Titel: | Ueber Fortschritte in der Stärke-, Dextrin- und Traubenzucker-Fabrikation. |
Autor: | J. Bröſsler |
Fundstelle: | Band 271, Jahrgang 1889, S. 512 |
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Ueber Fortschritte in der Stärke-, Dextrin- und
Traubenzucker-Fabrikation.
(Fortsetzung des Berichtes S. 185 d.
Bd.)
Ueber Fortschritte in der Stärkefabrikation.
Der Stärkezucker des Handels ist zumeist ein Gemenge von 64 bis 66 Proc. vergährbarem Zucker, 18 bis 20 Proc. unvergährbaren,
organischen Stoffen und 14 bis 18 Proc. Wasser. Der geringe Gehalt an Dextrose
bezieh. das Vorhandensein von 18 bis 20 Proc. Nichtzucker machen die Verwendung dieses unreinen Fabrikates bei der
Weinbereitung, Liqueurfabrikation und in der Bierbrauerei nahezu unmöglich; ja es
ist sogar in Deutschland, Oesterreich-Ungarn und Frankreich der Gebrauch von
Stärkezucker in der Weintechnik und Bierbrauerei gesetzlich nicht gestattet.
In den letzten Jahren wurden wohl viele Vorschläge zur fabrikmäſsigen Darstellung
eines reineren Productes gemacht, insbesondere gilt dies von dem Soxhlet'schen Verfahren (D. R. P. Kl. 89 Nr. 17465 und
Nr. 17520 vom 12. Oktober 1881). Aber in der Praxis scheinen weder dieses noch auch
die anderen vorhandenen Vorschriften Eingang gefunden zu haben.
Da die Stärkezuckerindustrie gewiſs blühen könnte, wenn ihre Erzeugnisse den
Ansprüchen der Abnehmer und der Hygiene entsprächen, so muſs jede Verbesserung in
den Fabrikationsweisen mit Freuden begrüſst werden.
In der Zeitschrift des Vereins für Rübenzuckerindustrie,
Januar 1889, veröffentlicht Alfred Seyberlich aus Riga
einen bemerkenswerthen Aufsatz: Die Verwendbarkeit des reinen Traubenzuckers
(wasserfrei und wasserhaltig) und seine fabrikmäſsige Herstellung. Der Verfasser hat
seit dem Jahre 1884 zahlreiche Versuche über Verzuckerung von Stärke mittels
Schwefelsäure in der früheren Stärkezucker- und Syrupfabrik von Paul Brandenburg in Riga ausgeführt und zu seinen
Versuchen niemals weniger als 1000k lufttrockener Stärke verwendet.
Auf Grund dieser Versuche haben Seyberlich und
Trampedach ein Verfahren ausgearbeitet (vgl. 1887 264 178 und 266 520), welches in den meisten
Ländern durch Patente geschützt ist (Vereinigte Staaten Patent Nr. 337448 vom 9. März
1886. D. R. P. Kl. 89 Nr. 37236 vom 7. März 1885 und Nr. 39573 vom 9. November
1886).
Das Verfahren der beiden Verfasser wendet sich in der Hauptsache gegen das oben
genannte von Soxhlet. Nach Seyberlich steht einer fabriksmäſsigen Herstellung reinen Stärkezuckers, sowie der Reinigung des käuflichen Stärkezuckers
durch Methylalkohol, der Preis und die Flüchtigkeit des Methylalkoholes im Wege.
Nach dem Soxhlet'schen Verfahren sollen bisher nur zwei
Fabriken gearbeitet haben, welche beide den Betrieb einstellen muſsten. Zu groſse
Verdampfungskosten, zu groſser Verbrauch an Knochenkohle nebst nicht genügend
erzielter Krystallisation waren die Hauptschwierigkeiten, mit welchen diese Fabriken
zu kämpfen hatten. Die groſsen Verdampfungskosten entstehen durch das Kochen und
Eindampfen sehr verdünnter Lösungen und der bedeutende Verbrauch an Knochenkohle
rührt daher, weil mit Schwefelsäure unter Druck
gearbeitet wird; bei der herrschenden hohen Temperatur entstehen durch Einwirkung
der Schwefelsäure dunkle, caramelartige Producte, welche dann entfärbt werden
müssen. Es lag daher der Gedanke nahe, andere Säuren zur Verzuckerung zu benützen.
Salzsäure erwies sich als unbrauchbar (vgl. 1887 266 473
und 517). (In Frankreich wird zur Verzuckerung theils Schwefelsäure, theils
Salzsäure verwendet, jedoch unterscheiden sich die erzeugten Stärkezucker gar nicht
vortheilhaft von den auf ähnliche Weise dargestellten deutschen Fabrikaten. Ein
anderes Product französischer Fabrikation, die Oenoglucose (1887 266 474), jedoch entspricht den Anforderungen an ein
reines Fabrikat in hohem Grade, da dasselbe 85,75 Proc. vergährbare Dextrose
enthält. (Ueber die Herstellung ist in der Literatur noch nichts bekannt, da
dasselbe bloſs in einer einzigen Fabrik erzeugt wird,
welche ihr Verfahren geheim hält. D. Ref.)
In der SalpetersäureDie Anwendung von Salpetersäure neben Schwefelsäure hat schon Krötke empfohlen (vgl. 1871 200 143). fand der Verfasser eine sehr
geeignete Säure und machte ferner die Beobachtung, daſs der Stärkezucker aus sauren
oder neutralen Lösungen sich viel schwieriger abscheidet als aus schwach alkalischen.
Der Verfasser arbeitet in offenen Kochgefäſsen, also ohne Druck, und das Verhältniſs von Stärke zu Wasser ist 1 : 2; die
zugesetzte Menge Salpetersäure entspricht ½ Proc. der angewendeten Menge
lufttrockener Stärke.
Die Herstellung des Rohzuckers wird nach dem neuen
Verfahren wie folgt durchgeführt: Die durch Kochen von Stärke oder Reis, Mais, Sago
mit Salpetersäure erhaltene, dann neutralisirte, darauf schwach alkalisch gemachte
und endlich mittels Filterpresse filtrirte Zuckerlösung wird bis auf 35° B. (heiſs
gewogen) eingedampft, dann bei 18° in kupfernen Bottichen oder Pfannen unter häufigem
Umrühren der Krystallisation überlassen. Die erhaltene krystallinische Masse wird
dann zwischen groben, ungebleichten Leinwandtüchern in der hydraulischen Presse
gepreſst; hierbei läuft der Syrup klar ab. Die nicht allzu dicken, gelblichen
Preſskuchen von krystallinischer Struktur enthalten 88 Proc. chemisch reinen Zucker,
10 Proc. Wasser und 2 Proc. Verunreinigung. Dies ist der Rohzucker.
Der erhaltene Syrup wird wiederholt bis zur Erschöpfung an Krystallen zur
Krystallisation eingedampft und die übrig bleibende Melasse von Salpetersäure und
Salzen mittels schwefliger Säure befreit, um weiter aufgearbeitet zu werden.
Der erhaltene Rohzucker wird nun raffinirt. Zu diesem
Zwecke werden die Preſskuchen in einem kupfernen Kessel geschmolzen und durch Zusatz
von Wasser auf 32° B. (heiſs gewogen) gebracht, dann zur Entfärbung mit gut
gereinigter Knochenkohle (10 Proc. vom Rohzuckergewichte) bei 80 bis 90° C. unter
Umrühren behandelt, sodann die Knochenkohle in der Filterpresse abgesondert. Der
erhaltene wasserklare Syrup wird nun zur
Krystallisation gestellt. Man erhält auf diese Weise einen blendend weiſsen Krystallbrei, welcher neuerdings abgepreſst wird. Den nun
erhaltenen Syrup dampft man wieder zur Krystallisation ein und preſst den gebildeten
Krystallbrei wieder ab. Die endlich verbleibende Melasse fügt man dem Rohzucker zu,
um sie von Neuem in die Fabrikation einzuführen.
Werden die bei der Raffinirung erhaltenen Preſskuchen zerkleinert und getrocknet, so
erhält man einen handelsfähigen, weiſsen, krystallinischen Farinzucker. Um gröſsere und stärker ausgebildete Krystalle zu bekommen,
schmilzt man die Preſskuchen im Wasserbade bei 80 bis 90° C, bringt sodann das Gut
in umkleidete Zuckerhutformen und läſst bei 18° C. 48 Stunden krystallisiren. Nach
erfolgter Trocknung erhält man reinen, wasserhaltigen
Traubenzucker mit 90 Proc. Dextrose und 10 Proc. Wasser.
Werden aber die Preſskuchen geschmolzen, auf freiem Feuer zum Sieden erhitzt, mit
einigen Krystallen von wasserfreiem Traubenzucker versetzt und 48 Stunden der
Krystallisation überlassen, sodann abgenutscht und
getrocknet, so erhält man wasserfreien Traubenzucker
mit 98 Proc. Zucker und 2 Proc. Wasser. Aus diesem kann durch Zerquetschen und
nachheriges Sieben ein dem Rohrzucker ähnlicher Krystallzucker erhalten werden.
Bei regelmäſsigem Fabriksbetriebe soll man aus 100 Gewichtstheilen wasserfreier Stärke 95 Proc. bezieh. 100 Proc.
Traubenzucker erhalten können.
Der Verfasser gibt die erforderlichen Apparate an für die tägliche Verarbeitung von
60 bis 80 Centnern wasserfreier Stärke, ferner eine Gewinnberechnung bei einer
täglichen Erzeugung von 2700k krystallisirtem Traubenzucker. Nach
dieser Berechnung würde sich ein Anlagekapital von 77000 M. mit 55 Proc. verzinsen,
während bei der ebenfalls mitgetheilten Gewinnberechnung der jetzt üblichen
Stärkezuckerfabrikation, bei gleichem Anlage- und Betriebskapital nur eine
Verzinsung von 14 Proc. sich ergibt.
Die Vortheile seines Verfahrens führt der Verfasser wie folgt an:
1) Die Verzuckerung ist eine sehr hohe und erreicht 96 bis 98
Proc. der wasserfreien Stärke.
2) Die beim Kochen erhaltene Zuckerlösung ist nur schwach gelblich
gefärbt und bedarf zur völligen Entfärbung an Stelle der theueren gekörnten
Knochenkohle verhältniſsmäſsig nur geringe Mengen von Spodium.
3) Das Kochen geht nur in offenen Holzgefäſsen vor sich und bietet
daher geringere Schwierigkeiten als in geschlossenen Gefäſsen unter Druck.
4) Die Apparate sind ungemein leistungsfähig.
5) Der Kohlen verbrauch ist bedeutend geringer als beim Soxhlet'schen Verfahren.
6) Die Herstellung von Stärkezucker in wohl ausgebildeten
Krystallen geht nach dem verbesserten Verfahren ohne Schwierigkeiten vor sich.
7) Das verbesserte Verfahren läſst die Herstellung eines 96 Proc.
amorphen Stärkezuckers zu, was mit keinem anderen Verfahren bis jetzt erreicht
werden kann.
8) Vorstehend beschriebener Zucker läſst sich direkt aus dem rohen
Mais, Reis oder auch Sago herstellen, also direkt aus der Frucht, ohne vorherige
Abscheidung der Stärke.
Es wäre sehr zu wünschen, wenn das beschriebene Verfahren in der Fabrikation Eingang
fände und noch wünschenswerther, wenn sich dasselbe bewähren würde.
J. Bröſsler.