Titel: | Ueber Indolabkömmlinge. |
Autor: | K. |
Fundstelle: | Band 263, Jahrgang 1887, S. 200 |
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Ueber Indolabkömmlinge.
E. Fischer, über Indolabkömmlinge.
E. Fischer theilt in Liebig's
Annalen der Chemie, 1886 Bd. 236 S. 116 seine Arbeiten über Gewinnung von
Indolabkömmlingen in einer ausführlichen Abhandlung mit, welche wir im Auszuge hier
folgen lassen.
Das Indol und seine Homologen können leicht gewonnen werden aus den Verbindungen der
aromatischen Hydrazine mit Ketonen, Aldehyden und
Ketonsäuren durch Schmelzen mit Chlorzink und zwar können sowohl primäre, wie
secundäre Hydrazine, ferner alle gesättigten Ketone und Ketonsäuren, welche neben
der Carbonylgruppe ein Methyl oder Methylen enthalten, sowie die meisten Aldehyde
Verwendung finden. Die Reaction verläuft stets in dem Sinne, daſs der äuſsere
Stickstoff der Hydrazingruppe als Ammoniak abgespalten wird und die Reste den Indolring
bilden, z.B.:
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Enthält das Keton neben dem Carbonyl zugleich Methyl und
Methylen, so können zwei isomere Indole entstehen, z.B.:
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Der Versuch hat aber gezeigt, daſs die Bildung des
Dimethylproductes überwiegt.
Aus Acetaldehyd und den Phenylhydrazinen wurden, wahrscheinlich in Folge der
Heftigkeit der Reaction, keine Indole gewonnen, bei den Kohlenstoff reicheren
Aldehyden verläuft die Bildung aber glatter; so entsteht z.B. aus dem
Propylidenphenylhydrazin das Skatol:
Textabbildung Bd. 263, S. 201 Die Einwirkung von Ketonsäuren auf Hydrazine hat E. Fischer an der Brenztraubensäure, der Lävulinsäure und dem
Acetessigester studirt und gefunden, daſs Indolabkömmlinge am leichtesten zu
erhalten sind aus secundären Hydrazinen und Brenztraubensäure. Hierbei genügt schon
gelindes Erwärmen mit verdünnten Mineralsäuren, um die Ammoniakabspaltung zu
bewirken:
Textabbildung Bd. 263, S. 201 Schwieriger gelingt die Reaction bei Anwendung primärer Hydrazine. Hierbei
muſs die Chlorzinkschmelze Verwendung finden und statt der
Methylphenylhydrazinbrenztraubensäure ihr Ester benutzt werden. Zur Condensation mit
dem Acetessigester eignen sich am besten secundäre Hydrazine, da diese der
Chinizinbildung nicht fähig sind, während Phenylhydrazinacetessigester sich
auſserordentlich leicht in Oxymethylchinizin
verwandelt.
Bezüglich der Nomenclatur für die Indolderivate schlägt E.
Fischer im Anschlusse an die Baeyer'sche
Bezeichnungsweise vor, für den Indolring, der nichts anderes als ein Pyrrolring ist,
das Zeichen Pr zu gebrauchen und die Zählung der einzelnen Glieder im Pyrrolringe
mit dem Stickstoffe. im Benzolringe mit dem entsprechenden Kohlenstoffatome zu
beginnen: ferner wird
vorgeschlagen, der Zahl für die Stellung des Stickstoffes ein „n“ beizufügen, um Irrthümern gegenüber anderen
Stickstoff haltigen Ringen, bei welchen das Stickstoffatom nicht mitgezählt wird,
vorzubeugen. Körper von der Formel
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wurden demnach als Pr 1n-Methylindol bezieh. Pr 1n,2-Dimethylindol
zu bezeichnen sein.
Die Indolderivate zeigen sämmtlich eine gewisse Familienähnlichkeit; aber mit der
Vertretung der einzelnen Wasserstoffatome im Pyrrolringe durch Alkyle oder Carboxyl
treten auch bemerkenswerthe Veränderungen in gewissen Eigenschaften zu Tage. Ein
Vergleich der verschiedenen Indole in dieser Richtung führt zu folgenden
Ergebnissen: 1) Der beim Skatol am stärksten auftretende fäcalartige Geruch der
Indole findet sich auch bei den Mono- und Dimethylverbindungen, mit Ausnahme
derjenigen, welche das Methyl am Stickstoff enthalten; letztere erinnern im Gerüche
an Methylanilin. Durch den Eintritt von Phenyl wird die Flüchtigkeit und der Geruch
des Indols aufgehoben; desgleichen sind die Naphtoindole und alle Carbonsäuren des
Indols nahezu geruchlos. 2) Sämmtliche Indolderivate verbinden sich mit Pikrinsäure;
in der Regel krystallisiren diese Pikrate aus heiſsem Benzol in feineu rothen
Nadeln; sie sind für Erkennung und Reinigung der nicht krystallisirenden Indole sehr
geeignet. 3) Alle Indole, mit Ausnahme der Carbonsäuren, werden durch Zinkstaub und
Salzsäure in Hydrobasen verwandelt, deren erster Vertreter das von O. R. Jackson (Berichte der
deutschen chemischen Gesellschaft, 1881 Bd. 14 S. 883) dargestellte Hydromethylketol ist. 4) Die Fichtenholz-Reaction des
Indols fehlt den Carbonsäuren und denjenigen Alkylderivaten, bei welchen die
Wasserstoffatome Pr2 und Pr3 gleichzeitig substituirt sind. Alle übrigen geben die
Reaction., aber mit verschiedener Schärfe. Ganz sicher gelingt dieselbe bei den Pr1-
und Pr2-Abkömmlingen, einerlei, ob die substituirende Gruppe Methyl, Aethyl oder
Phenyl ist. Ein Unterschied macht sich nur in der Färbung geltend, insofern die
methylirten Indole eine kirschrothe, die phenylirten und die Naphtindole eine
blauviolette Färbung geben. Unsicherer ist die Probe bei den Pr3-Derivaten. Reines
Skatol z.B. färbt den mit Salzsäure angefeuchteten Fichtenspan nicht; befeuchtet man
dagegen einen Fichtenspan mit einer Lösung von Skatol in verdünntem Alkohol und
taucht den Span in starke Salzsäure, so nimmt er zunächst eine kirschrothe, später
blau violette Farbe an. 5) Sehr verschieden verhalten sich die Indole gegen
salpetrige Säure. Indol selbst bildet mit salpetriger Säure bei Anwesenheit von
Salpetersäure das Nitrosoindolnitrat und ähnlich verhält sich das Pr1n-Methylindol. Dagegen liefern das Pr2-Methyl-
oder Phenylindol complicirtere Körper, welche keine Nitroso-Reaction zeigen. Die
Pr3- oder Pr2,3-Substitute des Indols bilden mit Salpetrigsäure einfache
Nitrosamine. Bemerkenswerth ist endlich das Verhalten des Pr1n,2,3-Trimethylindols, welches von Salpetrigsäure
angegriffen wird, trotzdem es im Pyrrolringe keinen Wasserstoff mehr enthält. Von
der groſsen Anzahl Indole, welche E. Fischer
dargestellt und beschrieben hat, sollen hier nur einige besprochen werden.
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Zur Darstellung des als Ausgangsmaterial dienenden
Acetonphenylhydrazins kann man das gewöhnliche Aceton des Handels benutzen, welches
man in solcher Menge zur Hydrazinbase gibt, bis eine Probe des Gemisches alkalische
Kupferlösung nicht mehr reducirt. Man nimmt das ausgeschiedene Wasser durch
geglühtes kohlensaures Kali weg und fractionirt das trockene Oel unter vermindertem
Drucke. Das Condensationsproduct ist ein schwach gelb gefärbtes Oel. Zur Umwandlung
in das Methylindol wird die Hydrazinverbindung mit 5 Th. trockenem Chlorzink in
einem kupfernen Kessel gemischt und unter Umrühren etwa ½ Stunde auf dem Wasserbade
und dann in einem 180° warmen Oelbade erhitzt. Wenn man nach einigen Minuten, sowie
die Masse sich dunkel zu färben beginnt, aus dem Bade entfernt, so vollzieht sich
die Reaction von selbst, ohne daſs weiteres Erhitzen nöthig wäre. Die Schmelze wird
nun zur Lösung des Chlorzinkes mit der drei- bis vierfachen Menge Wasser auf dem
Wasserbade erwärmt und mit Dampf abdestillirt. Das Methylketol geht als schwach
gefärbtes Oel langsam, aber vollständig über, welches bald krystallinisch erstarrt.
Von diesem schon sehr reinen Product wurden 59 bis 62 Procent der theoretischen
Ausbeute erhalten. Zur völligen Reinigung krystallisirt man aus heiſsem Ligroin um;
das Methylketol zeigt dann einen Schmelzpunkt von 60° und siedet unter 750mm Druck bei 272° (Quecksilberfaden ganz im
Dampf).
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Als Ausgangsmaterial dient das Propylidenphenylhydrazin, das
man erhält, wenn man 10 Th. Phenylhydrazin unter Abkühlung versetzt mit 6 Th.
Propylaldehyd, und welches in der für das Acetonphenylhydrazin beschriebenen Weise
getrocknet und gereinigt wird. Das Propylidenphenylhydrazin siedet bei 205° unter
180mm Druck. Die Umwandlung in Skatol, welche
schwieriger erfolgt als bei den Ketonderivaten, hängt bezüglich der Ausbeute
wesentlich ab von der Menge des Chlorzinkes. Es wird am besten so verfahren, daſs
man 10g Propylidenphenylhydrazin in einen
Kupfertiegel oder Kolben mit der gleichen Menge gepulvertem, trockenem Chlorzink
mengt. Es findet lebhafte Einwirkung statt, ohne daſs Wärmezufuhr nöthig wäre, wobei
sich der Geruch des Skatols sofort bemerkbar macht und eine braunrothe Schmelze
entsteht. Man erhitzt nun noch 1 bis 2 Minuten im Oelbade auf 180°, digerirt dann die
Schmelze bis zur Lösung des Chlorzinkes mit Wasser und destillirt im Dampfstrome.
Das übergehende Skatol erstarrt schon im Kühlrohre und ist nach einmaligem
Umkrystallisiren aus Ligroïn rein. Da E. Fischer über
100g Skatol zur Verfügung standen, so konnte
er den Körper in möglichster Reinheit darstellen und seine Eigenschaften studiren.
Das Skatol krystallisirt aus Ligroïn in blendend weiſsen Blättchen; es hat einen
sehr starken und anhaftenden, an Fäces erinnernden Geruch, schmilzt bei 95°
(uncorrigirt) und siedet unter einem Drucke von 755mm zwischen 265 und 266°. Wenn schon die besprochene Bildungsweise des
Skatols dessen angegebene Constitution sehr wahrscheinlich macht, so wird dieselbe
noch sehr wesentlich gestützt durch das Verhalten gegen Wasserstoff im
Entstehungszustande, in welchem Falle das Skatol in eine stark basische
Dihydroverbindung C9H11N übergeht. Ferner gibt das Skatol die Fichtenspan-Reaction des Indols
und seiner meisten Abkömmlinge und endlich vermag das Skatol, wenn man es in kalter
Eisessiglösung mit Natriumnitrit zusammenbringt, ein Nitrosamin zu bilden, das aus
der Eisessiglösung durch Wasser als gelbes Oel gefällt wird und die Liebermann'sche Nitrosamin-Reaction zeigt. Durch
Behandeln mit Zinkstaub und verdünnten Säuren in alkoholischer Lösung wird diesen
Nitrosamin in Skatol zurückverwandelt.
Das Verhalten der Ketonsäuren gegen die Hydrazinbasen
ist verschieden nach der Stellung des Carbonyls zum Carboxyl. Während die α-Ketonsäuren, z.B. Brenztraubensäure und
Phenylglyoxylsäure, auch bei Gegenwart von überschüssigen Mineralsäuren sich leicht
mit dem Phenylhydrazin verbinden, verhalten sich die anderen Ketonsäuren, z.B.
Acetessigsäure, Lävulinsäure, ähnlich den fetten Ketonen. Ihre Vereinigung mit dem
Hydrazin wird durch Mineralsäuren verhindert, erfolgt aber leicht in essigsaurer
Lösung. Besonderes Interesse beansprucht die Phenylhydrazinlävulinsäure bezieh. deren Anhydrid, da letzterer Körper, sowie seine näheren Abkömmlinge als
Antipyretica und Antiseptica Verwendung finden sollen. Das folgende
Darstellungsverfahren dieser Körper ist den Farbwerken
vormals Meister, Lucius und Brüning in Höchst a. M. (D. R. P. Kl. 22 Nr.
37727 vom 2. Februar 1886) geschützt.
Zur Gewinnung der Hydrazinderivate der Lävulinsäure bringt man die
Basen mit der Lävulinsäure unmittelbar oder in alkoholischer oder noch besser in
wässeriger Lösung im Verhältnisse der Molekulargewichte zusammen. Phenylhydrazin
wird in verdünnter Essigsäure gelöst und mit der äquivalenten Menge in Wasser
gelöster Lävulinsäure versetzt. Dabei scheidet sich das Reactionsproduct fast
augenblicklich als schwach gelbes Oel ab, welches nach kurzer Zeit zu einer
krystallinischen Masse erstarrt. Der Vorgang entspricht der Gleichung:
\mbox{C}_6\mbox{H}_5.\mbox{N}_2\mbox{H}_3\,+\,\mbox{CH}_3.\mbox{CO}.\mbox{CH}_2.\mbox{CH}_2.\mbox{CO}_2\mbox{H}=\mbox{C}_6\mbox{H}_5.\mbox{N}_2\mbox{H}\,:\,\mbox{C}\left<
{{\mbox{CH}_3}\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \
\atop{\mbox{CH}_2.\mbox{CH}_2.\mbox{CO}_2\mbox{H}}}. Die
Phenylhydrazinlävulinsäure krystallisirt prachtvoll aus Alkohol und kann in reinem
Zustande aufbewahrt werden.
In derselben Weise kann die Lävulinsäure leicht mit den Homologen
und Substitutionsproducten des Phenylhydrazins, ferner mit den Naphtylhydrazinen,
den
Hydrazincarbonsäuren (wie z.B. Hydrazinbenzoesäure, Hydrazinzimmtsaure), den
Hydrazinsulfosäuren und ähnlichen Verbindungen, ferner auch mit den secundären
Hydrazinen, z.B. dem Methylphenylhydrazin, combinirt werden.
Die Ester der Lävulinsäure verhalten sich gegen die genannten
Hydrazine völlig gleich; so gibt z.B. Phenylhydrazin mit Lävulinsäureäthylester ein
Codensationsproduct.
Erhitzt man die Phenylhydrazinlävulinsäure auf 160 bis 170°, so
verliert sie Wasser und verwandelt sich in das Anhydrid C11H14N2O2 = C11H12N2O +
H2O. Das letztere schmilzt bei 108°, destillirt
fast unzersetzt bei 340 bis 350° unter gewöhnlichem Drucke und krystallisirt sehr
schön aus Alkohol und heiſsem Wasser. Durch Kochen mit Alkali wird es in die
Hydrazinlävulinsäure zurückverwandelt. Durch Kochen mit concentrirter Salzsäure geht
es zum gröſsten Theile in Phenylhydrazin über.
Es ist kaum zweifelhaft, daſs die Anhydridbildung bei der Phenylhydrazinsäure
zwischen Carboxyl und Hydrazingruppe stattfindet und unter Zugrundelegung der
angegebenen Formel der Phenylhydrazinlävulinsäure wäre demnach ihrem Anhydrid die
Constitution zuzuertheilen:
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Die Verbindung enthält also einen ähnlichen, aber um ein
C-Atom reicheren Ring wie die Pyrazole und steht
offenbar in naher Beziehung zu der von Paal (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1884
Bd. 17 S. 914) aus Phenylhydrazin und Acetophenonaceton
dargestellten Verbindung, deren Constitution wahrscheinlich durch das Formelbild
ausgedrückt werden kann:
Textabbildung Bd. 263, S. 205 Aus den zuvor erwähnten anderen Verbindungen der Lävulinsäure mit den
primären Hydrazinen lassen sich in gleicher Weise ähnliche Anhydride darstellen.
Wird die Phenylhydrazinsäure mit Chlorzink im Oelbade auf 125° erhitzt, so geht
dieselbe in Methylindolessigsäure
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über, welch letztere Säure beim Erhitzen über ihren
Schmelzpunkt glatt in Kohlensäure und Pr2,3-Dimethylindol zerfällt. Diese Umwandlung entscheidet über die
Constitution der Methylindolessigsäure.
E. Fischer beschreibt dann noch die in Gemeinschaft mit
seinen Schülern studirten Indole aus Methylphenylhydrazin,
Metahydrazinbenzoesäure und β-Naphtylhydrazin,
bezüglich deren auf die Quelle verwiesen wird.
K.