim Abkühlen der Nichtzuckerlaugen wieder zurückgewonnen worden ist. Nachdem die Lösung des zugesetzten Strontiumsalzes unter Umrühren erfolgt ist, erhitzt man 8 bis 10 Minuten lang zu lebhaftem Kochen, wobei sich Bistrontiumzucker als schwerer sandiger Niederschlag bildet. Man bestimmt alsdann die Alkalität einer herausgenommenen filtrirten Probe der Flüssigkeit, welche 12 bis 14Proc. Sr(OH)2.8H2O beim Titriren zeigen muſs, widrigenfalls man noch kurze Zeit kocht. War die zugesetzte Strontianmenge richtig bemessen und die Kochdauer eine genügende, so ist jetzt aller Zucker in der Form von Bisaccharat so vollständig gefällt, daſs sich in der überstehenden Lauge in der Regel nur noch 0,1 bis 0,4 Proc. Zucker durch Polarisation finden. Dieser Kochprozeſs geht mitunter, namentlich zu Anfang, unter lebhaftem Schäumen vor sich, weshalb das Kochgefäſs geräumig sein muſs. Nach beendeter Saccharatbildung stellt man das Kochen ein, läſst das ausgeschiedene Bistrontiumsaccharat sich absetzen und zieht die Lauge ab. Der Absatz wird sofort noch heiſs mit soviel Melasse vermischt, daſs sich Monosaccharat bildet. Sobald die Lösung erfolgt ist, läſst man die Flüssigkeit über die Kühler in die Krystallisirbehälter laufen, wo das Monostrontiumsaccharat sich abscheidet und dann in die Filterpressen gedrückt wird. Die aus den Filterpressen genommenen Kuchen von Monostrontiumzucker werden mit so viel Wasser eingemaischt, als zur Bildung einer 20procentigen Zuckerlösung erforderlich ist, dann mit Kohlensäure zerlegt, welche dem Strontianitbrennofen entnommen wird. Vor der Saturation wird der Monosaccharatbrei bis auf etwa 60° erwärmt, dann das Dampfventil geschlossen und nun erst Kohlensäure eingeleitet. Dieses Einleiten von Kohlensäure wird fortgesetzt, bis nur noch eine Alkalinität des Saftes von 0,04 bis 0,06 SrO vorhanden ist. Nach vollendeter Saturation wird dann kurze Zeit aufgekocht und der Saft nebst Niederschlag von Strontiumcarbonat zur Abscheidung des letzteren durch die Filterpressen getrieben und mit heiſsem Wasser abgesüſst. Der filtrirte Saft geht zur zweiten Saturation, während die Absüſswässer für eine nachfolgende Behandlung zur Aufmaischung der zu saturirenden Filterpreſskuchen von Monosaccharat dienen. Die Gefäſse für die zweite Saturation sind genau wie die der ersten eingerichtet, jedoch kann das Rührwerk fehlen. In diesen Gefäſsen wird der Filterpressensaft mit Kohlensäure bis zur völligen Ausfällung des sämmtlichen Strontiums behandelt; zuletzt wird dann stark aufgekocht, um etwa gebildetes doppelkohlensaures Strontium zu zerlegen. Das erhaltene kohlensaure Strontium wird ohne Bindemittel zu Kuchen gepreſst und geglüht. Der durch Saturation des Monosaccharates erhaltene Zuckersaft wird in bekannter Weise weiter verarbeitet. Die bei der Darstellung von Bistrontiumzucker entfallende, nahezu oder völlig zuckerfreie Nichtzuckerlauge, welche noch 12 bis 14 Proc. SrO enthält, setzt nach ihrer, Abkühlung bei 2- bis 3tägigem Verweilen in den Krystallisirgefäſsen etwa die Hälfte, also 6 bis 8 Proc., ihres Strontiangehaltes in der Form brauner Krystalle ab, welche wieder in den Rundbetrieb zurückkehren, indem sie zum Auskochen von Bisaccharat einer folgenden Behandlung neue Verwendung finden. Die in der Lauge von diesen Krystallen noch enthaltenen übrigen Mengen SrO kommen durch Saturation dieser Lauge mit Kohlensäure zur Ausscheidung. Da jedoch diese Ausscheidung etwas träge vor sich geht und ein Theil des Strontiums als organisch saures Salz vorhanden ist, so ist es erforderlich, um allen Strontian zu gewinnen, daſs man der zu saturirenden Nichtzuckerlauge vorher eine gewisse Menge Soda, Potasche oder einfacher eine Lösung von Schlempekohle zusetzt. Die Trennung des ausgeschiedenen SrCO3 von der Nichtzuckerlauge wird theils durch Absitzenlassen, theils durch Filterpressen bewirkt und werden die in den Pressen verbleibenden Schlammkuchen vollständig ausgewaschen, gepreſst und gebrannt. Die von ihrem Strontiangehalte befreite Nichtzuckerlauge, welche gewöhnlich eine Dichtigkeit von 15° Brix besitzt, ist ein vorzüglicher Dünger und kann als solcher verwendet werden. Ihre Verwerthung kann aber auch in der Weise erfolgen, daſs man sie auf Schlempekohle, mit oder ohne Gewinnung der flüchtigen Producte der trockenen Destillation derselben, verarbeitet. Statt des bisher verwendeten Strontianits erscheint es vortheilhafter, das viel reinere, aus Cölestin hergestellte Strontiumcarbonat zu verwenden. Die gepreſsten Steine werden in den bekannten Dannenberg'schen Gaskammeröfen gebrannt. (Vgl. 1883 250 * 315. 1884 253 * 82. 254 * 211.) Der kaustisch gebrannte Strontian kann, sofern er nicht aus dem Strontianit, sondern nur aus reinem kohlensaurem Strontium gewonnen wurde, begreiflicherweise beim Löschen auch nur eine Lösung von reinem Strontiumhydrat, welche mehr oder weniger durch unlösliches kohlensaures Strontium getrübt ist, liefern. Die durch einfaches Löschen des gebrannten Materials erzielte trübe heiſse Lösung kann daher sofort zur Bildung des Monostrontiumsaccharates mit Melasse vermischt werden, ohne daſs es nöthig wäre, vorher das kohlensaure Strontium aus der Lösung zu entfernen. In diesem Falle bleibt das sich bildende Monosaccharat mit kohlensaurem Strontium durchsetzt, welches nach der Saturation mit dem hierbei erzeugten Strontiumcarbonat gemeinschaftlich durch die Filterpressen zur Abscheidung gelangt.