Titel: | Ueber neuere Schraubensicherungen. |
Autor: | Otto Leonhardt |
Fundstelle: | Band 271, Jahrgang 1889, S. 453 |
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Ueber neuere Schraubensicherungen.
Mit Abbildungen.
Ueber neuere Schraubensicherungen.
Der Aufgabe, durch zweckmäſsige Sicherungen das Lösen der Schraubenverbindung zu
verhindern, wird bei der groſsen Verschiedenheit der Schrauben Verbindungen wohl nie
durch eine einzige oder eine bestimmte Art von Schraubensicherungen genügt werden,
vielmehr wird diejenige Sicherung, welche dem jeweiligen Constructionszwecke unter Aufwendung der geringsten Mittel am
weitgehendsten entspricht, sich dauernd einbürgern. Eine einheitliche Form, wie
solche bei den Schraubengewinden vorhanden ist, ist auf diesem Gebiete noch nicht
erkennbar, wohl aber werden sich auch für gewisse Arten von Schraubenverbindungen
mit der Zeit bestimmte Constructionen von Schraubensicherungen allgemeine Anwendung
verschaffen.
Ein Bedürfniſs nach Schraubensicherungen liegt bei fast allen Arten von
Schraubengewinden vor; auch die mehr oder weniger groſse Ganghöhe bietet gegen das
selbsthätige Lösen der Schraubenmuttern keinen ausgiebigen Schutz, ja selbst bei
verhältniſsmäſsig geringer Gewindesteigung, wie sie bei der sogen. erweiterten
Schraube für Stopfbüchsen, Röhrenverbindungen u. dgl. vorkommen, kann man
Schraubensicherungen durchaus nicht entbehren. Im Folgenden soll eine Anzahl neuerer
Schraubensicherungen kurz besprochen werden.
Fig. 1., Bd. 271, S. 453Fig. 2., Bd. 271, S. 453Fig. 3., Bd. 271, S. 453Fig. 4., Bd. 271, S. 453Fig. 1 und 2
veranschaulichen eine Schraubensicherung, welche von der Patent Rivet Company in Smethwick (Vereinigte Staaten Amerikas) namentlich
für Eisenbahn-Oberbauconstructionen mit Erfolg zur Ausführung gebracht wird. Bei
dieser Schraubensicherung wird eine Unterlagplatte (Fig.
2) zur Anwendung gebracht. Es berühren sich Mutter und Unterlagplatte in
einer Schraubenlinie, doch hat letztere eine viel gröſsere Steigung als diejenige,
welche dem Schraubengewinde des Bolzens zu Grunde liegt, so daſs, wenn die Mutter
auf den Bolzen geschraubt ist, sie nicht zurückgedreht werden kann, ohne daſs die
Unterlagplatte mitgedreht wird, und bei jedem Versuche, die Mutter allein zu drehen,
wird nur erreicht, daſs die schraubenförmig gestaltete Endfläche derselben auf die
entsprechende Schraubenfläche der Unterlagplatte aufzusteigen strebt, was, da das
Schraubengewinde des Bolzens (bezieh. dasjenige im Inneren der Mutter) eine
geringere Steigung hat, nicht möglich ist, so daſs bei derartigen Versuchen die
Mutter erst recht fest gegen die Gewinde des Bolzens gepreſst wird, vorausgesetzt,
daſs die Unterlagplatte sich nicht drehen kann, was dadurch erreicht ist, daſs diese
Platte mit einem achteckigen Ansätze versehen ist, der sich gegen irgend eine
Anschlagleiste legen kann. In vielen Fällen genügt schon eine beträchtliche Reibung,
welche die Unterlagplatte auf ihr Auflager ausübt, um ein selbsthätiges Lösen der
Mutter unmöglich zu machen. Damit diese Reibung thunlichst groſs ausfällt, wird die
Unterlagplatte zuweilen hohl geformt.
Eine besonders beliebte Sicherung besteht darin, Federn, Haken o. dgl. anzuordnen,
welche sich seitlich gegen die Prismenflächen der Muttern anlegen. Eine solche
Construction (D. R. P. Nr. 43933 vom 6. Januar 1888) von Max
Albers in Gevelsberg (Westfalen) zeigt Fig.
3. Es wird hier eine als Unterlagplatte dienende viereckig gestaltete
Platte A benutzt, welche einen winkelförmigen Hebel B mit Anschlagnase C
trägt, wobei B so aufwärts gebogen ist, daſs C sich gegen eine der Seitenflächen der
festzustellenden Mutter legt und dadurch zum festen Anliegen unter Flächenberührung
gebracht wird, daſs der Gelenktheil der Platte A etwas
niedergebogen wird. Um bei dieser Sicherung ein selbsthätiges Zurückfedern zu
verhindern, werden ein oder beide Schenkel der im Gelenke drehbaren Nase BC nach auſsen verlängert und umgebogen.
Auch diese Schraubensicherung soll vorzugsweise zur Feststellung der Muttern auf den
Laschenbolzen der Eisenbahnschienen dienen.
Eine ebenfalls diesem Zwecke, jedoch auch anderweitig dienende Schraubensicherung ist
Wilhelm Stoermann in Berlin (D. R. P. Nr. 44547 vom
22. Februar 1888) patentirt, bei welcher eine für sich am Drehe verhinderte
Unterlagplatte mit einer seitlich vom Bolzen angeordnete gewellten Feder zur
Anwendung kommt. Das eine Ende der Feder, welches vom Schraubenbolzen abgewendet
ist, steht mit der Unterlagplatte in festem Zusammenhange, während das andere,
bewegliche Ende auf der Platte gleitet, mit stetem Drucke gegen die Mutter drückt
und im Ruhezustände sich an eine der Prismenflächen der Mutter anlegt und somit ein
willkürliches Drehen oder selbsthätiges Lösen der Schraubenverbindung verhütet. Die
eben erwähnte Feder wird zweckmäſsiger Weise in ein Gehäuse eingeschlossen, das nach
der Schraube zu offen ist. Die Ausführungsart der Feder aus Bandstahl oder Blech
oder auch aus rundem bezieh. viereckigem Drahte, sowie zweckmäſsige Ausführungen und
Verbindungen von Gehäuse und Feder sind an sich ja nicht schwierig, immerhin ist
diese den Witterungseinflüssen ausgesetzte Sicherung, bei der wie bei allen
ähnlichen Constructionen ein Erlahmen der Federn nicht ausgeschlossen ist,
verhältniſsmäſsig umständlich und bleibt bei der Neuheit dieser Erfindung das
entscheidende Urtheil der Praxis hierüber abzuwarten.
Eine ziemlich umständliche Schraubensicherung ist Samuel H.
Ray in St. Louis (D. R. P. Nr. 44098 vom 25. Oktober 1887) patentirt, die
insofern von den beiden letzt beschriebenen Constructionen grundsätzlich abweicht,
als hier ein umgebogener Draht zur Anwendung gebracht wird, dessen kurzer Schenkel
mit seinem hakenförmigen Ende in ein Loch der federnd umgebogenen Unterlagplatte
sich einlegt, während der lange Schenkel des Drahtes in eine excentrische Nuth A (Fig. 4) der Mutter (nicht etwa des Bolzens) so eingelegt ist, daſs
beim Losdrehen der Mutter auf dem Bolzen der Draht keilartig gegen das Gewinde des
Bolzens gepreſst wird und also ein selbsthätiges Lösen nicht eintreten kann. Der
Draht oder Schluſskeil kann seine Lage ebenfalls nicht ändern, da sein eines
fingerartiges Ende im Eingriffe mit dem Flansche bezieh. umgebogenen Theile der
Unterlagplatte steht. Soll die Schraubenverbindung absichtlich gelöst werden, so
muſs zuvor der Draht oder Schluſskeil an seinem vorstehenden Ende herausgezogen
werden.
In früheren Jahren wurden solche Schraubensicherungen empfohlen, bei denen der
Schraubenbolzen selbst zur Erreichung des Zweckes dadurch herangezogen wurde, daſs
man denselben mit Löchern, ja selbst mit einem vollständigen Schlitze versah und
kleine Schrauben, Stifte oder Keile in die künstlich geschaffenen Oeffnungen oder
Aussparungen des Schraubenbolzens eintrieb. Eine derartige Construction machte vor
etwa 10 Jahren viel
von sich reden, bei der der Schraubenbolzen mit einem Spalte oder Schlitze versehen
wurde, in den, nachdem die Mutter aufgeschraubt worden war, ein Keil eingetrieben
wurde, welcher die beiden Hälften des Schraubenbolzens – die in Folge des Schützens
in geringem Maſse federnd wirkten – in die Gewinde der Mutter preſste und diese am
selbsthätigen Lösen hinderte, denn wenn der Flächendruck zwischen den Gewindegängen
eine gewisse Grenze übersteigt (dieser Flächendruck, d.h. der auf die Flächeneinheit
bezogene Druck, soll bei den gewöhnlichen Constructionen des Maschinenbaues ½k auf je 1qmm
gedrückter Fläche nicht übersteigen), so findet kein freiwilliges oder selbsthätiges
Lösen der Mutter mehr statt. Die Praktiker pflegen hierfür einen nicht ganz
unzutreffenden Ausdruck zu gebrauchen, indem sie sagen, ein solches Gewinde friſst
sich fest. – Durch Herausziehen des vorerwähnten Keiles ist man zwar jederzeit in
der Lage, die Spannung oder den Flächendruck zwischen den Gewindegängen zu
ermäſsigen und demnach, wenn es gewünscht wird, die Mutter zurückzuschrauben, doch
hat diese Art der Schraubensicherung den groſsen Uebelstand, daſs man ohne Grund
Spannungen in die Constructionen hinein bringt und letztere obendrein schwächt,
nämlich den Schraubenbolzen, während die Beanspruchung der Mutter sich meist gar
nicht beurtheilen läſst und ein Zersprengen der letzteren nicht selten ist.
Auſserdem haben diese Schraubensicherungen noch den Nachtheil, daſs sie zu sehr
zusammengesetzt sind und stets Vorkehrungen getroffen werden müssen, die ein Lösen
bezieh. Herausfallen der Keile oder der sonst etwa zur Anwendung gelangenden
Schrauben, Stifte u. dgl. verhindern.
Wenn schon hiernach die Benutzung der zuletzt betrachteten Art von
Schraubensicherungen nicht besonders günstig erscheint, so sind in der
vielgestaltigen Praxis übrigens Fälle denkbar, in denen dieselben, in Folge
besonderer Constructionsverhältnisse, recht wohl verwendbar erscheinen, doch im
Allgemeinen erfreuen sich diese Schraubensicherungen bei den Constructeuren nicht
der Beliebtheit, wie das früher der Fall war.
Fig. 5., Bd. 271, S. 455Fig. 6., Bd. 271, S. 455Bei der neuerdings patentirten Schraubensicherung von Otto Lilienthal (D. R. P. Nr. 44700 vom 14. Januar
1888) sind alle Hilfsmittel, wie Federn, Haken, Keile, Hilfsschrauben u. dgl.,
entbehrlich. Dies wird dadurch erreicht, daſs die Mutter an ihrer unteren Seite, wie
Fig. 5 und 6
zeigen, mit einer tellerartigen Verbreiterung versehen wird, die mit einem aufwärts gerichteten
Rande a ausgestattet ist. Dieser Teller liegt in einer
entsprechend ausgearbeiteten Vertiefung desjenigen Constructionstheiles, gegen den
die Mutter geschraubt wird. Bei den Darstellungen in Fig.
5 und 6 handelt es sich um die Sicherung
einer Kolbenstangenmutter gegen den Kolbendeckel, doch ist ohne Weiteres klar, daſs
die Schraubensicherung auch an vielen anderen Stellen mit Vortheil Anwendung finden
kann.
Gerade für die so wichtige Sicherung der Muttern auf Kolbendeckeln gab es bisher
keine so einfache und praktische Construction, und vielfache Unfälle, die durch
undichte Kolben und lose Kolbendeckel bereits vorgekommen sind, beweisen, daſs hier
ein Bedürfniſs nach einer verläſslichen Schraubensicherung durchaus vorliegt.
In der Regel macht man die Muttern für Kolbenstangen aus Bronze, und ist es bei
diesem Materiale äuſserst leicht, aus dem vorerwähnten Rande a einen kleinen Theil in die Kerbe b der
Vertiefung hineinzubiegen. Um die Mutter wieder zurückschrauben zu können, ist es
nur nöthig, das ausgebogene Stück des Randes a in seine
ursprüngliche Lage zurückzubiegen. Sowohl Bronze als Eisen u. dgl. kann ein
mehrmaliges geringfügiges Ausbiegen des Randes an derselben Stelle ertragen; bei dem
wiederholten Lösen und Anziehen der Mutter kommt indessen immer eine neue Stelle des
Randes a vor die Kerbe zu liegen, und gerade der
Umstand, daſs eine Mutter, wenn sie einmal hat gelöst werden müssen, um den Kolben
nachzudichten, nach Wiederaufschrauben niemals wieder
genau ihre alte Lage einnimmt, macht eben einfachere
Schraubensicherungen mittels Keile oder Splinte u. dgl. ganz ungeeignet.
Ein selbsthätiges Lösen der Mutter ist ganz unmöglich, da sonst eine Zerstörung des
Tellerrandes eintreten müſste; es ist im Gegentheile die festhaltende Wirkung der
Schraubensicherung dadurch besonders erhöht, daſs letztere sich an einem gröſseren
Umfange befindet, als es bei sonstigen Constructionen der Fall ist.
Diese Schraubensicherung wirkt nun in jeder Stellung der Mutter mit gleich gutem
Erfolge und ist hier kein Anschlag an einer Prismenseite (wie für andere
Sicherungen) Bedingung; auch können hier nicht etwa Sicherungshilfsmittel, wie in
anderen Fällen, verloren gehen, da es dergleichen hier nicht gibt; auch nimmt die
Sicherung keinen besonderen Platz weg, vergröſsert also nicht sogen. schädliche
Räume in Maschinenconstructionen.
Schon eingangs wurde erwähnt, daſs man für Röhrenverbindungen Schraubensicherungen
bedarf. Für diesen Zweck ist die vorstehende Erfindung auch zur Anwendung gebracht,
um bei den im Gasleitungsfache vielfach benutzten Kugelgelenken eine
Schraubensicherung zu erzielen. Fig. 8 stellt ein
gewöhnliches Kugelgelenk im Querschnitte dar, an welchem eine Sicherung der
Verschraubung, entsprechend dem oben genannten Patente, zur Durchführung gebracht ist, und zwar
zeigen die Fig. 7 und 8 die diesbezügliche Construction. Es ist hier, wie aus den Figuren
ersichtlich, ein Rand an einer kleinen tellerartigen Verbreiterung der Mutter
angeordnet, welch ersterer einen Rand des männlichen Theiles der Schraube umgreift,
so daſs es auch hier leicht möglich ist, etwa mittels einer Drahtzange eine Stelle
des Randes a, die sich vor einem Ausschnitte des
umgebenden Randes befindet, auszubiegen und dadurch eine unter allen Umständen
sicher wirkende Schraubensicherung zu erzielen, welche die Beweglichkeit oder
Anwendbarkeit des Kugelgelenkes in keiner Weise
beeinträchtigt.
Fig. 7., Bd. 271, S. 457Fig. 8., Bd. 271, S. 457Als Dichtungseinlage bei einfachen kleinen Kugelgelenken benutzt man meist
eine Lederscheibe, die in bisheriger Weise auch bei dem in den letzten Figuren
gezeichneten Kugelgelenke verwendet werden kann; macht sich eine Erneuerung der
Dichtungseinlage nothwendig, so wird der ausgebogene Theil a des Randes wieder zurückgebogen und das Kugelgelenk in üblicher Weise
aus einander geschraubt.
Aehnlich, wie in dem letzten Anwendungsbeispiele aus dem Installationswesen gezeigt,
läſst sich die Lilienthal'sche Schraubensicherung auch
an vielen anderen Constructionstheilen mit überraschender Einfachheit anbringen.
Otto Leonhardt, Ingenieur.