Titel: Chlorschwefel und dessen Verwendung zum Vulkanisiren von Kautschuk.
Fundstelle: Band 265, Jahrgang 1887, S. 363
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Chlorschwefel und dessen Verwendung zum Vulkanisiren von Kautschuk. Verwendung des Chlorschwefels zum Vulkanisiren von Kautschuk. Die Entdeckung von Parkes im J. 1846, daſs Kautschuk durch kurzes Eintauchen in eine Lösung von Chlorschwefel in Schwefelkohlenstoff vulkanisirt werden kann, hat auch die technische Darstellung von Chlorschwefel ins Leben gerufen. Bekanntlich sind drei Chloride des Schwefels bekannt, das Schwefelchlorür, S2Cl2, das Schwefeldichlorid, SCl2, und das Schwefeltetrachlorid, SCl4. Schwefelchlorür ist eine gelbe Flüssigkeit, welche nach Untersuchungen von A. Fawsitt (Journal of the Society of Chemical Industry, 1886 Bd. 5 S. 638) ein spec. Gew. von 1,7044 bei 0° oder 1,6822 bei 15,5° und einen Siedepunkt von 136 bis 137° bei 755mm hat. Schwefeldichlorid ist eine dunkelrothe unbeständige Verbindung, welche im reinen Zusande nur unter 10° existirt. Nach Thorpe und Dalzell entsteht sie bei Behandlung des Chlorürs mit Chlor und Destilliren der Flüssigkeit von 64 bis 136°. Fawsitt fand, daſs bei vorsichtigem Erhitzen im Oelbade 10 Procent bei 49 bis 64° übergehen. Die im Handel unter dem Namen Chlorschwefel vorkommenden Producte zeigen hellgelbe bis dunkelrothe Farbe und sind von sehr verschiedener Zusammensetzung. Im Folgenden sind die Eigenschaften von drei hellgelben (1, 2, 3) und zwei rothen (4, 5) Mustern zusammengestellt: Spec. Gewicht Siedepunkt Schwefelgehalt Chlorgehalt 1)2)3) 1,68201,68261,6846 bei 15,5° 136 bis 137°136 bis 137°135 bis 137° 47,3348,30 Proc. 52,0951,27 Proc. 4)5) 1,6711,657 73 bis 135° 39,67 60,03 Die specifischen Gewichte und die Siedepunkte der hellgelben Muster sind sehr übereinstimmend. Auch die Zusammensetzung derselben ist wenig verschieden und entspricht sehr nahe der Formel S2Cl2. Die roth gefärbten Proben bestehen aus einem Gemische von Schwefelchlorür und Chlorid und zeigen daher ziemlich verschiedene Zusammensetzungen. Sie haben auch keine so gleichbleibenden specifischen Gewichte wie die gelben Sorten. Etwa 50 Procent destilliren bei 73,5 bis 133°, von da an aber bis zum Ende der Destillation steigt die Temperatur nur noch bis 135°. Gewöhnlich wird angenommen, daſs Schwefelchlorür sich mit Wasser nach folgender Gleichung zersetze: 2S2Cl2 + 3H2O = H2SO3 + 4HCl + 3S. Hieraus wäre zu schlieſsen, daſs aus rothem Chlorschwefel sich bedeutend mehr Schwefligsäure bei Zersetzung mit Wasser bildet als aus hellem. Da aber die Schwefligsäure allmählich in Schwefelsäure umgewandelt wird, würde folgen, daſs heller Chlorschwefel zum Vulkanisiren bedeutend besser geeignet wäre. Fawsitt hat nun die Schwefligsäure durch Titration nach einer von Dittmar ausgearbeiteten Methode (vgl. auch G. Lunge 1883 250 530) bestimmt und fand, daſs bei Behandlung von hellem Chlorschwefel mit Wasser sich 3,74 Proc. Schwefel in Schwefligsäure und 2,08 Proc. in Schwefelsäure verwandelten. Rother Chlorschwefel lieferte unter gleichen Umständen 3,43 Proc. Schwefel als Schweflig- und 9,31 Proc. als Schwefelsäure. Es bildet sich also in der That bei Zersetzung von rothem Chlorschwefel etwas weniger Schwefligsäure als bei der Zersetzung von gelbem, obschon die obige Gleichung auf das Gegentheil schlieſsen läſst. Das rothe Chlorid zeigt aber den anderen groſsen Nachtheil, daſs es bei der Zersetzung mit Wasser bedeutend mehr Schwefelsäure liefert als das gelbe. Eine ähnliche Erscheinung wird jedenfalls auch bei Behandlung von Kautschukwaaren mit Chlorschwefel eintreten und so das Material schädigen. Neben Schwefligsäure und Schwefelsäure entstehen bei Zersetzung von Chlorschwefel mit Wasser auch kleine Mengen Schwefelwasserstoff und jedenfalls auch Polythionsäuren. Zum Vulkanisiren können die Kautschukwaaren in eine Lösung von Chlorschwefel in Schwefelkohlenstoff eingetaucht oder mit Dämpfen von Chlorschwefel behandelt werden. In beiden Fällen wird die Vulkanisirung dadurch hervorgerufen, daſs aus dem Kautschuk eine geringe Menge Wasserstoff entweicht und an seine Stelle Schwefel eintritt. Zur Vergleichung der Wirkung der verschiedenen Chlorschwefelsorten, welche im Handel vorkommen, lieſs Fawsitt verschieden starke Lösungen der oben mit 1 und 5 bezeichneten Muster auf Kautschukplatten einwirken. Zur vollkommenen Trocknung wurden die Kautschukstücke zuerst schwach erwärmt, alsdann während 15 Secunden in die Lösung von Chlorschwefel in Schwefelkohlenstoff getaucht und hierauf zweimal in Schwefelkohlenstoff gewaschen. Die Stücke wurden nun bei 60 bis 65° getrocknet und der Schwefelgehalt bestimmt. Es ergab sich, daſs die Chlorschwefelsorten, welche viel leichtflüchtige Bestandtheile enthalten, am schnellsten auf Kautschuk einwirken. Ferner geht aus Fawsitt's Versuchen hervor, daſs das Waschen mit Schwefelkohlenstoff allen auf der Oberfläche vorhandenen Schwefel entfernt, und jedenfalls das Hartwerden des vulkanisirten Kautschuks bedeutend vermindert. Wenn man eine Lösung von 1 Th. Chlorschwefel in 30 Th. Schwefelkohlenstoff anwendet, so wird etwa 1,75 mal mehr Schwefel abgeschieden als bei einer Lösung von 1 : 60. Bei Verarbeitung von gelbem Chlorschwefel zeigt der Kautschuk im Allgemeinen wenig Neigung zum Hartwerden, auch wenn starke Lösungen, wie 1 Th. Chlorschwefel in 15 Th. Schwefelkohlenstoff, benutzt werden. Dagegen wird mit Lösungen von dunklem Chlorschwefel schon bei einem Verhältnisse von 1 : 60 unelastischer Kautschuk erzeugt. Aus Fawsitt's Versuchen geht im Allgemeinen hervor, daſs der am wenigsten gefärbte Chlorschwefel zum Vulkanisiren am geeignetsten ist und den geringsten schädlichen Einfluſs zeigt. Wenn Schwefelkohlenstoff verdunstet, kann sich, da dabei Kälte entsteht, Wasser abscheiden, welches nach dem Verdampfen des Schwefelkohlenstoffes zurückbleibt. Dasselbe kann vorkommen, wenn die Lösung von Chlorschwefel in Schwefelkohlenstoff beim Aufbewahren in offenen Gefäſsen Wasser angezogen hat, so daſs schon öfters aus diesem Grunde Kautschukwaaren, welche mit dem letzten Rest der Flüssigkeit vulkanisirt wurden, Beschädigungen zeigten. Das Vulkanisiren von Kautschuk mit Chlorschwefeldampf wurde im J. 1878 von Abbott (vgl. 1879 231 192) eingeführt und wird in mehreren Fabriken angewendet. Bei diesem Verfahren muſs jedenfalls eine Chlorschwefelsorte von möglichst gleichbleibendem Siedepunkte benutzt werden, so daſs gelber Chlorschwefel am geeignetsten erscheint. Zu der Analyse wägt Fawsitt den Chlorschwefel in kleinen Glaskügelchen ab. Zur Bestimmung des Schwefels wird ein solches Kügelchen in einem Kolben, welcher 25cc stärkste Salpetersäure faſst, zerbrochen. Wenn sich etwas Schwefel ausscheidet, fügt man etwas chlorsaures Kali zu und dampft dann die Lösung in einer Porzellanschale ein. Alsdann fügt man etwas Salzsäure und Wasser zu und fällt mit Chlorbarium. Zur Bestimmung des Chlorgehaltes zerbricht man ein etwa 2g Substanz haltendes Kügelchen in schwacher Natronlauge und bestimmt in einem Theile der Lösung das Chlor als Chlorsilber.