Titel: Eine neue Darstellung von Strontiumoxydhydrat.
Autor: P. Naef
Fundstelle: Band 265, Jahrgang 1887, S. 318
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Eine neue Darstellung von Strontiumoxydhydrat. Eine neue Darstellung von Strontiumoxydhydrat. Der groſse Verbrauch von Strontiumoxydhydrat in der Zuckerfabrikation hat in den letzten Jahren die Herstellung von Strontiumverbindungen im fabrikmäſsigen Maſsstabe zur Folge gehabt. Als Ausgangsmaterialien dieser neuen Industrie dienen wesentlich zwei Mineralien, nämlich Strontianit oder Strontiumcarbonat aus Westfalen und Coelestin oder Strontiumsulfat aus Sicilien und der Grafschaft Gloucestershire in England. Die Verarbeitung des Strontianites ist einfach und besteht in einem Brennen des Carbonates zu Oxyd bei möglichst hoher Temperatur und nachherigem Auslaugen und Krystallisiren des Oxydhydrates. Schwieriger ist die Gewinnung von reinem Strontiumoxydhydrat aus Coelestin, und es sind zu diesem Zwecke zahlreiche Verfahren vorgeschlagen worden. Durch Kochen von feinst gepulvertem Coelestin mit Sodalauge oder auch durch Erhitzen mit fester Soda in Oefen und nachherigem Auslaugen läſst sich eine Umsetzung in Strontiumcarbonat und Natriumsulfat erzielen. Das als Pulver erhaltene Strontiumcarbonat kann man hierauf mit Theer zu Steinen formen und diese wie den natürlich vorkommenden Strontianit auf Strontiumoxydhydrat verarbeiten. Auch mit Hilfe von Ammoniumcarbonat läſst sich aus Coelestin unter Bildung von schwefelsaurem Ammoniak Strontiumcarbonat herstellen. Alle diese Verfahren haben aber den groſsen Nachtheil, daſs nicht sogleich Strontiumoxydhydrat erhalten wird, sondern daſs als Zwischenproduct immer zuerst Carbonat hergestellt werden muſs. Um dies zu umgehen, hat E. F. Trachsel ein ihm patentirtes Verfahren ausgearbeitet (D. R. P. Kl. 75 Nr. 36057 vom 17. November 1885), welches er im Journal of the Society of Chemical Industry, 1886 Bd. 5 S. 630 näher beschreibt. Dasselbe besteht wesentlich in der Reduction des Strontiumsulfates zu Sulfid, Umsetzung des letzteren mit kaustischem Natron in freies Strontiumoxydhydrat und Natriumhydrosulfid, und Wiedergewinnung von kaustischer Soda durch Behandlung des Natriumhydrosulfides mit Kohlensäure und Kausticiren der so erhaltenen Soda mit Kalk. Die letzten Reactionen können durch folgende Gleichungen ausgedrückt werden: SrS + 2NaOH = Sr(OH)2 + Na2S oder SrS + NaOH + H2O = Sr(OH)2 + NaHS 2 NaHS + CO2 + H2O = Na2CO3 + 2H2S. Der Coelestin wird zuerst mit der nöthigen Kohle gemischt (1 Th. Coelestin und 0,35 Th. Kohle) und gemahlen. Die Mischung wird dann 3 bis 4 Stunden im Hand- oder Drehofen erhitzt, wobei etwa 90 Proc. des Coelestins zu Schwefelstrontium reducirt werden. Zum Auflösen des Sulfides benutzt man am besten schmiedeiserne Gefäſse, welche etwa 0m,15 über dem Boden mit einem aus Eisenstäben gebildeten Zwischenboden versehen sind. Ueber diesem Koste sind Filtrirtücher ausgebreitet, welche zum Schütze vor der heiſsen Masse mit Backsteinstücken bedeckt sind. Das Auflösungsgefäſs ist weiter mit einer in der Mitte angebrachten, bis fast auf den Boden gehenden senkrechten Röhre aus Guſseisen versehen, welche oben ein hutförmiges Blech trägt. Durch diese wird eine Dampfröhre, welche beinahe auf den Boden des Gefäſses geht, eingeführt. Das heiſse, aus dem Ofen gezogene Sulfid wird nun zuerst in das Auflösungsgefäſs entleert. Hierauf füllt man das Gefäſs mit Wasser oder schwacher Lauge und läſst Dampf einströmen. Dadurch wird die Lauge in der Röhre in die Höhe getrieben und flieſst oben wieder auf die Oberfläche der Flüssigkeit, so daſs auf diese Weise eine gute Bewegung der Lauge in dem Grefäſse erzielt wird. Sobald die Sulfidlösung eine Stärke von 1,12 specifischem Gewicht erreicht hat, unterbricht man den Dampfzutritt und läſst absitzen. Die klare Lauge läſst man darauf in Krystallisirgefäſse ablaufen und setzt kaustische Soda zu. Der gröſste Theil des Oxydhydrates fällt sofort aus, ein anderer Theil krystallisirt beim Abkühlen. Die Mutterlauge, welche neben Natriumhydrosulfid noch etwas Oxydhydrat enthält, verdampft man bis zur Stärke von 1,15 specifischem Gewicht, worauf beim Erkalten auch der letzte Rest des Oxydhydrates auskrystallisirt. Die rohen Strontiumoxydhydratkrystalle werden zur völligen Reinigung centrifugirt und zweimal umkrystallisirt. Da diese Behandlung aber mit bedeutenden Verlusten durch Strontiumcarbonatbildung verbunden ist, so wendet man am besten das Verfahren von Trachsel an, bei welchem man nach einmaligem Umkrystallisiren ein reines Product erhalt. Die rohen Krystalle werden in einem Muffelofen langsam erhitzt, wodurch Eisensulfid, welches hauptsächlich die Färbung der Krystalle verursacht, oxydirt und auch vorhandenes Strontiumsulfid in Sulfit oder Sulfat umgewandelt wird. Nach Trachsel's Angaben ist es am besten, wenn man die rohen Krystalle, welche etwa 37 Proc. SrO enthalten, erhitzt, bis sie einen Gehalt von 60 bis 70 Proc. Oxyd zeigen. Darauf löst man die Masse in kochendem Wasser. Aus der klaren Lauge krystallisirt dann Strontiumoxydhydrat aus, welches nach Behandlung in der Centrifuge für den Handel fertig ist. Dieses Verfahren erspart nach Trachsel nicht nur ein Umkrystallisiren, sondern gestattet auch die Herstellung reiner Krystalle in viel kürzerer Zeit. Zur Zersetzung des Natriumsulfhydrates mit Kohlensäure benutzt der Verfasser möglichst starke Laugen. Die Einwirkung ist dann eine so starke, daſs die Flüssigkeit sich erwärmt und beim Erkalten Soda auskrystallisirt. Den Schwefelwasserstoff will Trachsel mit Luft gemengt durch einen Claus'schen Ofen, Reicher mit einer Schicht von Eisenoxydhydrat und Braunstein gefüllt ist, leiten und so freien Schwefel oder schweflige Säure, welche zur Schwefelsäuredarstellung benutzt werden soll, gewinnen. Diese Operation hat nach Trachsel's Angaben selbst mit verdünnten Gasen keine Schwierigkeiten, so daſs der gröſste Theil des Schwefels im Coelestin als freier Schwefel oder als schweflige Säure erhalten werden kann. Bei der Behandlung der Natriumsulfydratlauge mit Kohlensäure verfährt man am besten so, daſs die Laugen, um ein Auskrystallisiren von Soda zu vermeiden, warm gehalten werden. Die Sodalauge wird auf gewöhnliche Weise durch Zugabe von Kalk wieder in kaustisches Natron umgewandelt. Es ist jedoch für die Wiederbenutzung nicht nothwendig, daſs eine vollkommene Umsetzung erreicht wird. In der dem Vortrage folgenden Besprechung erwähnt Newlands, daſs Strontium zur Verwendung in der Zuckerfabrikation dem Barium gegenüber den groſsen Vorzug verdiene, daſs es nicht giftig sei. Mit Hilfe von Ammoniumphosphat läſst sich nach meinen Erfahrungen in fast allem mit Barium gereinigten Zucker dieses Metall nachweisen. Ob das Verfahren von Trachsel vor den bis jetzt schon benutzten Verfahren wirkliche Vortheile bietet, kann natürlich erst die technische Ausführung desselben lehren. Immerhin werden demjenigen, welcher mit der fabrikmäſsigen Herstellung von Strontiumhydrat vertraut ist, sofort verschiedene Bedenken aufsteigen. Schon die Benutzung von einem so kostspieligen Producte, wie Aetznatron, zur Herstellung einer Waare, welche im Preise verhältniſsmäſsig so nieder steht wie Soda, scheint nicht zum Vortheile des Verfahrens zu sprechen. Dazu kommt noch die Zersetzung von Natriumsulfhydrat durch Kohlensäure, welche bis jetzt noch nie längere Zeit und mit wirklichem Erfolge im Groſsen ausgeführt worden ist. Auch die Umwandlung von Schwefelwasserstoff in freien Schwefel oder Schwefelsäure dürfte wohl trotz Anwendung der sogen. Claus'schen Oefen noch manche Schwierigkeit darbieten. Wenn dieselbe so einfach wäre, hätte wahrscheinlich Chance und andere Sodafabrikanten die von ihnen mit groſsen Kosten gemachten Versuche zur Gewinnung von Schwefel aus Sodarückstand schon lange wieder aufgenommen. Wie Trachsel in der Besprechung mittheilt, ist sein Verfahren schon in mehreren Fabriken in England eingeführt. Der gröſste Theil des Strontiumoxydhydrates, welcher von England aus auf den Markt gebracht wird, ist aber, wie ich aus eigener Erfahrung weiſs, ohne Benutzung von Aetznatron, jedoch nach einem ähnlichen Verfahren hergestellt, Reine Oxydhydratkrystalle lassen sich im Groſsen auch ohne Benutzung von Trachsel's Reinigungsverfahren durch einmalige Umkrystallisiren erzeugen. Uebrigens wird das Erhitzen der Rohkrystalle im Muffelofen den Verlust durch Carbonatbildung wahrscheinlich nur erhöhen. (Vgl. auch H. Leplay 1886 262 * 221.) P. Naef.