Titel: Ueber Wetterprognose; von C. Flammarion.
Fundstelle: Band 267, Jahrgang 1888, S. 210
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Ueber Wetterprognose; von C. Flammarion. Flammarion, über Wetterprognose. Nach dem Berichte des Genie civil, 1887 Bd. 9 S. 155 stellt C. Flammarion in einer meteorologischen Studie bezüglich der Wetterprognose folgende elementare Regeln auf. Wenn man die Wolken bei irgend einem Barometerstand nach einer gewissen Richtung ziehen sieht, so kann man daraus schlieſsen, daſs zur Linken des Wolkenzuges, senkrecht zu seiner Richtung, ein Depressionscentrum existirt. Ziehen die Wolken z.B. von West nach Ost, so befindet sich gegen Norden ein solches Centrum; es befindet sich in Südost, wenn die Wolken von Nordost kommen u.s.w. Die Depression ist im Allgemeinen um so bedeutender, und ihr Centrum dem Beobachtungsorte um so näher, je gröſser die Geschwindigkeit der Wolken und je höher der Barometerstand. Ist das Barometer langsam und tief gefallen, so hat das Depressionsgebiet eine groſse Ausdehnung; eine geringere dagegen, wenn das Barometer wenig, aber rasch, gefallen ist. Beim Sinken nähert sich die Depression, beim Steigen entfernt sie sich, und ihr Centrum ist im Momente des Barometerminimums dem Beobachter am nächsten. Man kann im Allgemeinen sagen, daſs das Sinken des Barometers das gute Wetter begleitet und das schlechte Wetter anzeigt. An Tagen, wo Sonnenschein und Regen öfters wechseln, sinkt das Barometer, so lange der Himmel heiter ist; sobald aber das Sinken aufhört, bedeckt sich der Himmel von Neuem und der Regen fängt mit dem Steigen wieder an. Das Steigen begleitet also das schlechte Wetter und kündigt die Rückkehr des guten Wetters an, welches gewöhnlich bis zu einem neuen Sinken anhält. Ein langsames, regelmäſsiges Sinken des Barometers um 3 bis 4mm deutet auf das Vorüberschreiten einer Depression in gröſserer Entfernung, ohne eine bemerkenswerthe Witterungsveränderung mit sich zu bringen. Ein plötzliches Sinken, wenn auch nur um 2 bis 3mm, kündigt immer eine Störung in der Nähe an. Diese Störung äuſsert sich im Allgemeinen in Windstöſsen oder Regengüssen von kurzer Dauer. Ein rasches Fallen um 8 bis 10mm deutet auf Sturmwind, ein langsames und anhaltendes auf schlechtes Wetter von langer Dauer. Ein ungestümes Steigen des Barometers, vom mittleren Stande aus und bei schönem Wetter, zeigt immer die nahe bevorstehende Ankunft einer Depression an, unter deren Einfluſs dann das Barometer sofort wieder fällt. Ein unerwartet rasches Steigen aus niedrigem Barometerstande kündigt schönes Wetter von kurzer Dauer an; ist aber dieses Steigen beträchtlich, so kann man auf mehrere schöne Tage rechnen. Die Beständigkeit in der Drehungsrichtung des Windes um ein Depressionscentrum führt zu folgender, unter dem Namen Buys-Ballot'sches Gesetz bekannten, für die nördliche Halbkugel gültigen Regel, welche die Beziehung zwischen der Windrichtung und dem barometrischen Druck kennzeichnet: „Man kehre dem Winde den Rücken zu, dann wird das Barometer zur Linken tiefer stehen, als zur Rechten.“ Aber die Windrichtung läſst zugleich die Richtung erkennen, in welcher das Centrum des Wirbels sich befindet. Die Buys-Ballot'sche Regel läſst sich daher auch in der Form aussprechen: „Man kehre dem Winde den Rücken zu und strecke den linken Arm aus, so weist dieser nach dem Centrum des Wirbels.“ Dieses Gesetz ist für die mitten auf dem Ocean isolirten Seeleute sehr wichtig, weil es ihnen von der Richtung der Depressionsmittelpunkte, wo die Winde besonders gefährlich sind, annähernd genaue Kenntniſs gibt und sie in den Stand setzt, rechtzeitig die nöthigen Vorsichtsmaſsregeln zu ergreifen. Mehrere Tage vor dem Eintreffen eines Orkan es und bevor das Barometer merkbar zu sinken angefangen, sieht man am Himmel in langen parallelen Streifen zarte Wolken, die Cirrus, als erste Vorläufer schlechten Wetters sich bilden. Sie bestehen aus kleinen in Höhen von 10000 bis 12000m schwebenden Eisnadeln. Nach und nach nimmt der Himmel ein weiſsliches, milchiges, der Bildung von Höfen günstiges Aussehen an. Alsdann erscheinen die Cirrocumulus; der Himmel bedeckt sich mit Schäfchen. Bald nehmen diese Wolken an Ausdehnung und Dichtigkeit zu, sie verwandeln sich in anfangs isolirte Cumulus, durch deren Zwischenräume man die Cirrus der höheren Wolkenschichten wahrnimmt. Die Cumulus senken sich mehr und mehr herab, der Horizont überzieht sich, und der Himmel nimmt allmählich jenes eigenthümliche Aussehen an, welches das Herannahen des Regens kennzeichnet. Dieses ist die Reihenfolge der Erscheinungen, welche man vor dem Eintreffen des Orkanes bei gleichzeitig entschiedenem Fallen des Barometers beobachtet. Nachdem das Centrum des Sturmwindes vorübergeschritten ist, hellt sich der Himmel zeitweise auf. Lichte Stellen und Regengüsse bilden wechselnd den Schluſs des ganzen Vorganges. Unter fortgesetztem Steigen des Barometers verschwinden nach und nach die Wolken und das Wetter wird wieder schön.