Titel: J. Wiborgh's Luftpyrometer.
Fundstelle: Band 271, Jahrgang 1889, S. 119
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J. Wiborgh's Luftpyrometer. Mit Abbildungen. Wiborgh's Luftpyrometer. Im laufenden Jahrgange von Jernkontorets Annaler ist eine Abhandlung über das genannte Pyrometer enthalten, welche wir im Folgenden nach H. v. Jüptner (Oesterreichische Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen) wiedergeben: Seitdem Gay Lussac, Dulong, Rudberg und Regnault durch ihre berühmten Versuche den Ausdehnungscoefficienten der Luft bestimmten, werden ähnliche Apparate, wie die von ihnen angewendeten, zu Temperaturmessungen benutzt und als „Luftthermometer“ oder, wenn sie zur Bestimmung höherer Temperaturen dienen, als „Luftpyrometer“ bezeichnet. Wegen der Construction dieser Instrumente, sowie der Accuratesse und Uebung, welche deren Handhabung erfordert, haben dieselben bis jetzt nur für wissenschaftliche Temperaturmessungen oder höchstens zur Graduirung anderer, für die Industrie bestimmter Pyrometer Anwendung gefunden. Da der Ausdehnungscoefficient der Luft selbst bei sehr hohen Temperaturen constant ist, so gibt die Ausdehnung derselben die sicherste Grundlage für eine zuverlässige Pyrometerconstruction, und es erschien Wiborgh daher von Wichtigkeit, das Luftpyrometer in eine übersichtlichere und praktischere Form zu bringen. Bevor auf dessen Vorschlag zur Lösung dieser Frage eingegangen wird, möge kurz an die beiden Grundgedanken erinnert werden, welche bisher bei der Einrichtung von Luftpyrometern befolgt wurden. In einem Falle behält nämlich eine bestimmte Luftmenge beim Erhitzen ihr Volum unverändert bei, so daſs die auftretende Druckveränderung der Temperaturberechnung zu Grunde gelegt wird, im anderen Falle wird die Luft unter unverändertem Drucke erhalten, so daſs die Temperatur aus der Raumveränderung abgeleitet wird. Beide Pyrometerarten können durch Fig. 1 anschaulich gemacht werden, in welcher die eingeschriebenen Buchstaben die nachfolgende Bedeutung haben: V ist eine mit Luft gefüllte Thermometerkugel, welche mittels der Capillarröhre A mit einem offenen Manometer in Verbindung steht, dessen Theil V1 in Cubikcentimeter getheilt ist, während der andere Schenkel B von einer längeren senkrechten Röhre gebildet wird. Der untere, V1 und B vereinigende Theil des Manometers steht in Verbindung mit dem Kautschukballe K, welcher Quecksilber enthält, das beim Zusammendrücken von K in das Manometer getrieben wird. Durch das Haarrohr C und den Hahn D kann die Thermometerkngel V mit der äuſseren Luft in Verbindung gesetzt werden. Das Volum der Haarröhren wird so klein genommen, daſs es nicht in Rechnung gezogen zu werden braucht. Soll nun dieses Instrument nach dem ersten Grundgedanken Verwendung finden, so öffnet man den Hahn D und drückt das Quecksilber bis zur Marke m, nahe der Haarröhre, empor. Die Quecksilberoberfläche stellt sich unter diesen Umständen in beiden Manometerschenkeln in dieselbe Höhenlage. Nachdem nun der Hahn D geschlossen ist, wird die Kugel V der zu bestimmenden Temperatur ausgesetzt, wobei sich die eingeschlossene Luft ausdehnt und das Quecksilber hinabdrängt, so daſs es in der Manometerröhre B über die Marke m steigt. Wenn man nun, um das Luftvolum wieder auf die ursprüngliche Gröſse zu bringen, durch Zusammendrücken des Balles K so viel Quecksilber in das Manometer preſst, daſs seine Oberfläche in der Röhre V1 wieder bis zur Marke m steigt, so steigt das Quecksilber in der Röhre B noch weiter, sagen wir um h, und dieser Ueberdruck h steht mit der gesuchten Temperatur in folgender Beziehung: h = H . at, worin bezeichnet: h den höheren Druck, welcher erforderlich ist, damit die Luft ihrunverändertes Volum beibehalte, H den gerade herrschenden Barometerstand, a den Ausdehnungscoefficienten der Luft und t die Temperaturerhöhung der Luft in der Kugel V. Dadurch, daſs das Luftpyrometer die angegebene Form erhält, wird es, wie selbstverständlich und wie die obige Gleichung zeigt, von der Gröſse der Thermometerkugel unabhängig und der Drucküberschuſs h bleibt der Temperaturerhöhung proportional, aber dieser Drucküberschuſs ist so bedeutend, daſs schon bei einer Temperaturerhöhung der Luft in der Thermometerkugel um 272° der Druck h um eine ganze Atmosphäre oder 760mm wächst, und dieser Umstand macht es unmöglich, das Instrument für höhere Temperaturen zu verwenden. Soll das Instrument nach dem anderen Grundgedanken als Thermometer verwendet werden, so stellt man das Quecksilber wie früher bei m ein; aber, während die Thermometerkugel auf t0 erwärmt wird, wobei sich die Luft ausdehnt, läſst man einen Theil der Luft frei in die graduirte Röhre V1 austreten, wobei das Quecksilber im Manometer so sinkt, daſs es in beiden Armen in gleicher Höhe steht und die eingeschlossene Luft denselben Druck beibehält. Für eine gewisse Temperaturerhöhung t dehnt sich die Luft um ein bestimmtes Volum V1 aus, welches in der graduirten Röhre abgelesen werden kann und welches mit der zugehörigen Temperatur in folgender Beziehung steht: V_1=V\,.\,\frac{a\,t}{1+a\,t} vorausgesetzt, daſs das Luftvolum V1 bei der Ablesung dieselbe Temperatur besitzt, welche V beim Erwärmen annahm, und daſs sich der Barometerstand während des Experimentes nicht änderte. In diesem Falle ist man unabhängig vom Barometerstande, aber dagegen ist die Volumsvergröſserung der Temperatursteigerung nicht proportional, und welchen Einfluſs dieser Umstand auf die Möglichkeit hat, genaue Temperaturbestimmungen auszuführen, zeigt folgende Betrachtung: Unter der Annahme, daſs die zur Erwärmung dienende Thermometerkugel 10cc enthalte, entspricht einer Temperatursteigerung von 100 auf 200° einer Volumdifferenz von 1,55cc, einer Steigerung von 900 auf 1000° jedoch nur von 0,19cc. Hieraus folgt, daſs die Empfindlichkeit des Thermometers mit steigender Temperatur rasch abnimmt, Vergröſsert man das Volum der Thermometerkugel, so wächst allerdings auch das abzulesende Volum V1, allein dies bringt in vielen Fällen praktische Schwierigkeiten mit sich, und die Ablesungen müssen daher bei diesem Pyrometer mit äuſserster Schärfe vorgenommen werden. Um dies zu ermöglichen, hat Prof. O. Pettersson an der Stockholmer Hochschule eine sinnreiche Verbesserung angegeben, welche ebenfalls aus Fig. 1 ersichtlich ist. Er hat nämlich die Haarröhre C mit einem kleinen Manometer E versehen, welches ein wenig Wasser enthält und daher sehr empfindlich ist. Wenn das Quecksilber im Manometer nahe in gleicher Höhe steht, öffnet man mittels des Hahnes D die Verbindung mit diesem Manometer und kann dadurch das Quecksilber im Manometer mit Genauigkeit einstellen, so daſs die eingeschlossenen Gase unter Atmosphärendruck stehen. Wenn die Temperatur des Luftvolums V1 mit Genauigkeit bestimmt werden soll, ist dies jedoch noch nicht genug, sondern es muſs auch noch jener Theil des Manometers mit Wasser von bekannter Temperatur umgeben werden, wodurch die Handhabung des Instrumentes sehr unbequem wird. Aus dem angeführten Grunde scheint es, daſs ein derartiges Luftpyrometer zu praktischen Temperaturmessungen für industrielle Zwecke kaum geeignet sein dürfte. Eine nähere Betrachtung der Fig. 1 läſst jedoch erkennen, daſs noch eine andere Art der Construction eines Luftpyrometers zulässig ist. Man kann nämlich das Quecksilber auf die Marke m1 einstellen und den Hahn D offen lassen, so daſs das Luftvolumen V mit der äuſseren Luft in Verbindung steht. Beim Anwärmen oder Abkühlen der Thermometerkugel strömt natürlicher Weise so viel Luft aus oder ein, daſs die in der Thermometerkugel zurückbleibende stets unter Atmosphärendruck steht. Fig. 1., Bd. 271, S. 121Wenn eine Temperaturbestimmung ausgeführt werden soll, so schlieſst man den Hahn D und drückt das Quecksilber im Manometer bis zur Marke m, womit also ein bestimmtes Luftvolum V1 in die Thermometerkugel gepreſst wird. Ist dieses Luftvolum bei der Einpressung t0 warm und besitzt die Thermometerkugel eine Temperatur von T0, so wird ersteres um T0t0 erwärmt und erfordert, um in die Kugel eingeschlossen zu werden, einen gewissen Druck h über den Atmosphärendruck, welcher Ueberdruck h das Maſs für die gesuchte Temperatur T bildet. Dieses, bei Luftpyrometern bisher noch nicht angewendete Prinzip, liegt Wiborgh's neuem Luftpyrometer zu Grunde, auf dessen Theorie und Construction nun übergegangen werden soll. Theorie des Pyrometers. In die Thermometerkugel V, welche T0 warme Luft von Atmosphärendruck enthält, soll noch ein bestimmtes Luftvolum V1 von der Temperatur t0 und Atmosphärendruck eingepreſst und auf T0 erwärmt werden. Wenn der Druck ungeändert bliebe, würde das ganze Luftvolum nach der Erwärmung sein: V+V_1\,[1+a\,(T-t)]; wenn aber das Luftvolum V1 in die Thermometerkugel gepreſst wird, muſs sich der Druck um eine gewisse Gröſse h ändern, und hierauf beziehen sich folgende Gleichungen: \frac{V+V_1\,.\,[1+a\,(T-t)]}{H+h}\,.\,H=V . . . . . . . . . . 1) oder h=\frac{V_1}{V}\,H+\frac{V_1}{V}\,.\,H\,.\,a\,(T-t) . . . . . . . . . . 2) oder T-t=\frac{V\,h-V_1\,H}{a\,.\,V_1\,.\,H} . . . . . . . . . . 3) In dieser Formel ist jedoch das Volum der Haarröhre nicht eingerechnet, weil dasselbe im Verhältnisse zu den Volumen V und V1 sehr klein sein soll, so daſs es nicht in berücksichtigungswürdiger Weise auf die Temperaturbestimmung einwirken kann. Aus demselben Grunde ist auch die Ausdehnung der Thermometerkugel vernachlässigt; wenn man sie aber bei der Berechnung zu berücksichtigen wünscht, so erhält man statt der Formel 2: h=\frac{V_1\,H}{V\,(1+K\,T)}\,.\,[1+a\,(T-t)] . . . . . . . . . . 4) worin K der cubische Ausdehnungscoefficient jenes Materiales ist, aus welchem die Thermometerkugel besteht.In Nr. 2 1889 der genannten Oesterreichischen Zeitschrift gibt A. Sprung zu der vorstehenden Berechnung nachfolgende Ergänzung bezieh. Richtigstellung:Wenn das Volumen V1 bei constantem (Atmosphären-)Drucke von t0 auf T0 erwärmt wird, so geht es über in das Volumen1) . . . . . . . . . . V_1+{V_1}_{\circ}\,a\,(T-t)worin {V_1}_{\circ} dasjenige Volumen bezeichnet, auf welches V1 bei der Abkühlung von t0 auf 00 sich zusammenziehen würde. In vorstehender Ableitung findet man aber statt dessen den Ausdruck2) . . . . . . . . . . V_1+V_1\,\alpha\,(T-t)angegeben. Der richtige Werth 1) kann unter Einführung der absoluten Temperaturen viel einfacher geschrieben werden. Denn es ist:3) V_1={V_1}_{\circ}\,(1+a\,t)\ \mbox{also}\ {V_1}_{\circ}=\frac{V_1}{1+a\,t};substituirt man diesen Ausdruck für {V_1}_{\circ} in 1), so geht 1) über in4) . . . . . . . . . . V_1\,\frac{1+a\,T}{1+a\,t}=V_1\frac{\frac{1+a\,T}{a}}{\frac{1+a\,t}{a}}=V_1\,\frac{T}{\tau}wo T und τ die absoluten, also von –273° an gerechneten Temperaturen bedeuten, welche den Celsiustemperaturen T und t entsprechen.Das Gesammtvolumen des abgeschlossenen Luftquantums nach der fingirten Erwärmung von t auf T bei Atmosphärendruck H ist somitV=V_1\,\frac{T}{\tau}und wenn bei Compression desselben auf das Volumen V der Druck auf H + h zu steigern ist, so ergibt sich nach dem Mariotte'schen Gesetze:\left(V+V_1\,\frac{T}{\tau}\right)\,H=V\,(H+h) oder5) . . . . . . . . . . T=\tau\,\frac{V}{V_1}\ \frac{h}{H}Diese einfachere Gleichung wäre also an Stelle der im Aufsatze angegebenen Gleichung 3) zu setzen und ihre Auflösung nach h6) . . . . . . . . . . h=H\,\frac{V_1}{V}\ \frac{T}{\tau}an Stelle der Gleichung 2). Aus Formel 3 geht hervor, daſs das Thermometer nur Temperaturunterschiede zwischen den Volumen V und V1 angibt, und aus 2, daſs für T = t, d.h. wenn beide Luftvolumen die gleiche Temperatur besitzen, h dem ersten Gliede dieser Gleichung  \frac{V_1}{V}\,.\,H entspricht, was folglich die Lage des Nullpunktes für das Instrument angibt. Das zweite Glied der Formel 2 gibt daher den Zuwachs an Druckhöhe an, welche für das Hineinpressen des Luftvolums V1 in das Volum V erforderlich ist, wenn sie verschiedene Temperatur haben. Dieser Zuwachs ist, wie Gleichung 2 zeigt, dem Temperaturzuwachse proportional, woraus folgt, daſs das Thermometer für eine und dieselbe Temperatursteigerung gleiche Ausschläge geben muſs, ganz unabhängig von der Höhe dieser Temperaturen. Aus dem Vorgesagten folgt weiter, daſs man die gesuchte Temperatur T (Temperatur der Thermometerkugel) erhält, wenn man zu der Temperatur, oder richtiger Temperaturdifferenz, welche das Instrument zeigt, die Temperatur des Luftvolums V1 vor der Einpressung hinzufügt. Aus Gleichung 2 folgt weiter, daſs sowohl die Lage des Nullpunktes als der einer bestimmten Temperaturerhöhung entsprechende Ueberdruck vom Barometerstände, welcher deshalb bekannt sein muſs, und von dem Verhältnisse \frac{V_1}{V} abhängt. Je gröſser die Thermometerkugel im Verhältnisse zu dem hineinzupressenden Luftvolum V1 ist, desto kleiner wird der einer bestimmten Temperaturdifferenz entsprechende Drucküberschuſs und man kann daher das Luftpyrometer nach Belieben so verfertigen, daſs es für eine gewisse Temperaturdifferenz gröſsere oder kleinere Ausschläge angibt, ganz ebenso, wie die Länge der Grade an dem gewöhnlichen Quecksilberthermometer je nach dem Volum der Thermometerkugeln und dem Durchmesser der Thermometerröhren wechselt. Endlich ist es klar, daſs dieses Luftpyrometer ebenso gut zu Kälte- wie zu Wärmemessungen angewendet werden kann, denn wenn die Thermometerkugel kälter als das Luftvolum V1 ist, wird das zweite Glied der Gleichung 2 negativ, was bedeutet, daſs die Druckhöhe h unter den Nullpunkt sinkt. Construction des Pyrometers.Fig. 2 und 3 zeigen die Construction des in Rede stehenden Pyrometers, welches hauptsächlich zur Messung der Windtemperaturen bei Hochöfen bestimmt ist. Die Thermometerkugel V, welche ungefähr 12cc Inhalt besitzt, geht in eine Porzellanröhre von 20mm äuſserem und 0mm,5 innerem Diameter über, so daſs letztere als Haarrohr betrachtet werden kann. Diese Röhre, welche auf die übrigen Theile des Instrumentes aufgesetzt werden kann, muſs eine bedeutende Festigkeit haben, weshalb auch die Wandstärke groſs ist. Die Röhre ist in die Metallhülse H eingekittet, die in den Metallcylinder H1 geschraubt ist und zu dem Manometer BV1 B1 führt. Die Glasröhre, aus welcher das Manometer besteht, wird bei m auf eine Länge von etwa 10mm etwas weiter (1,5 bis 2mm), worauf eine gröſsere Erweiterung folgt, welche das Luftvolum V1 enthält, welches bei der Temperaturbestimmung in die Thermometerkugel eingepreſst werden soll, und welches passend 0,1 des ersteren beträgt. Bei m1 mündet es in die längere Manometerröhre B1 mit etwa 2mm innerem und 8mm äuſserem Durchmesser, die sich nach abwärts verlängert und nach einer Biegung mit dem mit Quecksilber gefüllten Kautschukballe K in Verbindung steht. Der Ball K befindet sich in einer Metalldose M mit beweglichem Deckel N, der mittels der Schraube S in die Dose gedrückt werden kann, um das Quecksilber aus dem Balle in das Manometer zu pressen. Fig. 2., Bd. 271, S. 124Fig. 3., Bd. 271, S. 124Die Schraube S wird mittels der Metallscheibe S1 gedreht, welche nur leicht auf das zapfenförmige Ende der Schraube gesteckt ist, so daſs die Scheibe leicht abgenommen werden kann, um zu verhindern, daſs durch unachtsame Handhabung das Quecksilber durch die Manometerröhre B in die Thermometerkugel getrieben und das Instrument beschädigt werde.