Titel: | Neuerungen und Fortschritte in der Gasindustrie. |
Autor: | W. Leybold |
Fundstelle: | Band 268, Jahrgang 1888, S. 172 |
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Neuerungen und Fortschritte in der
Gasindustrie.
(Fortsetzung des Berichtes S. 136 d.
Bd.)
Neuerungen und Fortschritte in der Gasindustrie.
Verstellbare Ventilations-Vorrichtung an Lampen von F. Strohmeier in Barmen (* D.R.P. Kl. 26 Nr. 38917 vom
2. Juli 1887). An einer Zimmerdecke wird eine mit Oeffnung versehene Rosette
angebracht, welche durch ein Rohr mit dem Schornstein oder sonst einem mit der
freien Luft communicirenden Kanal verbunden ist. An der Rosette ist ein Rohr befestigt, welches,
oben etwas zugespitzt, durch dieselbe geht, in diesem Rohr befindet sich ein zweites
Rohr, welches oben mit drei Ketten versehen ist, die über an der inneren Seite des
äuſseren Rohres angebrachte Rollen gehen. An den Ketten hängen Gewichte, die dem
Gewicht des inneren Rohres und der Lampe entsprechen. Um der Lampe das nöthige Gas
zuzuführen, ist in den Rohren ein Wasserzug angebracht, welcher aus drei in einander
verschiebbaren, durch Glycerin gedichteten Röhrchen besteht. Wenn die Lampe brennt,
so werden durch die Rosette, sowie durch den Raum zwischen dem Wasserzug und dem
inneren Rohre, wie auch durch letzteres selbst, die schädliche Luft und die
Verbrennungsproducte abgeführt. Zieht man die Lampe herunter, so verlängert sich der
Abzugskanal und bewirkt auch in den unteren Luftschichten des Zimmers eine
Ventilation und Abführung der Verbrennungsproducte.
Ueber Destillation von Kohlen sprach Lewis Wright auf der Versammlung der Society of Chemical Industry zu London (Journal of Gaslighting, 1888 Bd. 51 S. 237). Wright stellte Versuche an über Vergasung von Kohlen
bei drei verschiedenen Hitzegraden, besonders mit Rücksicht auf 1) die Qualität des
erzeugten Theeres, 2) die Schwefel haltigen Bestandtheile im Gase, welche nicht als
Schwefelwasserstoff vorhanden sind und 3) über die Ausbeute an Ammoniak. Der Autor
gibt an, daſs die in vielen Gasanstalten übliche Temperaturmessung in der Retorte
nach Beendigung der Vergasung nicht die richtigen Zahlen anzeige, sondern eine viel
höhere Temperatur als diejenige, welcher die Kohlen wirklich bei der Vergasung
ausgesetzt sind.Die neu geladenen Kohlen kühlen die Retorte bedeutend ab und erst nach und
nach tritt höhere Hitze darin ein, niemals aber diejenige, welche die
Temperaturmessung im Ofenraum, zwischen den Retorten, ergibt. Als
Versuchskohlen dienten Yorkshire- und Derbyshire-Kohle, ferner eine Cannelkohle,
welche in einem Ofen von 7 durchgehenden Retorten bei verschiedenen Temperaturen und
5 bis 8stündiger Destillationszeit vergast wurden. Während der Vergasung wurde
ständig die Temperatur in der Retorte abgelesen und als niederste 600°, als höchste
800° gefunden. Die erhaltene Gasausbeute schwankt von 18,39 bis 33cbm,43 für 100k
Kohlen; auf 1qm innere Retortenfläche treffen
somit in 24 Stunden 15,24 bis 41cbm,75 erzeugtes
Gas. Die erhaltenen Theersorten wurden schlieſslich in einer etwa 136l fassenden Retorte abdestillirt. Die Versuche
zeigten, daſs das specifische Gewicht des Theeres um so höher wurde, je kürzer die
Vergasungsdauer der Kohlen war; je schwerer der Theer, um so reicher war derselbe an
Theerpech und um so ärmer an flüchtigen Bestandtheilen. Was den Einfluſs der
Ofentemperatur auf die Schwefelbestandtheile im Gase betrifft, so konnte Wright die bisher bestehende Ansicht bestätigen, daſs
erstere mit erhöhter Temperatur zunehmen. Je gröſser also die Gasausbeute aus ein
und derselben Kohle, um so höher war die darin enthaltene Menge Schwefel. Die Ammoniakausbeute
aus derselben Kohle fand Wright bei vielen je 24
Stunden währenden Einzelversuchen nie recht übereinstimmend; er ist der Ansicht,
daſs auſser der Ofentemperatur noch andere, bisher unbekannte Faktoren die
Ammoniakausbeute veränderten. Die vielen Versuche zeigten indessen, daſs bei sehr
niederer Ofentemperatur auch der Ammoniakgewinn gering war, mittlere Hitze brachte
die höchste Ausbeute hervor, höhere Temperaturen wieder eine Verminderung
derselben.
Das neue Gaswerk der South Metropolitan Gas Company in East
Greenwich, London. In der Jahresversammlung des Gas- und
Wasserfachmänner-Vereins Schlesiens und der Lausitz sprach F. Lux (nach gefälligst eingesendetem Sonderabdruck des Journal für Gasbeleuchtung, 1888 Bd. 31 S. 2) über die
Verhältnisse englischer Gasfabriken und speziell über die neuen Anlagen der South Metropolitan Gas Company in London. Es setzen uns
diese Bauten sowohl ihrer Gröſse wie der Kühnheit ihrer Ausführung wegen in
Erstaunen; auch ist unser Klima für solche Verhältnisse nicht angethan, wie es z.B.
bei uns, wo 15° Kälte keine Seltenheit ist, unmöglich wäre, die Eisenreiniger
einfach ins Freie zu stellen. Schon die thurmhohen Kühler und Scrubber im Freien
werden mit Miſstrauen betrachtet, indem die starke Kühlung im Winter dem Gase
erheblich Leuchtkraft raubt, welche durch erhöhten Zusatz von Cannelkohle zum
Kohlenquantum wieder ersetzt werden muſs.
Die neue Gasfabrik liegt an der Themse und besitzt deshalb den Vortheil einer eigenen
Kohlenwerfte, welche Platz für mehrere Schiffe gewährt. Dieselbe besitzt 4
hydraulische Krahnen, welche durch eine ohne Condensation arbeitende Verbundmaschine
von 140 betrieben werden. Der Accumulator gibt eine Pressung von etwa 50k auf 1qc. Es
ist möglich, innerhalb 16 Stunden über 1000t
Kohlen zu entladen. Dieselben werden vom Schiff in Eisenbahnwagen geladen, welche
mit Fallthüren versehen sind, und daher durch Oeffnen der letzteren die Kohlen
direkt auf die Lager abstürzen lassen. Zur Vergasung gelangen New-Castle-Kohlen mit
geringem Zusatz, etwa ¼ Proc., Cannelkohle. Das ganze Werk, das bisher zu 1/12 des ganzen
Projectes mit 141500cbm Maximalproduction in 24
Stunden ausgeführt ist, wird unter der Annahme, daſs der Consum in 25 bis 40 Jahren
soweit steigt, dem entsprechend stets vergröſsert bis zu 1700000cbm Production in 24 Stunden. Mit Ausnahme der
Gasbehälter werden die 12 Theile vollständig getrennt gehalten, jede Abtheilung in
sich abgeschlossen und für sich betrieben. Gemeinsam werden also nur sein, wie
bereits angegeben, die Gasbehälter, ferner Kohlenwerft, die Hochbahn für
Kohlenanfuhr, die Koksplätze.
Retortenhaus Nr. 1 ist 148m lang und 21m im Inneren breit, und soll einer
Maximalproduction von 141500cbm in 24 Stunden
dienen. Zu beiden Seiten desselben befinden sich Kohlenlager von etwa 10m Breite im Inneren. Die zweispurige Hochbahn von
1m,435 Spurweite, welche den Transport der Kohle von der
Werft zu den Lagern vermittelt, ist rechtwinkelig zum Ufer gerichtet, läuft also
parallel mit der Stirnseite des Retortenhauses; sie liegt 46m von demselben entfernt, so daſs die Geleise in
einer Curve von 36m Radius mit den Gebäuden
verbunden werden können. Die Flur des Retortenhauses ist 2m,5 erhöht, so daſs der Koks direkt in die auf der
unteren Flur stehenden Waggons geladen und von da zur Werft gebracht werden kann.
Retortenhäuser und Kohlenlager werden unmittelbar an einander gereiht; die
bestehende Abtheilung enthält ein Kohlenlager, Retortenhaus und ein zweites
Kohlenlager, welches zur Hälfte für das nächste Retortenhaus dienen soll. Die
Kohlenlager sind an ihren Stirnseiten mit guſseisernen Wasserbehältern überbaut,
welche für die Wasserversorgung des Retortenhauses dienen. Die Fundamente des
Retortenhauses und der Kohlenlagerräume liegen auf Kies, und um die Kosten der
Errichtung einer Vollmauer zu ersparen, wurden Schächte von 2,70 × 1,35m in Abständen von 9m abgetäuft und mit Beton ausgefüllt, diese Pfeiler wurden unmittelbar
unter der Oberfläche des Bodens durch Bogen, gleichfalls in Beton, verbunden und
hierauf dann die Mauern errichtet. Das Retortenhaus Nr. 1 enthält drei Ofenblöcke,
jeden mit 15 Doppelöfen zu 10 durchgehenden Retorten, im Ganzen also 450
Doppelretorten; letztere sind D-förmig (52 × 39cm)
6m,10 lang und liegen in fünf Reihen über
einander, in jedem Ofen also nur zwei Retorten neben einander. Die Ladung beträgt
für die durchgehende Retorte und 6stündige Destillationsdauer rund 320k. Zwei der Ofenblöcke sind mit Regeneratoren nach
LiveseyVgl. 1880 236 237., einer mit
solchen nach Carpenter versehen; bei letzteren ist für
je drei nur ein Generator vorhanden. Die Retorten des mittleren Ofenblockes werden
mit der West'schen Maschine, welche zum ersten Male
hier mit Dampf, sonst mit gepreſster Luft betrieben wird, beladen und entladen, die
übrigen vorläufig von Hand. Für diese ist zur Bedienung der oberen drei Reihen eine
auf einem Geleise verschiebbare Plattform angeordnet. Für jede Seite eines
Ofenblockes ist ein Kohlenbrecher, im Ganzen also deren sechs vorhanden; dieselben
zerkleinern die theilweise in gröſseren Stücken kommenden Kohlen.
Die Condensationsvorrichtung besteht zunächst aus einem dünnwandigen schmiedeeisernen
Rohr von 76cm Durchmesser und etwa 300m Länge, welches das Gas von den Vorlagen durch
mehrere Zweigleitungen empfängt und rings an der Wandung des Kohlenlagers
herumführt, sodann folgt ein Luftcondensator, bestehend aus Röhren von 90cm Durchmesser, welche in Gestalt einer vielfach
gewundenen Spirale in mehreren Reihen über einander liegen; oberhalb des
Luftcondensators befindet sich schlieſslich ein eigenartiger Wassercondensator.
Diese Condensatoren sind an der Ostseite des Retortenhauses Nr. 1 im Schatten
angebracht, der Luftcondensator ist durch den über ihm befindlichen
Wassercondensator vor
Regen geschützt. Da diese schwere Construction eine solide Fundirung erheischt, so
wurde letztere als Vollmauer ausgeführt und der durch dieselbe eingeschlossene Raum
in einen Untergrundbehälter verwandelt. Von den Condensatoren wird das Gas durch
eine im Boden liegende Leitung von 76cm Weite zu
den Exhaustoren geführt, indem es auf seinem Weg die unterirdischen Theer- und
Ammoniakwasserbehälter kreuzt. Um nämlich an Raum und Mauerwerk zu sparen, wurden
letztere unter den Eisenbahnviaduct gelegt, indem die Fundamentmauern des letzteren
als Seitenwände der Behälter benutzt wurden. Das Maschinen- und Exhaustorenhaus,
welches auch zwei Maschinen zum Betrieb der Theer- und Ammoniakwasserpumpen enthält,
ist für die Aufnahme von sechs 15pferdigen, horizontalen Verbundmaschinen bestimmt,
von denen eine jede direkt mit einem Paar Beale'schen
Exhaustoren neuester Construction, ein jeder zur Förderung von 3500cbm in der Stunde (84000cbm in 24 Stunden) verbunden ist. Da eine Maschine
und ein Paar Exhaustoren genügend für die Maximalproduction einer Abtheilung des
Werkes sind, so wird eine Maschine und ein Paar Exhaustoren als Reserve für je zwei
Abtheilungen dienen. Die Maschinen zum Betriebe der Theer- und Ammoniakwasserpumpen
sind von der gleichen Form und Stärke wie die anderen, und im Flügel an jeder Ecke
des Gebäudes untergebracht; die Pumpen dagegen erhalten auſserhalb an der Rückseite
des Maschinenhauses zwischen den Flügeln Aufstellung. Hinter dem Maschinenhaus wurde
Raum gelassen für ein etwaiges verbessertes System der nassen oder einer anderen
Reinigung, dann folgen drei Wäscher, System Livesey,
jeder für eine Production von 141500cbm in 24
Stunden, und nach diesen zwei Scrubber, jeder 6m,10 im Durchmesser und 21m hoch, welche mit
schmalen Bordstücken von etwa 6mm Stärke und 28cm Breite hochkant gestellt und durch eingelegte
Klötzchen etwa 15mm von einander gehalten,
ausgesetzt sind. Der eine Scrubber wird mit schwachem Ammoniakwasser, der andere mit
reinem Wasser berieselt, die gleichförmige Vertheilung wird durch das selbstthätige
Barker'sche Rotationsrad besorgt. Ein jeder der
Scrubber hat 615cbm, beide zusammen also 1230cbm Inhalt. Es entspricht dies ungefähr den
Angaben Newbigging's welcher für je 100cbm in 24 Stunden. producirtes Gas 0cbm,9 Scrubberraum verlangt, (Schaar fordert nur 0cbm,5, was nur 710cbm Scrubberraum
entspricht.) Wäscher und Scrubber stehen im Freien.
Hinter den Scrubbern befinden sich die Fundamente für acht Reiniger, von denen jedoch
vorläufig nur sechs, vier für Kalk, zwei für Eisenoxyd zur Ausführung gelangt sind,
angesichts der Möglichkeit, daſs das Hill'scheAbsorbiren des Schwefelwasserstoffes durch von Kohlensäure und
Schwefelwasserstoff befreites, also freies Ammoniak haltendes
Gaswasser. oder ein modificirtes System der nassen Reinigung zur
Einführung gelangt. Jeder Reiniger hat 20,6 auf 9m,15 (188qm) bei 1m,50 Tiefe. Die Geschwindigkeit des Gases zur Zeit der
Maximalproduction beträgt in demselben 0m,0087 in
der Secunde; nach Newbigging soll sie 0,006, nach Schaar und Kunath 0m,005 betragen. Ein eigentliches Reinigungshaus
ist nicht vorhanden. Als einziger Schutz gegen schlechtes Wetter während der
Auswechselung der Masse ist ein verschiebbares Dach vorgesehen, welches auf Schienen
läuft und im Bedarfsfalle über jeden beliebigen Reiniger geschoben werden kann. Zu
beiden Seiten der Reiniger sind Geleise angebracht, in solcher Höhe, daſs die
Oberkante der Schienenwagen und der Reiniger in eine Ebene fallen, um die Bedienung
der Reiniger zu erleichtern, welche durch Handarbeit erfolgt. Längs der einen Seite
einer jeden Reinigeranlage befindet sich ein gedeckter Raum zur Aufspeicherung von
Kalk und Eisenoxyd und zur Regeneration des letzteren.
Von den Reinigern geht das Gas zu den Stationsmessern, von denen zwei für jede
Abtheilung vorhanden sein werden; jeder Messer ist für 4250cbm stündlichem Durchlaſs gebaut
(Maximalproduction einer Abtheilung 6000cbm
stündlich). Diese Stationsmesser werden in die Erde eingebaut, wie es auch schon in
der früheren Anstalt, in der Old Kent Road, der Fall war; auf diese Weise sind
dieselben vollkommen geschützt, und die Kosten für ein Stationsmesserhaus werden
gespart.
Von den Stationsmessern geht das Gas durch eine Rohrleitung, welche 1m,20 Durchmesser hat und für drei Abtheilungen
gemeinschaftlich dient, zu den Gasbehältern. Der eben im Bau begriffene Gasbehälter
ist vierfach teleskopisch, die Glocke desselben hat 75m Durchmesser bei einer Höhe von 55m,
mit der Deckenwölbung von 61m, der Fassungsraum
desselben beträgt 240000cbm. Die schmiedeeiserne
Führung ist in 6 Stockwerken aufgebaut. Das Bassin hat 77m,5 Durchmesser und ist 13m,5 tief in den Boden gebaut, es ragt 4m über denselben. Der Grund, warum man den Bau
eines solchen kolossalen, noch nie hergestellten Behälters unternahm, ist der, daſs
die groſsen Kosten und Schwierigkeiten bei Errichtung des Bassins in diesem
wasserreichen Thon- und Kiesboden es unumgänglich nothwendig machten, so wenig
Behälter als möglich zu haben.
Von welcher ökonomischen Bedeutung derartige Riesenbehälter sind, geht aus folgender
Zusammenstellung hervor: Es kostete der gleichen Gesellschaft ein dreifacher
Teleskopbehälter von 56600cbm Fassungsraum 740000
M., 1cbm also 13 M., ein dreifacher
Teleskopbehälter von 141500cbm 1025000 M., 1cbm also 7,25 M., dieser vierfache
Teleskopbehälter von 240000cbm 1300000 M., 1cbm also 5,24 M.
W. Leybold.
(Fortsetzung folgt.)