Titel: | Neuerungen und Fortschritte in der Gasindustrie. |
Autor: | W. Leybold |
Fundstelle: | Band 269, Jahrgang 1888, S. 268 |
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Neuerungen und Fortschritte in der
Gasindustrie.
(Fortsetzung des Berichtes Bd. 268 S.
586.)
Neuerungen und Fortschritte in der Gasindustrie.
Messungen der üblichen Lichteinheiten. Im Auftrag des
städtischen Gasausschusses in London unternahm Dibdin
(Journal des usines à gaz, 1887 Bd. 11 S. 354) eine
Reihe von Versuchen, in welchen er die allgemein üblichen Lichteinheiten verglich;
besonders untersuchte er diejenigen, welche in der Praxis die gleichmäſsigsten
Resultate geben und sich am meisten dem bisher in England angenommenen Lichtmaſs
nähern.
Dibdin's Bericht enthält kurz folgende Ergebnisse und
Erfahrungen: Die erste Vorsicht bei den Experimenten, gegen welche so oft gefehlt
wird, bestand darin, daſs jede auſsergewöhnliche Temperaturerhöhung im Versuchsraum
vermieden wurde. Hierzu brachte er am Zuleitungsrohr zum Gasheizapparat eine Reihe
von 6 Quecksilberthermostaten an; wenn die Temperatur zu hoch wurde, dehnte sich das
Quecksilber aus und verringerte die Gaszufuhr. Die Thätigkeit dieses Apparates
erwies sich als ausgezeichnet und wurde derselbe in allen Gasversuchsstationen
eingeführt, welche unter der Aufsicht des genannten Ausschusses stehen. Dibdin stellte 2120 Versuche an, in welchen er mehr als
20000 Messungen vornahm. Die erhaltenen Resultate sind etwa folgende: Die Kerze, das
einzige Lichtmaſs in England, bewies mehr als je ihre Unbequemlichkeit; die Keates-Lampe, eine abgeänderte Moderateur-Lampe von 16
Kerzen, in welcher Walrathöl gebrannt wird, hat auch die auf sie gesetzten
Hoffnungen nicht erfüllt; auſserdem verlangt sie beim Einstellen eine
auſserordentliche Geduld des Arbeitenden. Die Pentanflamme ergab wie früher stets
ausgezeichnete Resultate, auch Harcourt's Pentanlampe
ergab zufriedenstellende Messungen. Der Methven-Schirm
mit carburirtem Gas zeigte sich sehr gut, wenn mit Sorgfalt gehandhabt. Sugg's Argandbrenner von 10 Kerzenstärken lieferte sehr
gute Ergebnisse, aber er bietet denselben Fehler wie Methven's früheres System, d.h. er beruht auf der Verwendung von
Kohlengas, welches in Wirklichkeit nicht als allgemeines Brennmaterial für eine
Normalflamme angenommen werden kann. Dibdin veränderte
den Sugg'schen Methven-Apparat so, daſs derselbe unabhängig vom Kohlengas ist und doch 10
Kerzen Licht liefert. Er änderte den Brenner und verbrannte daraus carburirte Luft;
die erhaltene Flamme war ähnlich der früheren. Die Carburirung geschah, indem er
Luft über Pentan streichen lieſs. Die Vorrichtung wurde geprüft, indem Dibdin den Carburator des Methven-Apparates erst mit Eis kühlte, sodann neben dem Pentan mit Wasser
von 27° (800 F.) und von 32° (90° F.) füllte. War die Flamme einmal eingestellt, so
zeigte in allen Fällen das Photometer immer dieselbe Helligkeit.
Statt carburirter Luft kann man im selben Brenner auch gewöhnliches Kohlengas
brennen, ohne daſs die Helligkeit sich ändert. Der so verbesserte Apparat hat den
Vortheil, daſs man die Flamme beträchtlich höher oder niedriger einstellen kann,
ohne daſs dadurch die den Schlitz im Schirm passirende Lichtmenge sich verändert.
Versuche mit 2½ bis 4 Zoll Flammenhöhe zeigten, daſs den Photometerschirm stets
dieselbe Lichtmenge aus dem Schlitz traf. Hieraus ergibt sich, daſs eine leichte
Schwankung in der vorgeschriebenen Flammenhöhe von 3 Zoll, sei sie zufällig oder aus
Nachlässigkeit entstanden, die Lichteinheit hier nicht verändert, während dies bei
Methven's Apparat der Fall ist; letzterer besitzt
nicht die genügende Gleichheit der Lichtstärke, sobald die Flamme sich nur ein wenig
ändert.
Die Amylacetatlampe von v. Hefner-Alteneck wurde
eingehend untersucht; ihr Licht wurde sehr gleichmäſsig befunden, aber bei der
normalen Flammenhöhe von 40mm noch kleiner als
eine Kerze. Auf 51mm gestellt, gibt sie dagegen
dieselben Resultate, wie die Pentanflamme und Methven's
Apparat. Die auſserordentliche Einfachheit und die Leichtigkeit des Transportes sind
groſse Vorzüge der Amyllampe; doch wegen der Farbe ihres Lichtes fällt es vielen
damit Arbeitenden schwer, übereinstimmende Resultate zu erlangen.Von den deutschen Gasfachmännern konnte dieser von Dibdin angeführte Anstand der zu düsteren Flammenfärbung der
Amyllampe nicht gefunden werden; vielmehr wurde auf den
Gasfachmännerversammlungen zu Eisenach 1885 und Hamburg 1886 stets die der
Gasflamme ähnliche Farbe hervorgehoben. Der Pentanflamme
gegenüber fällt dies besonders auf.
Dibdin hatte beabsichtigt, elektrische Glühlampen in den
Bereich seiner Untersuchungen zu ziehen, doch konnte er trotz vieler Versprechungen
keine solchen
erlangen, und schloſs daraus, daſs deren Darstellung und Leuchtkraft noch keine
absolut gleichmäſsige sein könne.
Ueber Violle's Lichteinheit, die von geschmolzenem
Platin ausstrahlende Lichtmenge, welche bekanntlich der französische
Elektrikercongreſs als Normallicht angenommen hat, stellte Dibdin keine Versuche an, wie auch seit Violle's Experimenten keine weiteren Untersuchungen damit vorgenommen
wurden.
Das Licht der verschiedenen Normalflammen wurde mittels des Spektroskops geprüft; es
wurde festgestellt, daſs die Gasflamme, die Pentanflamme, Keates-Lampe, der Methven-Apparat und die
Kerzen identische Spektren ergeben. Die Amylacetatflamme zeigt eine sehr bemerkbare
Verkleinerung am Rand des Spektrums, der gelbe Theil desselben ist weniger bestimmt
als bei den übrigen Flammen. Bis zum Glühen erhitztes Platin ergibt ein in seiner
ganzen Ausdehnung sehr schön leuchtendes Spektrum. Verschiedenheiten im Spektrum
verschiedener Kerzensorten rühren daher, daſs die Kerzen mancher Fabrikanten
deutliche Natriumstreifen ergeben; dieselben rühren vom Borax her, mit dem die
Dochte getränkt sind. Ein Lichtmaſs, welches die Kerze ersetzen soll, muſs folgende
drei Hauptbedingungen erfüllen:
1) Es muſs ein genau bestimmtes, leicht erhältliches Brennmaterial besitzen.
2) Es muſs genau die Bedingungen erkennen lassen, unter welchen sich die Substanz
beim Gebrauch befindet.
3) Man soll schnell und genau die Schnelligkeit der Verbrennung beobachten können
nebst der Art und Weise, wie solche vor sich geht.
Nach diesen wünschenswerthen Bedingungen läſst sich beurtheilen, welches von den
Lichtmaſsen das vortheilhafteste ist. Harcourt's
Pentanflamme, Keates' Walrathlampe und v. Hefner-Alteneck's Amyllampe genügen den drei
Bedingungen, nicht so aber der Methven-Schirm, auch
nicht die Pentanlampe, der 10kerzige Sugg'sche
Argandbrenner und deren Verbesserung, die Argandpentanlampe, obwohl sie in der
Praxis bessere Resultate geben; denn dieselben hängen zu sehr von der Gröſse des
Consums ab, welch letzterer von der Art des Brennmateriales abhängig ist, verbunden
mit einer bestimmten Flammenhöhe; sie bieten der Beobachtung kein Controlmittel,
welches erkennen läſst, ob sich die Flammenhöhe während des Versuches nicht geändert
hat. Bei der Argandpentanlampe ist zwar keine solche Schwankung möglich, aber eine
Controle darüber existirt nicht. – Unter den Apparaten, welche den drei genannten
Bedingungen entsprechen, zeichnet sich die Keates-Walrathöllampe unvortheilhaft dadurch aus, daſs wenn sie einmal
gebrannt hat, bei weiterem Gebrauch der Docht abgeschnitten oder erneuert werden
muſs. Daraus können Unterschiede in der Helligkeit entstehen; auſserdem hatten
mehrere Beobachter Schwierigkeiten, eine gleichmäſsige Flamme mit dieser Lampe zu
erzielen. Aus diesen Gründen hat Dibdin sich nicht weiter
mit dieser Lampe beschäftigt. Die Amylacetatlampe bietet groſse Vortheile,
hauptsächlich wegen ihrer besonderen Einfachheit und leichten Transportfähigkeit.
Als Nachtheil betrachtet Dibdin jedoch die düstere
Farbe ihrer Flamme (bei uns noch nicht beanstandet). Die Pentanflamme im
Einlochbrenner entspricht nach Dibdin allen
AnforderungenAbgesehen von der geringen Transportfähigkeit.; die Versuche
zeigten, daſs die Herstellung carburirter Luft eine leichte und ungefährliche Sache,
daſs die Messung des nöthigen Luftvolumens einfach und genau sei, ferner daſs die
Einstellung der Flammenhöhe sehr exact und leicht sich bewerkstelligen läſst. Die
Farbe der Pentanflamme ist gleich der des Kohlengases. Der Apparat gibt, mit
Sorgfalt behandelt, auch die nöthige Gleichmäſsigkeit der Flamme; während der ganzen
Dauer der Versuche konnte kein Anstand gefunden werden. Die einzig nöthige Vorsaht
ist die, starken Luftzug zu vermeiden. Zu diesem Zweck hatte Dibdin den Photometerkasten, in dem die Flamme sich befand, möglichst
groſs eingerichtet und mit langsamer Lufterneuerung versehen; letzteres wurde durch
ein Loch in der oberen Holzvertäfelung von 4 Zoll Durchmesser und einige Ausschnitte
unter den Flammen erreicht. Selbst in einem zugigen Raum beseitigt der Kasten das
Flackern der Flammen.
Nach Dibdins Versuchen kommen bei den verschiedenen
Lampen Abweichungen bis zu 10 Proc. gewöhnlich vor; bei der Pentanflamme dagegen ist
2 Proc. schon eine Ausnahme, welche überhaupt nur dreimal beobachtet wurde. Bei den
Kerzen dagegen ist es nur selten, daſs sie gleichmäſsige Resultate ergeben; manche
Irrthümer mögen übrigens von erhöhter Temperatur des Raumes herrühren, welche auf
die Kerze von groſsem Einfluſs ist. So zeigte es sich z.B., wenn 4 oder 5 Personen
zugleich in einem kleineren Raum arbeiteten, daſs die Kerzenflamme sich in der
Helligkeit wesentlich verringerte.
Der Methven-Schirm wird gewöhnlich zu 2 Kerzen
angenommen; dessen Helligkeit beträgt genau das Doppelte der Pentanflamme, welche
letztere demnach einer Kerze gleichkommt.
Folgende Tabelle gibt in der 1. Reihe die Zahl der mit jedem Lichtmaſs angestellten
Versuche, in der 2. Reihe die Zahl der Messungen, welche nicht über 1 Proc. vom
Mittel abweichen; in der 3. Reihe den Betrag dieser letzteren Messungen in
Procenten:
Kerzen
454
154
34
Proc.
Keates-Lampe
244
98
39
„
Pentanlampe
468
373
80
„
Methven-Schirm
283
211
74
„
Sugg's 10kerziger Argandbrenner
49
43
88
„
Argandpentanlampe
243
212
87
„
Amylacetatlampe
225
206
90
„
Harcourt's Pentanflamme
154
150
97
„
––––
Gesammtversuche
2120
Auf Grund dieser Versuche empfiehlt Dibdin die
Einführung Vernon Harcourt's Pentanflamme als
Normallichteinheit, indem 97 Proc. der damit angestellten Messungen sich um
höchstens 1 Proc. vom Mittel abweichend zeigten.
Es ist aus diesen Versuchen auch zu ersehen, daſs die nächstbeste Lichteinheit die
Amyllampe war mit 90 Proc; ihrer sonstigen vielen Vorzüge wegen kann dieselbe ebenso
wohl als Normalmaſs empfohlen werden.
W. Leybold.