Titel: Neuere Untersuchungen über Farbstoffe.
Fundstelle: Band 260, Jahrgang 1886, S. 422
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Neuere Untersuchungen über Farbstoffe. Neuere Untersuchungen über Farbstoffe. Um das Fett der Cochenille zu erhalten, hat E. Raimann (Monatshefte für Chemie, 1885 S. 891) bei 100° getrocknete Cochenille mit Aether behandelt und dadurch 12,1 bis 14,3 Procent einer tiefroth gefärbten Fettmasse erhalten. Dieselbe enthält Myristinsäure als normalen Ester, C3H5(C14H27O2)3, ferner zwei anscheinend alkoholartige Verbindungen: C36H72O und C15H26O, sowie zwei der Oelsäurereihe angehörige Verbindungen: C14H26O2 und C12H22O2. Nach W. Will und H. Leymann (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1885 S. 3180) wird die wässerige Lösung von Carminroth durch Bromlösung entfärbt unter Bildung eines gelben Niederschlages. Bei der Bromirung in essigsaurer Lösung bilden sich zwei Bromcarmine. Das zunächst krystallisirende α-Bromcarmin, C10H10Br4O3, bildet farblose, bei 247° schmelzende Nadeln. Es ist unlöslich in Wasser, schwer löslich in heiſsem Alkohol, Benzol und Eisessig. Das β-Bromcarmin, C11H5Br3O4, bildet ein dunkelrothes Kalisalz, K2C11H3Br3O4. Mit Jodmethyl und Kalihydrat in Methylalkohol behandelt, bildet dasselbe den Trimethyläther einer Methylbibromoxyphtalsäure, C12H12Br2O5. Durch Kochen mit alkoholischem Kali bildet sich eine bibromirte Methylmethoxyphtalsäure, C10H6Br2O5.2H2O, welches beim Trocknen ein bibromirtes methoxylirtes Methylphtalsäureanhydrid, C10H6Br2O5, gibt, wie das Phtalsäureanhydrid beim Behandeln mit Phenol und Schwefelsäure die bekannte Farbstoffbildung zeigt. Wenn das Carminroth in der That, wie Hlasiwetz und Grabowsky annehmen, 11 Kohlenstoffatome im Molekül enthält, so haben wir in dem bei 232° schmelzenden β-Oxybromcarmin einen Abkömmling, welcher noch dieselbe Kohlenstoffanzahl wie der Farbstoff besitzt, auch sonst durch sein ganzes Verhalten demselben nahe steht. Seine Salze sind noch Farbstoffe und, was wichtiger scheint, das Bromproduct selbst, welches durchaus keine färbenden Eigenschaften mehr zeigt, wird, wenn man es in Alkali löst, Zinnchlorür zufügt und dann mit Salzsäure übersättigt, zu einer neuen Substanz reducirt, die mit Aether ausgeschüttelt werden kann. Läſst man die ätherische Lösung alsdann an der Luft stehen, so färbt sie sich allmählich unter Sauerstoffaufnahme und man erhält nach einigen Stunden eine Farbstofflösung, welche eine der Cochenille sehr ähnliche Färbung besitzt, mit ganz gleichem Tone roth färbt und welche wie die Cochenillelösung auf Zusatz von Alkali in violettroth umschlägt. Coccerin aus lebender Cochenille, welche sich noch auf der Nährpflanze, Opuntia coccinellifera, befand, wurde von C. Liebermann (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1886 S. 328) gewonnen. Die fleischigen herz- und scheibenförmigen Theile des Cactus erscheinen auf beiden Seiten auf den ersten Blick wie von dichten Schimmelbildungen bedeckt, unter denen man erst bei genauerer Betrachtung die gleichfalls vollständig weiſs überzogenen, ganz regungslosen, weiblichen Cochenilleläuse wahrnimmt. Der anscheinende Schimmel besteht aus in Benzol fast vollkommen löslichen feinen Wachsfaden und Stückchen, welche aus den Wachsdrüsen der Haut der Cochenille hervortreten. Ein besonders deutliches Büschel solcher Fädchen befindet sich meist am Hinterende des Abdomens. Geflügelte männliche Thierchen waren auf den Pflanzen nicht mehr vorhanden, dagegen eine Unzahl kleiner, weiſser, eiförmiger, an der Spitze durchbohrter Cocons, aus welchen dieselben ausgeschlüpft waren. Diese Cocons bestanden zu ¾ ihres Gewichtes aus fast reinem Coccerin, nach dessen Fortnahme durch Benzol nur ein ganz dünnes Netz von den Formen der Cocons zurückblieb, in welchem sich zahlreiche Reste der Thierchen befanden. Von den Weibchen genügte es, ein halbes Dutzend mit Benzol aufzuziehen, um das auf denselben befindliche Coccerin nicht allein aufs Schärfste nachzuweisen, sondern es auch ganz rein zu erhalten. O. N. Witt (daselbst S. 55 und 441) untersuchte die α-Naphtylaminsulfosäuren. Er zeigt, daſs die im J. 1850 von Piria durch Einwirkung von Ammoniumsulfit auf Nitronaphtalin erhaltene Naphtionsäure gleich ist mit der von Nevile und Winther (daselbst 1880 S. 1948) durch Erhitzen von Naphtylamin und Schwefelsäure erhaltenen Verbindung. Als Eurhodine bezeichnet Witt eine Gruppe von Farbstoffen, welche entstehen, wenn salzsaures α-Naphtylamin der Einwirkung beliebiger Orthoamidoazoverbindungen unterworfen wird, an Stelle der aus Paramidoazoverbindungen bei gleicher Behandlung gebildeten Induline. Unterwirft man Diamidoazoverbindungen, welche eine Amidgruppe in der Para-, die andere in der Orthostellung enthalten, also irgend eines der Chrysoidine, der gleichen Behandlung, dann gewinnt die Eurhodinbildung die Oberhand und es entsteht kein Indulin. Aus diesem Grunde ist das Eintreten der Eurhodin-Reaction bei einer beliebigen Amidoazoverbindung ein sicheres Kennzeichen von dem Vorhandensein der Orthostellung zwischen einer Amido- und der Azogruppe. Es wurden gleiche Moleküle Orthoamidoazotoluol von 118,5° Schmelzpunkt und salzsaures α-Naphtylamin in Phenollösung so lange auf etwa 130° erwärmt, bis die smaragdgrüne Farbe des Amidoazotoluolchlorhydrates der scharlachrothen des Eurhodins gewichen war. Aus dem Reactionsgemische wurde durch reichlichen Zusatz von Toluol das Eurhodinchlorhydrat in krystallisirtem Zustande gefällt; dasselbe wurde abgesaugt, mit Aether gewaschen und aus siedendem Wasser unter Zusatz von Salzsäure umkrystallisirt. Aus dem so erhaltenen Chlorhydrat fällt Ammoniak die freie Base in eigelben Flocken, welche sich beim Kochen in flimmernde Blättchen verwandeln. Die freie Base läſst sich aus siedendem Anilin, in welchem sie schwer löslich ist, umkrystallisiren. Doch behält die so gereinigte Substanz gern etwas Anilin zurück; es empfiehlt sich daher zur Darstellung eines ganz reinen Präparates eine letzte Krystallisation aus Phenol, aus welchem die Base auf Zusatz von Alkohol sich vollständig rein in goldglänzenden Krystallen abscheidet. Das so erhaltene Eurhodin, C17H13N3, erinnert durch das Farbenspiel seiner Lösung in Schwefelsäure an die Saffranine, durch die Fluorescenz seiner ätherischen Lösung an das Phosphin. Die meisten Eurhodinabkömmlinge sublimiren in wolligen, glänzend gelben bis orangefarbenen Krystallmassen, ganz ähnlich wie manche Anthrachinonverbindungen. Die Bildung des Farbstoffes läſst sich durch folgende Formel ausdrücken: C7H10N2 + C10H9N – 3H2 = C17H13N3. Das Chlorhydrat, C17H13N3.HCl.2H2O, wird durch Versetzen einer essigsauren Eurhodinlösung mit verdünnter Salzsäure in glänzenden granatrothen Nadeln erhalten. Eurhodin läſst sich diazotiren. Erhitzt man Eurhodin mit mäſsig verdünnter Salzsäure oder Schwefelsäure im Druckrohre während 3 Stunden auf 180°, so findet man dasselbe in eine gelbe Krystallmasse verwandelt. Die überstehende wässerige Flüssigkeit enthält reichliche Mengen von Ammoniak. Die gelben Krystalle sind das Salz einer neuen Base, welche sich in concentrirter Schwefelsäure mit carminrother Farbe löst. Wasser fällt aus dieser Lösung gelbe Flocken des Sulfates. Diese Base ist aber gleichzeitig auch ein Phenol, denn sie löst sich mit orangerother Farbe in Natronlauge. Aus dieser Lösung fällt Essigsäure die freie Verbindung als rothen Niederschlag, welcher durch längeres Erhitzen krystallinisch wird. Der neue Farbstoff, welchen Witt als Eurhodol bezeichnet, ist ebenso wie das Eurhodin in fast allen Lösungsmitteln, mit Ausnahme von Anilin und Phenol, sehr schwer löslich. So lange der Farbstoff sich im amorphen Zustande befindet, wird er von Aether mit gelber Farbe aufgenommen. Diese Lösung zeigt keine Spur einer Fluorescenz. Im krystallisirten Zustande bildet das Eurhodol ein schimmerndes Pulver von fahl orangegelber Farbe. Die Krystalle sind dichroitisch; sie besitzen gelbe und rothe Flächen, welche sich bei der Krystallisation aus verschiedenen Lösungsmitteln verschieden stark ausbilden. Man erhält daher bei der Krystallisation aus Anilin ein gelbes Präparat, während Krystalle, welche durch rasches Abkühlen einer Phenollösung erhalten werden, mennigroth erscheinen. Das Eurhodol sublimirt ganz ebenso wie das Eurhodin in eigelben, wolligen Krystallen. Der Zusammensetzung C17H12N2O entsprechend, entsteht Eurhodol aus dem Eurhodin durch Ersetzung der Amidogruppe durch Hydroxyl. Eurhodol färbt die thierische Faser orange. Die scharlachrothe Lösung des Eurhodinchlorhydrats in absolutem Alkohol wird auf Zusatz von Amylnitrit beim Erwärmen auf dem Wasserbade unter Stickstoffentwickelung entfärbt. Die alkoholische Lösung wurde mit Wasser gefällt, die amylalkoholische Schicht mit Natronlauge geschüttelt, der Amylalkohol mit Wasserdämpfen abgetrieben, der Rückstand in verdünnter Salzsäure gelöst, mit Natronlauge gefällt und die abgeschiedene Base aus Alkohol krystallisirt. Das erhaltene blaſsgelbe Krystallpulver schmilzt bei 156° und löst sich in concentrirter Schwefelsäure mit schön carminrother Farbe. Die Verbindung ist vielleicht dem von Hinsberg (daselbst 1885 S. 1228) aus Orthotoluylendiamin und β-Naphtochinon dargestellten Naphtyltoluchinoxalin, C17H12N2, gleich. Eine Lösung von 2g Chrysoidin in 50g Eisessig wurde in der Wärme bis zur vollständigen Entfärbung mit Zinkstaub behandelt und alsdann nach einigem Abkühlen vom Zinkstaube ab in die Lösung von 1g Phenanthrenchinon in 50g Eisessig gegossen. Das Gemisch färbte sich sofort stark purpurroth. Man versetzte mit viel Wasser, wobei die neue Verbindung als gelbbraunes, schleimiges Gerinnsel gefällt wurde. Durch Kochen wurde dasselbe eigelb und filtrirbar. Man erhält so 1g,5 einer fast reinen Verbindung, welche durch Krystallisation aus Phenol und Alkohol in Form eines braunen, schimmernden Krystallpulvers gewonnen wird. Die Analyse bestätigte die erwartete Zusammensetzung C20H13N3. Die Lösung dieses Eurhodins in concentrirter Schwefelsäure ist carminroth:, beim Verdünnen geht dieselbe durch gelbgrün wieder in roth über. Die Salze sind äuſserst schwer löslich, von carminrother Farbe. Zusatz von Natronlauge fällt die freie Base in eigelben Flocken, welche von Aether mit der für das Eurhodin so charakteristischen gelben Farbe und grünen Fluorescenz aufgenommen werden. Die freie Base ist in den meisten Lösungsmitteln schwer löslich und sublimirt genau wie das Eurhodin in wolligen Krystallaggregaten. Genau wie das Phenanthrenchinon wirkt auch das β-Naphtochinon auf 1. 2. 4. Triamidobenzol. Eurhodine von etwas gelberem Farbton entstehen ferner bei der Einwirkung von Benzil und Isatin auf 1. 2. 4. Triamidobenzol. Aber auch Diketone der Fettreihe erzeugen aus dem Reductionsproducte des Chrysoidins Farbstoffe von unverkennbarem Charakter der Eurhodine. Derartige Verbindungen entstehen z.B. aus Glyoxal sowie aus der Dioxy wein säure (Carboxytartronsäure); letzterer geht, wie zu erwarten war, aus seiner gelben alkalischen Lösung nicht in Aether über, weil er seiner Bildung nach der Carboxylabkömmling eines Eurhodins sein muſs. Auch Polyketone geben ähnliche Reactionen. Aus der Leukonsäure, welche ja nach den neuesten Untersuchungen von Nietzki ein Pentaketopentamethylen ist, wurde ein violettrother Farbstoff erhalten, welcher sich auf Alkalizusatz gelbbraun färbt. Aus der von Witt erörterten Constitution der Eurhodine erklärt sich, weshalb das β-Naphtylamin kein Eurhodin bildet. Die Chinoxaline sind Farben bildende Verbindungen, deren schlummerndes Färbevermögen bloſs der Einführung Salz bildender Gruppen bedarf, um wachgerufen zu werden. Die chromophore Gruppe ihres Moleküls ist die doppelte, in Orthostellung befindliche – C = = N – Kette. Zur Herstellung eines neuen Indigoabkömmlinges wird nach C. Liebermann (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1886 S. 351) Nitroopiansäure in möglichst wenig Aceton gelöst, der Ueberschuſs an Aceton möglichst weggekocht, mit Wasser bis zur starken Trübung verdünnt und soviel 2procentige Natronlauge zugesetzt, bis die erst gelbe Farbe grünroth wird. Nachdem noch einige Zeit auf 40 bis 50° erwärmt worden, erfüllt sich die Flüssigkeit mit grünen Flocken, welche unter dem Mikroskope als aus grünen Krystallfädchen bestehend erkannt werden. Da dieselben wohl noch ein schwer lösliches Natronsalz sind und daher nach dem Abfiltriren beim Auswaschen etwas in Lösung gehen, setzt man dem Waschwasser einige Tropfen Salzsäure zu. Die auf dem Filter bleibende Verbindung ist zweifellos ein Indigo, welcher die substituirenden Gruppen der Opiansäure enthält. Für die Darstellung des Farbstoffes wendet man statt des Natrons besser Barytwasser an. Der Farbstoff fällt dann als grünes Bariumsalz. Auch mit Brenztraubensäure statt des Acetons erhält man den Farbstoff, dessen Zusammensetzung der Formel C16H4(OCH3)4(CO2H)2N2O2, somit einer Tetramethoxylindigdicarbonsäure entspricht. In Alkohol, Benzol, Chloroform, Aceton ist er selbst in der Siedhitze unlöslich, Eisessig und Essigsäureanhydrid lösen schwach mit blaugrüner, Anilin und namentlich Phenol stärker mit grüner Farbe. In siedendem Wasser ist die Verbindung etwas, leicht schon in der Kälte bei Gegenwart von etwas Ammoniak (als Ammonsalz in Folge der vorhandenen Carboxylgruppe) mit blauer Farbe löslich, welche die Färbung und das Absorptionsspectrum (etwas nach E hin verbreitert) der Indigcarminlösung zeigt. Baryt- und Kalilösungen fällen den Farbstoff als grün flockiges Salz. Mineralsäure fällt den Farbstoff grün. Mit wenig Essigsäure angesäuerte Lösungen färben Wolle schön blau. Mit Zinkstaub und Alkali gibt der Farbstoff eine gelbe Küpe mit schönen blauen Küpenblumen; durch Luft wird sie in blauen Flocken, wohl des Zinksalzes, gefällt. Getrocknet, bildet der Farbstoff eine blaugrüne Masse, welche beim trockenen Erhitzen einen dem Indigdampf ganz ähnlich gefärbten Dampf unter Zersetzung und Auftreten von Vanillegeruch gibt. Concentrirte oder rauchende Schwefelsäure löst den Farbstoff mit prachtvoll veilchenblauer Farbe, Wasser fällt ihn unverändert mit grüner Farbe; eine Sulfosäure scheint sich nicht zu bilden. Die Lösung in concentrirter Schwefelsäure zeigt einen scharfen Absorptionsstreifen von D bis F.