| Titel: | Flusseisen für Brückenbauten. | 
| Fundstelle: | Band 269, Jahrgang 1888, S. 405 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        Fluſseisen für Brückenbauten.
                        Fluſseisen für Brückenbauten.
                        
                     
                        
                           Unter der vorstehenden Ueberschrift bringt „Stahl und
                                    											Eisen“ in Nr. 7 vom Juli nachstehende sehr bemerkenswerte
                              									Mittheilungen von dem Eisenbahnbauinspektor Mehrtens.
                           
                        
                           I.
                           Wenn bei der Herstellung von Brückentragwerken das Schweiſseisen zur Zeit noch der
                              									bevorzugte Stoff ist, so erwächst ihm doch in der Stille und ganz allmählig im
                              									Fluſseisen ein mächtiger Nebenbuhler. Für die wichtigsten
                              									Eisenbahnbedarfsgegenstände gilt das Fluſseisen bezieh. der Fluſsstahl seit Jahren
                              									schon als der geeignetste Baustoff, aber auch auf den Gebieten der Constructionen
                              									der verschiedensten Baufächer macht sich eine Strömung zu Gunsten des Fluſsmetalles
                              									geltend. Der Bau fluſsstählerner Schiffe und Kessel hat bereits eine bedeutende
                              									Ausdehnung gewonnen. Selbst in unserem engeren Vaterlande, dessen Bauverwaltungen,
                              									indem sie das Schweiſseisen bevorzugen, dem Fluſseisen gegenüber sich meistens noch
                              									abwartend verhalten, hat wenigstens der Schiffbau in Stahl sich den ihm gebührenden
                              									Platz erobert. Jedoch sieht man bei uns die Verwendung des Fluſseisens zu
                              									Dampfkesseln, Brückentragwerken und derlei Constructionen meist noch mit ungünstigen
                              									Augen an.
                           Danach bedarf die Frage der Verwendung des Fluſseisens für Constructionen zwar immer
                              									noch der Klärung, jedoch ist nicht zu verkennen, daſs sie ihrer Lösung mit raschen
                              									Schritten entgegeneilt. Die rumänische Regierung hat auf den Rath ihrer Ingenieure
                              									vor Inangriffnahme des Baues der groſsen Eisenbahnbrücken über die beiden Donauarme
                              									bei Cernavoda die Fluſseisenfrage einer gründlichen Erörterung unterworfen, indem
                              									sie sich durch Vermittelung des französischen Ministers der öffentlichen Arbeiten
                              									die bezüglichen Ansichten bedeutender französischer Ingenieure, insbesondere des „Conseil général des ponts et chaussées“, einholte.
                           Nachdem wir zunächst Lage und Abmessungen der in Rede stehenden Brücken mit einigen
                              									Worten berührt haben, werden wir das in den „Annales des ponts et chaussées“ veröffentlichte Gutachten einer vom
                              										„Conseil“ eingesetzten Commission in seinen wesentlichsten Punkten
                              									auszugsweise wiedergeben und daran eine Besprechung knüpfen.
                           Die Brücken liegen in der zwischen den Städten Cernavoda an der Donau und Constantza
                              									am Schwarzen Meere zu erbauenden Strecke der Eisenbahnlinie
                              									Bukarest-Cernavoda-Constantza, welche zwei Arme der Donau und eine dazwischen
                              									liegende Insel in gerader Linie überschneidet. Die Brücke über den bei Cernavoda
                              									vorbeiführenden Hauptarm hat vier, diejenige über den Borcea-Arm drei Oeffnungen von
                              									je 165m Spannweite. Diese beiden mit wagerechter
                              									Fahrbahn angelegten Fluſsbrücken verbindet ein im Bahngefälle von 1 : 100 liegender
                              									Viaduct mit 52
                              									Oeffnungen von je 50m Spannweite. Alle Ueberbauten
                              									sind Balkenbrücken und für die Fluſsbrücken nach dem Halbparabelträger-Systeme, für
                              									den Viaduct nach dem Parabelträger-Systeme ausgebildet.
                           
                        
                           II.
                           Bei den selbst für auſsereuropäische Verhältnisse ungewöhnlichen Abmessungen der
                              									vorliegenden Spannweiten war es geboten, der Fluſseisenfrage die eingehendste
                              									Beachtung zu schenken. Der Commission war die Wahl zwischen Schweiſseisen und Martin-Fluſsstahl gestellt. Sie zog dabei folgende
                              									Sonderpunkte in den Bereich ihrer Untersuchungen:
                           1) Vergleich der Gewichte für Brücken aus Schweiſseisen und Martinstahl bei verschiedenen Spannweiten.
                           2) Vergleich der Kosten der Materialbeschaffung und Verarbeitung.
                           3) Bestimmung der Grenze der Spannweite, für welche die Verwendung von Fluſsstahl
                              									vortheilhafter ist, als Schweiſseisen.
                           4) Feststellung der Bedingungen für die Festigkeitseigenschaften der vorzuschlagenden
                              									Fluſsstahlsorte.
                           5) Beste Art der Verarbeitung und Vernietung.
                           Zu diesem Behufe hielt die Commission Umfrage bei den bedeutendsten französischen
                              									Hüttenwerken (von Batignolles, Fives-Lille, Creusot, Cail, Terre-Noire) und einigen
                              									hervorragenden französischen Ingenieuren. Auſserdem studirte sie die zur Zeit bei
                              									der französischen Marine, der englischen Admiralität und dem Board of Trade
                              									geltenden Bestimmungen und Gepflogenheiten, sowie auch einzelne der bereits
                              									vorliegenden Ausführungen von fluſsstählernen Brückenconstructionen. Soweit die
                              									Ergebnisse der Umfragen und vergleichenden Untersuchungen sich kurz zusammenfassen
                              									lieſsen, wurden sie, wie nachstehend angegeben, tabellarisch geordnet. Die
                              									ausführlicheren Einzelberichte sind in der Quelle nachzulesen.
                           Der Commissionsbericht wird durch kurze Angaben über die erstmalige Verwendung des
                              									Fluſseisens und der dabei erzielten Miſserfolge eingeleitet, verbreitet sich darauf
                              									im Allgemeinen über die nothwendigen Eigenschaften der zu wählenden Fluſseisensorte
                              									und über die heutigen Preisunterschiede zwischen diesem Materiale und dem
                              									Schweiſseisen. Die Commission kommt danach zum Schlusse, daſs für die Oeffnungen von
                              										165m Weite die Verwendung von Martinstahl zu empfehlen sei, weil, abgesehen von der
                              									bei der Herstellung der Construction zu erzielenden Kostenersparniſs, die
                              									Verminderung des Eigengewichtes der fluſsstählernen Ueberbauten um etwa 40 Proc.
                              									gegenüber demjenigen der schweiſseisernen Construction nicht allein die
                              									Aufstellungsarbeiten bedeutend erleichtern, sondern auch die Abmessungen der Pfeiler
                              									beschränken und die Gründung derselben erleichtern helfe. Dagegen sei anzurathen,
                              									für die Ueberbauten von nur 50m Weite die Wahl
                              									des
                           
                           
                              
                                 
                                 Namen der Werke,
                                    											Behördenoder Brücken
                                 Festigkeits-Bedingungen
                                 Zulässige
                                    											In-anspruch-nahme in kund qmm
                                 Verhältnifszwischen demPreise
                                    											von Stahlund Eisen
                                 Material der Niete
                                 Art der Nietloch-herstellung
                                 Ersparniſs zuGunsten desStahles
                                    											beiOeffnungen von
                                 
                              
                                 k/qmm
                                 Proc.
                                 k/qmm
                                 165m
                                 50m
                                 
                              
                                 Zug-festigkeit
                                 Dehnungauf200mm
                                 Elastici-tätsgrenze
                                 Haupt-träger
                                 Bahn-gerippeu.s.w.
                                 in Proc.
                                 
                              
                                   1
                                 Werke von Batignolles
                                 45–50
                                 20–18
                                 –
                                 10–12
                                 –
                                 0,80
                                 Stahl
                                 aufgerieben
                                 25–33
                                 0–7
                                 
                              
                                   2
                                      „      „   Fives-Lille
                                 45–50
                                 20
                                 
                                 10–11
                                 9
                                 0,87
                                 Eisen
                                 aufgerieben
                                 12–15
                                 0–8
                                 
                              
                                   3
                                      „      „   Creusot
                                 42–45
                                 22–20
                                 21
                                 
                                 
                                 0,87
                                 Stahl
                                 gestoſsen
                                 
                                 
                                 
                              
                                   4
                                      „      „   Cail
                                 45
                                 20
                                 21
                                 12
                                 
                                 0,95
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                   5
                                      „      „   Terre-Noire
                                 42–45
                                 22–20
                                 22–25
                                 10
                                 10
                                 0,75
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                   6
                                 Gesellschaft P.-I.-M
                                 42
                                 20*
                                 26
                                 10
                                 8
                                 –
                                 Eisen
                                 aufgerieben
                                 27–30
                                 0–8
                                 
                              
                                   7  88a
                                 Französische    Marine-
                                 (Bleche von   6 bis  8mm      „       „     8  „  20      „       „   20 
                                    											„  30
                                 434242
                                 212224
                                 –––
                                 –––
                                 –––
                                 –––
                                 EisenoderStahl
                                 aufgerieben
                                 –––
                                 –––
                                 
                              
                                   9
                                 Englische Admiralität
                                 42–49
                                 20
                                 –
                                 10,7
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 10
                                 Brücke über den Firth of Forth
                                 47–52
                                 20
                                 –
                                 11,8
                                 –
                                 –
                                 Stahl
                                 gebohrt
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 11
                                 Brücken in Lyon
                                 47
                                 24*
                                 24
                                 10
                                 –
                                 –
                                 Stahl
                                 
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 12
                                 Eisenbahnlinie Tours-Sargé
                                 40–48
                                 24*
                                 24
                                 10
                                 –
                                 –
                                 Stahl
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 13
                                 Brücken in Rouen
                                 50
                                 18
                                 22
                                 –
                                 –
                                 –
                                 Eisen
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 14
                                 Drehbrücke in Caen
                                 50
                                 25*
                                 25
                                 10
                                 –
                                 –
                                 Stahl
                                 gebohrt
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 15
                                 Plattsmouth und Bismarckbrücken
                                 –
                                 –
                                 –
                                 10,8
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                              
                           * Auf nur 100mm Gebrauchslänge des Probestabes
                              									gemessen.
                           
                           Materiales den Werken, welche bei Vergebung der Arbeiten mit
                              									einander in Wettbewerb treten würden, freizustellen, weil bei diesen Ueberbauten
                              									zwar auch eine Gewichtsverminderung von etwa 20 bis 25 Proc. zu erwarten stehe, aber
                              									der dadurch erreichte Nutzen durch andere Umstände, welche die Commission nicht in
                              									der Lage sei, eingehend in Betracht zu ziehen, auf ein unerhebliches Maſs herunter
                              									gedrückt werden könne.
                           
                        
                           III.
                           Im wichtigsten Theile des Berichtes, welcher die Festsetzung der Bedingungen für die
                              									Lieferung und technologische Bearbeitung der zu wählenden Fluſsstahlsorte enthält,
                              									wird bestimmt, daſs das Material derselben bei der Prüfung mindestens 42k und höchstens 45k Zugfestigkeit, ferner mindestens 21 Proc. Dehnung und eine
                              									Elasticitätsgrenze von 24k aufweisen soll. Die
                              									Summe der Gütezahlen (Werthziffern) für Zugfestigkeit und Dehnung darf dabei nicht
                              									weniger als 65 betragen. Die Gütezahlen gelten bei Formeisen nur für die Längsfaser,
                              									bei Blechen im Allgemeinen für Längs- und Querfaser. Nur bei Blechen unter 400mm Breite dürfen Zugfestigkeit und Dehnung nach
                              									der Querfaser um 2k bezieh. 2 Proc. geringer sein,
                              									als oben vorgeschrieben. Die Niete sind aus Fluſsschmiedeeisen (acier doux) von
                              										38k Zugfestigkeit und 28 Proc. Dehnung zu
                              									fertigen.
                           Auſser den Festigkeitsproben sollen noch Härtebiegeproben und Warmschmiedeproben
                              									vorgenommen werden und zwar nach den bekannten, darüber bei der französischen Marine
                              									schon seit längerer Zeit bestehenden Vorschriften.Vgl. Verfassers „Eisen und Eisenconstructionen“, S. 287.
                           Die zulässige Inanspruchnahme des Materiales darf für die Hauptträger der Brücke in
                              									Folge der Einwirkung des Eigengewichtes, einschlieſslich der Verkehrs- und Windlast,
                              									höchstens 12k, für das Bahngerippe bezieh. solche
                              									Brückentheile, welche den Stöſsen der Verkehrslast und deren Veränderlichkeit
                              									unmittelbar ausgesetzt sind, höchstens 9k auf 1qmm Querschnittsfläche betragen. Bei der
                              									Querschnittsberechnung sollen sowohl in den. gedrückten als auch in den gezogenen
                              									Brückengliedern die Nietlöcher in Abzug gebracht werden. Die Inanspruchnahme der
                              									fluſseisernen Niete wird auf höchstens 7k für 1qmm Querschnittsfläche angesetzt.
                           Das Richten und Ebenen der Bleche in der Werkstatt soll möglichst ohne starke Stöſse
                              									oder Schläge auf Walzwerken vor sich gehen. Auf dem Walzwerke dürfen nur kupferne
                              									Hämmer gebraucht werden. Der Gebrauch von eisernen Hämmern soll dort verboten
                              									werden. – Stücke, welche warm bearbeitet wurden, sollen nachträglich ausgeglüht
                              									werden. Stücke, welche mit der Schere beschnitten worden sind, müssen an den
                              									Schnitträndern 2mm stark nachgehobelt werden.
                           
                           Die gestoſsenen Nietlöcher müssen durch Aufreiben um 2mm im Durchmesser erweitert werden. Das Nieten soll sowohl in der
                              									Werkstatt als auch auf dem Bauplatze mit Hilfe von Maschinen bewerkstelligt werden,
                              									wobei die Niete im Ofen anzuwärmen sind.
                           
                        
                           IV.
                           Obwohl die vorstehend wiedergegebenen Bedingungen mit denjenigen Anforderungen,
                              									welche bei Errichtung ähnlicher Constructionen zur Zeit auch bei uns in Deutschland
                              									gestellt werden oder gestellt werden könnten, im Allgemeinen sich decken, so sind
                              									wir doch der Ansicht, daſs einzelne Vorschriften derselben für deutsche Verhältnisse
                              									eine Abänderung nicht nur zulassen, sondern sogar wünschenswerth machen.
                           In erster Linie eignet sich hierzu die Vorschrift über die zulässige Inanspruchnahme.
                              									Die französischen Grenzzahlen von 12k und 9k müssen nämlich zu klein erscheinen, wenn man
                              									erwägt, daſs es sich um Erbauung einer Brücke von ganz bedeutender Spannweite
                              									handelt, bei welcher deshalb die Inanspruchnahme durch das unveränderliche
                              									Eigengewicht diejenige durch die veränderliche Verkehrslast erheblich übersteigt,
                              									also um eine Construction, für welche nach deutschen Gepflogenheiten, selbst bei
                              									Verwendung von Schweiſseisen, für den denkbar ungünstigsten Belastungsfall, wo das
                              									Eigengewicht mit der Verkehrsund Windlast zusammenwirkt – sorgfältigste
                              									Spannungsermittelung bezieh. Berücksichtigung der Nebenspannungen vorausgesetzt –
                              									eine Inanspruchnahme von 11 bis 12k, d.h. eine
                              									etwa dreifache Sicherheit für zulässig erachtet wird.
                           Ob für Belastungsfälle, wie die geschilderten, bei groſsen Spannweiten die Annahme
                              									einer dreifachen Sicherheit ausreichend ist, darüber konnte man verschiedener
                              									Meinung sein. Wir begnügen uns damit, die Thatsache hinzustellen, daſs die meisten
                              									unserer neueren gröſseren, schmiedeeisernen Brückentragwerke für gedachten Fall
                              									keine gröſsere Sicherheit bieten und daſs ein solcher Sicherheitsgrad mangels
                              									gegentheiliger Erfahrungen bei uns für ausreichend erachtet wird. Folgerichtig wären
                              									wir befugt, bei Erbauung von Fluſseisenbrücken (nach den gleichen Grundsätzen) eine
                              									höhere Inanspruchnahme als 12k einzuführen, wenn
                              									die Widerstandsfähigkeit einer fluſseisernen Construction diejenige einer ebenso
                              									gebauten schweiſseisernen überträfe. Daſs dies wirklich der Fall sei, sind wir
                              									berechtigt auf Grund des Vergleiches der Festigkeitseigenschaften beider Eisensorten
                              									vorauszusetzen. Legt man als Maſs der Widerstandsfähigkeiten der Einfachheit halber
                              									die betreffenden Zugfestigkeiten mit 36k bezieh.
                              										42k zu Grunde, so dürften wir danach für
                              									fluſseiserne Constructionen eine zulässige Inanspruchnahme von höchstens
                              										\frac{12\,.\,42}{36}=14^k auf 1qmm Querschnittsfläche in Ansatz bringen. Wenn allerdings der durch die französischen
                              									Grenzzahlen gewährleistete Sicherheitsgrad in Wirklichkeit zu der zu erwartenden
                              									Widerstandsfähigkeit der fluſseisernen Constructionen im passenden Verhältnisse
                              									stünde – was wir nach Vorstehendem nicht voraussetzen – dann sähen wir in der
                              									Verwendung von Fluſseisen an Stelle des Schweiſseisens zur Zeit keinen Vortheil,
                              									sondern nur Nachtheile, weil bei der verlangten niedrig bemessenen Inanspruchnahme
                              									eine Herabminderung der Querschnitte der fluſseisernen Brückentheile gegenüber den
                              									gebräuchlichen Abmessungen der schweiſseisernen Theile, also auch eine Gewichts- und
                              									Kostenersparniſs nicht eintreten könnte.
                           Ein zweiter Punkt, den wir glauben berühren zu müssen, betrifft die für
                              									Brückentragwerke geeignetste chemische Zusammensetzung des Fluſsmetalles. Es ist
                              									auffällig, daſs der auf so umfangreiche Untersuchungen sich stützende
                              									Commissionsbericht über diesen Punkt schweigend hinweg geht. Nur in dem
                              									Einzelgutachten des Oberingenieurs Considère finden wir
                              									die Forderung, daſs das Fluſsmetall nicht über 0,08 Proc. Phosphor enthalten dürfe.
                              									Von chemischen Proben – die auch wir (allerdings unter gewissen Bedingungen) für
                              									entbehrlich halten, ist nirgends die Rede. Und doch liegt es wohl auf der Hand, daſs
                              									es dem Bauingenieur nicht so ganz einerlei sein kann, in welcher chemischen
                              									Zusammensetzung er das Fluſsmetall aus den Händen des Hüttenmannes empfängt. Ohne
                              									dem maſsgebenderen Urtheile der Hüttenmänner damit vorgreifen zu wollen, sprechen
                              									wir unsere Meinung dahin aus, daſs der Bauingenieur berechtigt erscheint, bei
                              									gleichen Festigkeitseigenschaften das von fremden Bestandtheilen (Phosphor, Silicium
                              									und Schwefel) reinere Metall mit höherem Kohlenstoffgehalte und geringerem
                              									Mangangehalte dem weniger reinen Metalle mit niedrigerem Gehalte an Kohlenstoff und
                              									höherem Gehalte an Mangan vorzuziehen. Denn je reiner das Eisen, desto zäher ist es,
                              									und es wird, wie bisher, wohl immer die vornehmste Aufgabe des Eisenhüttenmannes
                              									bleiben müssen, das Kohlenstoffeisen möglichst rein aus den Erzen abzuscheiden.
                              									Mangan wird nie einen vollwerthigen Ersatz für Kohlenstoff bieten können.
                           Daſs es nur bei Innehaltung eines gewissen Höchstgehaltes an Kohlenstoff
                              									hüttentechnisch möglich bleibt, ein Fluſsmetall von bestimmt vorgeschriebenen
                              									Festigkeitseigenschaften zu erzeugen, unterliegt keinem Zweifel. Der Höchstgehalt an
                              									Kohlenstoff wird aber mit der Reinheit des Metalles steigen können und Sache der
                              									Hüttenmänner würde es sein zu entscheiden, ob nicht dem Bauingenieur zum Besitze
                              									eines derartigen möglichst reinen Kohlenstoff-Fluſsmetalles verholfen werden kann.
                              									Letzterer würde dann, da mit der Reinheit des Eisens dessen Zähigkeit wächst, unter
                              									Umständen dazu schreiten dürfen, ein Fluſsmetall zu verwenden, dessen
                              									Festigkeitseigenschaften höhere, als die bisher gebräuchlichen Werthziffern
                              									aufweisen.
                           Damit wären wir bei dem letzten der zu besprechenden Punkte, Wahl der Gütezahlen oder
                              									Werthziffern der Festigkeitseigenschaften, angelangt. Die von der Commission
                              									vorgeschlagenen Zahlen: 42 bis 45k Zugfestigkeit,
                              									21 Proc. Dehnung und 24k Elasticitätsgrenze
                              									entsprechen im Mittel etwa denjenigen Werthen, welche heute die Mehrzahl der
                              									Constructeure für die passendsten hält. Wenn man nun bedenkt, daſs bei den ersten
                              									Versuchen mit dem Fluſsmetalle das Verlangen nach hoher Festigkeit vorherrschend
                              									war, daſs man im Laufe der Zeit aber gezwungenermaſsen die Anforderungen an die
                              									Festigkeit nach und nach ermäſsigen, dagegen diejenigen an die Zähigkeit erhöhen
                              									muſste; wenn man ferner beobachtet, wie die augenblickliche, einer gewissen
                              									Zwangslage entsprechende Strömung sichtlich dahin gerichtet ist, die Werthziffern
                              									der Festigkeit immer noch mehr, selbst bis zu derjenigen des Schweiſseisens herab,
                              									zu ermäſsigen, so kann man sich angesichts der zu erwartenden Aufgaben und
                              									Fortschritte des Brückenbaues der Befürchtung nicht entschlagen, die augenblickliche
                              									Strömung möchte solchergestalt in eine falsche Bahn gelenkt werden.
                           Der Brückenbauingenieur wird ja erfreut sein, wenn er anstatt des Schweiſseisens in
                              									dem Kohlenstoff armen, reinen Fluſsschmiedeeisen einen Baustoff erhält, den er als
                              									vollgültigen Ersatz des Schmiedeeisens selbst für die geringfügigsten Tragwerke
                              									verwenden kann. Wenn aber an ihn gröſsere Aufgaben herantreten, wenn es für ihn
                              									gilt, ungewöhnliche Spannweiten zu überbrücken, dann wird ihm das Fluſsschmiedeeisen
                              									dem Schweiſseisen gegenüber voraussichtlich keine oder nur wenige Vortheile bieten.
                              									Er wird es von der Hand weisen und nach einem Fluſseisen verlangen, welches
                              									bedeutende Festigkeit mit hoher Zähigkeit vereint, damit er durch Verminderung der
                              									todten Last der Ueberbauten sein Werk verbilligern oder dessen Spannweite bis aufs
                              									äuſserste Maſs erstrecken kann.
                           Der vorstehend ausgeführte Grundgedanke: „Streben nach dem Erhalte und der
                                 										Möglichkeit der Verwendung eines Fluſsmetalles von groſser Festigkeit und
                                 										Zähigkeit“ scheint auch Considère bei der
                              									Abfassung seines Einzelgutachtens vorgeschwebt zu haben. Er verlangt nämlich darin
                              									ein Fluſsmetall von mindestens 55k Zugfestigkeit,
                              									30 bis 32k Elasticitätsgrenze, 19 Proc. Dehnung
                              									und 37 bis 42 Proc. Einschnürung. Bei Begründung dieser hohen Ziffern weist er
                              									vergleichsweise auf die Festigkeits- und Belastungsverhältnisse der
                              									Eisenbahnschienen hin. Er unterläſst allerdings dabei hervorzuheben, daſs die
                              									Schienen viel kürzere Dauer haben, als wir sie von Theilen der Brückentragwerke
                              									erwarten müssen, und daſs die Form des Schienenquerschnittes und die geringe
                              									Bearbeitung, welche die Schiene erleidet, neben ihrer groſsen Festigkeit Mitursachen
                              									ihrer bedeutenden Widerstandsfähigkeit sind. Zutreffend bemerkt er aber, daſs die
                              									Beanspruchung keines Theiles einer eisernen Brücke eine derartig gewaltsame, mit
                              									Stöſsen, Erschütterungen und Formänderungen verknüpfte sei, als diejenige der
                              									Schiene, und daſs es
                              									daher wohl angängig sei, ein zähes Fluſsmetall, von annähernd so hoher Festigkeit
                              									wie diejenige der Schiene, als Brückenbaustoff mit Sicherheit zu verbrauchen.
                           Wir sind der nämlichen Meinung, indem wir glauben, daſs unter Umständen Hüttenmann
                              									und Bauingenieur sich behufs Erreichung des angedeuteten Zieles entgegen kommen und
                              									in die Hände arbeiten werden. Dann wird in der heutigen Strömung zu Gunsten des
                              									Fluſsschmiedeeisens voraussichtlich über kurz oder lang eine Spaltung eintreten,
                              									deren Wachsthum vorwiegend der ausgebreiteteren Verwendung eines zähharten, festen
                              									Fluſsstahles zu gute kommen dürfte. Um ein solches Ereigniſs vorhersagen zu können,
                              									braucht man kein groſser Prophet zu sein. Allerdings wird bis zu seinem
                              									augenfälligen Eintritte wohl noch eine Spanne Zeit verflieſsen; inzwischen mögen
                              									unsere Hüttenmänner es sich angelegen sein lassen, das gewünschte Metall in
                              									vorzüglicher Güte zu erzeugen, und unsere Bauingenieure mögen, um mit veralteten
                              									Gewohnheiten aufräumen zu können, versuchen, bei Anordnung der Brückenquerschnitte
                              									und Verbindung der Brückentheile neuen Ideen und Gebräuchen Geltung und Boden zu
                              									verschaffen.