Titel: | Flusseisen für Brückenbauten. |
Fundstelle: | Band 269, Jahrgang 1888, S. 405 |
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Fluſseisen für Brückenbauten.
Fluſseisen für Brückenbauten.
Unter der vorstehenden Ueberschrift bringt „Stahl und
Eisen“ in Nr. 7 vom Juli nachstehende sehr bemerkenswerte
Mittheilungen von dem Eisenbahnbauinspektor Mehrtens.
I.
Wenn bei der Herstellung von Brückentragwerken das Schweiſseisen zur Zeit noch der
bevorzugte Stoff ist, so erwächst ihm doch in der Stille und ganz allmählig im
Fluſseisen ein mächtiger Nebenbuhler. Für die wichtigsten
Eisenbahnbedarfsgegenstände gilt das Fluſseisen bezieh. der Fluſsstahl seit Jahren
schon als der geeignetste Baustoff, aber auch auf den Gebieten der Constructionen
der verschiedensten Baufächer macht sich eine Strömung zu Gunsten des Fluſsmetalles
geltend. Der Bau fluſsstählerner Schiffe und Kessel hat bereits eine bedeutende
Ausdehnung gewonnen. Selbst in unserem engeren Vaterlande, dessen Bauverwaltungen,
indem sie das Schweiſseisen bevorzugen, dem Fluſseisen gegenüber sich meistens noch
abwartend verhalten, hat wenigstens der Schiffbau in Stahl sich den ihm gebührenden
Platz erobert. Jedoch sieht man bei uns die Verwendung des Fluſseisens zu
Dampfkesseln, Brückentragwerken und derlei Constructionen meist noch mit ungünstigen
Augen an.
Danach bedarf die Frage der Verwendung des Fluſseisens für Constructionen zwar immer
noch der Klärung, jedoch ist nicht zu verkennen, daſs sie ihrer Lösung mit raschen
Schritten entgegeneilt. Die rumänische Regierung hat auf den Rath ihrer Ingenieure
vor Inangriffnahme des Baues der groſsen Eisenbahnbrücken über die beiden Donauarme
bei Cernavoda die Fluſseisenfrage einer gründlichen Erörterung unterworfen, indem
sie sich durch Vermittelung des französischen Ministers der öffentlichen Arbeiten
die bezüglichen Ansichten bedeutender französischer Ingenieure, insbesondere des „Conseil général des ponts et chaussées“, einholte.
Nachdem wir zunächst Lage und Abmessungen der in Rede stehenden Brücken mit einigen
Worten berührt haben, werden wir das in den „Annales des ponts et chaussées“ veröffentlichte Gutachten einer vom
„Conseil“ eingesetzten Commission in seinen wesentlichsten Punkten
auszugsweise wiedergeben und daran eine Besprechung knüpfen.
Die Brücken liegen in der zwischen den Städten Cernavoda an der Donau und Constantza
am Schwarzen Meere zu erbauenden Strecke der Eisenbahnlinie
Bukarest-Cernavoda-Constantza, welche zwei Arme der Donau und eine dazwischen
liegende Insel in gerader Linie überschneidet. Die Brücke über den bei Cernavoda
vorbeiführenden Hauptarm hat vier, diejenige über den Borcea-Arm drei Oeffnungen von
je 165m Spannweite. Diese beiden mit wagerechter
Fahrbahn angelegten Fluſsbrücken verbindet ein im Bahngefälle von 1 : 100 liegender
Viaduct mit 52
Oeffnungen von je 50m Spannweite. Alle Ueberbauten
sind Balkenbrücken und für die Fluſsbrücken nach dem Halbparabelträger-Systeme, für
den Viaduct nach dem Parabelträger-Systeme ausgebildet.
II.
Bei den selbst für auſsereuropäische Verhältnisse ungewöhnlichen Abmessungen der
vorliegenden Spannweiten war es geboten, der Fluſseisenfrage die eingehendste
Beachtung zu schenken. Der Commission war die Wahl zwischen Schweiſseisen und Martin-Fluſsstahl gestellt. Sie zog dabei folgende
Sonderpunkte in den Bereich ihrer Untersuchungen:
1) Vergleich der Gewichte für Brücken aus Schweiſseisen und Martinstahl bei verschiedenen Spannweiten.
2) Vergleich der Kosten der Materialbeschaffung und Verarbeitung.
3) Bestimmung der Grenze der Spannweite, für welche die Verwendung von Fluſsstahl
vortheilhafter ist, als Schweiſseisen.
4) Feststellung der Bedingungen für die Festigkeitseigenschaften der vorzuschlagenden
Fluſsstahlsorte.
5) Beste Art der Verarbeitung und Vernietung.
Zu diesem Behufe hielt die Commission Umfrage bei den bedeutendsten französischen
Hüttenwerken (von Batignolles, Fives-Lille, Creusot, Cail, Terre-Noire) und einigen
hervorragenden französischen Ingenieuren. Auſserdem studirte sie die zur Zeit bei
der französischen Marine, der englischen Admiralität und dem Board of Trade
geltenden Bestimmungen und Gepflogenheiten, sowie auch einzelne der bereits
vorliegenden Ausführungen von fluſsstählernen Brückenconstructionen. Soweit die
Ergebnisse der Umfragen und vergleichenden Untersuchungen sich kurz zusammenfassen
lieſsen, wurden sie, wie nachstehend angegeben, tabellarisch geordnet. Die
ausführlicheren Einzelberichte sind in der Quelle nachzulesen.
Der Commissionsbericht wird durch kurze Angaben über die erstmalige Verwendung des
Fluſseisens und der dabei erzielten Miſserfolge eingeleitet, verbreitet sich darauf
im Allgemeinen über die nothwendigen Eigenschaften der zu wählenden Fluſseisensorte
und über die heutigen Preisunterschiede zwischen diesem Materiale und dem
Schweiſseisen. Die Commission kommt danach zum Schlusse, daſs für die Oeffnungen von
165m Weite die Verwendung von Martinstahl zu empfehlen sei, weil, abgesehen von der
bei der Herstellung der Construction zu erzielenden Kostenersparniſs, die
Verminderung des Eigengewichtes der fluſsstählernen Ueberbauten um etwa 40 Proc.
gegenüber demjenigen der schweiſseisernen Construction nicht allein die
Aufstellungsarbeiten bedeutend erleichtern, sondern auch die Abmessungen der Pfeiler
beschränken und die Gründung derselben erleichtern helfe. Dagegen sei anzurathen,
für die Ueberbauten von nur 50m Weite die Wahl
des
Namen der Werke,
Behördenoder Brücken
Festigkeits-Bedingungen
Zulässige
In-anspruch-nahme in kund qmm
Verhältnifszwischen demPreise
von Stahlund Eisen
Material der Niete
Art der Nietloch-herstellung
Ersparniſs zuGunsten desStahles
beiOeffnungen von
k/qmm
Proc.
k/qmm
165m
50m
Zug-festigkeit
Dehnungauf200mm
Elastici-tätsgrenze
Haupt-träger
Bahn-gerippeu.s.w.
in Proc.
1
Werke von Batignolles
45–50
20–18
–
10–12
–
0,80
Stahl
aufgerieben
25–33
0–7
2
„ „ Fives-Lille
45–50
20
10–11
9
0,87
Eisen
aufgerieben
12–15
0–8
3
„ „ Creusot
42–45
22–20
21
0,87
Stahl
gestoſsen
4
„ „ Cail
45
20
21
12
0,95
5
„ „ Terre-Noire
42–45
22–20
22–25
10
10
0,75
–
–
–
–
6
Gesellschaft P.-I.-M
42
20*
26
10
8
–
Eisen
aufgerieben
27–30
0–8
7 88a
Französische Marine-
(Bleche von 6 bis 8mm „ „ 8 „ 20 „ „ 20
„ 30
434242
212224
–––
–––
–––
–––
EisenoderStahl
aufgerieben
–––
–––
9
Englische Admiralität
42–49
20
–
10,7
–
–
–
–
–
–
10
Brücke über den Firth of Forth
47–52
20
–
11,8
–
–
Stahl
gebohrt
–
–
11
Brücken in Lyon
47
24*
24
10
–
–
Stahl
–
–
12
Eisenbahnlinie Tours-Sargé
40–48
24*
24
10
–
–
Stahl
–
–
–
13
Brücken in Rouen
50
18
22
–
–
–
Eisen
–
–
–
14
Drehbrücke in Caen
50
25*
25
10
–
–
Stahl
gebohrt
–
–
15
Plattsmouth und Bismarckbrücken
–
–
–
10,8
–
–
–
–
–
–
* Auf nur 100mm Gebrauchslänge des Probestabes
gemessen.
Materiales den Werken, welche bei Vergebung der Arbeiten mit
einander in Wettbewerb treten würden, freizustellen, weil bei diesen Ueberbauten
zwar auch eine Gewichtsverminderung von etwa 20 bis 25 Proc. zu erwarten stehe, aber
der dadurch erreichte Nutzen durch andere Umstände, welche die Commission nicht in
der Lage sei, eingehend in Betracht zu ziehen, auf ein unerhebliches Maſs herunter
gedrückt werden könne.
III.
Im wichtigsten Theile des Berichtes, welcher die Festsetzung der Bedingungen für die
Lieferung und technologische Bearbeitung der zu wählenden Fluſsstahlsorte enthält,
wird bestimmt, daſs das Material derselben bei der Prüfung mindestens 42k und höchstens 45k Zugfestigkeit, ferner mindestens 21 Proc. Dehnung und eine
Elasticitätsgrenze von 24k aufweisen soll. Die
Summe der Gütezahlen (Werthziffern) für Zugfestigkeit und Dehnung darf dabei nicht
weniger als 65 betragen. Die Gütezahlen gelten bei Formeisen nur für die Längsfaser,
bei Blechen im Allgemeinen für Längs- und Querfaser. Nur bei Blechen unter 400mm Breite dürfen Zugfestigkeit und Dehnung nach
der Querfaser um 2k bezieh. 2 Proc. geringer sein,
als oben vorgeschrieben. Die Niete sind aus Fluſsschmiedeeisen (acier doux) von
38k Zugfestigkeit und 28 Proc. Dehnung zu
fertigen.
Auſser den Festigkeitsproben sollen noch Härtebiegeproben und Warmschmiedeproben
vorgenommen werden und zwar nach den bekannten, darüber bei der französischen Marine
schon seit längerer Zeit bestehenden Vorschriften.Vgl. Verfassers „Eisen und Eisenconstructionen“, S. 287.
Die zulässige Inanspruchnahme des Materiales darf für die Hauptträger der Brücke in
Folge der Einwirkung des Eigengewichtes, einschlieſslich der Verkehrs- und Windlast,
höchstens 12k, für das Bahngerippe bezieh. solche
Brückentheile, welche den Stöſsen der Verkehrslast und deren Veränderlichkeit
unmittelbar ausgesetzt sind, höchstens 9k auf 1qmm Querschnittsfläche betragen. Bei der
Querschnittsberechnung sollen sowohl in den. gedrückten als auch in den gezogenen
Brückengliedern die Nietlöcher in Abzug gebracht werden. Die Inanspruchnahme der
fluſseisernen Niete wird auf höchstens 7k für 1qmm Querschnittsfläche angesetzt.
Das Richten und Ebenen der Bleche in der Werkstatt soll möglichst ohne starke Stöſse
oder Schläge auf Walzwerken vor sich gehen. Auf dem Walzwerke dürfen nur kupferne
Hämmer gebraucht werden. Der Gebrauch von eisernen Hämmern soll dort verboten
werden. – Stücke, welche warm bearbeitet wurden, sollen nachträglich ausgeglüht
werden. Stücke, welche mit der Schere beschnitten worden sind, müssen an den
Schnitträndern 2mm stark nachgehobelt werden.
Die gestoſsenen Nietlöcher müssen durch Aufreiben um 2mm im Durchmesser erweitert werden. Das Nieten soll sowohl in der
Werkstatt als auch auf dem Bauplatze mit Hilfe von Maschinen bewerkstelligt werden,
wobei die Niete im Ofen anzuwärmen sind.
IV.
Obwohl die vorstehend wiedergegebenen Bedingungen mit denjenigen Anforderungen,
welche bei Errichtung ähnlicher Constructionen zur Zeit auch bei uns in Deutschland
gestellt werden oder gestellt werden könnten, im Allgemeinen sich decken, so sind
wir doch der Ansicht, daſs einzelne Vorschriften derselben für deutsche Verhältnisse
eine Abänderung nicht nur zulassen, sondern sogar wünschenswerth machen.
In erster Linie eignet sich hierzu die Vorschrift über die zulässige Inanspruchnahme.
Die französischen Grenzzahlen von 12k und 9k müssen nämlich zu klein erscheinen, wenn man
erwägt, daſs es sich um Erbauung einer Brücke von ganz bedeutender Spannweite
handelt, bei welcher deshalb die Inanspruchnahme durch das unveränderliche
Eigengewicht diejenige durch die veränderliche Verkehrslast erheblich übersteigt,
also um eine Construction, für welche nach deutschen Gepflogenheiten, selbst bei
Verwendung von Schweiſseisen, für den denkbar ungünstigsten Belastungsfall, wo das
Eigengewicht mit der Verkehrsund Windlast zusammenwirkt – sorgfältigste
Spannungsermittelung bezieh. Berücksichtigung der Nebenspannungen vorausgesetzt –
eine Inanspruchnahme von 11 bis 12k, d.h. eine
etwa dreifache Sicherheit für zulässig erachtet wird.
Ob für Belastungsfälle, wie die geschilderten, bei groſsen Spannweiten die Annahme
einer dreifachen Sicherheit ausreichend ist, darüber konnte man verschiedener
Meinung sein. Wir begnügen uns damit, die Thatsache hinzustellen, daſs die meisten
unserer neueren gröſseren, schmiedeeisernen Brückentragwerke für gedachten Fall
keine gröſsere Sicherheit bieten und daſs ein solcher Sicherheitsgrad mangels
gegentheiliger Erfahrungen bei uns für ausreichend erachtet wird. Folgerichtig wären
wir befugt, bei Erbauung von Fluſseisenbrücken (nach den gleichen Grundsätzen) eine
höhere Inanspruchnahme als 12k einzuführen, wenn
die Widerstandsfähigkeit einer fluſseisernen Construction diejenige einer ebenso
gebauten schweiſseisernen überträfe. Daſs dies wirklich der Fall sei, sind wir
berechtigt auf Grund des Vergleiches der Festigkeitseigenschaften beider Eisensorten
vorauszusetzen. Legt man als Maſs der Widerstandsfähigkeiten der Einfachheit halber
die betreffenden Zugfestigkeiten mit 36k bezieh.
42k zu Grunde, so dürften wir danach für
fluſseiserne Constructionen eine zulässige Inanspruchnahme von höchstens
\frac{12\,.\,42}{36}=14^k auf 1qmm Querschnittsfläche in Ansatz bringen. Wenn allerdings der durch die französischen
Grenzzahlen gewährleistete Sicherheitsgrad in Wirklichkeit zu der zu erwartenden
Widerstandsfähigkeit der fluſseisernen Constructionen im passenden Verhältnisse
stünde – was wir nach Vorstehendem nicht voraussetzen – dann sähen wir in der
Verwendung von Fluſseisen an Stelle des Schweiſseisens zur Zeit keinen Vortheil,
sondern nur Nachtheile, weil bei der verlangten niedrig bemessenen Inanspruchnahme
eine Herabminderung der Querschnitte der fluſseisernen Brückentheile gegenüber den
gebräuchlichen Abmessungen der schweiſseisernen Theile, also auch eine Gewichts- und
Kostenersparniſs nicht eintreten könnte.
Ein zweiter Punkt, den wir glauben berühren zu müssen, betrifft die für
Brückentragwerke geeignetste chemische Zusammensetzung des Fluſsmetalles. Es ist
auffällig, daſs der auf so umfangreiche Untersuchungen sich stützende
Commissionsbericht über diesen Punkt schweigend hinweg geht. Nur in dem
Einzelgutachten des Oberingenieurs Considère finden wir
die Forderung, daſs das Fluſsmetall nicht über 0,08 Proc. Phosphor enthalten dürfe.
Von chemischen Proben – die auch wir (allerdings unter gewissen Bedingungen) für
entbehrlich halten, ist nirgends die Rede. Und doch liegt es wohl auf der Hand, daſs
es dem Bauingenieur nicht so ganz einerlei sein kann, in welcher chemischen
Zusammensetzung er das Fluſsmetall aus den Händen des Hüttenmannes empfängt. Ohne
dem maſsgebenderen Urtheile der Hüttenmänner damit vorgreifen zu wollen, sprechen
wir unsere Meinung dahin aus, daſs der Bauingenieur berechtigt erscheint, bei
gleichen Festigkeitseigenschaften das von fremden Bestandtheilen (Phosphor, Silicium
und Schwefel) reinere Metall mit höherem Kohlenstoffgehalte und geringerem
Mangangehalte dem weniger reinen Metalle mit niedrigerem Gehalte an Kohlenstoff und
höherem Gehalte an Mangan vorzuziehen. Denn je reiner das Eisen, desto zäher ist es,
und es wird, wie bisher, wohl immer die vornehmste Aufgabe des Eisenhüttenmannes
bleiben müssen, das Kohlenstoffeisen möglichst rein aus den Erzen abzuscheiden.
Mangan wird nie einen vollwerthigen Ersatz für Kohlenstoff bieten können.
Daſs es nur bei Innehaltung eines gewissen Höchstgehaltes an Kohlenstoff
hüttentechnisch möglich bleibt, ein Fluſsmetall von bestimmt vorgeschriebenen
Festigkeitseigenschaften zu erzeugen, unterliegt keinem Zweifel. Der Höchstgehalt an
Kohlenstoff wird aber mit der Reinheit des Metalles steigen können und Sache der
Hüttenmänner würde es sein zu entscheiden, ob nicht dem Bauingenieur zum Besitze
eines derartigen möglichst reinen Kohlenstoff-Fluſsmetalles verholfen werden kann.
Letzterer würde dann, da mit der Reinheit des Eisens dessen Zähigkeit wächst, unter
Umständen dazu schreiten dürfen, ein Fluſsmetall zu verwenden, dessen
Festigkeitseigenschaften höhere, als die bisher gebräuchlichen Werthziffern
aufweisen.
Damit wären wir bei dem letzten der zu besprechenden Punkte, Wahl der Gütezahlen oder
Werthziffern der Festigkeitseigenschaften, angelangt. Die von der Commission
vorgeschlagenen Zahlen: 42 bis 45k Zugfestigkeit,
21 Proc. Dehnung und 24k Elasticitätsgrenze
entsprechen im Mittel etwa denjenigen Werthen, welche heute die Mehrzahl der
Constructeure für die passendsten hält. Wenn man nun bedenkt, daſs bei den ersten
Versuchen mit dem Fluſsmetalle das Verlangen nach hoher Festigkeit vorherrschend
war, daſs man im Laufe der Zeit aber gezwungenermaſsen die Anforderungen an die
Festigkeit nach und nach ermäſsigen, dagegen diejenigen an die Zähigkeit erhöhen
muſste; wenn man ferner beobachtet, wie die augenblickliche, einer gewissen
Zwangslage entsprechende Strömung sichtlich dahin gerichtet ist, die Werthziffern
der Festigkeit immer noch mehr, selbst bis zu derjenigen des Schweiſseisens herab,
zu ermäſsigen, so kann man sich angesichts der zu erwartenden Aufgaben und
Fortschritte des Brückenbaues der Befürchtung nicht entschlagen, die augenblickliche
Strömung möchte solchergestalt in eine falsche Bahn gelenkt werden.
Der Brückenbauingenieur wird ja erfreut sein, wenn er anstatt des Schweiſseisens in
dem Kohlenstoff armen, reinen Fluſsschmiedeeisen einen Baustoff erhält, den er als
vollgültigen Ersatz des Schmiedeeisens selbst für die geringfügigsten Tragwerke
verwenden kann. Wenn aber an ihn gröſsere Aufgaben herantreten, wenn es für ihn
gilt, ungewöhnliche Spannweiten zu überbrücken, dann wird ihm das Fluſsschmiedeeisen
dem Schweiſseisen gegenüber voraussichtlich keine oder nur wenige Vortheile bieten.
Er wird es von der Hand weisen und nach einem Fluſseisen verlangen, welches
bedeutende Festigkeit mit hoher Zähigkeit vereint, damit er durch Verminderung der
todten Last der Ueberbauten sein Werk verbilligern oder dessen Spannweite bis aufs
äuſserste Maſs erstrecken kann.
Der vorstehend ausgeführte Grundgedanke: „Streben nach dem Erhalte und der
Möglichkeit der Verwendung eines Fluſsmetalles von groſser Festigkeit und
Zähigkeit“ scheint auch Considère bei der
Abfassung seines Einzelgutachtens vorgeschwebt zu haben. Er verlangt nämlich darin
ein Fluſsmetall von mindestens 55k Zugfestigkeit,
30 bis 32k Elasticitätsgrenze, 19 Proc. Dehnung
und 37 bis 42 Proc. Einschnürung. Bei Begründung dieser hohen Ziffern weist er
vergleichsweise auf die Festigkeits- und Belastungsverhältnisse der
Eisenbahnschienen hin. Er unterläſst allerdings dabei hervorzuheben, daſs die
Schienen viel kürzere Dauer haben, als wir sie von Theilen der Brückentragwerke
erwarten müssen, und daſs die Form des Schienenquerschnittes und die geringe
Bearbeitung, welche die Schiene erleidet, neben ihrer groſsen Festigkeit Mitursachen
ihrer bedeutenden Widerstandsfähigkeit sind. Zutreffend bemerkt er aber, daſs die
Beanspruchung keines Theiles einer eisernen Brücke eine derartig gewaltsame, mit
Stöſsen, Erschütterungen und Formänderungen verknüpfte sei, als diejenige der
Schiene, und daſs es
daher wohl angängig sei, ein zähes Fluſsmetall, von annähernd so hoher Festigkeit
wie diejenige der Schiene, als Brückenbaustoff mit Sicherheit zu verbrauchen.
Wir sind der nämlichen Meinung, indem wir glauben, daſs unter Umständen Hüttenmann
und Bauingenieur sich behufs Erreichung des angedeuteten Zieles entgegen kommen und
in die Hände arbeiten werden. Dann wird in der heutigen Strömung zu Gunsten des
Fluſsschmiedeeisens voraussichtlich über kurz oder lang eine Spaltung eintreten,
deren Wachsthum vorwiegend der ausgebreiteteren Verwendung eines zähharten, festen
Fluſsstahles zu gute kommen dürfte. Um ein solches Ereigniſs vorhersagen zu können,
braucht man kein groſser Prophet zu sein. Allerdings wird bis zu seinem
augenfälligen Eintritte wohl noch eine Spanne Zeit verflieſsen; inzwischen mögen
unsere Hüttenmänner es sich angelegen sein lassen, das gewünschte Metall in
vorzüglicher Güte zu erzeugen, und unsere Bauingenieure mögen, um mit veralteten
Gewohnheiten aufräumen zu können, versuchen, bei Anordnung der Brückenquerschnitte
und Verbindung der Brückentheile neuen Ideen und Gebräuchen Geltung und Boden zu
verschaffen.