Titel: | Dampfschiffe zur Beförderung von Erdöl. |
Fundstelle: | Band 262, Jahrgang 1886, S. 318 |
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Dampfschiffe zur Beförderung von
Erdöl.
Mit Abbildungen auf Tafel
21.
Dampfschiffe zur Beförderung von Erdöl.
In der zu Liverpool abgehaltenen 27. Versammlung der Institution of Naval Architects hielt B. Martell einen Vortrag über die Beförderung von Erdöl auf dem Seewege in
besonders zu diesem Zwecke eingerichteten Dampfschiffen (vgl. 1886 260 532), aus welchem nach dem Engineer, 1886 Bd. 62 * S. 85 bezieh. Engineering, 1886 Bd. 42 * S. 107 die nachfolgenden Mittheilungen zum
Theile entnommen sind.
Bis in die neueste Zeit wurde das von Amerika nach England eingeführte Erdöl in
Fässern oder in mit Holz verkleideten Zinnbüchsen verladen, während in Ruſsland
schon 1879 der erste Cysternendampfer für die Beförderung von Bakuschem Erdöle auf
dem Kaspischen Meere gebaut wurde und heute bereits 100 Dampfer und 300 Segelschiffe
für diesen Zweck vorhanden sind. In Bezug auf die Vorzüge der neuen
Beförderungsweise gegenüber der bisher üblichen wird Folgendes hervorgehoben: 1) Die
Herstellungskosten für die Fässer und Zinnbüchsen vertheuern bisher das Erdöl in
hohem Grade, da die Fässer nicht immer wieder zurückgeführt werden, sondern zu einem
bedeutend niedrigeren als dem Herstellungspreise verkauft werden müssen. Bei den
Zinnbüchsen ist das Verhältniſs noch ungünstiger. Das Zinn wird in England gekauft,
nach Amerika ausgeführt und dort zu Büchsen verarbeitet und mit Holz verkleidet. Die
Herstellungskosten dieser Büchsen erreichen fast den Werth des Erdöles, welches in
denselben enthalten ist. Nach der Entleerung der Büchsen in England sind sie
daselbst werthlos. 2) Die Cysternendampfer können mehr Oel befördern, da der Raum,
den die Holzschalung der Fässer einnimmt, und das Gewicht der Faſskörper in Wegfall
kommen. 3) Das Laden und Löschen geht bei den Cysternenschiffen bedeutend rascher
vor sich. Ein Dampfer von 1700t Tragfähigkeit kann z.B. seine Ladung
in 5 bis 6 Stunden einnehmen oder löschen, während diese Arbeit bei einer Ladung in
Fässern fast ebenso viele Tage in Anspruch nimmt.
Ueber die Einrichtung der Behälter oder Cysternen wurden von Martell folgende Regeln aufgestellt: 1) Es ist Vorsorge zu treffen, daſs
sich das Erdöl bei Erwärmung frei ausdehnen kann, die Behälter müssen also mit der
äuſseren Luft in Verbindung stehen. 2) Wegen der schaukelnden Bewegung des Schiffes
auf hoher See müssen die Behälter vollständig gefüllt gehalten werden, um ein Rollen
der Flüssigkeit von der einen auf die andere Seite zu verhindern. Es ist daher die
Einrichtung zu treffen, daſs bei etwa eintretender Volumenverminderung des Oeles
durch Sinken der Temperatur oder durch Undichtheiten das Nachdringen von Luft
verhindert und daſs statt dessen die entsprechende Menge Oel aus einem besonderen,
höher stehenden Kasten in die Behälter selbstthätig einflieſst.
Von den verschiedenen Anordnungsarten der Behälter, welche diesen Anforderungen zu
genügen suchen, sind zwei besonders hervorzuheben: Die eine derselben, welche an L. V. Sone in New-York patentirt wurde, ist bei dem
amerikanischen Holzschiff „Crusader“ zur Anwendung gekommen. Das Schiff hat
bis jetzt mit Erdöl beladen drei glückliche Reisen von Amerika nach England gemacht.
Die Anordnung der cylindrisch gewählten Behälter ist aus Fig. 1 Taf. 21
ersichtlich. Drei Reihen der Behälter liegen über einander und die Gesammtzahl der
Behälter beträgt beim „Crusader“ 47. Die Behälter sind vollkommen unabhängig
von einander; jeder derselben besitzt ein Rohr A,
welches auf das Deck zu dem zum Entleeren und Füllen des Cylinders dienenden
Pumpenschlauche führt. Ein zweites davon unabhängiges Rohr B geht von der höchsten Stelle jedes Cylinders ebenfalls auf Deck und
erhebt sich über diesem bis zu einer gewissen Höhe. Dieses zweite Rohr dient dazu,
etwaigen Gasen, welche sich aus dem Erdöle entwickeln, Ausweg zu gestatten; von den
Röhren B zweigen Seitenrohre ab, welche zu dem auf Deck
befindlichen Druckkessel C führen. Diese Vorrichtung
hat den Zweck, die durch Temperaturveränderung und durch Leckage verursachte
Volumenveränderung der Flüssigkeit in den Cylindern auszugleichen und das Oel unter
einem bestimmten Drucke zu erhalten.
Das erste mit einer ähnlichen Behältereinrichtung versehene englische Dampfschiff ist
der von R. Craggs und Söhne in Middlesbrough für eine
Tragfähigkeit von 1550t im J. 1885 eingerichtete
„Ferguson“. Die Behälter sind hier viereckig und ihre Anordnung aus der
zwei Schiffsquerschnitte an verschiedenen Stellen veranschaulichenden Fig. 2 Taf. 21
zu entnehmen. Es sind zwei Druckkessel C vorhanden, von
denen sich der eine wie beim „Crusader“ auf dem obersten Deck, der andere
jedoch im Zwischendeck befindet. Der letztere steht mit der unteren Reihe der
Behälter in Verbindung. Diese Trennung ist durchgeführt, um einem zu groſsen Drucke auf
die untere Behälterreihe vorzubeugen.
Bei dem neuerdings von W. Gray und Comp. in
West-Hartlepool für die Firma A. Oelrich und Comp. in
Baku vollkommen in Eisen erbauten Dampfschiff „Bakuin“ ist eine andere
Einrichtung zur Anwendung gekommen. Das in Fig. 3 und 4 Taf. 21 veranschaulichte
Fahrzeug enthält einen groſsen Behälter, welcher sich
unter dem unteren Deck befindet, dessen Tragbalken, entgegen der bisherigen
Gewohnheit, nach unten gewölbt sind (vgl. Fig. 3). Durch diesen
Behälter C läuft der Länge nach mittschiffs ein Schott,
welches sich bis zum Mitteldeck erhebt, während weitere Querschotten den Raum in
Abtheilungen von 9m,75 bis 11m Länge theilen. In diesem Hauptbehälter bespült
das Oel die Seitenwände des Schiffes, während in den Zwischendecks weitere Behälter
D angebracht sind, welche sich weder bis an die
Seitenwände noch bis unmittelbar unter das Verdeck erstrecken. Man beabsichtigt
durch diese Anordnung, eine Erwärmung des Oeles während der Zeit, wo sich das Schiff
in heiſsen Gegenden befindet, nach Möglichkeit zu verhindern. Die Temperatur des im
Hauptbehälter C befindlichen Erdöles wird kaum erhöht
werden, da der letztere vollständig unter Wasser liegt und seine Seitenwände
unmittelbar vom Wasser bespült werden, während andererseits die im Zwischendeck
liegenden Behälter sich nicht bis an die von der Sonne bestrahlte Schiffswand
ausdehnen, sondern von derselben durch eine isolirende Luftschicht geschieden sind.
Die Maschine befindet sich im hinteren Theile des Schiffes, der Dampfkesselraum ist
von den Oelbehältern durch ein doppeltes Schott (vgl. Fig. 4 bei A) getrennt; ein gleiches Schott befindet sich vor den
Behältern im Vordertheile des Schiffes. Sämmtliche zum Füllen und Entleeren der
Behälter dienenden Ventile befinden sich im Maschinenräume; von ebendort kann man
durch Schwimmer, welche an Drähten befestigt sind, den Stand des Oeles in jedem
Behälter beobachten. Um jede Feuersgefahr auszuschlieſsen, wird das Schiff
elektrisch beleuchtet, die Kajüten werden durch Dampf geheizt, ebenso wird mit Dampf
gekocht. Der „Bakuin“ hat eine Tragfähigkeit von 1950t Oel und kann vermöge der vorzüglichen
Einrichtung der Pumpen seine Ladung in ungefähr 12 Stunden löschen.
Eine ähnliche Behältereinrichtung besitzt auch der von Swan entworfene, von W. G.
Armstrong, Mitchell und Comp. in Newcastle erbaute, im Dienste einer
deutschen Firma der Beförderung von Erdöl zwischen Amerika und Bremen dienende
Dampfer „Glückauf“. Derselbe ist 91m,5 lang
mit drei Masten, 11m,5 breit, vermag gegen 2300t Erdöl zu fassen und legte seine erste Fahrt nach
Engineering, 1886 Bd. 42 S. 245 mit einer
Geschwindigkeit von 10,5 Knoten in der Stunde (5m,4 secundlich) zurück. Die Pumpeneinrichtung wurde von der Worthington Pumping Engine Company ausgeführt.
Die Motala Company in Motala, Schweden, baut Dampfer für
die Beförderung von russischem Erdöl. Ein diesbezügliches Schiff, der
„Sviet“, besitzt ähnlich wie die beiden vorher besprochenen Schiffe einen
groſsen Behälter,
welcher durch eine Längswand in der Mitte des Schiffes und Querwände in 16
Abtheilungen zerlegt ist. Die Seitenwände des Behälters stehen jedoch von den
Schiffs wänden 1m ab und zwischen der
Behälterdecke und dem Verdeck besteht ein Raum von 500mm. Jede der Abtheilungen besitzt in der Decke ein Ansatzrohr von 1m Durchmesser, welches etwa 0m,5 über Deck vorragt und in dessen Deckel ein
Mannloch und die Rohrstutzen zum Füllen und Entleeren vorgesehen sind.
Auf der Werft von Tecklenburg in Geestemünde ist nach
der Hansa vor einiger Zeit für einen Geestemünder
Rheder ebenfalls ein Schiff mit besonderen Einrichtungen zur Beförderung von Erdöl
gebaut worden.
Es ist dies die „Andromeda“, die nach dem sogen.
Composite-System hergestellt ist, d.h. eiserne Spanten, Balken, Stützen, Kielschwein
u.s.w., dagegen einen hölzernen Kiel aus Teakholz und hölzerne Auſsenhaut, ebenfalls
aus Teakholz, besitzt. Das Schiff hat eine Länge von 82m,5, eine Breite von 11m,3, eine Tiefe
von 7m,6 und faſst 1871t. Das Erdöl wird in im Schiffsräume eingebauten
geschlossenen Behältern, welche in drei getrennten Lagen über einander liegen,
aufgenommen; die unterste Lage steht auf einem 30cm über den Bauchdielen aus Holz gebauten Boden, unter welchem 250t Eisenballast verstaut sind. Jede Lage besteht
aus zwei Reihen Behältern, zusammen 24 Stück von je 2m,50 Länge. Der Länge nach liegen sämmtliche Behälter bis auf 8cm an einander und sind hier und an der Bordwand
mit Tannenholzbalken und Steifen gut abgestützt. Die obere Lage der Behälter ruht
auf entsprechenden Balken und gehörigen Holzunterlagen mit gleichfalls starken
Querschiffsabstützungen. Zwischen den Behälterreihen ist ein freier Raum von 1m,20, welcher nach vorn und hinten etwas schmäler
wird. Die dritte Lage, die Zwischendeckbehälter, stehen unmittelbar ohne
Zwischenlage auf den Deckplanken; dieselben sind in Folge des beinahe 4m breiten Raumes, welcher für die Röhrenleitung
nothwendig wird, bedeutend kleiner als die Behälter der mittleren Lage. Wegen des
freien Verkehres in diesem Räume von vorn nach hinten ist die Abstützung senkrecht
angebracht, in den Zwischendeckplanken eingelassen und oben mit eisernen Klammern an
den Deckbalken befestigt. Sämmtliche Behälter sind aus 6mm starkem Eisenblech hergestellt, oben und unten mit runden Ecken ohne
Winkeleisen, an den senkrechten Kanten jedoch mit Winkeleisen gebaut. Jeder Behälter
ist vorher am Lande und später im Schiffe an Ort und Stelle mitsammt der
Röhrenleitung im Ganzen unter Druck probirt. Die Verbindung der Behälter unter
einander ist, auf jeder Seite für sich, durch ein 80mm weites Hauptrohr aus Schmiedeisen, mit entsprechenden Zwischenstücken
aus Metall mit Stutzen und Flanschen für die Hähne, sowie für die Verbindungen nach
den unteren Behältern hergestellt. Diese Röhrenleitungen laufen an beiden Seiten
40cm über dem Zwischendeck im freien Räume von
hinten nach vorn, für jeden Behälter drei Stutzen enthaltend, und dienen zum Füllen
und Auspumpen der Ladung. Eine kleine Saug- und Druckpumpe von Stone und Comp. in Deptford bei London, welche auf dem
Oberdeck hinter der Groſsluke angebracht und durch die sogen. Donkeywinde in
Bewegung gesetzt werden kann, ist im Stande, die ganze Ladung von 2500hl in 3 Tagen an Land zu pumpen. Auſser dieser
Hauptleitung hat jede Behälterlage unter sich eine zweite Rohrleitung, um bei
Temperaturwechsel die Ausdehnung des Erdöles auszugleichen; die hierfür
erforderlichen leeren Kästen liegen um ein Deck höher. Diese Ausdehnungskästen für
die Zwischendeckbehälter befinden sich in eigens für diesen Zweck gebauten Schuppen
auf dem obersten Deck. Jeder Behälter hat auſserdem noch ein drittes selbstständiges
aufrecht stehendes Rohr, welches während des Ladens und Löschens gleichzeitig zum
Aus- und Eintritte der Luft dient.