Titel: | Ueber Kraftvertheilung von Centralstationen. |
Fundstelle: | Band 272, Jahrgang 1889, S. 97 |
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Ueber Kraftvertheilung von
Centralstationen.
Mit Abbildungen auf Tafel
5.
Ueber Kraftvertheilung von Centralstationen.
Die Vertheilung von Kraft von einer Centralstelle aus hat eine wesentliche Bedeutung
in zweierlei Beziehung. Zunächst ist vom gesundheitlichen Standpunkte zu betonen,
daſs die Kraftvertheilungsanlage der Centralisirung der Arbeit und der
Arbeitsstellen kräftig entgegenarbeitet, sowie daſs die Verunreinigung der Luft mit
Rauch und Ruſs wesentlich vermindert, und auf eine Centralstelle beschränkt wird.
Sodann ist aber der Schwerpunkt der Kraftvertheilungsfrage in dem Umstände zu
erblicken, daſs es nach dem Stande der Technik wohl nur auf diesem Wege möglich sein
wird, dem Klein- und Mittelgewerbe eine Betriebskraft zur Verfügung zu stellen,
welche an Billigkeit der von der Groſsindustrie benutzbaren mechanischen
Arbeitskraft gleich kommt.
Die stetig steigende Bedrängniſs des sogen. Kleingewerbes, welches eine so
hervorragende Rolle spielt in unserer socialen Gesellschaft, indem es dieselbe mit
tüchtig schaffenden, selbständigen Kräften durchsetzt, kann schwerlich auf anderem
Wege behoben werden, als durch Schaffung einer billigen, kleinen Betriebskraft,
welche dem Kleingewerbsmanne die mechanische Muskelarbeit abnimmt.
Wenn in einer von der badischen Staatsregierung veranlaſsten Statistik über die Lage
des Kleingewerbes (Karlsruhe 1887, Verlag der Macklot'schen Druckerei) der Schluſs gezogen wird, daſs „in allererster
Linie die riesigen Fortschritte der Neuzeit auf dem Gebiete der
Maschinenerfindungen dem Handwerker die schlimmsten Wunden schlagen“, so ist
dem nur beizustimmen, während man dagegen dem hoffnungslosen Satze, daſs „diese
Wunden unheilbar seien, denn dem Streben und Ringen des Menschengeistes Fesseln
anlegen und die Ausnützung seiner Errungenschaften durch Machtgebot verhindern
zu wollen, wäre Wahnwitz und ein Verbrechen an der Menschheit“,
glücklicherweise die Thatsache entgegengehalten werden kann, daſs gerade der
„Menschengeist und die riesigen Fortschritte der Maschinenerfindungen“
auch hier jetzt den erforderlichen Ausgleich zu bieten in die Lage kommen. Man kann
jetzt schon mit gewissem Stolz auf die erfolgreichen Bestrebungen der Technik
hinweisen, dem Kleingewerbe eine billige Betriebskraft zu bieten, welche demselben
die Konkurrenz mit dem Groſsgewerbe gestattet.
Es ist in drei Richtungen mit Erfolg versucht worden, dem Kleingewerbe diese billige
Betriebskraft zu liefern. Zunächst ist die Construction selbständiger kleiner
Kraftmaschinen so hervorragend gefördert, daſs man dieselben recht wohl als
konkurrenzfähig gegenüber den billig arbeitenden Dampfmaschinen der Groſsindustrie
betrachten kann. Sodann hat man groſse Werkhäuser gebaut, für welche seitens einer
groſsen Dampfmaschine oder Turbine Kraft geliefert, und durch Wellen, Seile, Riemen
oder dgl. in die einzeln vermietheten Räume abgezweigt wird, so daſs die einzelnen
Kraftmiether immerhin an dem Vortheil billiger Betriebskrafterzeugung theilnehmen.
Endlich ist man in allerjüngster Zeit einen Weg geschritten, Kraft an einer
Centralstelle zu erzeugen und in Leitungen durch ein Mittel zu übertragen, welches
am Gebrauchsorte kleine Kraftmaschinen zu bethätigen in der Lage ist. Die Bedeutung
solcher Anlagen ist zur Zeit noch gar nicht zu übersehen.
Die selbständigen
Kleinkraftmaschinen
werden ausschlieſslich durch die Kleindampfmaschinen und zwar
zumeist in Gestalt der Kesseldampfmaschinen und Locomobilen vertreten, denn die
vielfachen Versuche, auch die Heiſsluftmaschine zu einem dauernd brauchbaren und
billigen Kleinkraftmotor auszubilden, scheinen doch noch nicht zu dem praktisch
nothwendigen Ergebnisse geführt zu haben. Dagegen ist neuerdings in den
Erdölkraftmaschinen den Dampfmaschinen ein nicht zu unterschätzender Gegner
entstanden, mag auch noch die Verwendung des billigen Roherdöls an Stelle des leicht
vergasbaren, aber feuergefährlichen und theuren Naphtas, Benzins u. dgl. mehr oder
weniger hapern.
Die Kesseldampfmaschinen werden jetzt in so vortrefflicher Ausführung in den Handel
gebracht, daſs sie für die Zwecke des praktischen Gebrauchs hinsichtlich ihrer
Dauerhaftigkeit, Einfachheit der Construction und der Bedienung, Billigkeit des
Betriebes sicher allen berechtigten Anforderungen zu genügen vermögen. Diese Motoren
sind auf die jetzt erreichte Höhe ihrer Leistungsfähigkeit eigentlich erst durch die
Konkurrenz des Gasmotors gebracht, der dem Kleingewerbe sich seit dem Jahre 1877 als
billiger Betriebskrafterzeuger darbot. Nach einer Zusammenstellung, welche
allerdings mangels auskömmlichen amtlichen statistischen Materials nicht auf
Zuverlässigkeit Anspruch erheben kann, stellte sich der Gebrauch von
Kleindampfmaschinen bis zu 8 Pferd im J. 1888 auf rund 14000 Stück mit einer
Gesammtleistung von 100000 Pferd.
Ueber die Bedeutung der Erdölkraftmaschinen, welche durch Explosionen von vergasten
oder zerstäubten Kohlenwasserstoffen betrieben werden, läſst sich noch nichts sagen,
doch ist zu erwarten, daſs sich eine brauchbare, einfach gebaute Maschine, mit
Roherdöl bedient, sicher einen groſsen Eingang, namentlich in die Kreise der
Landwirthschaft, erringen wird.
Die Vermiethung der Kraft
von einer gröſseren, billig arbeitenden Betriebsmaschine in
einzelne Räume eines für Werkstättenbetrieb eingerichteten Gebäudes hat namentlich
in Berlin eine gewisse Bedeutung erlangt. Es sind in Berlin nicht weniger als 190
Unternehmer solcher Kraftvermiethungsanlagen vorhanden, welche auſser den oft
groſsartig und zweckentsprechend eingerichteten Werkstätten auch die Kraft in
denselben vermiethen. Man
zählt gegen 1000 Rraftmiether. Der Preis einer gelieferten, d.h. in der Werkstätte
an die Triebwelle abgegebenen Pferdekraft belauft sich in Berlin für den
zehnstündigen Arbeitstag auf 1,50 bis 2 Mark.
Zur Beurtheilung der Kosten eines solchen Betriebes mit gemietheter Dampfkraft sei
folgendes Beispiel aus Berlin herausgegriffen: Eine in der Chausseestraſse im
dritten Stock des Hofgebäudes belegene Werkstatt von zwei Räumen mit zusammen 52qm Grundfläche kostet jährlich 560 Mark, so daſs
sich die Gesammtkosten für die Werkstatt mit Kraft unter Annahme des Gebrauchs von 1
Pferdekraft zu 1,50 Mark einchlieſslich der Miethssteuer auf nicht ganz 1200 Mark
jährlich stellen.
Die Stadt Nürnberg hat bereits seit dem Jahre 1857 eine Kraftvermiethungsanlage auf
eigene Rechnung eingeführt. In der Schwabenmühle an der Pegnitz ist ein
vierstöckiges Gebäude errichtet, welches 48 Werkstätten aller Art enthält, denen die
Kraft zweier Mühlräder zugeführt wird. Letztere leisten etwa 25 Pferd, welche von
der wagerechten Radwelle auf eine durch sämmtliche vier Stockwerke hindurchgehende
Königswelle übertragen wird; von letzterer wird durch Kegelräder in jedem Stockwerk
eine wagerechte Welle abgezweigt, welche unterhalb der Decke des Korridors liegt, so
daſs von hier aus der Betrieb sehr bequem in die einzelnen Werkstätten abgeleitet
werden kann. Vor der Aufstellung des Miethkontraktes wird der Kraftbedarf sämmtlicher in der Werkstatt aufgestellter
Arbeitsmaschinen gemessen, während die Haupttriebswelle unter einer Schuckart'schen Bremse 66 Umdrehungen in der Minute
macht. Die Miethe beträgt jährlich für 1 Pferd 600 Mark, für ½ Pferd 340 Mark, für ¼
Pferd 150 Mark, für ⅓ Pferd 200 Mark. Der Quadratmeter Werkstattbodenfläche kostet
jährlich 5 Mark. Die Arbeitszeiten sind genau festgestellt. Die gesammten
Herstellungskosten der Anlage sollen 150000 Mark ausschlieſslich Grund und Boden
betragen haben.
Mit dieser Form der Kraftvermiethung kann man sich jedoch vom Standpunkte des
Kleingewerbetreibenden nicht durchaus einverstanden erklären. Das Kleingewerbe hat
zum gröſsten Theil seinen Schwerpunkt darin zu suchen, daſs seine Ausübung nicht an
einen bestimmten Raum gebunden ist, sondern allerorts unter gleichen Bedingungen
ausgeübt werden kann. In der Ansammlung vieler Kleinbetriebe in einem Gebäude kommt
man aber schon wieder der Fabrik nahe, weil ebenfalls eine Centralisation von Arbeit
vorhanden ist.
Unter diesem Gesichtspunkte ist eine Art der
Kraftleitung durch Drahtseile
schon zweckmäſsiger, wie sie namentlich in der Schweiz einen
gröſseren Umfang erreicht hat. Es wird dort die Kraft verschiedener Wasserfälle und
Ströme durch mächtige Turbinen-Anlagen aufgenommen und durch Drahtseile an die
Gebrauchsstelle geleitet. Wenn auch in der Schweiz auf diese Weise vielfach
Kleinbetriebe mit Kraft versehen werden, so ist doch die allgemeine Anwendung der
Drahtseilübertragung im Wesentlichen nur für stabil errichtete Werkstätten
möglich.
Welchen Umfang der im J. 1850 durch Hirn in Colmar
erfundene Drahtseilbetrieb angenommen hat, berichten die Zahlen über folgende
hervorragende Anlagen, welche seitens der Firma Joh. Jac.
Rieter und Comp. in Winterthur ausgeführt worden sind:
Ueber-trageneKraft inPferd
Ent-fernungin m
1
760
473
Für verschiedene Werkstätten und Fabriken der Wasser- gewerkschaft in
Schaffhausen.
2
1700
765
Für verschiedene Werkstätten der Société générale
Suisse des eaux et forêts in
Tribourg.
3
3150
907
Desgl. der Compagnie générale de Bellegarde
am Rhonefall.
Vertheilung von Kraftmitteln.
Mit allem Nachdruck muſs an dem Grundsatze festgehalten werden, daſs die Kraftabgabe
am Gebrauchsorte, der Werkstätte, nur in Gestalt eines Kraftmittels erfolgt, welches
in einer besonderen, unabhängigen Kraftmaschine zur Wirkung gelangt. Nur unter
dieser Bedingung kann der Abnehmer von Kraft sparsam arbeiten, da in den meisten
Fällen, in denen Kraftbetrieb gewünscht wird, dieser nur in gewissen Zwischenräumen
benöthigt ist. Daher sind die Leitungen mit geeigneten Kraftmitteln für den Betrieb
besonderer in der Werkstatt vorhandener Motoren die einzig zweckmäſsige Lösung der
Kraftvertheilungsfrage. Als solche Kraftmittel sind bisher angewendet: Leuchtgas,
Wasser, Elektricität, Dampf, verdünnte und verdichtete Luft.
Die weitaus gröſste Anwendung zur Kraftabgabe hat wohl das Leuchtgas der städtischen
Gasleitungen zum Betriebe der Gasmaschinen mittels
der Explosionen von Gemischen aus Leuchtgas und Luft gefunden.Ueber die Verbreitung der Gasmotoren macht die Maschinenfabrik Möller und Blum in Berlin folgende interessante
Mittheilung: In einigen Berliner Zeitungen befand sich kürzlich eine
statistische Zusammenstellung der in Berlin in Thätigkeit befindlichen
Gasmotoren, die so weit hinter der wirklichen Anwendung derselben
zurücksteht, daſs wir in Anbetracht des hohen wirthschaftlichen Interesses,
welches sich in allen industriellen Kreisen für Anwendung von Gasmotoren
bekundet, uns gestatten, zur Richtigstellung dieser Notiz nachstehende
ausführlichere Angaben über die wirkliche Verwendung der Gasmotoren mit der
Bitte um Aufnahme zu unterbreiten. – Es sind bei Schluſs des Jahres 1888
durch unsere Maschinenfabrik allein hier in Berlin von den Deutzer Otto'schen neuen Motoren geliefert und in
Betrieb befindlich: 1.Für elektrische Beleuchtungsanlagen
(dar-unter Anlagen mit über 100 Pferdestärkenfür das
königl. Schloſs und mit 150 Pferde-kräften für Rud.
Hertzog) 93Maschinen1520Pf. 2.FürBuch- und Steindruckereien132„ 474„ 3.„sonstige Papierindustrien 14„ 56„ 4.„Textilindustrie 47Maschinen 103Pf. 5.„Holzbearbeitung 45„ 204„ 6.„Metallbearbeitung 49„ 194„ 7.„Maschinenfabrikation und mechanischeWerkstätten 51„ 202„ 8.FürPumpenanlagen und Aufzüge 60„ 165„ 9.„Ventilationszwecke 25„ 62„10.„Kaffeebrennereien, Schlächtereien undFouragebereitung 62„ 148„11.Für diverse andere Zwecke 66„ 295„Es ergeben die vorgenannten Anlagen bereits die Zahl von 644 Motoren mit 3423
Pferdestärken. Auſserdem befindet sich noch eine groſse Anzahl Gasmaschinen
älterer Construction in den verschiedenen Industriezweigen und für
Privat-Wasserleitungen in Thätigkeit, die hier nicht mit aufgeführt sind,
sowie eine Anzahl anderer Systeme, so daſs sich sowohl Stückzahl als
Pferdekräfte noch ungefähr um ein Fünftel bis ein Sechstel der vorstehenden
Zahlen erhöhen. Der hervorragendste Vertreter der Gasmaschinen,
überhaupt der
eigentliche Bahnbrecher für die Anwendung der Kleinkraftmaschinen ist zweifellos der
sogen. Deutzer Motor von Otto, welcher in den Jahren
1877 bis 1885 den Markt beherrschte, sich nunmehr aber mit etwa 17 Concurrenten
abfinden muſs. Die groſse Bequemlichkeit des Betriebes hat es mit sich gebracht,
daſs nach einem ebenfalls keinen Anspruch auf Zuverlässigkeit machenden Ueberschlage
in Deutschland 75000 Pferdekräfte durch etwa 28000 Gasmaschinen geleistet werden.
Die angegebenen Ziffern, 14000 Kleindampfmaschinen- und 28000 Gasmaschinenbetriebe,
kommen erst in das richtige Licht, wenn man beachtet, daſs in Groſsbetrieben
überhaupt der letzten Statistik vom Jahre 1888 zufolge 43370 feststehende
Dampfmaschinen ermittelt wurden.
Der Umstand, daſs in den Gasmaschinen der zugeleitete Kraftträger, das Gas, erst noch
zur Explosion gebracht werden muſs, spricht zu Gunsten der nunmehr zu betrachtenden
Kraftübertragungen, bei denen die angeschlossene Kraftmaschine die zugeleitete Kraft
ohne Weiteres nutzbar macht, ohne daſs sich dabei Umständlichkeiten ergeben, wie sie
der Betrieb von Gasmaschinen immerhin mit sich bringt.
Mit Recht hat man versucht, die ebenfalls jetzt in jeder gröſseren Stadt vorhandene
Wasserleitung für die Zwecke des Kraftbetriebes zu
verwenden, ohne jedoch hiermit glückliche Erfolge zu erzielen, weil das Wasser
einmal ein wenig günstiger Kraftträger ist und sodann der Preis des städtischen
Wasserleitungswassers sich in den weitaus meisten Fällen zu hoch stellt, um einen
ökonomischen Gebrauch zu gestatten. Bisher scheinen sich die Preise für
Leitungswasser nur in Zürich und etwa in München so niedrig zu stellen, daſs es für
Kraftleistung benutzbar wird.
Die genannten Uebelstände haben nicht abgehalten, die Frage der Kraftübertragung
durch Druckwasser weiter zu verfolgen und in einigen Fällen mit günstigem Erfolge zu
lösen, indem man das Wasser ganz besonders hoch spannte.
So hat man bei einer Wasserkraftanlage in Hull einen
Druck in den Leitungen von 50at in Anwendung
genommen, so daſs für die Leitungen und deren Anschlüsse allerdings ganz besondere,
sorgfältige Dichtungen u.s.w. erforderlich wurden. Der Preis des Wassers von 50at Druck soll rund 1 M. für 1cbm betragen. Die Maschinen der Anlage in Hüll
liefern 1200l Wasser von 50at in 1 Minute.
Gleich hohen Druck hat das Wasser in den beiden Londoner
Anlagen, welche das Wasser aber erst zu 1,80 M. für 1cbm liefern. Die gesammte Länge der Leitungen
beträgt etwa 13km. Die Maschinen liefern in 1
Minute 1300l Druckwasser. Die Londoner Anlage
speist gegen 400 Stellen mit Betriebskraft, welche allerdings wohl zumeist für
hydraulische Hebewerke Verwendung findet.
Eine Wasserkraftversorgung jüngsten Datums ist die der Stadt Genf. Hier wird der Rhone mittels groſser
Turbinen von je 200 Kraft entzogen, welche dazu benutzt wird, Druckwasser
von 15at für Genf zu liefern. Aus dieser Leitung
sollen gegen 200 Anlagen Kraft beziehen.
Neuerdings wird auch davon gesprochen, die für den Betrieb der hydraulischen Krahne
und sonstigen Hebewerke im Freihafengebiete der Stadt Hamburg benutzten Wasserwerke
zu einer groſsen Druckwasseranlage auszudehnen, um Druckwasser für gewerbliche
Anlagen abzugeben. Der Staat soll den Betrieb der Centralanlage zu übernehmen
gesonnen sein.
Bei Betrachtung des Wasserbetriebes bleibt der Reuleaux'sche Nachweis zu beachten, daſs die specifische Leistung des
Wassertriebes unabhängig ist von der Wasserspannung. Ob man hohe oder niedrige
Spannung für das Wasser benutzt, es wird auf 1qcm
des Rohrwandquerschnittes bei derselben Wassergeschwindigkeit dieselbe specifische
Leistung in Pferd übertragen.
Die Dampfvertheilungsanlage der Steam Company in New-York hat insgesammt 10 Centralstellen, von welchen
angeblich 64000 (?) abgeleitet werden können. Der Dampf von 4at,5 Ueberdruck gelangt aus den Kesseln der
einzelnen Stationen in ein Rohr von 400mm
Durchmesser, um von hier aus in die verzinkten, schmiedeeisernen Straſsenrohre
abgeleitet zu werden. Die Rohrlänge jeder einzelnen Station beträgt 4km; die Straſsenrohre haben während der ersten
200m Länge einen Durchmesser von 105mm, während der übrigen Länge aber nur 52mm. Die Rohre liegen, in Schlackenwolle verpackt,
in gemauerten Kanälen. Das Dampfwasser wird in einer besonderen, neben dem
Dampfrohre vorgesehenen Leitung abgeführt. Zur Verpackung der Anschluſsröhren in die
Häuser muſs vertragsmäſsig Asbestpappe von bestimmter Art oder 20mm starker Haarfilz benutzt werden. Der Preis für
1000k Dampf wird auf 5 M. angegeben. Der
Dampfverbrauch wird durch das Condensationswasser gemessen. Der Druckverlust soll 20
Proc. betragen.
Eine weitere Anwendung hat die Vertheilung von Dampf nicht gefunden, was ganz
begreiflich ist, wenn man die groſsen Verluste bedenkt, welche trotz der besten
Wärmeschutzumhüllung in langen Leitungen entstehen und namentlich auf die groſsen
Kosten Bedacht nimmt, welche der gute Schutz der Röhren mit Wärmeschutzmassen
verursachen. Der groſse Vortheil der Verwendung von Dampf auch zum Kochen, Waschen
und Heizen läſst es allerdings bedauern, daſs der Dampf, welcher für gewerbliche Ausnutzung im Allgemeinen das denkbar
beste Mittel ist, der Uebertragung auf weite Entfernung so viele Schwierigkeiten
entgegensetzt.
Der in Philadelphia und in Boston mehreren Zeitungsnachrichten zu Folge gemachte
Versuch, statt des Dampfes sehr stark erhitztes, sogen. überhitztes Wasser zu übertragen, läſst sich ohne Kenntniſs näherer
Mittheilungen nicht beurtheilen. Jedenfalls wird hier das überhitzte Wasser in
derselben Weise für motorische Zwecke dienstbar gemacht werden sollen, wie bei den
feuerlosen Locomotiven System Lamm-Franque. Während das
überhitzte Wasser sicherlich alle die Vortheile bietet, welche die Uebertragung von
gespanntem Dampfe auszeichnet, so sind sicher auch dieselben Nachtheile mit dessen
Vertheilung verbunden, wenn auch nicht vergessen werden darf, daſs z.B. die
Condensationsverluste naturgemäſs umgangen sind, also die Schwierigkeit der
Ableitung des Condensationswassers fortfällt.
Die weitaus groſsartigsten und weit umfassendsten Versuche über Kraftübertragung sind sicherlich mit dem elektrischen Strome angestellt. Wenn auch
zugegeben werden muſs, daſs in einzelnen Fällen mit Vortheil Wasserkräfte mit Hilfe
des elektrischen Stromes auf groſse Entfernungen übertragen sind, so kann doch
rücksichtlich des hier betrachteten Zweckes eine Vertheilung von Kraft aus groſsen
Dampfmaschinenanlagen, wie dies für städtische Kraftvertheilung allein denkbar und
ausführbar erscheint, behauptet werden, daſs die Versuche mit elektrischer
Kraftleitung noch nicht solche Ergebnisse geliefert haben, um für die städtische
Kraftvertheilung ernstlich in Frage zu kommen. Die Berliner
Elektricitätswerke geben seit kurzer Zeit 1888 268 573 auch elektrischen Strom aus ihrer weit verzweigten Leitung für
Kraftleistung ab, doch stellt sich der Bezugspreis zu hoch, als daſs er für die
allgemeinen gewerblichen Zwecke getragen werden könnte. Die Berliner Elektricitätswerke geben den Strom zu folgenden Bedingungen und
Preisen ab: Für Elektromotoren ist eine monatliche Grundtaxe von 1 M. für 1 Ampère
der Maximalleistung zu zahlen. Diese Taxe wird nicht erhoben, wenn der Verbraucher
sich bereit erklärt, auf die Lieferung des elektrischen Stromes während der
Wintermonate von Sonnenuntergang bis 11 Uhr Abends zu verzichten, im Falle die
Beanspruchung der Centralstationen für die elektrische Beleuchtung dies erfordern
sollte. Der Stromverbrauch wird nach der im allgemeinen Tarife für die
Beleuchtungsanlagen festgesetzten Stromeinheit berechnet, doch wird auſser den gewöhnlichen
Rabatten ein Extrarabatt von 25 Proc. in allen Fällen gewährt, wo für die Messung
des Stromes für Elektromotorenbetrieb ein besonderer Meſsapparat aufgestellt wird,
so daſs also nicht der Strom für Beleuchtung und Kraftübertragung zusammen gemessen
wird. Ueber die hiernach entstehenden Kosten des Betriebes gibt nachfolgende Tabelle
Aufschluſs.
1
2
3
5
8
12
––––––––––––––––––––––––––––––––––
38
72
105
170
264
396
Pf. die Stunde.
Bei Beurtheilung derselben ist zu berücksichtigen, daſs die
Anschaffung der Elektromotoren noch nicht halb so theuer wie die anderer
Betriebskräfte ist, daſs ferner die Kosten für Bedienung und Wasserverbrauch in
Wegfall kommen, daſs die Auslagen für Schmiermaterial sehr gering sind, und daſs der
Motor fast gar keiner Abnützung unterworfen ist. Die Elektromotoren sind
selbstregulirend, so daſs daher der Stromverbrauch und damit die Bezahlung sich
unmittelbar nach dem Kraftverbrauche richtet; dieser soll aber nach den in Amerika
gemachten Erfahrungen bei den leicht abstellbaren Elektromotoren kaum 30 Proc. der
nur manchmal erforderlichen Maximalleistung betragen (?).
Des weiteren gibt die genannte Gesellschaft folgende Tabelle über den Kraftbedarf
einzelner Arbeitsmaschinen und die hierfür erwachsenden Kosten:
Leistungdes Motors
MonatlicheGrundtaxe
Kosten beijährlich3000
Be-triebs-stunden
Verwendung der
Elektromotorenfür
in Pferd
Mark
Pf. i. d. St.
1/1
1
3,8
Nähmaschinen, medizinische Apparate u.s.w.
¼
3
11,3
Kaffee- und Reismühlen, Drehbänke, Wohn- raumventilatoren,
Schleifsteine, Blasebälge u.s.w.
½
5,20
20,7
Holzbearbeitungsmaschinen, Restaurant- und Saalventilatoren,
Wringmaschinen, Pumpen, kleine Eismaschinen, 3 bis 5 kleine
Druck- pressen u.s.w.
1
10
38
Gesteinbohrmaschinen, Hebezeuge, Kreissägen, Bandsägen,
Profilirmaschinen u.s.w.
2
19
72
Krane, Waarenaufzüge, groſse Drucker- und Lithographenpressen.
Kleine Werkstätten, Metall-Plattirpressen u.s.w.
3
28
105
Elevatoren, Pferdebahnwagen, Fabrik-, Güter- bahnwagen
u.s.w.
5 812
45 70105
170264396
Transmissionen, groſse Arbeitsmaschinen, Krane, elektrische
Eisenbahnen und Fabrik- betrieb u.s.w.
Von einer gröſseren Benutzung des elektrischen Stromes für Betriebszwecke ist nichts
bekannt geworden.
Wir gelangen nun zur Besprechung einer Kraftleitung, welche berufen sein wird, dem
Gewerbe die hervorragendsten Dienste zu leisten und sicher die allgemeinste
Anwendung zu finden, nämlich der
Kraftübertragung durch verdünnte und verdichtete Luft.
Die atmosphärische Luft erscheint als ein Kraftträger von hohem Werthe, weil sie
durch ihre Leichtigkeit, ihre geringe Reibung in Röhren der Kraftübertragung die
wenigsten Verluste auflegt. Trotzdem die Luft als Kraftträger bereits seit langer
Zeit bei Tunnelbauten zum Betriebe von Arbeitsmaschinen gebraucht worden war, ist
ihre Bedeutung für die Kraftvertheilung erst durch den Betrieb der Preſsluftanlagen
für das pneumatische Uhrensystem in Paris so augenscheinlich auffällig
hervorgetreten, daſs man mit der Errichtung gröſserer Anlagen für die Zwecke der
Kraftvertheilung erst neuerdings vorgegangen ist. Der Betrieb dieser Anlagen hat
nicht nur bezüglich der günstigen Bethätigung von Kraftmaschinen, sondern namentlich
auch bezüglich anderweiter gewerblicher Verwerthung Aussichten eröffnet, welche den
Luftleitungen eine jetzt noch gar nicht ermeſsbare Bedeutung verleihen.
In Paris ist seit etwa 4 Jahren eine Anlage in Betrieb, welche mit verdünnter Luft
arbeitet (Société de distribution de la force motrice à
domicile de l'air raréfié), sowie seit 3
Jahren eine Anlage für verdichtete Luft (Compagnie
Parisienne de l'air comprimé, procédés Victor Popp). Eine groſsartige
Luftdruckanlage besteht ferner in Birmingham (The Birmingham
compressed air power Company). Die Stadt Leeds weist die Entstehung zweier
Anlagen auf, deren eine mit verdichteter Luft arbeitet, während die andere das
Prinzip der Luftverdünnung ausnutzt. Ebenso ist eine Druckluftanlage in Belfast,
Irland, in Aussicht genommen. Sind die letzteren Anlagen in Betrieb, so wird durch
dieselben die Summe von 60000 geleistet werden können.
Diesen Erfolgen gegenüber ist es sehr bedauerlich, daſs sich Deutschlands
Industriestädte der Frage der Kraftvertheilung so zurückhaltend gegenüberstellen. Es
ist, wie die folgenden Betrachtungen ergeben werden, nicht nur ein verdienstvolles,
sondern auch ein ertragreiches Unternehmen, Kraft zu vertheilen.
Die Kraftübertragung mittels verdünnter Luft in Paris
(vgl. Kleinmotoren mit verdünnter Luft (Saugeluftmotoren) 1888 269 * 545). Das System ist sehr einfach; es beruht darauf, mit den in
einer Centralstation aufgestellten Luftsaugpumpen fortwährend Luft Verdünnung in
einer Rohrleitung zu erhalten. Die Maschinen in den Werkstätten können damit in
jedem Augenblicke in Verbindung gebracht werden und arbeiten dann in Folge des
Ueberdruckes der freien Luft. Es geht daraus hervor, daſs die Bewegkraft beschränkt
ist, weshalb denn auch dieses System nur solchen Werkstätten dient, welche keine
groſse Kraft benöthigen und nicht zu weit von der Centralstation entfernt
liegen.
Die Centralstation der Société de distribution de la force
motrice à
domicile befindet sich in der Rue Beaubourg, somit in dem Herzen von
Paris. Liegende Dampfmaschinen von 90 stehen in unmittelbarer Verbindung
mit den Luftpumpen, welche fortwährend Luft aus zwei eisernen Behältern von 1m,25 Durchmesser und 3m,50 Höhe saugen. Von diesen Behältern aus verzweigt sich das Röhrennetz.
Die Luftverdünnung, welche man zu erhalten trachtet, schwankt zwischen 65 Proc. und
72 Proc. und beträgt im Mittel 67 Proc.
Je nachdem mehr oder weniger Maschinen in den Werkstätten in Gebrauch sind, verändert
sich diese Luftverdünnung und muſs die Centralmaschine schneller oder langsamer
arbeiten. Dieses geschieht innerhalb der genannten Grenzen von 65 bis 72 Proc.
selbstwirkend, indem der Regulator der Dampfmaschine von dem Luftdrucke in dem
Röhrennetze abhängig gemacht ist. Nimmt dieser Druck zu, d.h. bei groſsem
Kraftverbrauche, so nimmt auch die Geschwindigkeit der Maschine zu, und umgekehrt ab
bei gröſserer Luftverdünnung. Die Geschwindigkeit der Maschine beträgt dabei 30 bis
50 Umdrehungen in der Minute, bei einer Luftverdünnung von 65 bis 72 Proc.
Auſserhalb dieser Grenzen ist eine Regelung durch den Maschinisten erforderlich,
welcher die Geschwindigkeit bis auf 20 Umdrehungen verringern und bis auf 60
vermehren kann. Ein elektrisches Läutewerk setzt ihn davon in Kenntniſs, daſs die
Grenzzustände eingetreten sind.
Die Rohrleitung besteht aus guſseisernen Röhren von 3rn Länge mit Muffen in einander schlieſsend und mit Blei gedichtet. Ihre
lichte Weite hängt von der Entfernung der Centralstation ab; für die ersten 50m beträgt sie 0m,25, für weitere 100m 0m,20, daran schlieſsen sich Rohre von 0m,15 und endlich die engsten von 0m,10 Durchmesser. Die Wandstärke verändert sich
zwischen 10 und 6mm. Die Rohre liegen in den
Straſsenkanälen oder (in der Rue Brantôme z.B.) in dafür gegrabenen Vertiefungen.
Die Verbindung in den Häusern mit den Werkstättenmaschinen erfolgt durch Bleirohre,
wie bei Gas- oder Wasserleitungen; die Weite ist von der Anzahl und Gröſse der
Maschinen abhängig.
Letztere liefert und stellt die Gesellschaft gegen Bezahlung einer Miethe auf. Die
Stärke der Maschinen wechselt zwischen 3mk (für
Nähmaschinen u.s.w.) und 100mk (1⅓ ); es
sind drei verschiedene Arten Motoren in Gebrauch, nämlich: oscillirende für eine
Arbeitskraft von 3 bis 10mk, rotirende für 12 bis
40mk, und Mantelmotoren für 37,5 bis 100mk (½ bis 1⅓ ). Solche für 50 bis 100mk werden in der letzten Zeit hauptsächlich
gewählt. Ein Motor von 50mk reicht hin, um drei
parallel laufende Wellen in Bewegung zu setzen, deren jede z.B. 3 bis 4 Werkzeuge
für einen Drechsler treiben kann. Die ursprüngliche Uebertragung durch Kammräder ist
jetzt durch Schieber ersetzt, in Folge dessen die Maschinen sehr leise und
regelmäſsig arbeiten.
Die Bezahlung der Bewegkraft geschieht nach der Anzahl der Umdrehungen; jede Maschine
ist zu dem Zwecke mit einem Zählwerke versehen, welches bis 10 Millionen Umdrehungen
aufzeichnen kann. Der Preis für 1000 Umdrehungen beträgt für 1 Maschine von 5sec/mk, d.h. für 1
Maschine, welche die Arbeit eines Mannes verrichtet, 1 Centime, für eine stärkere
Maschine von 24mk 3½ Centimes, für eine von 80mk oder etwa 1 7 Centimes. Stündlich
kosten solche Maschinen, einschlieſslich Miethe und Vergütung für das Legen der
Leitungen in den Häusern u.s.w., bezieh. 15, 36 und 53 Centimes.
In der Centralstation zeichnet eine Vorrichtung die Anzahl der Umdrehungen der
Maschinen daselbst auf; diese kann somit mit der Einnahme verglichen werden, welche
proportional der Anzahl Umdrehungen der getriebenen Maschinen für den Abnehmer ist.
Zugleich kann daraus entnommen werden, wie viel Hübe die Luftsaugemaschine zu
verschiedenen Stunden des Tages gemacht haben, und in welchen Augenblicken am
meisten und am wenigsten in den Werkstätten gearbeitet wird. Die Centralmaschine
arbeitet von Morgens 7 bis Abends 7 Uhr.
Die Anlage ist von den Ingenieuren L. Boudenot und Petit ausgeführt und kam im Juni 1885 in Betrieb.
Anfangs erstreckte sich die Rohrleitung nur über das Häuserviereck zwischen den
Straſsen St. Martin, Temple, Rambuteau und Réaumur und breitete sich später
bedeutend aus: es war damit der Beweis geliefert, daſs dieses System für die kleine
Industrie und für kleine Entfernungen sehr zweckmäſsig ist. Ende Oktober 1885 waren
39 Abnehmer angeschlossen; Ende Februar 1886 betrug deren Zahl bereits 72 und die
Länge der Rohrleitung 1485m. Die sehr zahlreichen
Anfragen nöthigten aber zur weiteren Ausbreitung. Die erste Dampfmaschine genügte
nicht mehr und im Frühjahre 1887 wurden noch 2 Luftsaugmaschinen in Thätigkeit
gesetzt, wodurch die Centralstation 200 Abnehmer anschlieſsen kann. Die Länge der
Rohrleitungen beträgt zur Zeit 2500m.
Die Gesellschaft erlangte von der Stadt Paris die Erlaubniſs, in allen Straſsen der
Stadt Rohre verlegen zu können, und richtete 19 Stadtviertel ein, innerhalb welcher
nach und nach solche Centralstationen errichtet werden sollen; wenn man bedenkt,
daſs mit der Kleinindustrie in Paris sich etwa 930000 Einwohner beschäftigen, so
besteht vorläufig keine Furcht, daſs ein Bedürfniſs an Bewegkraft in den Häusern
mangeln könnte. Die angeschlossenen Werkstätten gehören Hutmachern, Schneidern,
Corsettmachern, Holz- und Metalldrehern, Kamm- und Bürstenfabrikanten,
Cartonarbeitern u.s.w.
Die Ausgaben sind gering, z.B. im Frühjahre 1886 monatlich 350 Francs, während die
Einnahmen im März 1886 bereits auf 700 Francs gestiegen waren.
Die Société d'encouragement pour l'industrie nationale
verlieh den Preis von
2000 Francs für Kleinmotoren den Motoren mit verdünnter Luft, und den beiden
Direktoren Boudenot und Petit Erinnerungsmedaillen.
Die Kraftvertheilungsanlage mit verdichteter Luft (System
Popp) in Paris (Nach einem Vortrage von Prof. Radinger in Wien, * Wochenschrift des
österreichischen Ingenieur- und Architecten-Vereins, 1889 S. 50) und einem
Vortrage von Prof. Riedler in Berlin (Verein zur Beförderung des Gewerbfleiſses in Preuſsen,
1889 S. 40 und Zeitschrift des Vereins deutscher
Ingenieure, 1889 S. 185).
Die Anlage ist seit Anfang 1888 in Betrieb. Sie ist als fertiges und gelungenes Werk
zu bezeichnen. Die groſse Centralanlage (Usine de St.
Fargeau) ist in der Nähe von Paris errichtet und mit 11 Dampfkesseln und 8
Dampfmaschinen ausgerüstet, welche die 12 Luftverdichtungspumpen durch Riemen
treiben.
Durch diese wird in acht groſse Windkessel Luft von 6at Spannung gepreſst, welche von dort durch ein Rohrnetz der Stadt
zuströmt. Das Hauptrohr aus Guſseisen, 30cm weit,
führt 8km lang bis zur Kirche St. Madeleine, wobei
es unter sämmtlichen groſsen Boulevards entlang zieht. Zahlreiche Abzweigungen
während des Weges und Nebenverbindungen derselben in den Seitenstraſsen bringen das
Rohrnetz zu einer Gesammtlänge von 36km, wobei die
letzten Ausläufer nur mehr 40mm Weite besitzen.
Der gröſste Theil dieser Rohre liegt in den weiten und befahrbaren Straſsenkanälen
(égouts) und zwar an deren Decke aufgehangen (Fig. 3 Taf. 5), so daſs
sie wie deren zweckmäſsig vertheilte Absperrschieber leicht zugänglich und
überwachbar sind. Die Entnahme der verdichteten Luft aus diesen Rohren an den
einzelnen Verwendungsstellen geschieht, wie bei der Leuchtgasleitung, durch
Einführung eines Zweigrohres unter Einschaltung eines Meſsapparates, und dieses
führt, das Dampfrohr vom Dampfkessel her ersetzend, zum Motor.
Der Motor ist in der Regel eine normale Dampfmaschine, deren Kolben von der
gespannten Luft ebenso unter Ausnützung der Expansion betrieben wird, wie es sonst
vom Dampfe geschieht oder geschah; nur bei ganz kleinen, weniger als
2pferdekräftigen Motoren, sind Rotationsmaschinen verwendet. In allen Fällen ist vor
dem Motor ein Druckminderungsventil und ein kleiner Winderwärmungsofen
eingeschaltet.
Durch das Druckminderungsventil wird die Pressung von 6at in der Hauptrohrleitung auf 4 bis 4½at für den Motorenbetrieb ermäſsigt. Der Windofen, bei kleinen Anlagen
durch eine Gasflamme, bei groſsen durch ein schwaches Kohlenfeuer geheizt, erwärmt
die zukommende Luft auf etwa 150°, wodurch nicht nur eine Verminderung des
Windverbrauches erzielt, sondern auch das Einfrieren des Ausströmrohres vermieden
wird. Denn die in der Maschine expandirende Luft kühlt sich bei der Ausdehnung von 4
auf 1at um etwa 70° C. ab und da sie feucht
erzeugt wird und zur Verwendung gelangt, müſste sie entweder früher künstlich
getrocknet, oder um die Höhe des künftigen Temperatursturzes vorgewärmt sein, wenn
Eisbildung im Ausströmrohre verhindert werden soll. In gewissen Fällen jedoch
(Markthallen, ventilationsbedürftigen Räumen u.s.w.) erscheint eine reine und kalte
ausströmende Luft als erwünschte Nebenerscheinung des Motorenbetriebes, welche
soeben in der Bourse de Commerce (Waarenbörse) zur
Ausnützung gelangt.
Die Verwendung verdichteter Luft findet nun in den mannigfaltigsten Werkstätten und
in kleinen Centralstellen für Erzeugung elektrischen Lichtes statt. So sind
Zeitungsdruckereien (Le Figaro mit 50 und Petit Journal mit 100 ), Drechsler, Tischler,
Bäcker u.a. Industrielle für den Betrieb von Arbeitsmaschinen – und Versammlungsorte
und Luxusräume, Restaurants, Club- und Kaffeehäuser, das Eden- und das
Variete-Theater und „Montagne russes“ mit (je 50pferdigen) Maschinen
versehen, welche Dynamos betreiben. Bei kleineren Anlagen geschieht die Bezahlung
nach dem Cubikmeter gebrauchter Luft auf Grund der Angabe des Luftmessers; groſse
Betriebe jedoch werden im Accorde (forfait) erhalten.
Die gegenwärtige Luftlieferung für Paris beträgt 200000cbm, zur Zeit des stärksten Bedarfs selbst 250000cbm in 24 Stunden, wobei der Hauptverbrauch in die
Abendzeit fällt.
Die Hauptanlage in St. Fargeau. Auf der Anhöhe von
Belleville, hinter dem Friedhofe Père Lachaise, befindet sich die Straſse St.
Fargeau, an welcher ein Grundstück von 85m Länge
und 170m Tiefe für die Hauptanlage verwendet
ist.
Ein Kesselhaus von 40m Länge und 11m Breite enthält 11 Dampfkessel, von welchen stets
10 in Betrieb und einer in Reserve liegen. Die Kessel, für 8at Ueberdruck bestimmt, haben je:
FeuerflächeRostfläche
122qm 2qm,6
Rost =\frac{1}{47} der Heizfläche.
Kessel lang
4m,420
Blech 16mm (dreifache
„ Durchmesser
2m,280
Laschennietung).
2 Feuerrohre von je
760mm
5 Trommeln muffenförmig gestoſsen.
Ueber den Feuerrohren:
74 Stück Siederöhren 76 zu 70 weit.
Rohrquerschnitt
\frac{1}{9,1} der Rostfläche.
Der Feuerzug führt von der Innenfeuerung durch eine gemauerte Hinterkammer durch die
Siederohre nach vorn, kehrt hier durch einen vorgelegten Blechkasten an den
Kesselmantel zurück und gelangt von da durch zwei Feuerkanäle in den Schlot von 3m lichter Weite. Die Kessel sollten vertragsmäſsig
je 1820k Dampf stündlich (15k für 1qm) mit 70k Kohle für 1qm
Rostfläche erzeugen, wobei auf 1k Kohle 10k Dampf kämen, was sich als nicht einhaltbar
erwies.
Sechs liegende Compoundmaschinen mit Condensation bilden den Hauptantrieb für die
Luftverdichtungspumpen, welche von den rückwärts verlängerten Kolbenstangen
betrieben werden. Die Hauptabmessungen dieser Maschinen sind:
Durchmesser des Hochdruckcylinders
557mm
„ „ Niederdruckcylinders
888mm Volumverhältniſs 1 : 2,6
„ der Kolbenstangen vorn 95,
hinten 88mm
Füllung im Hochdruckcylinder normal
\frac{1}{4}
Kolbenhub je
1m,219
Kolbengeschwindigkeit
bei
38
Umgängen
1m,54
in 1 Secunde normal
„
„
45
„
1m,83
„ 1 „ max.
Achsenentfernung der beiden Cylinder
3m,500
Schwungraddurchmesser
4m,300
Luftverdichtungscylinder-Durchmesser je
0m,600
Kolbenstangendurchmesser alle gleich
88mm
Ausströmröhre je
120mm
Volumen für 1 Kolbenhub
1cbm,35
von den 4 Kolbenseiten,Kolbenstangen abgezogen.
Diese Maschinen, welche bei 38 Umläufen laut Indicatoraufnahmen je 341
indiciren, sind gleich den Kesseln von Davey-Paxman und
Co. in Colchester gebaut. Beide Cylinder werden durch Schieber gesteuert.
Der kleine Cjlinder arbeitet mit zwei Schiebern und drei Excentern. Die zwei
Auſsenexcenter greifen an eine Coulisse, welche durch den Porter-Regulator, der Geschwindigkeit entsprechend, gehoben oder gesenkt
wird. Der groſse Cylinder hat nur einen Schieber mit einem Excenter, an dessen
Stange seitlich eine Speisepumpe hängt. Vom Kurbelzapfen reicht eine Nebenstange
senkrecht ins Fundament und treibt den Winkelhebel der liegenden Luftpumpe. Die
Einspritzcondensation ergibt ein Vacuum von 0,6 bis 0at,8, wobei die Temperatur des Einspritzwassers von 25 auf 45° C. steigt.
Auſser diesen 6 Maschinen sind noch zwei Farcot-Maschinen und eine zweicylindrige Balanciermaschine von Casse für den Betrieb mehrerer kleinen Luftverdichter,
und ferner eine 50 zweicylindrige Betriebsmaschine, letztere für
elektrische Beleuchtungszwecke, vorhanden.
Da, im Baugrunde kein Wasser erhältlich ist, wird das Condensationswasser durch eine
groſsartige Kühlvorrichtung wieder gekühlt. Dieser Kühlapparat, auf dem Systeme des
Gradirwerkes durch Oberflächenverdunstung beruhend, ist ein auſserhalb des
Maschinenhauses im Freien errichtetes und dem Luftzuge möglichst ausgesetztes Gerüst
aus Winkel- und Flacheisen, 37½m lang, 8m breit, 5m
hoch, welches 6 Plattformen, aus Flacheisenstäben (die oberste Plattform aus
Siebblech) bestehend, enthält. Das Warmwasser, von den Luftpumpen kommend, wird
durch eine eigene Warmwasserpumpe auf die Höhe des Siebbleches gedrückt, dort durch
die stellbaren Einschnitte einer Rinne gleichmäſsig ausgegossen, und während es von
Plattform zu Plattform niedertropfend und aufspritzend theilweise verdunstet, kühlt
sich seine Temperatur bei 7° Luft wärme von 44° auf 25° C. ab. Dieser Apparat steht
in einem gemauerten seichten Becken, aus welchem das gekühlte Wasser, durch einige
Senkrechtwände vom schwimmenden Fette getrennt, neuerdings zur Einspritzung
gelangt.
Die Messung der Temperaturabnahme erfolgte bei einer Lufttemperatur von 6° C. und
Feuchtigkeitsgehalt von 60 Proc. Da der Hauptbetrieb der Anlage in den Abendstunden
und zur Winterszeit erfolgt, regulirt sich auch die Wirksamkeit des Gradirwerkes
gleichsam von selbst.
Die rückwärts verlängerten Kolbenstangen der Dampfcylinder treiben direkt die Kolben
der liegenden Luftverdichtungscylinder. Deren Einströmventile bestehen je aus einer
Bronzeplatte rund um die Stopfbüchse und werden durch Reibung an der Kolbenstange in
ihrem Anhube bei jedem Hubwechsel unterstützt. Die Druckventile oben an den
Cylinderenden, ähnlich wie die Ventile einer Collmann-Maschine sitzend, sind einfache federbelastete Platten von 140mm Sitz weite (1/18 der Kolbenfläche) und führen die Luft
zum oben angegossenen mittleren Abströmrohre von 120mm lichtem Durchmesser. Letztere Durchmesser geben 1/25 Kolbenfläche,
erscheinen zu eng, und bewirken sammt dem Ventil- Ueber- und dem
Beschleunigungsdrucke eine groſse, fast 1at
betragende Differenz in den Cylindern gegenüber den Windkesseln laut
Diagrammaufnahmen. Sie sollen aus diesem Grunde laut Angaben geändert werden.
Der Druckanstieg während der Verdichtung erfolgt nach dem Diagramm (Fig. 1 Taf. 5) nahezu nach
der adiabatischen Linie. Der indicirte Werth der Arbeit beträgt bei 38 Umgängen 296
, so daſs sich ein Verlust einschlieſslich Schwungradreibung und
Luftpumpenantrieb zwischen der Arbeit der Dampfkolben zu jenem der Luftverdichter
von 341 – 296 = 45 ergibt. Der Nutzeffect ist daher
\frac{296}{341}=86\ \mbox{Proc.}, während 14 Proc. durch
Reibung u.s.w. verloren gehen.
Weil sich bei der Verdichtung von Luft eine bedeutende Erwärmung einstellt, welche
den Gang der Maschine für die Dauer unmöglich machen würde, muſs bei allen Pumpen
für Kühlung ausgiebige Sorge getragen werden. In vorliegendem Falle geschieht dies
durch Einführung einer kleinen Wassermenge während der Saugzeit unten in die
Cylinder, welche bewirkt, daſs die gepreſste Luft, während sie mit 26° angesaugt
wurde, doch nur mit 52° C. in die Windkessel gelangt. Dabei findet aber eine
Verminderung der geförderten Luftmenge durch Abkühlung statt und der Volumerhalt
sinkt derartig, als ob die Verdichtung nach der Isotherme stattgefunden hätte.
Zeichnet man letztere in das Diagramm, so ergibt sich das Verhältniſs der
schlieſslich erhaltenen zur aufgewandten (indicirten) Arbeit von 77 Proc., so daſs
durch die Abkühlung 23
Proc. der letzteren (in unnütze Wärme umgesetzt) verloren gehen. Würde das warm
gewordene Einspritzwasser zur Kesselspeisung mitverwendet, so könnte dieser Verlust
wenigstens theilweise zurückgewonnen werden.
Die Verluste durch verspäteten Abschluſs der Ventile, welche stets dem Druckwechsel
etwas nacheilen, und durch die schädlichen Räume betragen laut früheren Messungen
des Ingenieurs Herrn François 5 Proc. Von einem Volumen
von 1cbm,35, welches von den Kolben für 1 Hub
durchlaufen wird, werden nach vorgenommener Reduction nach Spannung und Temperatur
nämlich, nur 1cbm,29 in die Druckleitung
thatsächlich, d. i. 95 Proc. nützlich erbracht.Letztere Messung geschah durch Beobachtung des Druckanstieges von 1,033 auf
7at,033 absolut, in einem
geschlossenen Volumen von 385cbm,8 während
1572 Touren eines der Compressoren.Nach der Spannung reducirt, gibt dieses für 1 Umdrehung:\frac{385,8}{1572}\,\frac{7,033-1,033}{1,033}=1^{cbm},425.Nach der Temperatur (52° im Reservoir, 26° im Maschinenhaus = 26° Differenz)
gibt dieses 1,425 (1 – 26.0,003665) = 1cbm,29 Luft von atmosphärischer Spannung thatsächlicher Lieferung für
1 Doppelhub des Zweicylinder-Compressors.Hierbei wurde angenommen, daſs der Volumen-Nutzeffect bei allen Gegendrücken
constant sei.
Der Nutzeffect der Verdichter beträgt daher unter der ungünstigeren Annahme, daſs die
nachgewiesenen 5 Proc. Volumverlust aus solchen Ursachen entstehen, welche sich
nicht im Diagramme bemerkbar machen: 0,86.0,77.0,95 = 0,63 = 63 Proc. der vom Dampfe
geleisteten indicirten Arbeit.
1cbm Luft auf 6at
Spannung gebracht kostet daher im Werk an Arbeit:
Lufterhalt
in
1 Umdrehung einer Compoundmaschine
1cbm,29
„
„
1 Minute (38 Umläufe)
49cbm
„
„
1 Stunde 49,60 =
2940cbm
1cbm Luft benöthigt daher
\frac{341}{2940}=0,11666 indicirt am Dampfkolben
eine Stunde lang arbeitend, – oder 1 verwandelt stündlich
\frac{2940}{341}=8^{cbm},62 Luft von atmosphärischer – in
solche von 6at Spannung.
Wenn durch Reconstruction der Druckleitung u.s.w. der heute bestehende Ueberdruck von
7at im Verdichtungscylinder gegen 6at im Windkessel, wodurch 5,6 bis 6 Proc.
Arbeitsmehraufwand bedingt sind – entfällt, so wird die eine Stunde lang arbeitende
indicirte Pferdekraft 9cbm,1 erzeugen, oder 1cbm zu pressender Luft nur 0,1096 eine
Stunde lang arbeitend benöthigen.
Hinter den Verdichtungsmaschinen liegen an der Gebäudewand zum Theile je zwei über
einander, acht Windkessel je
lang
12m,700
Durchmesser
1m,800 (Blech 15mm)
Inhalt etwa
32cbm,500.
Sie liegen der Ausdehnung wegen auf je vier Paaren von Rollen und sind durch
Absperrschieber und -Rohre derart verbunden, daſs jeder für sich ausgeschaltet
werden kann. Ihr Zweck besteht einerseits in der Herstellung völlig gleichmäſsigen
Druckes und anderentheils in der Kühlung der Luft und Trennung derselben von
mitgerissenem Wasser. Die Entwässerung erfolgt in den den Luftverdichtern zunächst
liegenden Windkesseln nur durch die groſse Geschwindigkeitsänderung, in den letzten
Windkesseln aber, welche an die Stadtleitung anschlieſsen, auſserdem noch dadurch,
daſs Scheidewände ähnlich wie bei Dampftrocknern eingebaut sind. Jeder Windkessel
ist ausschaltbar.
Die sämmtlichen Verdichter und die Windkessel liegen in einer groſsen Halle von 20m Spannweite und etwa 90m Länge, wobei sich an die eine Längswand auſsen
das Dampfkesselhaus und an der Stirnseite das Gradirwerk anschlieſst.
Verwaltungsgebäude, sowie Magazine und eine Reparaturwerkstätte und des Direktors
Wohnhaus mit Garten u.s.w. vervollständigen die Anlage.
Die vorhandene Anlage genügt den Ansprüchen nicht vollständig, so daſs Popp zu dem Auswege gegriffen hat, die Betriebszeit der
Maschinen auszudehnen und die verdichtete Luft in einem riesigen Behälter
aufzuspeichern. Dieser Luftbehälter soll 12000cbm
Inhalt haben, so daſs die Leistungsfähigkeit der Anlage von 250000cbm auf 350000cbm täglich wachsen würde (die Volumenangaben beziehen sich auf
atmosphärische Spannung und Temperatur). Die Anlage eines so riesigen Behälters ist
in Gestalt von Windkesseln nicht gut denkbar, weil dieselben sowohl übermäſsig
groſse Kosten verursachen, als auch stark raumbeengend sich erweisen würden. Der
Behälter wird deshalb unterirdisch in Gestalt eines Stollens angelegt. Es wird ein
eisernes Schachtrohr 80m tief niedergebracht und
von diesem Rohre aus ein Stollen von 12000cbm
Inhalt getrieben; dieser soll luftdicht ausgemauert und mit Blei verkleidet werden,
während das Schachtrohr über Tage mit einem Wasserbehälter in beständiger Verbindung
stehen, also Schachtrohr und Stollen mit Wasser gefüllt sein. Die von den
Verdichtern kommende Luft muſs demnach, da das Zuleitungsrohr auf der Schachtsohle
mündet, das Wasser aus dem Behälter verdrängen; die Luft wird dadurch ständig unter
8 Atmosphären Druck stehen.
Das Gelingen dieser zweifellos eigenartigen Behälteranlage ist nicht zu bezweifeln.
Dieselbe wird wie ein Accumulator arbeiten und den Vortheil eines höheren sowie
gleichmäſsigen Arbeitsdruckes bieten. Da für die Zukunft beabsichtigt ist, die neu
anzulegenden Druckleitungen zu einer Ringleitung zu schlieſsen, so wird dieser
Luftbehälter von jeder beliebigen Station gespeist und mit jeder beliebigen
Abgabeleitung zur
Förderung des Luftüberschusses in Verbindung gesetzt werden können.
Die Leitungsrohre sind durchwegs aus Guſseisen und zeichnen sich durch eine äuſserst
gelungene Detailconstruction ihrer Verbindungen aus, welche jedem Rohrstücke die
freie Ausdehnung unter verschiedener Wärme gestattet, und dadurch, daſs sie gänzlich
unbearbeitet und im Rohgusse zur Verbindung gelangen, eine denkbar billigste
Detailconstruction vorstellen. Diese Verbindung ist in Fig. 2 Taf. 5 skizzirt und
man ersieht daraus, daſs die rohen und glatten Rohrenden mit wenigen Millimetern
Zwischenraum an einander gestoſsen und durch ein rohes Ueberwurfrohrstück überdeckt
sind. Zwei Ueberwurfringe durch vier Schrauben von 17mm an angegossenen Ohren gespannt, klemmen je einen schmalen Kautschukring
an die Stirnseite des Ueberwurfrohres.
Hierdurch ist nicht nur die freie Ausdehnung der Rohre, sondern auch die Leichtigkeit
der Auswechselung und Einschaltung von Anschluſsrohren gewahrt. Absperrschieber an
Abzweigestellen und auch sonst mehrfach in der Leitung vertheilt und einfache
automatische Wasserabscheider an den tiefsten Stellen erhöhen die Sicherheit des
Betriebes.
Die Mehrzahl der Rohre liegt in den groſsen fahrbaren Kanälen (s. Fig. 3, an deren Decke sie
aufgehängt werden) und (wo solche nicht zur Verfügung stehen) frei im Grunde.
Letzteres kommt im Preise sogar etwas billiger als ersteres. Die Rohre müssen nur an
den Abbiegungsstellen gegen das Auseinanderzerren durch inneren Druck sorgfältig
abgestützt werden. Die übrigen Verbindungen sind fast völlig entlastet.
Zur Zeit des stärksten Betriebes strömen 18000cbm
Luft in 1 Stunde durch die 300mm weiten
Hauptrohre, was eine Geschwindigkeit von 10m,1 in
1 Secunde ergibt.
Der Druckverlust, welcher durch Registrirmanometer im Werk und an verschiedenen der
gröſseren Abgabsstellen dauernd controlirt wird, ergibt sich zu Zeiten geringen
Betriebes fast mit Null, während er zu den Zeiten stärksten Betriebes noch nicht
eine Atmosphäre erreicht.
Die Druckverhältnisse in der Rohrleitung werden fortwährend durch selbsthätige
Manometer in den Centralstationen und an den wichtigsten Abzweigestellen
aufgezeichnet.
In Entfernungen von 100m sind in die Rohrleitung
selbsthätige Entwässerungsvorrichtungen eingeschaltet, welche das, trotz der in den
Windkesseln vorgesehenen Wasserabschneider, mitgerissene Wasser auffangen sollen, um
ein Einfrieren der Leitungen zu verhindern und zu vermeiden, daſs in Folge stärkerer
Ansammlung von Wasser in den Knickungen des Gefälles Querschnittsverengungen der
Rohrleitung stattfinden. Diese Entwässerungen bestehen aus Guſskästen, in denen eine Wand den geraden
Durchfluſs der Luft hindert; unter dieser Wand liegt ein Wassersack, der durch ein
Sieb abgeschlossen ist, um Verunreinigungen von dem unterhalb angeschlossenen
selbsthätigen Abfluſsventile abzuhalten.
(Schluſs folgt.)