Titel: | Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken. |
Autor: | Stammer |
Fundstelle: | Band 268, Jahrgang 1888, S. 464 |
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Neuere Verfahren und Apparate für
Zuckerfabriken.
(Patentklasse 89. Fortsetzung des Berichtes S. 413
d. Bd.)
Mit Abbildung.
Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken.
Ein neues Verfahren zur Wiederbelebung der feinen, zum
Klären der Zuckerlösungen (Raffinerieklärsel) benutzten Knochenkohle wurde im Journal des fabrikants de
sucre, 1888 Bd. 29 Nr. 6, beschrieben. Das beim Klären der
Raffinerieklärsel benutzte Blut und die feine Knochenkohle stellen nach dem Absüſsen
und Abpressen einen Rückstand dar, welcher früher zu Dünger theuer verkauft wurde,
so daſs sich dadurch oftmals die Knochenkohle wieder bezahlt machte. Jetzt sind aber
die Preise für die natürlichen Phosphate so gefallen, daſs sich der Verbrauch an
Knochenkohle zum Klären als eine fühlbare tägliche Ausgabe darstellt.
Niemand hat daran gedacht, die gebrauchte Knochenkohle in so einfacher Weise wieder
zu beleben, wie dies Bocquet erreicht hat, der die
feine Knochenkohle nicht allein als solche, sondern sogar mit noch erhöhtem
Entfärbungsvermögen wieder gewinnt.
Das einfache, in Belgien, Frankreich und England patentirte Verfahren ist an wenige,
leicht zu erfüllende Bedingungen geknüpft.
'Die erste derselben, welche ohnehin allgemein befolgt wird, besteht darin, möglichst
wenig Zucker im Schlamme zu belassen; dies wird durch die neuen Aussüſsfilterpressen
leicht erreicht. Die zweite lautet dahin, daſs nun der Schlamm sofort und ehe die
darin enthaltenen organischen fremden Bestandtheile Zeit haben, sich zu zersetzen,
wiederbelebt wird.
Aus der Filterpresse wird der Schlamm in kleine, mit einem Deckel gut verschlossene
Töpfe bis zur Höhe des letzteren etwas fest gedrückt eingebracht und diese Töpfe
werden dann durch einen ununterbrochen arbeitenden Ofen mit horizontalen Röhren
bewegt. Wenn hier die Temperatur von 350 bis 400° bis ins Innere des Schlammes
gedrungen ist und die Gasentwickelung aufgehört hat, werden die Töpfe herausgenommen
und durch neue ersetzt u.s.w. Nach dem Erkalten wird die Kohle in einem mechanischen
Rührgefäſs mit etwas Salzsäure haltigem Wasser vermischt und dann in einer
Filterpresse mit Wasser und Dampf ausgewaschen. Die noch feuchte Kohle ist
unmittelbar zum Gebrauche fertig, kann aber auch getrocknet, gesiebt und an andere
Fabriken verkauft werden. Alle Klärungen mit dieser Kohle ergaben, im Vergleich zu
neuer, weniger gefärbte Klärsel, und zwar jedenfalls in Folge der Gegenwart von
verkohltem Blute in der Knochenkohle. Mittels dieses einfachen und wenig kostenden
Verfahrens wird die Ausgabe für neue Kohle aufgehoben oder doch mindestens um ¾
vermindert.
Aus den unreinen Nachproducten der Melassenentzuckerung kann nach Burkhard (Neue Zeitschrift für Zuckerindustrie, 1888
Bd. 20 S. 16;
Chemiker-Zeitung, 1888 Bd. 12 Repertorium Nr. 11 S. 39)
die Raffinose (vgl. 1886 259
424 ff. 1887 264 625) wie folgt dargestellt werden:
Die methylalkoholischen Extracte geben nach dem Abdampfen des Alkoholes häufig
Syrupe, die sich in Aethylalkohol von 80 Proc. lösen und nicht oder langsam und
schlecht krystallisiren. Man reinigt dieselben, indem man sie mit Wasser verdünnt,
auf dem Wasserbade kocht, bis aller Holzgeist verjagt ist, und trägt unter Rühren
nach und nach Strontianhydrat ein, bis die an der Oberfläche sich bildende
Krystallhaut auch nach längerem (20 Minuten) Kochen nicht mehr verschwindet. Hierbei
scheidet sich alle Raffinose als unlösliche Strontianverbindung ab, welche
abgenutscht, mit heiſser Strontianlösung gewaschen und mit Kohlensäure zerlegt wird.
Das Filtrat dickt man zum Syrup ein, löst bei 60 bis 70° in der eben nöthigen Menge
Alkohol von 80 Proc. und läſst 24 bis 48 Stunden stehen, wobei die Raffinose rein weiſs auskrystallisirt.
Aus flüssigen Syrupen der Melassenentzuckerung kann man reine, d.h. von Zucker freie
Raffinose erhalten, indem man die Lösung nach Scheibler's Verfahren mittels Monostrontiumsaccharat anrührt, sie durch
getrocknetes, vorher mit Holzgeist ausgezogenes Sägemehl o. dgl. aufsaugen läſst,
dieses in der Luftleere trocknet, und dann mit Methylalkohol auszieht. Nach dem
Entgeisten wird der erhaltene wässerige Extract, wie oben angegeben, mit
Strontianhydrat gereinigt.
Die verbesserte Vierwalzen-Zuckerrohrmühle von Fletcher und
Comp. (Poplar, London) nach dem Patente von Fletcher und Leblanc (Industries, 1888 S. 188) unterscheidet sich von der
bisherigen sehr wesentlich darin, daſs mit derselben drei getrennte und verschiedene
Pressungen ausgeübt werden.Ueber eine andere wirksame Verbesserung der Rohrmühlen vgl. 1887 263 * 306.
Textabbildung Bd. 268, S. 465Die erste (vgl. nebenstehende Figur) findet statt zwischen Walze II und I,
die zweite zwischen I und III, die dritte zwischen I und IV; die so auf mehrere
Perioden vertheilte Pressung sichert eine höhere Saftausbeute. Der Zwischenraum für
den ersten Durchgang des Rohres beträgt wie bei den gewöhnlichen Mühlen ¾ bis ⅞
Zoll; der für den zweiten etwa ⅛ Zoll und der für den dritten und letzten 1/16 Zoll und weniger. Der Saft
sammelt sich in der Grundplatte und flieſst durch c ab.
Wird Maceration des Rohres verlangt, so kann dieselbe in der Mühle selbst anfangen,
indem Dampf in die hohlen Rohrführungen ab hinter den
Megassemessern eingeführt wird.
Die drei äuſseren Walzen sind mittels beweglicher Lager und Stellschrauben regulirbar
und können auch während der Arbeit verstellt werden, um Verstopfung zu
vermeiden.
Der Druck wird nicht unmittelbar durch das guſseiserne Gestell, sondern durch
schmiedeeiserne Bolzen aufgenommen, so daſs sich eine Beschädigung auf das Brechen
weniger Bolzen beschränkt, und die Mühle dann immer noch wie eine gewöhnliche
Dreiwalzenmühle arbeiten kann.
Der Betrieb erfolgt durch Uebertragung mittels Zahnrädern von der mittleren Walze
aus, welche allein, wie gewöhnlich, gedreht wird.
Nach dem Bericht eines Fach-Ingenieurs liefert diese Mühle um 15 bis 20 Proc. mehr
Saft als die gewöhnlichen Rohrmühlen.
Die zur Zeit bestehenden niedrigen Zuckerpreise haben
mehrfach dazu Veranlassung gegeben, die Benutzung von Zucker-Nachproducten als Viehfutter zu empfehlen. Die bezüglichen Versuche bei
Ochsen, Kühen, Kälbern, Hammeln haben indessen bisher nicht zu bestimmt günstigen
Erfolgen geführt, und die Frage, ob diese Verwendung des Zuckers wirklich Vortheil
gewähre, ist als noch nicht vollständig gelöst zu betrachten. Namentlich schien die
Anwendung zur Schweinemast Aussichten zu bieten. In
dieser Beziehung hat nun Dr. F. Lehmann in Göttingen
neuerdings abschlieſsende Versuche angestellt und darüber berichtet (Journal für Landwirthschaft, 1887 Bd. 35 S. 113 ff.);
die Ergebnisse werden dahin zusammengefaſst, daſs die Zuckerzugabe zu einem
ausreichenden Mastfutter für Schweine keine Veränderung in der Beschaffenheit des
Fleisches verursacht, wohl aber das Fett etwas weicher macht, daſs sie das
procentische Schlachtgewicht erhöht und auf das Kilogramm Zucker 0k,332 Lebendgewicht bei den verschiedenartigsten
Futtermischungen, und ohne daſs eine Altersklasse oder Mastperiode bevorzugt wäre,
erzeugt. Was die mit der Beschleunigung der Mast zusammenhängende Rentabilität der Zuckerfütterung betrifft, so ergab
sich indessen, daſs die Beschleunigung der Mast bei dem angenommenen Zuckerpreise
von 35 M. für den Doppelcentner drittes Product zu theuer erkauft ist. Sollten eine
Ermäſsigung der Steuer oder andere Ursachen den Preis auf 20 M. für den
Doppelcentner herabmindern, so würde sich dagegen ein nicht unbedeutender Vortheil
ergeben.
Stammer.
(Fortsetzung folgt.)