Titel: Plan, Ausführung und Veranschlagung der Blitzableiter; von Dr. Ritgen, Landbauinspektor in Wiesbaden.
Autor: Ritgen
Fundstelle: Band 265, Jahrgang 1887, S. 145
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Plan, Ausführung und Veranschlagung der Blitzableiter; von Dr. Ritgen, Landbauinspektor in Wiesbaden. Mit Abbildungen. Ritgen's Plan, Ausführung und Veranschlagung der Blitzableiter. Einleitung. Bei der Ausführung von Blitzableiteranlagen ergeben sich für den leitenden Architekten aus der Verschiedenheit der Meinungen über diesen wichtigen Gegenstand oft nicht geringe Schwierigkeiten. Die Literatur über Blitzableiter, vor mehr als hundert Jahren ihren Anfang nehmend, ist in zahlreichen Abhandlungen und Zeitschriften zertheilt und nicht immer leicht zugänglich; in sehr vielen Fällen gebricht es auch an Zeit zu eingehender Vertiefung in diesen Gegenstand. Andererseits sind die von den Verfertigern eingereichten Entwürfe in vielen Fällen nach einem gewissen Herkommen ohne theoretische Begründung abgefaſst. Zur Beurtheilung und nöthigenfalls zur Richtigstellung solcher Vorschläge, welcher sich der Bauleitende nicht entziehen kann, ist es nothwendig, die wichtigsten theoretischen Gesichtspunkte, die hierbei in Betracht kommen, selbst zu kennen. Die Beurtheilung muſs sich erstrecken: 1) Auf die Zahl und Gröſse der Fangstangen sowie deren Vertheilung auf dem Gebäude, auf die Anordnung der Haupt- und Nebenleitungen und der Versenkungen. 2) Auf die Ausbildung, Form und Stärke der einzelnen Theile, auf deren Befestigung sowie auf die anzuwendenden Metalle u.s.w. Der erste Punkt ist der bei weitem wichtigere für den Baumeister, weil man wohl hinsichtlich der Ausführung der Einzelheiten in vielen Fällen dem Rathe erfahrener Handwerker wird folgen können, hinsichtlich der Gesammtanordnung aber nicht in der Lage sein wird, Vorschlägen, die ohne Rücksicht auf örtliche Verhältnisse lediglich nach hergebrachten Regeln gemacht werden, die Genehmigung zu ertheilen. Wenn schon von keinem Gelehrten behauptet worden ist, daſs man nach dem heutigen Stande der Wissenschaft in allen Theilen gültige, feststehende und unumstöſsliche Normen für die besten Anlagen der Blitzableiter aufzustellen vermag, so ist es doch nöthig, den derzeitigen Ergebnissen der Erfahrung und der wissenschaftlichen Schluſsfolgerungen gegenüber Stellung zu nehmen.Es möge in dieser Hinsicht auf das vor kurzem erschienene Schriftchen „Die Blitzgefahr“, welches im Auftrage des Elektrotechnischen Vereins, im Verlage von J. Springer in Berlin herausgegeben worden ist, verwiesen werden. In jedem Falle wird man dabei von einer Betrachtung der bei Gewittern auftretenden Elektricitätserscheinungen auszugehen haben. Wenn eine mit freier Elektricität beladene (Gewitter-) Wolke über einem Gebäude schwebt, so hat dies die Wirkung, daſs in allen Theilen desselben, sowie des Bodens, auf dem das Gebäude steht, eine Scheidung der bis dahin im Gleichgewichte befindlich gewesenen (ruhenden) negativen und positiven Elektricitäten hervorgerufen wird. Die positive Elektricität strömt nach oben, wenn die Wolke negativ elektrisch ist und umgekehrt. Man nennt diese Wirkung bekanntlich Induction, die hervorgerufenen Ströme Inductionsströme. Die Hauptbaubestandtheile, Steine, Ziegel, Mörtel und Holz, können von dieser Wirkung nur in geringem Grade berührt werden, weil sie sehr schlechte Leiter der Elektricität sind, d.h. der Entstehung und Fortleitung elektrischer Ströme durch ihre stoffliche Beschaffenheit groſsen Widerstand entgegensetzen. Eine ungleich wesentlichere Rolle spielen die Metallmassen, in denen sehr starke Inductionsströme hervorgerufen werden können. Wesentlich in Betracht kommen ferner wegen ihrer groſsen Ausdehnung die unter dem Gebäude befindlichen tieferen, mit Wasser getränkten Bodenschichten, obschon dieselben bei gleichem Querschnitte eine auſserordentlich viel geringere Leitungsfähigkeit, als Metallmassen besitzen, auch die vom Regen benetzten Oberflächen an Schiefer-, Ziegel- und Strohdächern; dagegen leiten trockene Erde und Mauersteine den elektrischen Ström in so geringem Maſse, daſs man sie geradezu als „Nichtleiter“ zu bezeichnen pflegt. Erreicht die Spannung der in der Wolke angehäuften bezieh. der in dem Gebäude und dem Boden befindlichen Elektricität einen so hohen Grad, daſs die zwischen beiden Theilen befindliche schlechtleitende Luft nicht mehr den nöthigen Widerstand zu bieten vermag, so erfolgt der Blitz, welcher die beiderseitigen Spannungen ausgleicht. Zur Vermeidung der schädlichen Wirkungen des Blitzes auf das Gebäude nebst seinem Untergründe und auf die Insassen des Gebäudes legt man Blitzableiter an. So verschiedene Ansichten auch in der Literatur über Blitzableiter bezüglich mancher anderen Punkte vertreten sind, darin stimmen alle Schriften überein, daſs der Blitz denjenigen Weg wählt, der den geringsten Leitungswiderstand bietet. Ausnahmen von dieser Regel kommen nur sehr selten und unter eigenthümlichen Verhältnissen vor. Das Ziel aller Blitze, die nicht etwa von Wolke zu Wolke sich entladen, ist der Weltkörper Erde, auf dessen Umring (Erdrinde) die Ausgleichung stattfindet. Daſs die elektrischen Einwirkungen sich mit gröſster Geschwindigkeit über die Erde verbreiten, wird durch die Verwendung der Erdelektricität in der Telegraphie bewiesen. Man nimmt allgemein an, daſs es hauptsächlich die durchfeuchteten (unter Grundwasser liegenden) Bodenschichten sind, welche diese Ausgleichung vermitteln. Obschon auch, wie bereits bemerkt, ein beschränktes Stück durchnäſsten Erdreiches die Elektricität millionenmal weniger leicht leitet, als eine gleich groſse Metallmasse, so wird dies doch durch die groſse Ausdehnung der Erdschichten aufgewogen, da die Leitungswiderstände im Verhältnisse der Vergröſserung des Querschnittes einer Leitung abnehmen. Daher sind auch die Inductionswirkungen, welche die blitzschwangere Wolke in dem feuchten Erdinneren (wie wir jene Schichten von jetzt ab bezeichnen wollen) hervorruft, sehr bedeutend und oft in ihrer Mächtigkeit überwiegend gegenüber denjenigen der durch eine Blitzableitung zu schützenden Gebäudetheile.Wir betrachten in der Folge zunächst wesentlich solche Fälle, in welchen nicht die unmittelbare Nähe von Flüssen, Seen, erzreichen Bergen oder ungewöhnlich groſsen Metallmassen in Betracht kommt. Gelingt es daher, die Fangstange in eine möglichst gerade, gut leitende, d.h. ununterbrochen leitende und gut überleitende Verbindung mit dem feuchten Erdinneren zu bringen, so wird es nicht leicht möglich sein, daſs der Blitz von diesem ihm künstlich vorgeschriebenen Wege abweicht. Es ist einleuchtend, daſs der Blitz nicht allein von der Auffangstange angezogen werden muſs, sondern daſs eine solche Anziehung in jedem Punkte der Leitung auftreten muſs, und zwar in stärkerem Maſse, als an allen denjenigen Theilen, welche geschützt werden sollen. Bekanntlich vermeidet es der Blitz, wenn sich ein anderer gut leitender Weg bietet, in Sackgassen (nicht mit der Erde in Verbindung stehende Leitungen) zu fahren, er bestimmt gewissermaſsen den Lauf vorher und wählt den Weg, welcher die geringste Summe der Widerstände bis zur Erde bietet. Eine Anschauung über diese Erscheinung gewinnt man, wenn man im Auge hält, daſs die Entladung der Blitzelektricität an jeder einzelnen Stelle ihres Weges sich dahin wendet, von wo die stärkste Gegenentladung erfolgt, d.h. dahin, wo die stärkste Inductionswirkung kurz vorher stattfand. Ein einzelnes Metallstück von geringer Ausdehnung, wie z.B. ein von Stein, Holz oder von Luft umgebenes Balkenanker wird keine groſse Gefahr für das Abspringen eines Blitzes bieten, weil durch Induction nur geringe elektrische Spannung in demselben hervorgerufen werden konnte, was auch erklärlich ist, wenn man bedenkt, daſs beim Mangel der Möglichkeit des Abströmens der gleichartigen Elektricität die elektrische Vertheilung in einem Metallkörper sehr vermindert wird. Anders verhalten sich gröſsere, weit verzweigte oder mit einer guten Ableitung versehene Metallmassen. Je ausgedehnter sie sind, und je mehr sie die Möglichkeit bieten, daſs die gleichartige elektrische Flüssigkeit abströmt, desto höhere Spannung wird die ungleichartige Elektricität erreichen, welche sich an dem der Gewitterwolke bezieh. dem Orte des Blitzes am meisten zugekehrten Stelle ansammelt. Ein Abspringen de Blitzes wird um so eher zu befürchten sein, je näher derartige etwa im Gebäude vorhandene leitende Massen an die Blitzableitung herantreten und je mehr Widerstände in der letzteren selbst bezieh. in der Bodenleitung dem Strome noch zu überwinden bleiben. Die Metallmassen, welche bei Gebäuden besonders in Betracht kommen, sind: guſseiserne Rauchrohre (z.B. in Ventilationsschloten), Wasserleitungsröhren und Gasleitungsröhren. Sollen solche Metallmassen von der Blitzableitung umgangen werden, was ja in einzelnen Fällen zulässig erscheint, so ist doppelter Grund für Anordnung einer guten, ausgedehnten, weit verzweigten Bodenleitung des Blitzableiters vorhanden. Besser ist es indessen, man bringt solche Metallmassen mit dem Blitzableiter in gut leitende Metallverbindung. In diesem Falle werden dieselben die Wirkung des Blitzableiters vermehren, ohne selbst gefährdet zu sein; auf solche Nebenleitungen wird noch besonders zurückzukommen sein. Wir werden daher in den folgenden 4 Abschnitten als Theile der Blitzableiter betrachten:   I. Die Fangstangen.  II. Die Leitungen. III. Die Bodenleitungen oder Versenkungen. IV. Die Nebenleitungen. Jeder Abschnitt handelt zunächst von der allgemeinen Anordnung, alsdann von der Ausbildung und Befestigung der einzelnen Theile. I. Die Fangstangen. Wie weit der Schutz einer gut angeordneten Fangstange reicht, läſst sich nur in jedem einzelnen Falle abschätzen. Die Form und das Material der zu schützenden Gebäude, sowie die mehr oder minder groſse Anziehungskraft des Baugrundes, mit allem, was sich in und auf demselben befindet, wirken dabei mit. Auch ist die Höhenlage des ganzen Ortes in Betracht zu ziehen, denn, wenn z.B. auf Bergen und bei Thürmen blitzschwangere Gewitterwolken in gleicher Höhe oder gar tiefer ziehen, als die Fangspitze, so ist die Sicherung, welche der Blitzableiter nach den Seiten hin gewährt, nur eine sehr geringe, sofern es sich nicht um diejenige Seite handelt, auf welcher die Ableitung herabgeführt ist. Schutzdreieck, Schutzkegel. Wenn die Spitze einer Fangstange S (Fig. 1) in ihrer Anziehung auf die etwa bei a angehäufte Elektricität einer Gewitterwolke, die in ähnlichem Sinne von einem unmittelbar daneben liegenden Punkte S1 eines Gebäudes ausgeübte Anziehung um ein Erhebliches überwiegt, d.h. wenn diese Spitze den Punkt S (welcher ihr so nahe liegt, daſs die Entfernung SS1 vernachlässigt werden kann) gegen Blitzgefahr schützt, so ist dieser Schutz auch für jeden Punkt desselben Gebäudes mindestens in gleichem Maſse vorhanden, wenn derselbe innerhalb des Schutzwinkels BSC liegt. Für einen an der Grenze des Schutzwinkels gelegenen Punkt B des Gebäudes würde die Blitzgefahr nämlich am gröſsten sein, wenn die Wolke, oder genauer ihr elektrischer Schwerpunkt, lothrecht darüber bei b sich befindet. Nachdem aber die drohende Wolke den Weg von a nach b zurückgelegt hat, ist zwar die Entfernung derselben von der Spitze S gewachsen und die Anziehung, welche die Fangspitze ausübt, ist hierdurch vermindert worden, das Schutzverhältniſs ist aber dasselbe geblieben, wenn nur Punkt B so liegt, daſs Bb = bS, denn in diesem Falle ist die Entfernung des nunmehr bedrohten Punktes B von der bei b befindlichen Wolke ebenso groſs, wie deren nunmehrige Entfernung von der Fangspitze. Als vollkommen geschützt müssen aber unter den oben erwähnten Voraussetzungen und bei der gegebenen Höhenlage der Wolke alle diejenigen Gebäudetheile gelten, deren Lage die Möglichkeit ausschlieſst, daſs sich die Wolke demselben mehr nähere, als der Fangspitze. Es versteht sich hierbei von selbst, daſs bei dieser Betrachtung von der Ungleichartigkeit der Oberfläche des Gebäudes, sowie von der besonderen Anziehung, welche einzelne Gebäudetheile vermöge der etwa daran oder darin befindlichen Metallmassen ausüben, abgesehen wird. Fig. 1., Bd. 265, S. 149Fig. 2., Bd. 265, S. 149Winkel BSC = α wird, wie schon bemerkt, Schutzwinkel genannt. Denkt man sich die Gerade SB bezieh. SC um die Gerade aS als Drehachse rotirend, so beschreibt dieselbe die Mantelfläche des geschützten Raumes, des sogen. Schutzkegels. (Vgl. Preece 1881 241 111.) Bei Anlage der Blitzableitung eines groſsen Gebäudes wird es nöthig sein, die Fangstangen so hoch zu machen und dieselben in solchen Entfernungen unter einander zur Aufstellung zu bringen, daſs jeder Theil wenigstens innerhalb eines Schutzkegels liegt. Wäre es in jedem einzelnen Falle bekannt, wie tief der elektrische Schwerpunkt einer Gewitterwolke sich herabsenken kann, so würde man, bei im Voraus festgesetzter Entfernung der Stangen unter einander, deren erforderliche Höhe aus der Gleichung bB = bS durch Zeichnung unschwer ermitteln können. Ebenso würde es leicht sein, für Fangstangen von bestimmter Länge deren jedesmalige Schutzweite bei wechselnder Höhenlage der Wolke zu berechnen und tabellarisch zusammenzustellen. Doch ist es leider Dach dem heutigen Stande der Beobachtungen nicht möglich, über die jedesmalige genaue Gröſse der Höhe Bb ein bestimmtes Urtheil zu gewinnen. Wenn schon die vorstehende Betrachtung an sich und bei dem heutigen Stande der Beobachtungen nicht genügt, um auf theoretischem Wege die wirkliche Gröſse des Schutzwinkels zu ermitteln, so wird sie doch zur Erkenntniſs nützlicher Regeln führen. Wird nämlich die Höhe, in welcher die Gewitterwolke über einem bedrohten Gebäude hinzieht, vermindert, so wird, wie ein Blick auf Fig. 2 zeigt, der Schutzwinkel kleiner. Beispielsweise erscheint das in Fig. 1 als gesichert anzunehmende Gebäude nach dem Herabsteigen der Wolke von b nach b1 keineswegs mehr in allen seinen Theilen geschützt. Es läſst sich übrigens leicht übersehen, daſs der Winkel β den Schutzwinkel α zu 2 Rechten ergänzt (vgl. Fig. 1): \beta+2\,\gamma = 2\,R \frac{\alpha}{2} = \gamma –––––––––––––– \beta+\alpha = 2\,R Der Werth von β ergibt sich aus der Gleichung Tg\,\beta=\frac{\frac{W}{2}}{H} wenn W der Abstand zweier benachbarten Fangstangen und H die Höhe der Wolke über der Fangspitze bedeutet. Sinkt die Wolke bis auf b2 herab, so wird β2 = R und der Schutzwinkel würde nur noch gleich einem Rechten sein. Beim Gebrauche verwendbar sind folgende Regeln: 1) Bei solchen Fangstangen, welche sich auf Thurmspitzen, auf hochgelegenen mehrstöckigen und mit hohen Dächern versehenen Gebäuden befinden, ist der Schutzwinkel sehr viel kleiner anzunehmen, als dessen Mittelwerth. 2) Bei einstöckigen Gebäuden mit flachen Dächern, bei solchen Gebäuden die in Niederungen liegen, oder die nach der Wetterseite durch hohe Berge oder selbst durch höhere Gebäude geschützt sind, kann der Schutzwinkel gröſser angenommen werden, als dessen Mittelwerth. 3) Werden auf dem Dache eines lang gestreckten Gebäudes mehrere Fangstangen angebracht, so muſs bei den am Ende einer solchen Reihe befindlichen Stangen hinsichtlich des Schutzes, welchen die Giebel bezieh. Walmseiten des Gebäudes erhalten sollen, der Schutzwinkel erheblich kleiner angenommen werden, als bei den anderen Fangstangen. Die Richtigkeit dieser letzten Regel läſst sich aus einer Vergleichung von Fig. 1 und 3 erkennen; während es in Fig. 1 genügte, die Lage b der Wolke zur Bestimmung des Schutzwinkels in Betracht zu nehmen, weil nämlich beim Weiterziehen, etwa nach b1, die Wolke der zweiten Fangstange P immer näher rückte, ein Umstand, der bewirkte, daſs Punkt B nunmehr sich im Schütze der Spitze P befand, so ist in Fig. 3 für den links der Fangstange P gelegenen Gebäudetheil die Lage z der Wolke zur Bestimmung des Schutzwinkels maſsgebend und es ergibt sich, wenn Pz = Zz aufgetragen wird, der Schutzwinkel ZPz erheblich kleiner, als d1Pe1. Hätte also beispielsweise das Gebäude die Ausdehnung g2g1d1e1 u.s.w., so läge der schraffirte Theil auſserhalb des so ermittelten Schutzwinkels. Fig. 3., Bd. 265, S. 151Es empfiehlt sich daher: 4) Bei einem mit Walmdach versehenen längeren Gebäude eine Spitze auf den Anfallspunkt des Walmes anzubringen und 5) Bei einer für sich allein stehenden Fangstange ist nach allen Seiten der erheblich kleinere Werth des Fig. 4. Schutzwinkels (s. unter 3) zu Grunde zu legen. Fig. 4., Bd. 265, S. 1516) Liegt, wie dies in groſsen Städten oft vorkommt, ein Gebäude zwischen zwei anderen Gebäuden von nahezu gleicher Höhe und Tiefe, so gewähren diese Nachbarhäuser durch ihr Vorhandensein einen Schutz, insofern, als z.B. bei Anordnung einer einzigen Fangstange auf dem mittleren Gebäude der ungeschmälerte Mittelwerth des Schutzwinkels zu Grunde gelegt werden darf. Nur während der Zurücklegung der Strecke a bis b (Fig. 4) wird nämlich die Wolke für das Gebäude B gefahrdrohend sein. In jeder Lage vor und hinter dieser Strecke aber würde der niederfahrende Blitzstrahl, wenn er überhaupt Schaden verursacht die Nachbarhäuser A oder C beschädigen. Mittelwerth des Schutzwinkels. Man nehme den Mittelwerth des Schutzwinkels = 120 Grad an. Die Höhe des Schutzdreieckes ist dann = ¼ der Grundlinie. Bei einzeln Fig. 5. stehenden Stangen dagegen werde der Schutzwinkel auf 90° vermindert. Selbstverständlich ist dieser verminderte Werth auch in der Richtung der Querachse lang gestreckter Gebäude zu berücksichtigen, sofern nicht auch in dieser Richtung mehrere Fangstangen aufeinander folgen. Bei sehr hohen oder hoch gelegenen Gebäuden, namentlich bei Kirchthürmen, muſs der Schutzwinkel als spitzer Winkel angenommen werden, unter Berücksichtigung aller besonderen Verhältnisse. Fig. 5., Bd. 265, S. 152Fig. 6., Bd. 265, S. 152In der schon oben erwähnten Schrift „Die Blitzgefahr“ werden „als ungefährer Maſsstab folgende Regeln gegeben, welche als Durchschnittsmaſse dem bisherigen Gebrauche sowie den in verschiedenen Gegenden bestehenden Vorschriften entnommen sind.“ Als einfacher, 1½-, 2-, 3-, 4facher Schutzraum wird der Schutzkegel bezeichnet, je nachdem sich der Radius der kreisförmigen Basisfläche zur Höhe des Kegels verhält wie 1 : 1, 1½ : 1, 2 : 1, 3 : 1, 4 : 1. a) „Alle höchst gelegenen Ecken eines Gebäudes sollen noch im einfachen oder doch mindestens im 1½fachen Schutzraume einer Spitze liegen. Bei merklich tiefer gelegenen Ecken genügt der 2½fache Schutzraum. b) Alle höchst gelegenen Kanten sollen noch im 2fachen Schutzraume einer Spitze liegen. Bei merklich tiefer gelegenen Kanten genügt der 3fache Schutzraum, Alle Punkte der höchst gelegenen Dachflächen sollen noch im 3fachen Schutzraume einer Spitze liegen oder wenigstens im 4fachen, wenn sie gleichzeitig durch eine Luftleitung gedeckt sind.“ Höhe der Fangstangen. Vertheilung derselben. Die übliche Höhe einfacher Fangstangen beträgt 2,5 bis 5m; wo es aber ohne Schwierigkeiten thunlich ist, ordne man die Stangen nicht über 4m hoch an. Stangen von über 5m Höhe müssen besondere Streben erhalten oder wenigstens nach 3 Punkten durch Draht oder Eisenstangen verankert sein.Fangstangen derart von erheblicher Länge sind z.B. beim Orangerie-Gebäude in Brüssel angeordnet und zwar in etwas geneigter Lage. Für die gewöhnlich vorkommenden Formen gröſserer Gebäude u.s.w. wird es hiernach leicht werden, den Plan für die Vertheilung der Stangen zu fertigen, etwa nach nebenstehendem Schema (Fig. 7). Für die Wahl der Höhe der Stangen wird in den meisten Fällen das Antragen des Schutzwinkels von 90° im Querschnitt des Gebäudes (oder im Längenschnitt durch die Walmseite) bestimmend sein und somit die Gleichung H = g = g1. Bei englischem Schieferdach ergeben sich noch mäſsige Längen der Stangen, bei flachen Dächern und groſsen Gebäudetiefen wird aber bisweilen die Anordnung besonders hoher Fangstangen nicht zu vermeiden sein; bei deutschem Schieferdach mit 1/1 Steigung genügen Stangen von geringer Höhe, doch schreibt die Rücksicht auf Vermeidung einer zu groſsen Zahl von Stangen vor, dieselben wenigstens 3m hoch zu machen. Fig. 7., Bd. 265, S. 153Fig. 8., Bd. 265, S. 153Sprechen nicht besondere Gründe für eine Vermehrung oder Verminderung des anzunehmenden Schutzwinkels, so kommt hinsichtlich der Bemessung des Abstandes der Fangstangen unter sich der Mittelwerth von 120° des Schutzwinkels in Betracht und eine Stange folgt auf die andere im Abstand W = 4h, wobei h die Höhe der Fangstange bedeutet. Bei 3m Höhe muſs daher schon alle 12m eine solche Stange angeordnet werden und es empfiehlt sich nur in seltenen Fällen, noch kürzere Stangen zu verwenden. Zum besonderen Schutz der Dachfirst verbindet man die Fangstangen durch eine Firstleitung. Es bleiben noch die Diagonalgrate zu betrachten. Streng genommen muſs H = g2 gesetzt werden, damit die Ecke des Gebäudes nicht den Schutzkegel um ein Stück überrage. Wo diese Bedingung sich nicht leicht erfüllen läſst, gebraucht man deshalb, wenn die Diagonale mit der gewöhnlichen Richtung der anziehenden Wetter zusammenfällt, die Vorsicht, eine der Ableitungen über den betreffenden Diagonalgrat gehen zu lassen und dieselbe an der entsprechenden Gebäudeecke herabzuführen (s. unter Ableitung). Bei Kirchthürmen u.s.w. von groſser Höhe wird die Annahme eines bestimmten Schutzwinkels eigentlich ganz hinfällig gemacht durch den bereits erwähnten Umstand, daſs es nicht ausgeschlossen ist, daſs Gewitterwolken sich tiefer senken, als die Thurmspitze, in welchem Falle die daselbst angebrachte Fangstange keinerlei Schutz gewährt. Hiernach werden Fälle eintreten, in welchen die Anbringung schräger seitlicher Spitzen (namentlich nach der Wetterseite, vgl. Fig. 8) geboten erscheint, auch ist für den Schutz der übrigen Theile der Kirche je nach ihrer Gestaltung durch besondere Fangstangen Sorge zu tragen. Jedenfalls aber müssen die Walme des Hauptschiffes und der etwa vorhandenen Querschiffe je eine Fangstange erhalten; ein Gleiches gilt selbstredend auch für die Spitzen etwa vorhandener Dachreiter. Construction der Fangstangen. Die Fangstange besteht aus der Spitze, dem Schafte und den Befestigungsstücken; bei den einfachsten und billigsten Fangstangen sind Spitze und Schaft zusammen aus einem Stück Rundeisen von 20mm Durchmesser gefertigt, welches oben auf 40mm Höhe zugespitzt und verzinnt ist. Stangen von 4 – 5m Höhe sind 30mm stark zu machen. Nach Theorie und Erfahrung ist eine solche Spitze für den Zweck des Blitzableiters ausreichend.Gutachten der Königlich Preuſsischen Akademie der Wissenschaften. (Vgl. Köhler bezieh. Zwarg 1880 235 * 267. * 268. Kernaul 1880 237 * 384. Uebersicht 1880 241 110. Steudle bezieh. Wolf 1880 241 * 273. May 1887 263 60.) Um jedoch eine Auswechselung der etwa durch Blitzschläge beschädigten Spitzen zu ermöglichen, ist es wünschenswerth, dieselben abschrauben zu können. Vergoldete, kupferne, silberne oder gar Platinspitzen sind für eine gute Blitzableiteranlage nicht erforderlich. Solche Spitzen sind aber kostspielig und aus leicht erklärlichen Gründen bei den Blitzableiter-Fabrikanten nicht unbeliebt. Wenn die Ableitung aus Kupferkabel hergestellt wird, so verwendet man als Fangstangen eiserne Gasrohre und führt die Kabelleitung innerhalb derselben hindurch bis zur Spitze, mit welcher sie verlöthet wird. Befestigung der Fangstangen. Die Frage, wie die Fangstangen am besten am Dachwerk befestigt werden sollen, ist eine rein bautechnische (vgl. Gebr. Mittelstraſs 1873 208 * 269). Bezüglich der Gröſse und Form der Befestigungsstücke sowie etwa anzubringender metallener oder aus einem anderen Stoffe hergestellter Zierrathen, ist der Erfindung des Baumeisters freier Spielraum gewährt. Bekrönungen, Wetterfahnen, Knäufe, Dachanschluſsstücke, welche mit der Stange oder mit der Leitung in leitendem Zusammenhange stehen, Umkleidungen der Fangstangen mit Zinkmänteln unter Freilassung der Spitze sind zulässig und beeinträchtigen die Sicherheit der Blitzableitung keinesweges. Wenn eine Vorsicht zu gebrauchen ist, so ist es die, die Stange mit ihrem unteren Ende nicht allzu weit in das Innere des Dachwerks zu führen. Dies gilt jedoch nur für solche Fälle, in welchen gröſsere Metallmassen sich nicht weit davon im Gebäude befinden.Vgl. Handbuch der Architectur: Abhandlung über Sicherstellung gegen Blitzschlag von Bauinspector C. Spillner in Aachen. Die Fangvorrichtungen durch Nichtleiter vom Dachwerke zu isoliren, scheint neuerdings an einzelnen Orten wieder in Aufnahme zu kommen, läſst sich aber weder durch Theorie noch durch Erfahrung genügend begründen. Fig. 9., Bd. 265, S. 155Fig. 9 zeigt eine einfache Art der Befestigung einer Fangstange am Anfangspunkte eines Walmdaches, bei welcher ein Herabführen der Stange ganz vermieden wird. Drei eiserne Befestigungsstücke aaa sind in ihren oberen Theilen zu einem Dorne d zusammengeschmiedet, welcher genau in das aufgesetzte Gasrohr hineinpaſst. Jeder der 3 unteren Flanschen ist mit je 3 Holzschrauben, welche durch die Schalung gehen und wenigstens noch 13cm tief in die Sparren reichen, befestigt. Eine Verschiebung des Rohres nach oben wird durch die lösbare Schraube S verhindert. Das Kupferkabel bezieh. der Kupferdraht ist oberhalb des Domes d von der Seite in das Gasrohr hineingeführt und reicht bis zu der massiven Kupferspitze, mit welcher es verlöthet ist. Die Spitze, deren Form aus der Zeichnung genau ersichtlich ist, kann nach Lösung der kleinen Schraube S1 herausgenommen werden. Diese Befestigungsart bietet bei 4 bis 5m Länge der Fangstange genügende Sicherheit (wenn nicht etwa am oberen Ende der Stange Verzierungen angebracht sind, welche dem Winde eine gröſsere Angriffsfläche bieten); sie gewährt bei der Ausführung den Vortheil, daſs das Anbringen der ganzen Vorrichtung verschoben werden kann, bis das Dach vollständig eingeschalt und mit Ausnahme der Dachfirst eingedeckt ist. Die unteren Theile der Stange können in Rücksicht auf die äuſsere Erscheinung, wie angedeutet, mit einem Zinkmantel umhüllt werden, der auch noch die Befestigungsstücke bedeckt. Wo ein solcher nicht vorhanden ist, werden dieselben am besten mit Blei abgedeckt. Aehnlich kann die Befestigung einer massiv eisernen Stange, beispielsweise auf einem Satteldache, mittels zweier Befestigungsstücke in der in Fig. 10 angedeuteten Weise erfolgen. Fig. 10., Bd. 265, S. 155Andere Befestigungsarten sind u.a. in der bereits in der Anmerkung erwähnten Abhandlung von E. Spillner und in anderen Schriften vielfach dargestellt. Es verdient noch besonders hervorgehoben zu werden, daſs eiserne Fahnenstangen sehr zweckmäſsiger Weise gleichzeitig als Fangstangen verwendet werden können, wenn sie mit der Ableitung in Verbindung gesetzt werden; auf eine sichere metallische Verbindung beider Theile ist dabei besondere Sorgfalt zu verwenden. (Fortsetzung folgt.)