Titel: | Dinaphtylderivate. |
Fundstelle: | Band 265, Jahrgang 1887, S. 470 |
Download: | XML |
Dinaphtylderivate.
Julius' Dinaphtylderivate.
In der Chemischen Industrie, 1887 Bd. 10 S. 97 berichtet
P. Julius über von ihm angestellte Untersuchungen
über die zwei uns bekannten Dinaphtole, welche bisher
fast unbeachtet und unbearbeitet geblieben sind. Dieselben leiten sich von den Dinaphtylen ab, deren drei Isomere existenzfähig sind,
und die auch alle drei dargestellt wurden. Sie haben nachstehende Constitution:
Textabbildung Bd. 265, S. 470α-β-Dinaphthyl asymmetrisch;
α-α-Dinaphtyl symmetrisch; β-β-Dinaphtyl symmetrischDie Zahl der Dinaphtylderivate ist eine sehr bedeutende; so leiten sich
z.B. von jedem der drei Dinaphtyle 28 isomere Disubstitutionsproducte ab, was
zusammen 84 Isomere ergibt. Gegenüber dieser groſsen Menge theoretisch vorgesehener
Derivate ist die Zahl der wirklich dargestellten verschwindend klein.
Was zunächst die Dinaphtyldiamine betrifft, so ist ihre Darstellung weitaus
schwieriger, als die der entsprechenden Derivate der Diphenylreihe. In Folge dessen
haben sie auch für die Technik keine Bedeutung, abgesehen davon, daſs sie sich auch
in ihrem Verhalten wesentlich von den Diphenylabkömmlingen unterscheiden; das eine
von R. Nietzky und O. Goll
dargestellte Diamin, das Dinaphtylin, geht bei
Anwesenheit von Säuren rasch unter Ammoniakabspaltung in ein Dinaphtylcarbazol über
und das von P. Julius dargestellte Diamidodinaphtyl
bildet zwar beständige Salze, liefert aber mit salpetriger Säure keine
Tetrazoverbindung. Das zweite von R. Nietzky und O. Goll erhaltene Diamin endlich, das Naphtidin, liefert zwar eine Tetrazoverbindung, welche
sich mit Phenolen und Aminen bezieh. deren Sulfosäuren zu Azofarbstoffen combiniren
läſst, allein die Eigenschaft, welche die Benzidinazofarbstoffe so werthvoll macht,
nämlich ungeheizte Baumwolle vollkommen seifenecht zu färben, fehlt ihnen
völlig.
Der Entdecker der genannten beiden Dinaphtole ist Dianin, welcher sie entsprechend den beiden Naphtolen, aus welchen sie
dargestellt wurden, als α- und β-Dinaphtol bezeichnet hat. Nachdem unterdessen Merz und Weith die Darstellungsweise der Dinaphtole modificirt haben und
E. Ostermeyer und J.
Rosenhek erst vor Kurzem die Methyl- und Aethyläther der Dinaphtole
untersuchten, hat Verfasser das von Dianin
angegebene Verfahren in
der Weise umgestaltet, daſs er von Naphtolnatrium ausgeht, welches er mit einem
Gemische von Eisenchlorid und Salzsäure versetzt, wobei das in äuſserst fein
vertheiltem Zustande ausgeschiedene Naphtol sogleich mit Eisenchlorid in Berührung
kommt und zu Dinaphtol oxydirt wird, während Dianin
sowohl wie Merz und Weith
mit Naphtol und Eisenchlorid allein arbeiteten. Dies Verfahren war jedoch wegen der
geringen Löslichkeit der Naphtole in Wasser nicht gut anwendbar und haben deshalb
letztgenannte Forscher die Oxydation in ätherischer Lösung vorgenommen, ohne jedoch
nähere Angaben namentlich über die Ausbeute zu machen.
Die Methode von Julius hat nun vor beiden genannten
nicht allein den Vorzug bequemerer Handhabung, sondern liefert auch bei einer
Ausbeute von 70 bis 75 Proc. an α-Dinaphtol und 85 bis
90 Proc. an β-Dinaphtol ein schönes, reines
Präparat.
Um α-Dinaphtol darzustellen, verfährt man am besten in
der Weise, daſs man in die kochende, saure Lösung von 80g krystallisirtem Eisenchlorid in 1l
Wasser, die kalte Lösung von 50g
α-Naphtol und 15g
Aetznatron in 3l,5 Wasser in kleinen Portionen
unter starkem Umschütteln einträgt. Der ausfallende violett gefärbte Niederschlag
wird mit viel heiſsem Wasser gewaschen, ausgepreſst und aus Alkohol umkrystallisirt,
wobei man ein weiſses, fein krystallinisches Pulver vom Schmelzpunkte 296 bis 299°
erhält, während Dianin den Schmelzpunkt des reinen
Dinaphtols zu 300° angibt.
Zur Darstellung von β-Dinaphtol löst man 100g
β-Naphtol und 30g
Aetznatron in 4l Wasser und versetzt die kochende
Lösung unter starkem Rühren mit einem Gemische von 160g krystallisirtem Eisenchlorid, 100cc
roher (30 proc.) Salzsäure und 200cc Wasser. Nach
dem Hinzufügen dieser Lösung kocht man noch ungefähr 30 Minuten, filtrirt, wäscht
mit kochendem Wasser und krystallisirt aus Alkohol um. Man erhält auf diese Weise
blaſsgelbe, glänzende Nadeln, die übereinstimmend mit den Angaben von Merz und Weith bei 217° schmelzen.
Weiterhin hat Verfasser mit β-Dinaphtol
Sulfonirungsversuche angestellt, wobei der Hauptsache nach nur zwei Sulfosäuren
resultirten. Dieselben haben folgende Zusammensetzung: 1) die β-Dinaphtoldisulfosäure
und 2) die β-Dinaphtoltetrasulfosäure
Eigenthümlich ist das Verhalten des Barytsalzes letzterer
Sulfosäure bei der trockenen Destillation; man erhält nämlich nicht, wie aus dem
Verhalten der Barytsalze verschiedener Naphtolsulfosäuren unter gleichen
Verhältnissen zu erwarten wäre, β-Dinaphtol, sondern
unter gleichzeitiger Entwickelung von schwefliger Säure α-α-Dinaphtyl.
Die Isolirung einer nitrirten Sulfosäure des β-Dinaphtols gelingt nicht durch direkte Nitrirung der Säure selbst, sondern
des Barytsalzes, Man erhält auf diese Weise eine Dinitrodinaphtoldisulfosäure. Sie färbt auf Wolle und Seide ein schönes
Gelb mit einem Stich ins Grüne, jedoch ist dasselbe gegen Licht wenig beständig.
Bemerkenswerth ist das Verhalten der beiden Dinaphtole gegen Diazoverbindungen. Das
β-Dinaphtol vereinigt sich unter keinen
Verhältnissen mit denselben zu Oxyazokörpern. Dagegen tritt das α-Dinaphtol mit groſser Leichtigkeit mit zwei Molekülen
der Diazoverbindung in Reaction. So entsteht mit Diazobenzolchlorid ein rother
Farbstoff von der Formel:
mit α-Diazonaphtalinchlorid ein
solcher von der Formel:
In gleicher Weise lassen sich alle anderen bekannten
Diazoverbindungen mit α-Dinaphtol combiniren. Die
erhaltenen Farbstoffe gleichen sehr den entsprechenden α-Naphtolfarbstoffen sowohl in der Nuance als auch in ihren sonstigen
färbenden Eigenschaften.
Azokörper, in denen nur ein Naphtalinrest mit einer Diazogruppe verknüpft ist,
konnten bisher nicht erhalten werden. Lieſs man auf 1 Molekül Dinaphtol nur 1
Molekül Diazobenzolchlorid einwirken, so resultirte der zwei Azogruppen enthaltende
Körper neben unverändertem Dinaphtol. Auch mit Tetrazodiphenylchlorid vereinigt sich
das Dinaphtol und zwar zu einem violetten Farbstoff.