Titel: | Neuerungen und Fortschritte in der Gasindustrie. |
Autor: | Leybold |
Fundstelle: | Band 266, Jahrgang 1887, S. 33 |
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Neuerungen und Fortschritte in der
Gasindustrie.
Neuerungen und Fortschritte in der Gasindustrie.
Die Bindung des Schwefels in Steinkohle und Koks und die
Erzeugung von schwefelarmem Koks. In Stahl und
Eisen 1887 Bd. 6 S. 468 widerlegt F. Muck die
weit verbreitete Annahme, der Schwefelgehalt der Steinkohle rühre, wenn nicht
ausschlieſslich, so doch in den meisten Fällen vom beigemengten Schwefelkies her. Er
macht darauf aufmerksam, daſs fast alle Steinkohlen sogen, „organischen“ Schwefel enthalten, dessen Nachweis zwar nicht gelang,
dessen Vorhandensein jedoch in den Fällen auſser Zweifel steht, wo das in der Asche
der Kohle enthaltene Eisen gar nicht ausreicht, um mit dem Schwefel Schwefelkies,
FeS2, zu bilden. Bei der Vergasung der Kohle
kommt eine theilweise Entschwefelung durch Verbrennen nicht in Frage, indem hier
auſser während der Beschickung und Entleerung der Retorten eine Oxydation nicht möglich ist.
Ebenso wenig ist eine tiefgehende Entschwefelung beim Löschen des Koks anzunehmen,
da letzterer verhältniſsmäſsig rasch abgekühlt wird und auch das Wasser nur auf
geringe Tiefe in den Koks eindringt. – Die schwefelärmste Kohle liefert nicht den
schwefelärmsten Koks. Die in den Steinkohlen enthaltenen Eisenverbindungen
(Carbonate, Oxyde und Silicate) werden im Koksofen wie im Hochofen zu metallischem
Eisen reducirt, und dieses Eisen bindet den ausgetriebenen Schwefel zu Eisensulfid;
ähnliche Wirkung haben die Kalk- und Magnesiaverbindungen. Schwefelkohlenstoff, der
sich im Koksofen gewiſs zeitweise bildet, wird ebenfalls mit Eisen und auch mit den
glühenden Oxyden der alkalischen Erdmetalle Sulfide bilden. Demnach hängt es weniger
von dem Gesammtschwefelgehalte der Kohle, als vielmehr von der Natur der
Mineralbestandtheile ab, ob viel oder wenig des durch Erhitzen aus dem Schwefelkies
ausgetriebenen und des „organischen“ Schwefels mit den Verkokungsgasen
entweicht oder in Form von Sulfiden in dem Koks verbleibt. Der Schwefelgehalt einer
Kohle erlaubt keinen Schluſs auf den Schwefelgehalt des daraus erzeugten Koks. Man
kann vielmehr nur durch Bestimmung des Schwefels in einer im Platintiegel
hergestellten Probe oder einer dem Groſsbetriebe entnommenen Mischprobe des Koks ein
Urtheil hierüber gewinnen. Zur Erzeugung eines schwefelarmen Koks soll man die Kohle
nicht nur nach ihrer Korngröſse, sondern auch unter Berücksichtigung ihrer Qualität
wählen. Man darf niemals hoffen, aus Kohle, deren Schwefelgehalt ein niedriger ist,
einen schwefelarmen Koks zu erzielen, sobald die Asche dieser Kohle an Kalk und
Magnesia, namentlich aber, wenn sie an Eisen reich ist. (Vgl. auch J. Atkinson 1886 260
383.)
Darstellung von Kohlensäure aus Wassergas. Zur
Darstellung von Kohlensäure wird Wassergas durch eine Schicht eines erhitzten,
metallischen, oxydirend wirkenden Körpers geleitet, wodurch das Wassergas zu
Kohlensäure und Wasser oxydirt wird. Letzteres wird condensirt. Ist das
Oxydationsmittel verbraucht, so wird es durch Durchleiten eines Stromes
atmosphärischer Luft wieder regenerirt. (Amerikanisches Patent Nr. 368123 vom 9.
August 1887. Ch. Arnais, Brooklyn, N. Y.)
Das Verfahren dürfte wohl kaum eine hochprocentige Kohlensäure geben; der im
Wassergas enthaltene Stickstoff wie auch das Stickstoff-Sauerstoffgemisch, welches
sich nach dem Wiederoxydiren des durch die Sauerstoffabgabe zu Metall reducirten
Oxydes noch in dem betreffenden Schacht befindet, wird sich in der Kohlensäure
finden. Auch ein Gehalt an Kohlenoxyd bezieh. Wasserstoff ist nicht ausgeschlossen,
indem der Moment, in welchem das Metall vollständig reducirt ist, also Wassergas
nicht mehr oxydirt wird, sicher nicht stets zu treffen ist.
Es ist unklar wie Patentnehmer die Schicht eines erhitzten metallischen, oxydirend
wirkenden Körpers sich vorstellt. Pulver von Kupferoxyd, Eisenoxyd, läſst nur wenig Gas
hindurch, da bedeutender Druckwiderstand entsteht; gröbere Stücke dagegen werden nur
oberflächlich reducirt, wirken also nur kurze Zeit. Die Darstellung von Kohlensäure
wird, ähnlich dem Wassergasprozesse, nur zeitweise erfolgen können, indem dazwischen
das Heiſsblasen bezieh. Wiederoxydiren des Metalles stattfinden muſs.
Verwendung von Steinkohlenschlacken für Bauzwecke. Nach
dem Gastechniker, 1887 Bd. 7 S. 155 werden in Lyon Steinkohlenschlacken in groſsem Maſsstabe
verwendet zu PisébauIn Deutschland schon seit 30 Jahren üblich. A. d. R.; dieselben
werden in zerkleinertem Zustande mit Kalk gemischt und die Masse in Formen, wie
Betonmasse, eingestampft. Das Material ist natürlich um so widerstandsfähiger, je
weniger man mit dem Kalke spart; die gewöhnliche Mischung ist 4 Th. Schlacken auf 1
Th. Kalk. Die Mauern aus gestampfter Schlacke werden ebenso hergestellt wie die aus
gestampfter Erde; sie haben gewöhnlich eine Stärke von etwa 0m,5. Die Aufschüttung geschieht in ungefähr 15cm starken Schichten unter Einstampfen. Es hindert
aber nichts, schwächere Mauern herzustellen, wenn diese keine starke Last zu tragen
haben. Solide Scheidewände von 15 bis 20cm Dicke
lassen sich erhalten, wenn man die Masse zwischen Planken einstampft. Gewölbe aus
Schlacken werden ebenso wie aus Betonmasse hergestellt; das Einstampfen geschieht
stets tangential zum Gewölbe, indem senkrechtes Stoſsen die Holzrüstung zu sehr
erschüttert und so der Verkittung schaden würde. Die Dicke der Gewölbe wird im
Verhältnisse ihrer Tragweite bemessen; sie ist im Mittel 0m,35 mit einer Steigerung von 0m,40 bei einer Spannung von 5m. Die Gewölbeflanken werden aus dem nämlichen
Material hergestellt. – Seit einigen Jahren wird diese Bauweise in Lyon in öffentlichen und Privathäusern in Anwendung
gebracht. Architekt Louvier führte aus diesem Material
die sämmtlichen Gewölbe des Untergeschosses im neuen Präfekturhotel auf; dieselben
haben 6m,5 Weite bei nur 1m,24 Höhe, und ruhen auf Bruchsteinmauerwerk. Eine
2 Wochen dauernde Probe ergab, noch bevor die Flanken ausgarnirt wurden, daſs das
Gewölbe 2500k pro 1qm zu tragen vermochte, ohne eine Senkung oder Spaltung zu zeigen. Ein auf
den Gewölberücken fallender Steinblock von 600k
hatte keinerlei Einwirkung auf das Mauerwerk.
Ein besonderer Vortheil der Masse, Bruchsteingemäuer gegenüber, soll ihr bedeutend
geringeres Gewicht sein.
Vernon Harcourt's Pentangaseinheit. H. Krüss in Hamburg unterzog sich der Aufgabe, die Einrichtungen
für photometrische Versuche, welche auf Veranlassung der englischen Regierung auf
South-Foreland an der Südküste von England durchgeführt wurden, um die relative
Leistungsfähigkeit des elektrischen, des Gas- und Oel-Lichtes für Zwecke der
Küstenbeleuchtung zu prüfen, in Bezug auf ihre Brauchbarkeit einer Kritik zu unterwerfen. Diesem
Berichte entnehmen wir eine kurze Beschreibung der Harcourt'schen Pentangasflamme nebst der in der Versuchsstation üblichen
Modifikation, welche erstere vielfach in England zu
genauen photometrischen Messungen angewendet wird:
Als Lichteinheit schlug Harcourt eine Pentangasflamme
vor von 6cm,2 Höhe, deren Helligkeit gleich der
einer englischen Walrathkerze ist. Harcourt selbst
beschrieb seine Lichteinheit wie folgt: „Pentan, C5H12, ist ein Destillationsproduct aus
amerikanischem Erdöl bei 49°. Es verdampft schneller als Aether und ist in
Wasser fast unlöslich. Das specifische Gewicht des Pentans ist bei 15,5°
zwischen 0,628 und 0,631, seine Dämpfe sind 2,5 mal so schwer als Luft. Das
anzuwendende Normalgas ist eine Mischung von Pentangas und Luft im Verhältniſs
von 1 : 3. Man zieht in einen Gasbehälter 85l
Luft und läſst dann mittels einer Pipette 14cc,7 (9c'' engl.) Pentan hinzu, welches,
nachdem es verdunstet ist, 29l,73 einnimmt. Da
von dem Normalgas in der Stunde 14l,158
verbrennen und jeder photometrische Versuch nicht mehr als 5 Minuten in Anspruch
nimmt, so kann man mit vorstehender Menge etwa 100 Versuche machen. Die
Einrichtung ist folgende: Vom Gasometer geht das Normalgas durch eine kleine
Gasuhr zum Brenner, welcher aus einem Messingrohre von 10cm Länge und 2cm,5 Durchmesser besteht, geschlossen durch eine 1cm,25 dicke Scheibe mit einem centralen Loch
von 0cm,62 Durchmesser. Durch einen unterhalb
der Flamme um den Brenner gestellten Cylinder wird der Luftstrom, welcher von
den heiſsen Wänden des Brenners seinen Ursprung nimmt, senkrecht in die Höhe
geführt und dieser bildet so einen unsichtbaren Cylinder um die Flamme, wodurch
sie an Ruhe sehr gewinnt. In der Höhe von 6cm,35 (2 ½'' engl.) über dem Brenner befindet sich ein Flammenmaſs; wird
die Flamme stets genau in dieser Höhe gehalten, so ist ihre Helligkeit sehr
constant, selbst bei Abweichungen in der Zusammensetzung des Gases.“
Die Harcourt'sche Pentaneinheit wurde von Seiten des Board of Trade sowie von anderen Autoritäten einer
eingehenden Untersuchung unterzogen und als auſserordentlich constant befunden.
Während in der groſsen, 115m,8 langen
Photometergallerie der Versuchsstation die Harcourt'sche Flamme mit dem Normalgas aus einem Gasometer gespeist wurde,
benutzte man in den drei Beobachtungshütten, welche je 653m,6, 1889m,7 und
3954m von dem Leuchtthurm entfernt lagen, eine
tragbare Lampe, in welcher sich das Gemisch von Luft und Pentangas von selbst
herstellte. Bei derselben entnimmt die Flamme die Mischung von Luft und Pentangas
einem kleinen Behälter. In diesen Behälter tritt von unten aus einem Gummiballon
Wasser und von oben tropft aus einem Reservoir, in demselben Maſse wie es
verdunstet, die Pentanflüssigkeit. Da das Pentangas wie auch seine Mischung mit
Luft, welche in dem besagten Behälter vor sich geht, schwerer als die Luft ist, so
wird diese Gasmischung auf der Flüssigkeit ruhen, und zwar zu unterst die am reichsten mit Pentangas,
zu oberst die am ärmsten damit gesättigte Mischung. In einer bestimmten Höhe über
der Flüssigkeit wird also das verlangte Mischungsverhältniſs von 3 : 1 vorhanden
sein. Das Kriterium, ob die richtige Mischung vorhanden ist, bietet in einfachster
Weise die Flammenhöhe, welche an dem erwähnten Flammenmaſs gemessen wird. Ist aber
die normale Flammenhöhe vorhanden, so hat die Flamme nachgewiesener Maſsen auch die
normale Helligkeit. Diese sehr interessante Construction bewährte sich bei den
Versuchen auf South-Foreland auf das Beste, nur wurde
bemerkt, daſs die Flamme gegen Luftbewegungen sehr empfindlich ist.
Auſser der normalen Höhe von 6cm,35 wurde die
Pentanflamme auch in verschiedenen Höhen zur Lichtmessung angewandt, indem nicht die
Veränderung der Entfernungen der Lichtquellen vom Photometerschirme zur
Hervorbringung gleicher Beleuchtung desselben benutzt wurde, sondern eine
Veränderung der Höhe der Pentanflamme:, letztere wird direkt an einer Spule
abgelesen, daraus in einer Tabelle die entsprechende Helligkeit gefunden. Durch
vorhergehende Versuche hatte Harcourt festgestellt,
daſs bei der Pentanflamme zwischen der Höhe von 71mm,5, wo deren Helligkeit = 1,2 Kerzen ist, und der Höhe von 35mm,5, entsprechend einer Helligkeit von 0,3
Kerzen, die Helligkeit i der Flamme aus der Höhe h derselben bestimmt wird durch die Formel
i=\frac{h-23,5}{40}, so daſs also in vorstehenden Grenzen
jede Veränderung der Flammenhöhe um 1mm eine
Veränderung ihrer Helligkeit um 1/40 Kerze hervorruft. – Eine ähnliche einfache
Beziehung zwischen Flammenhöhe und Helligkeit hat bekanntlich auch Giroud (1881 240 125) für
den Einlochgasbrenner nachgewiesen.
Die Pentanflamme eignet sich gut zur photometrischen Messung von Oel- und
Gasbrennern, dagegen war die Messung der Helligkeit des elektrischen Lichtes wegen
des zu groſsen Farbenunterschiedes geradezu unmöglich. (Nach „Der
Gastechniker“, 1886 Bd. 7 S. 28.)
Leybold.