Titel: | Ueber die specifische Molekularwärme der Gase. |
Fundstelle: | Band 265, Jahrgang 1887, S. 598 |
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Ueber die specifische Molekularwärme der
Gase.
Ueber die specifische Molekularwärme der Gase.
Seit der Entdeckung des Gesetzes der specifischen Wärme fester Körper durch Dulong und Petit sind
zahlreiche Versuche gemacht worden, dieses Gesetz zu verallgemeinern und auch auf
Gase auszudehnen. Aber Regnault's Untersuchungen haben
gezeigt, daſs bei gewöhnlicher Temperatur weder zwischen den Molekular- noch den
Atomwärmen der Gase Gleichheit besteht. Nach Le
Chatelier's Berichte in den Comptes rendus
1887 Bd. 104 S. 1780 lassen die von ihm selbst und Mallard angestellten Versuche über die Verbrennung von Gasgemengen auch
bezüglich hoher Temperaturen auf das Gleiche schlieſsen.
Bei Betrachtung der für die Kohlensäure und den Wasserdampf entworfenen Curven ist
eine Convergenz gegen einen unter Null liegenden Punkt unverkennbar. Dieser Umstand
hat Le Chatelier auf die Annahme geleitet, daſs die
specifischen Molekularwärmen der Gase einer und derselben Grenze zustreben, wenn
sich die Temperatur dem absoluten Nullpunkte nähert. Er hat diese Hypothese den
durch Wiedemann bestimmten Aenderungen der specifischen
Wärme anzupassen versucht. Folgende Tabelle zeigt, daſs die Versuchsresultate
innerhalb der gestatteten Fehlergrenzen durch die Formel
C = 6,8 + α (273 + t)
dargestellt werden können, worin C die wahre specifische Wärme unter constantem Drucke und α einen von der Natur des Gases abhängigen
Coëfficienten bedeutet, welcher einen um so gröſseren Werth annimmt, je
zusammengesetzter das Molekül ist:
Versuche von Wiedemann
Formel
Temperatur-grenzen
MittlerespecifischeWärme
Gröſste Ab-weichung
Coëfficient1000 α
BerechnetespecifischeWärme
Unter-schied
Vollkommene Gase
20 – 200°
6,8
–
0,00
6,8
–
NH3
25 – 10025 – 200
8,85 9,10
0,200,24
6,11–
8,85 9,16
0,0+ 0,06
C2O4
22 – 10025 – 15025 – 200
9,20 9,47 9,66
0,120,080,14
7,42––
9,28 9,47 9,66
+ 0,08 0,0 0,0
N2O2
25 – 10025 – 200
9,37 9,85
0,130,22
7,92–
9,45 9,85
+ 0,08 0,0
C4H4
25 – 10027 – 200
10,85 12,00
0,260,30
12,70–
11,06 11,70
+ 0,21– 0,30
C2HCl3
27 – 11728 – 190
17,25 17,81
0,350,40
29,50–
17,00 18,05
– 0,25+ 0,24
C4H5Br
28 – 11629 – 190
17,50 18,97
0,350,20
31,40–
17,65 18,77
+ 0,15– 0,20
C6H6O2
26 – 11026 – 180
20,121,7
0,400,30
39,30–
20,2 21,6
+0,10– 0,10
C12H6
35 – 11535 – 180
23,325,9
0,750,31
50,00–
24 25,55
+ 0,70– 0,35
C4H4(C4H4O)
33 – 11335 – 189
29,732,6
0,420,50
66,4–
29,832,4
+ 0,10– 0,20
C4H4(C4H6O2)
25 – 11127 – 189
31,734,2
0,300,50
72,8–
31,834,2
+ 0,10 0,0
Die Uebereinstimmung zwischen Versuch und Rechnung ist im Allgemeinen so befriedigend
wie möglich: Der Werth der Abweichungen ist immer geringer als derjenige der
zufälligen Versuchsfehler. Man kann also behaupten, daſs die Molekularwärme der Gase
und Dämpfe merkbar einer gemeinschaftlichen Grenze zustreben, wenn die Temperatur
dem absoluten Nullpunkt sich nähert. In der Wirklichkeit ist es aber unmöglich, zu
entscheiden, ob es sich hier um ein streng oder nur um ein annähernd genaues Gesetz
handelt.
Es wäre interessant zu sehen, ob das nämliche Gesetz sich auch auf hohe Temperaturen
erstreckt, indem man die aus der Formel
C=6,8+\frac{7,42}{1000}\,(273+t)
abgeleitete specifische Wärme der Kohlensäure mit den Zahlen
vergleicht, welche Le Chatelier und Mallard aus ihren Versuchen über die Verbrennung von
Gasgemengen abgeleitet haben:
Temperatur
Beobachtung
Berechnung
20° – 2000°
15,7 ± 0,7
16,3
Auch hier findet noch eine vollkommene Uebereinstimmung statt,
da der Unterschied der beiden Zahlen kleiner ist als die zufälligen Versuchsfehler.
Beim Wasserdampfe dagegen würde die Uebereinstimmung mit den Zahlen fehlen, welche
Le Chatelier und Mallard für die Temperatur von 3300° aufgestellt haben. Die Rechnung würde
15, statt der aus den Versuchen abgeleiteten Zahl 18,5 geben. Allein es darf flicht
unerwähnt gelassen werden, daſs Le Chatelier der
Dissociation des Wasserdampfes, welche sich bei einer so hohen Temperatur schon
geltend machen kann, nicht Rechnung getragen hatte, und daſs unter diesen Umständen
die Ziffer 18,5 wohl zu hoch ist.