Titel: Zur Frage der Beleuchtung mittels Naphtagases; von S. Lamansky.
Autor: S. Lamansky
Fundstelle: Band 265, Jahrgang 1887, S. 565
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Zur Frage der Beleuchtung mittels Naphtagases; von S. Lamansky. Lamansky's Beleuchtung mittels Naphtagas. Die chemische Section der „Russischen Technischen Gesellschaft“ in St. Petersburg hatte es sich zur Aufgabe gestellt, die Anwendbarkeit des Naphta- oder Erdölgases zu studiren und bildete in Folge dessen aus mehreren ihrer Mitglieder eine Commission, der es zufiel, Daten über die verschiedenen Systeme der Naphtagas-Gewinnung zu sammeln, sowie einige der in Petersburg befindlichen Naphtagasfabriken zu besichtigen, um deren Einrichtung, die Qualität und möglichst auch die Ausbeute des aus dem Erdöle (Naphta) gewonnenen Gases an Ort und Stelle kennen zu lernen. Die von dieser Commission erhaltenen Resultate sind von mir, als dem Vorsitzenden, in einem Vortrage der technischen Gesellschaft mitgetheilt und darauf in einer Brochüre veröffentlicht worden. Letztere enthält aber nicht nur die von der Commission gesammelten und gefundenen Daten, sondern auch eine Uebersicht über die Darstellung, Eigenschaften und den Preis des Naphtagases, sodann einen Abriſs über den gegenwärtigen Stand der Steinkohlengas- und der Wassergasbeleuchtung, endlich eine Vergleichung der Eigenschaften und des Preises der drei genannten Leuchtgase. In Vorliegendem gebe ich einen kurzen Auszug, indem ich mich auf die noch nicht veröffentlichten Daten beschränke und das in der Literatur über die Gasbeleuchtung zu findende Material, das ich zu meiner Zusammenstellung benutzte, möglichst fortlasse. Die Tabelle auf S. 566 gibt eine Uebersicht über Resultate, die einerseits in vier in Petersburg befindlichen Naphtagasfabriken gewonnen, andererseits von den Fabriken der Städte Kasan, Jalta und Wirballen und der Petersburger Gummimanufactur mitgetheilt worden sind. In der Gasfabrik der Expedition zur Fertigstellung von Reichspapieren in Petersburg sind 8 Gasöfen vorhanden, jeder mit 4 horizontalen, guſseisernen, mit einer Chamottemasse bedeckten, etwas zusammengedrückten cylinderförmigen Retorten versehen, die eine Länge von etwa 2m und einen Durchschnitt von 228mm haben. Eine solche Retorte bleibt 7 bis 8 Monate hindurch, ohne Chamotteüberzug nur 3 bis 4 Monate lang im Betriebe. Bei der Gasgewinnung werden die Retorten bis zur Kirschrothglut erhitzt, was durch Luken zu beobachten ist. Der Zufluſs der Naphta wird in der Weise regulirt, daſs der Gasdruck 75 bis 100mm beträgt. An Brennmaterial zu den Oefen werden zur Vergasung von 1 Pud Naphta oder Rückständen folgende Mengen verbraucht: In der Fabrik der Expedition 1,4 bis 1,5 Pud Kokes in Wirballen 1,5 der Bierbrauerei 1,7 in Jalta 1,0 Pud Steinkohlen der Gummimanufactur 1,5    „ Die Kohlen sollen sich sehr vortheilhaft durch Gastheer ersetzen lassen: nach Versuchen von Dormidontow ist zur Vergasung von 1 Pud Naphta-Rückständen 1 Pud Theer erforderlich. Leuchtgasfabrik Material der Gas-gewinnung Systemder Oefen Productions-menge des Gasesin Cubikfuſs1 Cubikfuſs russ. = 0cbm,0283. Gasaus-beute aus1 Pud1 Pud = 40 Pfund russ. 1 Pfund russ. = 409g,5. inCubikfuſs Spec. Gew.des Gases Kasan Naphtarück-stände Hirzel 25000 bis 75000täglich 340 – 370 0,74 – 0,76 Expedition zur Fer-   tigstell. von Reichs-   papieren Naphta aus Bakuvon 0,85 sp. G. EigenesSystemder Fabrik       7834800 jährl.     336,75 Jalta Naphta aus No-worossijsk 2461000   „ 330 Wirballen Naphtarück-stände Pintsch 1037330   „   307,2 0,73 Kalinkin'sche Bier-   brauerei 1 Th. Naphta-rückstände und2 Th. Gastheer Pintsch 1800000   „ 337 0,67 Nikolajew'sches Ka-   dettencorps Gastheer von0,87 sp. G. Petrow u. Tokarew 350 0,88 Mechanische Fabrik   von Nobel Naphtarück-stände 330 – 360 0,82 Gummimanufactur Naphtarück-stände 1952600   „   291,25 Die Ausbeute an Naphtagas beträgt nach obiger Tabelle im Mittel 331 Cubikfuſs aus 1 Pud Naphta bezieh. Naphtarückständen oder, in runder Zahl, 1000 Cubikfuſs aus 3 Pud Rohmaterial; 100k des letzteren geben also 50cbm Naphtagas. Die Menge des von der Gaserzeugung zurückbleibenden Theeres ist sehr verschieden: in der Fabrik der Expedition beträgt sie 20 Proc., von denen ⅖ in der Hydraulik und ⅗ in den Waschapparaten und Condensatoren sich ansammeln. In der Fabrik zu Kasan bleiben 30 bis 35 und in jener der Gummimanufactur 30 Proc. Theer zurück. Die das Naphtagas aus den Retorten in die aus Eisenblech construirte Hydraulik leitenden Röhren haben gewöhnlich einen Durchmesser von 100 bis 150mm. Die Condensatoren sind natürlich sehr verschieden angeordnet, doch müssen sie viel sorgfältiger construirt werden als bei der Steinkohlengasgewinnung, weil das Naphtagas bei niedrigerer Temperatur erhalten wird und viel mehr von schwer condensirbaren Kohlenwasserstoffdämpfen enthält als Steinkohlengas. Zur Reinigung des Naphtagases waren in der Fabrik der Expedition in einem Jahre (1884), bei einer Production von 7600000 Cubikfuſs, 250 Pud Kalk und 50 Pud Eisenvitriol verbraucht worden; in Wirballen 367 Pud Kalk für 953260 Cubikfuſs und in der Kalinkin'schen Bierbrauerei 90 Pud Kalk für 1800000 Cubikfuſs Gas. Nach Rudnew enthält das Naphtagas gewöhnlich keinen Schwefel. Das specifische Gewicht der untersuchten Naphtagase, das von der Commission in dem Bunsen'schen Apparat bei Zimmertemperatur bestimmt wurde, schwankte zwischen 0,67 und 0,88. Ebenso wurde die Lichtstärke mit dem Photometer von Bunsen bestimmt. Folgende Tabelle zeigt die Resultate als Mittel von mehreren Bestimmungen, von denen jede immer von mehreren Beobachtern gleichzeitig angestellt und darauf das Mittel notirt wurde. Zu allen Bestimmungen wurden die gleichen Apparate angewandt. Als Lichteinheit diente die Spermazetkerze bei einer Flammenlänge von 45mm. Naphtagas aus der Fabrik: Spec. Gew.des Naphta-gases Gasverbrauch in 1 Stunde auf1 Lichtstärke in Cubikfuſs im Argand-brenner im Schnitt-brenner der Expedition (s. o. 1 Tabelle) 0,73 0,110 0,148 von Kusnezow in Petersburg 0,75 0,113 0,098 von Petrow und Tokarew 0,88 0,090 0,105 bei der mechanischen Fabrik von Nobel 0,82 0,110 0,100 bei der Fabrik der Siemens u. Halske-   schen Regenerativbrenner in Petersb. 0,85 0,148 0,150 der Kalinkin'schen Bierbrauerei 0,67 0,138 0,141 Der mittlere stündliche Verbrauch an Naphtagas für 1 Lichtstärke beträgt 0,106 Cubikfuſs bei einem Argandbrenner und 0,113 Cubikfuſs bei einem Schnittbrenner. Selbst bei starker Temperaturerniedrigung soll die Leuchtkraft des Naphtagases nur unbedeutend abnehmen. Sehr schwierig ist es, den Preis des Naphtagases anzugeben, da derselbe selbstverständlich von dem der Naphta bezieh. des Roh- und des Brennmaterials abhängt, der an verschiedenen Orten und zu verschiedener Zeit nicht gleich sein kann. Nicht uninteressant dürfte aber eine vergleichende Zusammenstellung der Beleuchtungskosten sein, wie sich dieselben augenblicklich in Petersburg bei Benutzung von Naphta-, Steinkohlen und Wassergas stellen würden. Dieselben wären: Gasmenge Naphtagas Steinkohlengas Wassergas carburirtes reines 1000 Cubikfuſs 4 Rubel 50 Kop.bis 5 Rubel1 Silberrubel = 100 Kopeken = 3 M. 24 Pf. 2 Rubel 60 Kop. 1 Rubel 68 Kop. 56 Kop. 1 Cubikmeter 16,0 bis 17,6 Kop. 9,2 Kop. 6 Kop. 2 Kop. Zieht man Brenner in Betracht, die 15 bis 17 Lichtstärken geben müssen, so wären pro Stunde 42l Naphta-, 150l Steinkohlen- und 85l carburirten Wassergases erforderlich und die Beleuchtungsstunde käme bei den genannten drei Leuchtgasen auf 0,71, 1,38 und 0,49 Kopeken zu stehen. Das billigste Leuchtgas wäre also carburirtes Wassergas. Noch billiger stellt sich das Wassergas, wenn es, uncarburirt, nur zu Heizzwecken oder als Triebkraft benutzt werden soll.