Titel: Untersuchungen über Stickstoffgehalt und Ammoniakproduction verschiedener Gaskohlen.
Autor: W. Leybold
Fundstelle: Band 265, Jahrgang 1887, S. 218
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Untersuchungen über Stickstoffgehalt und Ammoniakproduction verschiedener Gaskohlen. Leybold's Untersuchungen verschiedener Gaskohlen. In einer gröſseren Arbeit stellt E. SchillingInauguraldissertation. 1887. Oldenbourg, München. die Ammoniakproduction aus verschiedenen Kohlensorten, welche sich in Deutschland hauptsächlich im Gebrauche der Gasanstalten befinden, fest. Bekanntlich war die Verarbeitung der Stickstoff haltigen Nebenproducte der Gasfabrikation, des Ammoniakwassers, eine wichtige Einnahmequelle der Fabriken, doch ist seit einigen Jahren ein rapides Sinken im Werthe der Ammoniaksalze eingetreten, so daſs der Gewinn bei der Verarbeitung unbedeutend wurde. Bunte besprach in einem Artikel: „Die Entwerthung der Ammoniaksalze und die Ursache derselben“ im Journal für Gasbeleuchtung, 1885 S. 774 die Gründe dieses Sinkens, die Concurrenz des nunmehr billigen Chilisalpeters, und zeigte, daſs nur durch die möglichste Ausnutzung des Stickstoffgehaltes der Kohlen einige Besserung der Lage zu erwarten sei. Nachdem nun bisher die Angaben über den Stickstoffgehalt und die Ammoniakproduction verschiedener Kohlen sich nur auf wenige Sorten beschränkten, auſserdem die Zahlen sehr schwankten, erscheint die vorliegende Arbeit von groſser Bedeutung. FosterJournal of Gaslighting, 1882 S. 1081. und KnublauchJournal für Gasbeleuchtung, 1883 S. 440. arbeiteten über englische bezieh. westfälische Kohlen und kamen zu interessanten Resultaten über die Vertheilung des Stickstoffes bei der trockenen Destillation der Kohlen. Foster gibt z.B. an, daſs die 1,73 Proc. Stickstoff der Durham-Kohle zerfallen wie folgt: Als Ammoniak entwickelt 14,50 Proc. Als Cyan entwickelt   1,56 Als Stickstoff in der Koke 48,68 Rest, unbestimmt 35,26 (in Gas und Theer). Aus dieser Tabelle ist zu ersehen, daſs der Stickstoffgehalt der Kohlen durchaus nicht vollständig, sogar nur zu geringem Theile sich als Ammoniak abscheidet, vielmehr zum groſsen Theile in den Kokes, frei im Gase, als Rhodan und Ferrocyan im Ammoniakwasser, ferner in geringer Menge im Theer als Anilin und andere aromatische Stickstoff haltige Basen verbleibt. Verfasser bespricht diese Versuche in eingehender Weise, zeigt auch, wie nach den Versuchen von Ramsay und Young (Journal of Chemical Society, 1884 Bd. 45) schon gebildetes Ammoniak beim Durchstreichen der glühenden Kokes in der Retorte wieder zerfallen kann in freien Stickstoff und Wasserstoff. Die eigenen Stickstoffbestimmungen des Verfassers in Kohlen wurden nach der Kjeldahl'schen MethodeS. Schmitz, Stahl und Eisen, 1886 Bd. 6 S. 47. Kjeldahl, Zeitschrift für analytische Chemie, 1883 Bd. 22 S. 366. Vgl. auch 1886 259 553. ausgeführt, nachdem die Methode der Verbrennung mit Natronkalk unsichere Resultate ergab; es gelang nämlich nicht, einen Stickstoff freien Natronkalk zu erhalten und wurden dadurch bei den geringen Mengen Stickstoff die Zahlen wesentlich verändert. Meist verbrannte auch die Kohle oder Koke nicht vollständig. Die untersuchten Kohlensorten sind folgende, wie sie in den deutschen Grasanstalten hauptsächlich in Verwendung stehen, aus jedem Kohlenbecken je die gebräuchlichste Sorte. A. Gaskohlen. 1) Steinkohle aus dem westfälischen Kohlenbecken „Consolidation“. 2) Steinkohle aus dem Saarbecken „Heinitz I.“. 3) Steinkohle aus dem schlesischen Becken „Königin Louisen-Grube“. 4) Steinkohle aus dem sächsischen (Zwickauer) Kohlenbecken „Bürgergewerkschaft“. 5) Steinkohle aus dem böhmischen (Pilsener) Becken „Fürstl. Thurn- u. Taxis'sche Gruben bei Littiz“. 6) Steinkohle aus dem englischen Kohlenbecken von New Castle „Boldon gas coal.“ B. Zusatzkohlen. 7) Cannelkohle aus dem böhmischen (Pilsener) Becken „Plattenkohle“. 8) Braunkohle aus dem böhmischen Becken bei Falkenau „Falkenauer Braunkohle“. Der Stickstoffgehalt der genannten Kohlen nebst deren Koke ergab sich folgendermaſsen: Kohlensorte. A.Steinkohlen. B.Zusatzkohlen. 1.West-fällische 2.Saar. 3.Schle-sische 4.Säch-sische 5.Böh-mische 6.Eng-lische 7.Platten-kohle 8.Braun-kohle Stickstoffin Proc. in der Kohlein der Koke 1,501,35 1,061,24 1,371,39 1,201,37 1,361,22 1,451,37 1,491,00 0,520,58 Berücksichtigt man nun, daſs bei der Vergasung dieser Kohlen (150k Ladung, 4stündige Vergasungsdauer) aus 100 Th. Kohle folgende Mengen Kokes erhalten werden: Proc. Kokes                         71,4 68,3 68,5 62,7 63,3 74,2 56,3 40,5 so ergibt sich die bei der Vergasung stattfindende Vertheilung des Stickstoffes wie folgt: Proc. Gesammt-Stickstoff in   der Kohle 1,50 1,06 1,37 1,20 1,36 1,45 1,49 0,52 davon fixer Stickstoffflüchtiger Stickstoff 0,960,54 0,850,21 0,950,42 0,860,34 0,770,59 1,0210,43 0,560,93 0,230,29 oder in Procenten des Gesammtstickstoffes angegeben: Kohlensäure. A.Steinkohlen. B.Zusatzkohlen. 1.West-fällische 2.Saar. 3.Schle-sische 4.Säch-sische 5.Böh-mische 6.Eng-lische 7.Platten-kohle 8.Braun-kohle Gesammt-Stickstoff der Kohle 100 100 100 100 100 100 100 100 davon fixer Stickstoff   64   80   69   72   57   70   38   44 flüchtiger Stickstoff   36   20   31   28   43   30   62   56 Als „fixer Stickstoff“ ist hier der in der Koke verbleibende Antheil Stickstoff bezeichnet, welcher bei den Steinkohlen die überwiegende Menge beträgt, umgekehrt dagegen bei den Zusatzkohlen. Auffallend erscheint es, daſs der Procentgehalt der verschiedenen Kokessorten an Stickstoff, mit Ausnahme der Zusatzkohlen, groſse Uebereinstimmung zeigt, indem die Schwankungen sich nur zwischen 1,22 und 1,39 Proc. bewegen, bei den Kohlen dagegen zwischen 1,06 und 1,50 Proc. Weitere Versuche über die Ammoniakbildung bei der Vergasung wurden im Groſsen ausgeführt, dabei auch eine Methode geprüft, das sogen. Cooper-Verfahren, nach welchem durch Zusatz von Kalk zur Kohlenladung die Ausbeute an Ammoniak erhöht werden soll. Die benutzte Versuchsanlage war folgende: Eine seitliche Retorte in einem Münchener Generatorofen, der sich durch gleichmäſsiges, gutes Verhalten im Betriebe, sowie durch nur wenig schwankende Temperatur bewährt hatte, wurde stets mit 150k der betreffenden Kohlensorte geladen. Das Gas gelangte durch das Steigrohr in kleine Condensations- und Reinigungsapparate, durchstrich eine Gasuhr und wurde von da in die Vorlage zurückgeleitet. Die Ablesungen der Uhr geschahen halbstündlich während der 3 Stunden 50 Minuten dauernden Versuchszeit.Die übliche Zeit ist 4 Stunden weniger 10 Minuten, welche zum Entleeren und Füllen der Retorten erforderlich sind. Die Ofentemperatur wurde bei jeder Probe gemessen mittels der Prinsep'schen Gold-Platinlegirungen von bekanntem Schmelzpunkt; dieselbe blieb zwischen 1160 und 1220°. Etwas über der Retorte wurde das Steigrohr angebohrt und zur Entnahme von Gasproben ein förmiges eisernes Rohr eingeschraubt, um so stets das Gas aus der Mitte des aufsteigenden Gasstromes zu bekommen. Das eine Ende war mit Korkstopfen geschlossen und konnte zur Entfernung von Theer- und Rufsabsatz geöffnet werden. Aus dem anderen Ende wurde halbstündlich mittels Aspiration eine Gasprobe durch Absorptionsapparate mit Normalsäure geleitet, so daſs in jedem Versuche 8 Ammoniakbestimmungen geschahen. Die Probe wurde erst nach dem Abgieſsen vom Theer mit Normalnatron titrirt, später, nachdem sich das als unzuverlässig erwies, mit Natron abdestillirt und die vorgelegte Normalsäure zurücktitrirt. Sämmtliche Versuche wurden unter Zusatz von 2½ Proc. Kalk wiederholt. Es stellte sich die Ammoniakproduction aus den verschiedenen Kohlensorten in folgender Weise: 100k Kohle geben Ammoniak in Kilogramm. Kohlensorte. A.Steinkohlen. B.Zusatzkohlen. 1.West-fällische 2.Saar. 3.Schle-sische 4.Säch-sische 5.Böh-mische 6.Eng-lische 7.Platten-kohle 8.Braun-kohle Ohne Kalk 0,248 0,188 0,284 0,094 0,237 0,189 0,221 0,129 Mit Kalk 0,276 0,209 0,298 0,173 0,227 0,247, 0,229 0,126 Demnach bewirkt der Kalkzusatz in allen Fällen, ausgenommen die böhmische Schwarzkohle, eine Zunahme des Ammoniaks. Der Einfluſs auf die verschiedenen Sorten ist indeſs ganz verschieden; auffallend ist er bei der sächsischen und englischen Kohle: bei ersterer Sorte trat eine Zunahme von 84 Proc., bei letzterer von 31 Proc. an Ammoniak ein. Vom Gesammt-Stickstoff in der Kohle werden als Ammoniakstickstoff ausgeschieden in Procenten: Kohlensorte 1 2 3 4 5 6 7 8 Ohne Kalk 13,6 14,8 17,4 6,4 14,2 10,8 12,4 20,7 Mit Kalk 15,2 16,2 17,9 11,9 13,8 14,0 12,7 19,9 Die Ausnutzung des Stickstoffes in der Kohle ist demnach keine günstige, wie schon aus den Stickstoffbestimmungen in den Kokes zu ersehen war: mehr als die Hälfte bleibt stets in den Kokes zurück. Folgende Tabelle zeigt, wie viel Procente des flüchtigen Stickstoffes der Kohle sich als Ammoniakstickstoff ergeben. Kohlensorte. 1 2 3 4 5 6 7 8 Von 100 Th. Stickstoff sind   flüchtig 36 20 31 28 43 30 62 56 Von 100 Th. flüch-   tigem N sind Am-   moniakstickstoff ohne Kalkmit Kalk 4642 7481 5658 2343 3332 3647 2020 3736 Die Gröſse der Ammoniakbildung hängt also durchaus nicht davon ab, wie viel Stickstoff mit der Kohle verflüchtigt wird; eher ergibt sich ein Zusammenhang zwischen dem Gesammt-Stickstoffgehalt der Kohle und der Ammoniakausbeute. Je mehr nämlich vom Gesammt-Stickstoff verflüchtigt wird, um so geringer ist die Production an Ammoniak. Um über den Verlauf der Ammoniakbildung während der 4stündigen Destillationszeit ein Bild zu gewinnen, wurde das Resultat der in jeder falben Stunde angestellten Ammoniakbestimmung auf die Gasproduction in dieser Zeit übertragen. Die erhaltenen Zahlen zeigen deutlich, daſs die Ammoniakproduction anfangs rasch steigt, nach bestimmter Zeit ihren Höchstwerth erreicht, dann allmählich abnimmt; indessen ist der Verlauf bei den verschiedenen Kohlensorten sehr wechselnd. Bei keiner Sorte trat das Maximum vor dem Ende der zweiten halben Stunde ein; die Braunkohle erreichte dasselbe am Ende der fünften, die sächsische, böhmische und Plattenkohle am Ende der vierten, die englische und westfälische dagegen schon am Ende der zweiten halben Stunde. Gerade die am meisten Gaswasser liefernden Sorten, die Braunkohle und sächsische Kohle, erreichten hier ihren Höhepunkt am spätesten. Die Resultate der Arbeit sind kurz etwa folgende: Der Stickstoffgehalt der untersuchten Gaskohlen schwankt zwischen 1 und 1,5 Proc., in der daraus erhaltenen Koke zwischen 1,2 und 1,4 Proc. Ausgenommen sind die Zusatzkohlen, welche in der Koke meist geringeren Stickstoffgehalt aufweisen. Im Allgemeinen nimmt der Stickstoffgehalt einer Kohle mit steigendem Sauerstoffgehalte ab. Die Ammoniakproduction zeigte sich sehr verschieden, zwischen 0,094 und 0,284k auf 100k Kohle. Im Allgemeinen steigt und fällt dieselbe mit dem Gesammt-Stickstoffgehalte der Kohle. Von 100 Th. Stickstoff werden im günstigsten Falle 20 Proc., im Mittel nur 14 Proc. als Ammoniak gewonnen. Der Zusatz von 2½ Proc. Kalk zur Kohle beeinfluſst die Production von Ammoniak sehr verschieden. Einige Sorten zeigten keine oder geringe Vermehrung, andere gaben bedeutende Erhöhung bis 84 Proc. Im Mittel werden aus 100 Th. Stickstoff nur 15 Proc. als Ammoniak gewonnen, im günstigsten Falle auch nur 20 Proc. W. Leybold.