Titel: | Ueber die Sorten des Kautschuks und deren Werthbeurtheilung; von Prof. Dr. Franz v. Höhnel. |
Autor: | Franz v. Höhnel |
Fundstelle: | Band 263, Jahrgang 1887, S. 237 |
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Ueber die Sorten des Kautschuks und deren
Werthbeurtheilung; von Prof. Dr. Franz v. Höhnel.
F. v. Höhnel, über Kautschuk.
Die Angaben der vorhandenen technologischen und waarenkundlichen Werke sind, wenn man
von einzelnen Artikeln absieht, bei welchen die Verhältnisse einfacher liegen, über
jene Eigenschaften, welche die Erkennung und Unterscheidung, ferner die
Werthbestimmung der Sorten, wie sie vom Groſshandel der Industrie geliefert werden,
ermöglichen, noch immer sehr mangelhaft und ungenügend. Wer z.B. auch Alles, was in
sämmtlichen deutschen technologischen Büchern und Waarenkunden über die Sorten des
Kautschuks und der Guttapercha steht, gelesen hat, wird nicht nur keine einzige
Sorte kennen, sondern auch gar keine Vorstellung von ihrer auſserordentlichen
Verschiedenheit besitzen, noch weniger in der Lage sein, ein Urtheil über den
relativen Werth einer bestimmten Sorte fällen zu können, wobei natürlich von einer
etwaigen Analyse abgesehen wird. Es ist nun freilich sicher, daſs die
Werthbeurtheilung und die Kenntniſs der Sorten schlieſslich die Aufgabe der Praxis
sein muſs, meiner Ansicht nach jedoch nur insoweit, als sie theoretisch nicht
gelehrt werden kann. Wenn die Unterschiede zwischen Handelssorten so geringe und
schwer feststellbare sind, daſs ihre Kenntniſs nur auf dem Wege längerer praktischer
Erfahrung und Uebung gelernt werden kann, so bleibt zu ihrer Aneignung nur die
Praxis übrig. Es ist aber Thatsache, daſs unsere theoretischen Kenntnisse, so weit
sie nämlich ihren Ausdruck in der technischen Literatur finden, weit hinter jenem
Maſse zurück zu bleiben scheinen, welches beim Studium der Technologie zu erreichen
möglich ist. Da aber gerade die Kenntniſs der Eigenschaften der Sorten mancherlei Verschiedenheiten bei technologischen
Prozessen verständlich machen, so wäre ihre theoretische Erweiterung nicht nur vom
Standpunkte der Werthbeurtheilung, sondern auch dem der eigentlichen Technologie von
Wichtigkeit.
Ich bin zu diesen Bemerkungen veranlaſst, weil kaum ein Rohstoff in der angegebenen
Beziehung mehr vernachlässigt wurde als der Kautschuk.
Die groſse Verschiedenheit der Kautschuksorten ist nicht nur eine äuſserliche, indem
die Formen auſserordentlich wechseln und ebenso die Gröſse der Stücke sehr schwankt,
sondern beruht auch auf wesentlichen inneren Eigenschaften. Die inneren
Verschiedenheiten rühren erstens von den verschiedenen Bereitungsweisen des
Kautschuks her. Nachdem aber auch der Kautschuk von sehr verschiedenen Pflanzen
stammt (man zählt über 50 Kautschuk liefernde Pflanzen aus mehreren Familien auf)
und die Milchsäfte dieser Pflanzen sehr verschieden zusammengesetzt sind, so ist es
klar, daſs auch aus diesem Grunde das gewonnene Product innere Verschiedenheiten
aufweisen muſs. So fand ich in einer afrikanischen, als Nuvetas bezeichneten Sorte zahllose kleine Sphärokrystalle einer mir nicht
näher bekannten Substanz, welche offenbar im Milchsafte der betreffenden Pflanze
enthalten war.
Was die Bereitungweisen des Kautschuks aus dem Milchsafte anbelangt, so lassen sich
dieselben nach den wesentlichen Verschiedenheiten
folgendermaſsen eintheilen: 1) Der Milchsaft wird auf einer Form durch Aufgieſsen in
dünnen Schichten aufgetragen und diese Schichten allmählich im heiſsen Rauche
getrocknet; oft werden so über 100 Schichten erzeugt. 2) Der Milchsaft wird aus der
Pflanze unmittelbar in kleine Gruben geleitet, welche im Humus hergestellt werden,
und da eintrocknen gelassen. Die Humusschicht wirkt wie ein Filter; der wässerige
Theil der Milch filtrirt ab (und verdunstet auch zum Theile), während der Kautschuk
zurückbleibt. Dieses Verfahren ist ein sehr rohes und kann auch nur in der trockenen
Jahreszeit angewendet werden. 3) Der Milchsaft wird mit etwas Wasser versetzt und
einige Tage stehen gelassen, um zu gerinnen. Die ausgeschiedene Kautschukmasse wird
an der Sonne oder in Rauchfeuer getrocknet, nachdem sie vorher durch Kneten und Pressen von der
überschüssigen Flüssigkeit befreit wurde. 4) Der Milchsaft wird mit einer Salz- oder
Alaunlösung oder mit einer Säure oder dem Extracte bestimmter Pflanzen versetzt,
wodurch er rasch gerinnt; Das Gerinnsel wird gepreſst und getrocknet. 5) Der
Milchsaft wird mit sehr viel Wasser versetzt (mit der
4- bis 8fachen Menge); es scheidet sich hierauf beim ruhigen Stehen der Kautschuk in
Form eines dicken Rahmes ab, welcher mehrfach gewaschen und getrocknet wird,
letzteres entweder in Rauch, oder sehr langsam an der Luft. 6) Der Milchsaft wird in
flachen Gefäſsen einfach eintrocknen gelassen. 7) Der Milchsaft ist sehr concentrirt
und wird unmittelbar auf den Arm des Sammlers flieſsen gelassen, wo er rasch
trocknet und dann in Form eines Ringes herabgerollt wird. 8) Oder der concentrirte
ausflieſsende Milchsaft tritt auf die Rinde, oder fällt auf den Boden, wo er
gesammelt und zu Kugeln oder Spindeln u. dgl. vereinigt oder aufgewickelt wird. In
gleicher Weise werden auch Abfälle, Milchreste u. dgl. behandelt.
Es ist klar, daſs diese verschiedenen Verfahren, welche theilweise für einzelne
Gegenden charakteristisch sind, höchst mannigfaltige und von einander sehr
abweichende Sorten von Kautschuk liefern müssen. Es gibt in der That im Handel
einige hundert verschiedene Arten von Kautschuk.
Das beste Verfahren der Gewinnung ist das unter 1 angegebene. Hiernach wird die
werthvollste Kautschuksorte des Handels, der „Para“ erzeugt. Aber auch in
Columbien wird diese Gewinnungsart manchmal angewendet. Der Para-Kautschuk besteht
aus lauter meist unter 0mm,5 dicken Schichten,
welche weiſs bis dunkelgrau sind und durch scharfe schwarze Linien, die vom Räuchern
herrühren, getrennt erscheinen. Je feiner und gleichmäſsiger diese Schichten sind,
was man an Querschnitten leicht beurtheilen kann, desto werthvoller ist das Muster.
Eingeschlossene Luftblasen (Hohlräume) sind Zeichen minderer Güte. Sobald aber
einzelne 1 bis 2cm dicke, aus weiſsem,
blasenreichem Gummi bestehende Schichten vorkommen, welche aus coagulirten dick
aufgetragenen Massen bestehen, hat man es mit sogen. Secunda-Para zu thun.
Das zweite Verfahren wird in Columbien, Centralamerika, stellenweise neben anderen
Verfahren auch in Afrika und Südasien angewendet; man gewinnt ein wasserreiches,
stark verunreinigtes, minderwerthiges Product.
Die Verfahren 3 und 4, welche auf der Coagulation des Milchsaftes beruhen, liefern
ebenfalls eine sehr wasserreiche schlechte Waare, welche im Inneren häufig noch
milchige Flüssigkeit einschlieſst. Namentlich sind jene Sorten schlecht, welche
durch Coagulation mit fremden Zusätzen, z.B. Salzen, erzeugt wurden. Coagulation
wird häufig im nördlichen Südamerika, in Theilen Centralamerikas, in Westafrika,
ferner in Indien und auf den Sundainseln angewendet. Diese Sorten werden meist rasch
getrocknet und besitzen daher eine schwarze, stark nach Rauch riechende, oft sogar
verbrannte Oberfläche. Erfolgt das Trocknen zu rasch im Rauche oder an der Sonne, so
werden sie oft an der Oberfläche weich und schmierig. Solche klebrig-schmierige
Sorten werden „harzig“ genannt; sie kommen besonders oft unter indischen,
westafrikanischen und centralamerikanischen Mustern vor. Doch darf dabei nicht
vergessen werden, daſs südasiatische Waare manchmal auch künstlich durch Vermischen
mit pflanzlichen Extracten oder mit Harzen verfälscht wird. – Sogen.
„harzige“ Kautschuke gehören zu den geringwerthigsten Sorten.
Frische Proben von durch Coagulation erhaltenen Sorten, also z.B. afrikanische
„Zungen“ oder Borneo-„Lappen,“ zeigen im Querschnitte eine
homogene, einige Millimeter dicke, graue, wasserarme Rinde und einen groſsen,
weiſsen bis violetten, gelbrothen oder fleischfarbenen Kern, welcher ganz weich und
opak ist und beim Durchschneiden meist noch etwas Wasser oder Milchsaft austreten
läſst. Der Kern ist schwammig porös. Im Allgemeinen sind durch Gerinnen erhaltene
Sorten arm an Holz- oder Rindenstückchen, welche am häufigsten bei jenen Sorten
vorkommen, welche nach dem 7. oder 8. Verfahren gewonnen wurden.
Das unter 5 angeführte Verfahren, bei welchem der Kautschuk in Form eines Rahmes
abgeschieden wird, liefert eine gute Waare. Hierher gehören gewisse
centralamerikanische Sorten.
Durch einfaches Eintrocknenlassen des Milchsaftes in flachen Gefäſsen (Verfahren 6)
erhält man ein ganz ähnliches, auch geschätztes Product. Hierher gehören Sorten aus
Gabun und Indien, ferner der Nuvetas und der Käsegummi, welche beide afrikanischen
Ursprunges sind.
Je nachdem die Trocknung an der Sonne oder im Rauche vorgekommen wird, bleiben diese
Sorten weiſs bis rothbraun oder schwärzlich. Der Käsegummi z.B. hat fast die Farbe
des Schweizerkäses, besitzt wie dieser nur wenige gröſsere Hohlräume, zeigt keine
Rinde Und ist augenscheinlich der in Pfannen eingetrocknete Milchsaft. Die
Gabunsorten sind dunkler. Erstarrt der Milchsaft am Stamme oder auf Blättern, welche
rings um den vorher gereinigten Stamm gelegt werden, wie dies in Ceara nach Trimen's Bericht geschieht, so erhält man ein Product
von sehr verschiedener Form, welches nie eine homogene Masse bildet, sondern stets
aus Kautschukfäden, Körnern und Stückchen aufgebaut ist und häufig auch Holz- oder
Rindenreste u. dgl. als Verunreinigungen führt. Hierher gehören jene Sorten, welche
als „Thimbles, Ringe, Spindeln, (kleine, mittlere, groſse, weiſse, rothe,
schwarze) Negerköpfe oder Niggers, Scraps“ u.s.w. im Handel vorkommen; sie
bestehen aus einem sehr trockenen und harten, aber oft sehr stark verunreinigten
Kautschuk, welcher meist gelbroth bis braun, seltener ganz dunkel ist, da hier das
Räuchern nicht nöthig ist.
Solche Sorten werden (wenigstens aus Abfällen, dann Scraps genannt) überall erzeugt,
in Asien, Afrika und Amerika. Am häufigsten kommen sie jedoch aus Afrika. Es scheint, daſs der
Milchsaft der Landolphia- und Vahea-Arten, zweier Apocyneen, welche in Afrika
vorzugsweise zur Kautschukgewinnung herangezogen werden, dicklicher ist, so daſs er
schon am Stamme bald eintrocknet. Es wird in der That gerade von den
Landolphia-Arten, welche sowohl in Ost- wie in Westafrika die Hauptkautschukpflanzen
darstellen, geschildert, daſs der Saft derselben schon auf dem Arme des Sammlers
erstarrt und dann in Form einer Kugel (sogen. Negerkopfes) oder eines Ringes
herabgenommen wird.Vgl. Bernardin: L'Afrique centrale. Étüde sur ses
Produits commerciaux, (Gent 1877) S. 22 bezieh. Th. Christy: New commerciel plants. (London
1878) Nr. 1 S. 8. Der noch sehr dehnbare weiche Kautschuk wird
auch häufig, z.B. in Mozambique, Madagascar, zu Kugeln bis 20cm Durchmesser aufgewickelt, welche aufs Schönste
den entsprechenden Bau zeigen. Die sogen. Mozambique-Spindeln werden durch
Aufwickeln von Rohkautschukfäden auf etwa 10cm
langen Lianen Stückchen erhalten; sie sind etwa fingerdick und lang. Die so
erhaltenen Sorten haben die Vorzüge der Härte. Wasserarmuth und lichten Färbung; sie
werden je nach ihrer Reinheit sehr verschieden hoch geschätzt.
Die oben aufgeführten acht Gewinnungsarten lassen, wie leicht erkennbar ist, eine
Eintheilung in 4 Gruppen zu und nach dem Gesagten ist es leicht, bei jeder Sorte mit
fast voller Sicherheit zu entscheiden, nach welcher der vier Hauptmethoden die untersuchte Probe gewonnen wurde, was für die
Werthbeurtheilung und Kenntniſs derselben zunächst wichtig ist. Behufs näherer
Bestimmung des Werthes ist in erster Linie auf den Wassergehalt und auf die gröberen
Verunreinigungen mit Holz- und Rindentheilen zu achten. Ein groſser Wassergehalt
gibt sich schon durch besondere Weichheit zu erkennen. Man findet Sorten, welche
über 50 Proc. Wasser führen, das dann auch leicht an frischen Schnitten theilweise
herausgepreſst werden kann. Wasserreiche Sorten sind meist durch Coagulation
dargestellt und gewöhnlich arm an Rindenstückchen u. dgl. Es gibt Sorten von
afrikanischen und Sunda- „Scraps,“ welche über 30 Proc. Rinden- und
Holztheile enthalten.
Daraus kann man leicht beurtheilen, wie verschieden der Werth der im Handel
vorkommenden Kautschuksorten ist.