Titel: Zur Explosion zu Friedenshütte.
Fundstelle: Band 268, Jahrgang 1888, S. 255
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Zur Explosion zu Friedenshütte. Mit Abbildungen. Zur Explosion zu Friedenshütte. Wir kommen dem Ansuchen des Centralverbandes der preuſsischen Dampfkessel-Ueberwachungs-Vereine gern nach, wenn wir in Nachstehendem das Gutachten derselben über obige Explosion veröffentlichen. Bei der Wichtigkeit der Angelegenheit, und durch den Wunsch geleitet, daſs dieser Unfall in seinen Ursachen möglichst ergründet werde, lassen wir das abweichende Gutachten des Eisenhüttenvereines (Stahl und Eisen, 1888 Nr. 3) ebenfalls folgen. Während der Kessel-Ueberwachungs-Verein die Ursache vorwiegend in der Explosion der Hochofengase findet, vertritt der letztgenannte Verein die Ansicht, daſs der Unfall nicht durch die Explosion der Gase, sondern in gewöhnlicher Weise durch die Gewalt des Dampfes erfolgt sei. Eine vermittelnde Anschauung, dahin gehend, daſs den ersten Stoſs eine Gasexplosion gegeben habe, und daſs aus Veranlassung der dabei entstandenen Brüche nunmehr die Explosion des Dampfes stattgefunden habe, ist im Nachstehenden ebenfalls erwähnt. Um die Begründung der verschiedenen Anschauungen nicht zu schmälern, sind die betreffenden Berichte mit nur geringen Aenderungen wiedergegeben; auf diese Weise wird der Leser am ersten in der Lage sein, sich ein Urtheil der geschilderten Ereignisse zu bilden. Auf Antrag mehrerer Verbandsvereine tagte am 7. Februar d.J. der Centralverband preußischer Dampfkessel-Ueberwachungs-Vereine in Berlin. Der Hauptgegenstand seiner Tagesordnung war eine Erklärung und Besprechung der am 25. Juli 1887 zu Friedenshütte vorgekommenen Kesselexplosion. Nachdem sich die Meinungen über die Ursache dieser Katastrophe durch verschiedene Versammlungen von Dampfkesselrevisoren, Ingenieuren und Hüttenleuten einigermaſsen geklärt haben und wohl alles, was auf diesem Wege durch Diskussion, Erörterung der Thatsachen und Hypothesen nebst Combinationen ermittelt und festgestellt werden kann, in technischen Zeitschriften veröffentlicht worden ist., schien es an der Zeit zu sein, daſs der Centralverband sich ebenfalls über den Unfall äuſsere. Zu diesem Zweck war die Versammlung einberufen worden und ergingen Einladungen zu derselben, auſser an sämmtliche Verbandsvereine, auch an verschiedene Behörden. Da in einer gröſseren Versammlung der Entwurf eines gemeinschaftlichen Gutachtens nicht gut denkbar ist, so waren zwei vorher ausgearbeitete Gutachten zur Stelle, von denen eines von den Oberingenieuren der Vereine des östlichen Preuſsens, das andere von Oberingenieuren der rheinischen Ueberwachungsvereine entworfen war. Beide Gutachten stimmten im Wesentlichen überein, und da es wünschenswerth war, auch über die wenigen abweichenden Punkte ein Einvernehmen herbeizuführen, so wurde eine Commission von 6 Oberingenieuren erwählt, um diese beiden Gutachten zu verarbeiten, zu verschmelzen und so ein einziges Gutachten zu verfassen, welches die einstimmige Ansicht der Oberingenieure aller preuſsischen Vereine zunächst den betreffenden Ministerien und anderen in der Frage interessirten Behörden überreicht und auſserdem in technischen Zeitschriften und politischen Zeitungen veröffentlicht werden soll. Gutachten. An den Centralverband der preußischen Dampfkessel-Ueberwachungs-Vereine. Auf Grund des, in der Generalversammlung des Centralverbandes der preußischen Dampfkessel-Ueberwachungs-Vereine am 7. Februar 1888 erhaltenen Mandates überreicht die Commission (bestehend aus den Herren Böcking, Eckermann, Emundts, Münter, Vogt und Weinlig) das nachstehende Gutachten über die Explosion in Friedenshütte, welches dieselbe nach Maſsgabe der Verhandlungen und auf Grund der bei der Versammlung vorgetragenen beiden Gutachten zusammengestellt hat. Der Unglücksfall in Friedenshütte steht in der Geschichte der Dampfkessel einzig da. Sieht man die deutsche, amerikanische und englische Statistik der Unfälle an Dampfkesselanlagen durch, so findet sich nichts, welches dem Unfälle in Friedenshütte an die Seite gestellt werden kann. Diese Thatsache muſs zu der Erkenntniſs drängen, daſs in diesem Falle sowohl alle unglückbringenden Bedingungen zusammengetroffen sein müssen als auch, daſs es sich nicht um solche Ursachen und Veranlassungen handeln kann, welche aus dem gewöhnlichen Betriebe heraus zu kleinen und groſsen Unglücksfällen erfahrungsgemäſs zu führen pflegen. Unserem Berichte legen wir das Material, wie es vom Schlesischen Vereine in der Zeitschrift des Verbandes der Dampfkessel-Ueberwachungs-Vereine vom September und Oktober 1887 (Nr. 9 und 10) geboten ist, und die Gutachten bezieh. Mittheilungen der Oberingenieure Herren Abel, Eckermann, Benemann und Haage, sowie die Mittheilungen, welche in der Commissionssitzung am 28. Februar 1888 von den Ingenieuren des Schlesischen Vereines, Minssen, Wätzoldt und La Baume, gemacht sind und wesentlich zur Ergänzung des oben genannten Berichtes beitragen, zu Grunde. Bevor wir auf die Sache selbst eingehen, müssen wir erklären, daſs wir hinsichtlich der Dampfkessel-Ueberwachung und hinsichtlich der Verwaltung des Betriebes, Mängel nicht erkennen können und wir thun dies vorab, um nicht einen Zweifel darüber aufkommen zu lassen, wenn wir nachher von Fehlern der Construction und Einrichtung der Anlage sprechen. Die Fehler sind nämlich theils solche, welche erst in Folge des Unglücksfalles in Friedenshütte als wichtige Faktoren angesehen werden müssen, theils sind sie derart, daſs sie rasch auftreten und ihre Entstehung sich dem Auge des Revisors entziehen kann. Wenn schon die Beurtheilung der Explosion eines einzelnen Kessels in ihren Details trotz der oft unzweifelhaften Ursache der ganzen Katastrophe auſserordentliche Schwierigkeiten hervorruft, ja unmöglich ist, wie viel mehr ist dies bei der vorliegenden, einzig dastehenden Katastrophe der Fall, wo es noch nicht einmal gelungen ist, die einzelnen weggeschleuderten Kesseltheile als dem einen oder anderen Kessel angehörig unzweifelhaft nachzuweisen, und wo von einzelnen Kesseln mehrere Theile gar nicht einmal aufgefunden worden sind. Der Unglücksfall wird wohl niemals ganz aufgeklärt weisen und erscheint es wenigstens vorläufig unmöglich, eine vollgültige, nicht angreifbare Erklärung aufzustellen. Dies hält uns aber nicht ab, auf Grund der vorliegenden Ermittelungen eine Erklärung zu versuchen, welche den thatsächlichen Verhältnissen entspricht und somit die gröſste Wahrscheinlichkeit für sich hat. Wir unterlassen es natürlich, bei der Ermittelung der Ursachen der Explosion nebensächliche Details zu ergründen und wir erkennen an, daſs bei Annahme einer jeden Ursache der Katastrophe es unmöglich ist, jeden einzelnen Umstand zu erklären. Bei der groſsen Zahl der Faktoren, welche bei der Zerstörung auf der Friedenshütte zur Wirkung kamen, entzieht sich sowohl die Reihenfolge im Auftreten derselben, wie auch ihre absolute und gegenseitige Wirkung der nachträglichen Beurtheilung. Das ganze Bild der Zerstörung muſs deshalb die Basis zur Ermittelung der Explosion geben. Uebersieht man nämlich das Bild der Zerstörung, welches der Breslauer Dampfkessel-Revisionsverein veröffentlicht hat, und liest man sorgfältig seine Schilderungen über den ungeheuren Trümmerhaufen, findet man ferner, daſs irgend welche unbedingt sichere Anzeichen für die Ursachen der Explosion nicht gefunden sind, so muſs man gestehen, daſs im vorliegenden Falle, die Beibringung sicherer Beweise für die eine oder andere Ursache der Explosion vielleicht unmöglich, sicherlich aber weit schwieriger ist, als in unzähligen anderen Fällen. Dann wird man es auch begreiflich finden müssen, daſs man der Arbeitsweise der Kessel, der Feuerung, den Schwächen der Construction und dem Betriebe der ganzen Anlage bis in Kleinigkeiten hinein nachforschen muſs, um daraus Mittel und Wege zur Erklärung des Vorfalles zu finden. Diesen Weg haben wir beschritten und glauben im Interesse des Centralverbandes zu handeln, wenn wir die Resultate gemeinsamer Berathungen in diesem Gutachten zusammenfassen. Textabbildung Bd. 268, S. 257 Die Dampfkesselanlage auf der Friedenshütte bestand aus 22 Dampfkesseln, welche neben einander in einem Kesselhause lagen. Der Construction nach waren alle Kessel gleich, wie sie in der beigefügten Zeichnung angegeben ist. Jeder Kessel bestand aus 1 Oberkessel von 1570mm Durchmesser und 12550mm Länge, mit 2 Unterkesseln 785mm Weite und 11765mm Länge, welche unter sich durch 1 Stutzen und mit dem Oberkessel durch 4 Stutzen verbunden waren. Das Mantelblech des Oberkessels war 13mm, das der Unterkessel 8mm stark und in den Verbindungsstutzen 11mm. Die Oberkessel waren in entsprechender Weise durch Pratzen (Tragarme) auf dem Mauerwerk der Seitenwände gelagert, während die Unterkessel, der linke auf drei, der rechte wegen des Uebergangskanales nach dem Fuchs auf zwei guſseisernen Lagerböcken ruhte. Der festgesetzte höchste Dampfdruck betrug 5at. An den Blechstärken und an den Sicherheitsvorrichtungen war kein Mangel zu finden. Alle Dampfkessel hatten ein gemeinschaftliches DampfrohrVgl. 1888 267 * 244., von welchem sie durch Absperrventile von 156mm lichter Weite abgeschlossen werden konnten. Das Dampfrohr lag über den Kesseln. Jeder derselben hatte vor dem Dampfrohre ein selbstthätiges DampfrückschlagventilNur nach dem Kessel hin selbstthätig rückschlagend. und zwei Sicherheitsventile von 85mm lichter Weite. Die Speisung war bei allen Kesseln in gleicher Weise eingerichtet, die gemeinschaftlich, n Speiserohrleitungen waren mit selbstthätigen Rückschlagventilen versehen. Die Führung der Heizgase war überall dieselbe und die bei solchen Kesseln übliche. Hinter den Kesseln lag ein gemeinschaftlicher Fuchs, welcher die Feuergase von jedem Kessel aufnahm und in die beiden Schornsteine führte. In diesem Fuchse war eine Querwand, welche denselben so in 2 Theile trennte, daſs der eine Schornstein den Zug für 9 Kessel, Nr. 22, 23 und 1 bis 7, der andere für 13 Kessel, Nr. 8 bis 20 zu liefern hatte. Geheizt wurden die Kessel durch Hochofen-Gichtgase, welche aus einem gemeinschaftlichen eisernen Rohre vor den Kesseln, den Kesselfeuerungen in gleicher Weise zugeführt wurden. Jeder Dampfkessel hatte zwischen Ober- und Unterkessel eine zweitheilige gewöhnliche Plan-Rostfeuerung von etwa 3½qm Gröſse des ganzen Rostes und über derselben befanden sich die Einmündungen der Gasleitungsrohre. Zur stetigen Entzündung der Hochofengase wurden Feuer auf den Rosten unterhalten und dazu in 24 Stunden 300 bis 400 Centner geringwerthiger Steinkohle (Staubkohle) verfeuert, also für 1 Stunde und 1qm etwa 10 bis 14k. Dieser geringe Verbrauch an Kohle hatte zur Folge, daſs zur Bedienung in jeder Schicht nur 2 Mann und 1 Arbeitsbursche vor den Kesseln beschäftigt zu werden brauchten. Für die Gebläsemaschinen und für die sonstigen Kraftmaschinen war die Dampfproduction von 18 Dampfkesseln von je 95qm Heizfläche ausreichend. Es konnten somit immer 4 Dampfkessel kalt liegen. Zur Zeit des Unfalles lagen leer die Kessel Nr. 1, 3, 16 und 20. Das Speisewasser war nicht als gut zu bezeichnen. Der Kesselstein sprang leicht ab und bildete deshalb bald einzelne Kesselsteinkuchen, welche in früherer Zeit zu geringen Ausbeulungen der unteren Bleche im Oberkessel führten. Die Analyse des Wassers ergibt folgende Bestandtheile im Liter: Kieselsäure 0,0300g Eisenoxyd 0,0160 Kalk 0,2624 Magnesiumoxyd 0,0540 Schwefelsäure 0,3698 Chlor 0,0139 Organische Substanzen 0,1200 Die Speisepumpen waren in hinreichender Gröſse und Güte vorhanden. Die Dampfkessel waren zum gröſsten Theile, nämlich 20 Stück, im J. 1872 gefertigt und das Material war Schweifseisen. Es ist bekannt, daſs den Blechen aus jenen Jahren gerade die Ausdehnungsfähigkeit mangelte, auf welche bei Dampfkesseln groſser Werth zu legen ist. Das Blech war spröde. Die mit den unteren Blechen der Oberkessel nach der Explosion angestellten Proben beweisen, daſs zur Zeit die Qualität eine auſserordentlich geringe war, doch geht aus denselben nicht hervor, wie weit das Gefüge der Bleche durch den Betrieb gelitten hat. Wir halten es jedoch für vollständig erwiesen, daſs der Umfang der Explosion und die Art der Zertrümmerung der Kessel ihren wesentlichen Grund in dem sehr geringwerthigen Materiale hat. Nachdem der Betrieb der Anlage, 15 Jahre lang (bei Tag- und Nachtbetrieb) gedauert hatte, ereignete sich in der Nacht vom 24. zum 25. Juli 1887 zwischen 12 und 1 Uhr das Unglück und zwar ohne daſs den Aufsichtsbeamten vorher von irgend einer Schwierigkeit im Betriebe oder einem besonderen Vorkommnisse etwas bekannt geworden ist. Der Werkmeister fand am Nachmittage 4½ Uhr bei seiner Controle des Kesselhauses Alles in Ordnung. Sämmtliche 22 Kessel, sowohl die 18 im Betriebe befindlichen als auch die 4 leer stehenden, waren durch die Explosion zerstört und fortgeschleudert. Das Kesselhaus und die Umgebung war in einen Trümmerhaufen verwandelt. Einzelne Häuser gingen, in Folge der Entzündung der Dächer durch glühende Ziegel, in Flammen auf. Die 3 Heizer waren todt. Das Trümmerfeld wai so groſs, das Chaos von Steinen, Eisenstücken, Holz und Schutt so gewaltig, daſs die genaueste Untersuchung keine unbestrittenen Anhaltspunkte für die Erklärung des Unglücks zu Tage fördern konnte. Wochenlang dauerten die Aufräumungsarbeiten und es ist nicht gelungen, aus den Trümmern irgend welche specifische Kennzeichen für besondere Ursachen oder Erscheinungen zu ermitteln. Fig. 2., Bd. 268, S. 259 Wir gehen nun zur Erforschung derjenigen Umstände über, welche zur Explosion geführt haben können und müssen dieselben in gemeinschaftlichen Einrichtungen der Kesselanlage suchen. Wassermangel, gleichzeitig bei einer Kesselanlage von 18 Dampfkesseln ist gar nicht denkbar. Die Gefährlichkeit aus Wassermangel erfordert zur Entstehung eine längere Zeit. Es ist geradezu unfaſslich, daſs das Versagen der Speisepumpen, oder das Unterbleiben der Speisung, oder der Wasserverlust durch Undichtigkeiten und die Quantität der Verdampfung des Wassers bei einer groſsen Anzahl von Kesseln in einer Anlage, nahezu in gleicher Zeit hätte zusammentreffen können. Die blaue Anlauffarbe, welche bei den Kesseln 6, 7 und 12 constatirt wurde, ist nur stellenweise an den Unterplatten der Oberkessel gefunden und erstreckte sich in keinem Falle über den Umlang einer ganzen Platte. Um die blaue Anlauffarbe auf der Auſsenseite zu finden, muſste der auf den Platten sitzende Zinkstaub entfernt werden, während die Innenseite ebenso wie die Bruchflächen nichts an blauer Anlauffarbe erkennen lieſsen. Nicht unwahrscheinlich ist es, daſs durch die vorhin erwähnte Bildung von Kesselsteinkuchen lokale Ueberhitzungen und dadurch blau angelaufene Stellen entstanden sind. Uebrigens zeigt Kessel Nr. 7, welcher gerade die intensivste blaue Anlauffarbe hatte, aus den Flugbahnen seiner Theile, daſs bei ihm eine selbständige Explosion ausgeschlossen ist, so daſs selbst bei diesem Wassermangel oder lokale Ueberhitzung der Bleche als Ursache der Explosion nicht angesehen werden darf. Zu hohe Dampfspannung konnte bezieh. muſste bei allen Kesseln entstehen, wenn die Dampf entnähme durch die Dampfmaschinen einige Zeit aufhörte, während die Heizung fortdauerte und die 36 Sicherheitsventile gänzlich versagten. Die Wirkung der Heizung durch Steinkohlenfeuer war, nach Maſsgabe der angegebenen regelmäſsigen Verbrauchsmengen von höchstens 400 Centner für 24 Stunden, aber nur sehr schwach. Das Brennmaterial war geringwerthige Steinkohle und es hätte ein gefährlich hoher Druck nur durch mehrstündiges Heizen erzielt werden können, wenn die Dampfentnahme wesentlich gegen diejenige des regelmäſsigen Betriebes verringert war. Mit dem gänzlichen oder theilweisen Stillstande der Gebläsemaschinen war auch zugleich die Verkleinerung der Gaserzeugung verbunden und die Menge der Heizung durch Gichtgase im gleichen Maſse vermindert. Die Entstehung eines gefährlich hohen Dampfdruckes in kurzer Zeit ist also nicht zu erklären und um lange Zeit gänzlichen Mangels an Beaufsichtigung bei verstärkter Heizung kann es sich hier gar nicht handeln. Wenn aber die Dampfmaschinen im Gange waren, dann war die Entstehung einer gefährlich hohen Dampfspannung erst recht nicht möglich, da sie den erzeugten Dampf vollständig verbrauchten und die Sicherheitsventile ebenfalls ihre Schuldigkeit thun muſsten. Uebrigens wollen wir nicht unerwähnt lassen, daſs es sich um nicht unerheblichen Dampfdruck handeln müſste, welcher sicherlich weit höher als der bei periodischen Revisionen und gröſseren Reparaturen gesetzlich vorgeschriebene Probedruck von 10at zu schätzen ist, wenn er die Kessel hätte zersprengen sollen. Nach Maſsgabe der Revisions-Uebersicht des Schlesischen Vereines haben im Laufe der Jahre 1886 und 1887 21 Kessel den Probedruck anstandslos ausgehalten, worunter sich diejenigen Kessel befanden, bei welchen (auf Veranlassung des Schlesischen Vereines) in Folge eines eigenthümlichen Rundnahtbruches an dem einen Kessel, alle solche Platten, welche irgend wie zweifelhaft erschienen, herausgenommen und durch neue gute ersetzt wurden. Ein erheblich höherer Dampfdruck als 5at hätte sich auſserdem durch brausendes Ausströmen aus den Sicherheitsventilen und aller Wahrscheinlichkeit nach durch Herausplatzen von Verdichtungsmaterial aus den Flanschverschraubungen u.s.w. bemerkbar gemacht, und hiervon ist nichts beobachtet. Aus diesen beiden Umständen, welche alle Kessel gemeinschaftlich in Mitleidenschaft ziehen muſsten, kann das Unglück nicht entstanden sein. Es ist aber dabei noch die Frage zu erörtern, ob die Zerstörung nicht hätte erfolgen können oder müssen, wenn durch irgend eine Ursache 1 oder 2 Kessel explodirt wären. Dabei wäre unzweifelhaft ein heftiger Stoſs und eine Zertrümmerung des gemeinschaftlichen weiten Dampfrohres erfolgt und es liegt nahe, zu glauben, daſs dadurch eine plötzliche Druckentlastung in den übrigen Kesseln und eine Lockerung etwaiger schwacher Theile der Blechverbindungen des einen oder anderen Kessels entstehen konnte, welche eine Explosion der übrigen Kessel zur Folge hatte. Dem ist aber nicht so. (?) Jeder Kessel stand nämlich mit diesem gemeinschaftlichen weiten Dampfrohre nur durch ein enges (?) Rohr von 156mm Weite in Verbindung, in welches ein gleich groſses Durchgangsventil eingeschaltet war. Gegen die Explosion der Kessel in Folge der Zerstörung der gemeinschaftlichen Dampfleitung spricht sowohl der Umstand, daſs erfahrungsgemäſs ein plötzliches Freiwerden einer Oeffnung, welche in so kleinem Verhältnisse zum Wasser- und Dampfinhalte des Kessels sowie zur Verdampfungsoberfläche steht, wie im vorliegenden Falle der maſsgebende Querschnitt des Verbindungsrohres, nicht genügt, eine plötzliche Druckausgleichung zu ermöglichen und sicherlich nicht im vorliegenden Falle, wo bei sämmtlichen im Betriebe befindlichen Kesseln Dampf und Wasser nicht im Ruhezustande waren, vielmehr eine ununterbrochene reichliche Dampfentnahme stattfand. Ferner muſs beachtet werden, daſs die Oberkessel in ganz anderer Richtung geflogen sind, als sie bei plötzlichem Druckausgleich durch die Reaction hätten fliegen müssen. Es muſs ferner als ausgeschlossen betrachtet werden, daſs die Explosion von einem oder zwei Kesseln eine solche seitliche Stoſswirkung nach links und rechts auf die Nachbarkessel ausgeübt hätte, daſs sie der Reihe nach ebenfalls explodirten. Die Flugbahn der Kessel muſste dann eine ganz andere sein und die Kesseltheile muſsten mehr durch und über einander geworfen sein. Das Trümmerfeld hätte ein anderes Bild der Zerstörung ergeben müssen; jedenfalls würde die fächerförmige nach vorn gerichtete Flugbahn dann durchaus nicht zu erklären sein. (Fortsetzung folgt.)