Titel: Ueber die Fortschritte der Photographie und der photomechanischen Druckverfahren; von Prof. Dr. J. M. Eder in Wien.
Autor: J. M. Eder
Fundstelle: Band 273, Jahrgang 1889, S. 92
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Ueber die Fortschritte der Photographie und der photomechanischen Druckverfahren; von Prof. Dr. J. M. Eder in Wien. Eder, über die Fortschritte der Photographie. In Folge der raschen Steigerung der Bedeutung der Photographie und photographischen Druckverfahren für die Druckgewerbe, sowie für künstlerische und wissenschaftliche Zwecke wuchs das Bedürfniſs nach dem Unterrichte in diesen Fächern. Es ist für Lithographen, Aetzer, Zeichner u.s.w. die Photographie ein unentbehrliches Hilfsmittel geworden, und es schlössen sich z.B. die Gremialschulen der Stein- und Kupferdrucker in Wien an die daselbst neu errichtete Kaiserl. Königl. Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie und Reproductionsverfahren an. Es wird an dieser Anstalt in drei Jahrgängen die Theorie und Praxis der einschlägigen Methoden gelehrt und in den Ateliers und Druckersälen praktisch geübt und auch Lichtdruck, Photolithographie., Zinkätzung, Photozinkographie als obligate Gegenstände gelehrt. Auch in Amerika (Washington) werden Vorarbeiten zur Errichtung eines groſsen Institutes und Museums für graphische Methoden an dem Smithsonian institution vorgenommen. Photographische Objective. Wie schon mehrmals in diesen Berichten erwähnt wurde, gaben die Arbeiten des glastechnischen Laboratoriums in Jena und Prof. Abbe's wissenschaftliche Arbeiten neue Impulse zur Herstellung von photographischen Linsen. Nachdem Zeiſs in Jena zuerst „Apochromate“ für mikroskopische Zwecke erzeugt hatte, verwerteten Voigtländer (Braunschweig), Steinheil (München), Fritsch (Wien) die neuen Glassorten zu gröſseren Objectiven. Ersterer construirte mittels der Jenenser Barytgläser einfache Landschaftslinsen, sowie neue Eryskope, bei denen der Vortheil dieses Glases (nämlich groſse Farblosigkeit und Durchlässigkeit für chemisch wirksame Strahlen) zur Geltung kommt; dadurch haben die neuen Instrumente bei derselben Oeffnung und Brennweite einen gröſseren scharfen Bildkreis und gröſsere Schärfe bei voller Oeffnung. Steinheil lieferte hervorragende Arbeiten auf dem Gebiete der Fernrohrobjective (Eder's Jahrbuch für Photographie für 1889 S. 326), und Fritsch in Wien construirte „Weitwinkel-Apochromate“. Es ist jedoch bemerkenswerth, daſs die mit gewissen neuen Jenenser Glassorten hergestellten Linsen den Witterungseinflüssen mehr zugänglich sind als die gewöhnlichen Flint- und Crownglassorten. Hartnack (Potsdam) fertigt sehr gute Projectionsobjective an, welche zu Vergröſserungszwecken dienen, einen Bildwinkel von 25 bis 26° haben und ein bis zum Rande gleichmäſsig scharfes Bild geben. Bei den neuen Objectivconstructionen werden häufig sogen. Irisdiaphragmen angebracht, welche wohl schon seit langer Zeit bekannt sind, jedoch erst seit ungefähr einem Jahre in ausgedehnterem Maſse angewendet werden. Aufnahmen mit der Lochcamera. Bekanntlich erhält man in einer Camera obscura ein mehr oder weniger deutliches Bild, wenn man statt der Linse an der Vorderwand ein kleines Loch anbringt. Mit dem Studium dieser Camera hat man sich mehrfach beschäftigt, und A. Miethe (Photographische Mittheilungen, 1888 Bd. 24 S. 276) rechnet Tabellen über die Bestimmung der günstigsten Oeffnungen der Lochcamera für verschiedene Cameralängen. A. Wagner (Wien) stellte hübsche derartige Aufnahmen her mit einem Lochdurchmesser von 0mm,3 und einem Plattenabstande von 10cm, bei einer Belichtung von ungefähr einer Minute. Derartige Photographien sind insofern interessant, als sie frei von jeder Verzerrung sind. Photochemie. Ueber Anfangswirkung des Lichtes und Effect intermittirender Lichtwirkungen auf Bromsilbergelatineplatten stellten A. und L. Lumière interessante Versuche an (Moniteur de la Photogr., 1888. Eder's Jahrbuch, Bd. 3 S. 346). Um festzustellen, ob bei sehr kurzen schwachen Lichtwirkungen überhaupt kein Eindruck auf der Platte vorhanden ist oder ob der Entwickler nur nicht im Stande ist, so schwache Eindrücke hervorzurufen, lieſsen die Autoren zunächst ein constantes Licht 3 Secunden lang auf einen Theil einer Platte wirken-, dann lieſsen sie dasselbe Licht mit Hilfe angemessener Apparate auf andere Theile der Platte in intermittirender Weise so fallen, daſs die einzelnen, Lichteindrücke nur 1/1000 oder 1/4000 Secunde betrugen, daſs sich aber in jedem einzelnen Falle so viel davon folgen, um zusammen eine Belichtung von 3 Secunden auszumachen. Beim Entwickeln waren die Lichteindrücke auf der Platte in allen Fällen genau dieselben, daraus folgt, daſs auch die schwächste Belichtung einen genau proportionalen Eindruck hervorbringt, daſs aber der Entwickler nicht genügt, ihn hervorzurufen. (Andererseits sind zahlreiche Beobachtungen aus der Praxis vorhanden, welche gegen die genaue Gültigkeit dieser Regel sprechen. Anm. d. Referenten.) Ueber Lichtempfindlichkeit verschiedener Farbstoffe, welche in der Druckindustrie verwendet werden, machte Inspektor G. Fritz der Wiener Hof- und Staatsdruckerei Mittheilung (Photographische Correspondenz, 1888 S. 243). Wir verweisen auf den ausführlichen Bericht und bemerken hier nur, daſs Anilinfarben auf Holzstoffpapier im Sonnenlichte viel rascher zerstört wurden, als dieselben auf Hadernpapier. Ueber die Photographie dunkler Wärmestrahlen stellte Ives Versuche an. Ives lieſs das Licht eines Kalklichtes in eine Camera fallen und stellte einen metallischen Gegenstand vor, so daſs ein Schattenbild entstand. Dann schob er vor das in einem Kasten befindliche Kalklicht einen schwarzen Glasschirm, welcher nur die Wärmestrahlen durchläſst, und brachte dann an die Stelle der Visirscheibe eine mit Leuchtfarbe bestrichene phosphorescirende Tafel. Die Wärmestrahlen löschten nun an den Bildstellen das Phosphorescenzlicht aus, und wenn er die Tafel mit einer Bromsilberplatte in Contact brachte, entstand ein positives Bild. Heiſses Eisen an Stelle des Kalklichtes erwies sich nicht brauchbar, indem seine Strahlen durch Wasserdampf der Luft absorbirt wurden (Philadelphia Photogr., 1887 S. 180). Photogrammetrie und Aufnahme von Baudenkmälern. Für das preuſsische Cultusministerium werden photographische Aufnahmen von Baudenkmälern im Formate von 40cm im Quadrate angefertigt, nach welchen die geometrischen Zeichnungen angefertigt werden; als Linse dient das Pantoscop von 24 bis 52cm Brennweite. Nach Dr. Meydenbauer's Mittheilungen wurden diese Negative auf Bromsilbergelatinepapier vergröſsert. Hierzu diente ein Kasten aus dünnen Brettern, etwa 50cm lang. Der Querschnitt beträgt im Lichten 42cm im Quadrat. Innen sind 4 Spiegel so angebracht, daſs sie an einem Ende den Seitenwänden anliegen, am anderen jedoch einen rechteckigen Raum von 12cm Breite und 35cm Höhe in symmetrischer Anordnung einschlieſsen, woraus die geneigte Lage der Spiegel sich von selbst ergibt. Die groſse Oeffnung ist durch eine leicht herauszunehmende matte Spiegelscheibe, deren Ecken abgeschnitten sind, geschlossen; am anderen Ende befindet sich eine leicht gehende Thür, innen mit weiſsem Papier bekleidet. Endlich befindet sich in geringem Abstande von der Thürseite eine durch die Kastendecke und oberen Spiegel geschnittene kreisförmige Oeffnung von 8cm Durchmesser und darüber ein nach dem Schornsteine führendes Blechrohr von gleichem Durchmesser. Soll das Negativ belichtet werden, so wird der Kasten mit der matten Scheibe dicht an das Negativ gedrückt, welches vergröſsert wird, unter der Oeffnung an den Draht eine oder zwei Magnesiumspiralen (von 3 bis 14cm Länge) angehängt, angezündet und die Thür nicht ganz geschlossen, damit Luft eintreten kann. Die Bilder werden mit Steinheil-Aplanat Serie VI, Nr. 3 von 60cm Breite auf 1m,7 Bilddurchmesser vergröſsert (Photographisches Wochenblatt, 1888 S. 170). Ueber Photogrammetrie erschien ein ausführliches Werk von C. Koppe („Die Photogrammetrie“, Weimar 1889), welches den Gegenstand erschöpfend behandelt. (1889 272 383.) Anwendung der Photographie in der Mikroskopie, Spectralanalyse und Astronomie. Die Mikrophotographie hat durch die Einführung der orthochromatischen Platten und Apochromate sehr schöne Erfolge erzielt. Von Wichtigkeit sind Dr. Zettnow's Untersuchungen, nach welchen man bei grünem Lichte photographirt und die Platten grünempfindlich macht. Man bringt vor dem Condensor des Mikroskops eine Glaswanne an, welche mit einer Lösung von 175g Kupfervitriol, 17g Kaliumbichromat, 2cc Schwefelsäure und ½ bis 1l Wasser gefüllt ist. Besser noch wirkt eine Lösung von 160g Kupfernitrat, 14g Chromsäure und 250cc Wasser, welche Licht von der Wellenlänge 570 bis 550 durchläſst. Der Referent verwendet auch mit Erfolg eine concentrirte wässerige Pikrinsäurelösung mit Zusatz von etwas Indigoschwefelsäure. Die Platten werden in Erythrosivlösung in der bekannten Weise gebadet. Bei der Anwendung dieser Methode, sowie bei Anwendung von Eosinsilberplatten, deren Empfindlichkeit dem grünen Lichte des Kupferchromfilters entspricht, ist es nicht nur möglich, blau und violett gefärbte Bacillen zu photographiren, sondern man kann auch mit mangelhaft achromatisirten mikroskopischen Linsen scharfe Photographien erhalten, weil das durchgelassene grüne Licht einen schmalen Streifen des Spectrums repräsentirt und Achromatisirungsfehler weniger ins Gewicht fallen. Auf diese Weise kann man sowohl mittels des Sonnenlichtes, als mit dem Zirkonlichte sehr gute Vergröſserungen erhalten. Nähere Angaben siehe Eder's Jahrbuch für Photographie für 1889, sowie C. Fränkel und Pfeiffers Schrift: Das Verfahren der photographischen Darstellung von Bakterien-Präparaten (Berlin), was in dem Institute Prof. Koches abgefaſst und mit mustergültigen Photographien versehen ist. Dieselben sind mit Sonnenlicht (mit Hilfe eines Heliostaten) aufgenommen und die damit erzielte Schärfe ist mit künstlichen Lichtquellen unerreichbar. In Ermangelung von Sonnenlicht leistet das Zirkonlicht in der von Schmidt und Haensch in Berlin ausgeführten Form sehr gute Dienste, und es wurden an der Kaiserl. Königl. Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie in Wien mit vielem Erfolge Mikrophotographien bis 1500facher Vergröſserung hergestellt. Zur Färbung von Bakterien oder Bacillen zum Zwecke der Photographie bedient man sich am besten rother, brauner oder schwarzer Farben. Am leichtesten und bequemsten ist die Färbung mit Anilinroth, welches sowohl bei gewöhnlichen photographischen Platten, als auch ganz besonders hinter grünen Lichtfiltern und Eosinplatten gute mikrophotographische Bilder gibt. Neuhaus empfiehlt auch die Schwarzfärbung (Photographisches Archiv, 1888 S. 393): Man löst Campecheholzextract in kochendem Wasser und filtrirt die Lösung möglichst heiſs. Nachdem dieselbe mindestens 8 Tage gestanden hat, wird sie vor jedem Gebrauche stark angewärmt. Man läſst nun die zu färbenden Deckgläschen (mit den Bakterien) unter leichtem Aufkochen 10 Minuten auf der Lösung schwimmen; darauf spült man in heiſsem Wasser ab und legt durch längere Zeit auf eine ganz schwache Lösung von neutralem chromsauren Natron. In der Regel muſs, um ein tiefes Schwarz zu erzielen, der ganze Vorgang drei- oder viermal wiederholt werden. Manche Bakterien kommen über ein dunkles Braun nicht hinaus. Man erhält beim Photographiren derartig schwarz tingirter Bakterien kräftige, scharf gezeichnete Negative. Die Details der Bakterien (Sporen u.s.w.) treten nach Neuhaus mit groſser Deutlichkeit hervor. Auch die Geiſseln, welche Anilinfarben nicht annehmen, färben sich schwarz. Mitunter färbt man Bakterien blau (mit Methylenblau) oder violett (Anilinviolett); solche sind mit weiſsem Lichte und auf gewöhnlichen photographischen Platten nicht gut zu photographiren, sondern es müssen gelbe, grüne oder orangegelbe Lichtfilter angewendet werden und die Platten mit Eosinsilber oder Erythrosinsilber gelbempfindlich gemacht werden. Die Photographie des Spectrums wird immer mehr angewendet. Insbesondere ist die Arbeit von Prof. Kayser und Runge in Hannover bahnbrechend (Berliner Akademie der Wissenschaften, 1888), welche das normale Spectrum des Eisens mit einem Rowland'schen Gitter photographirten. Prof. Simony (Wien) photographirte mit einem Schumann'schen Quarzspectrographen auf den Canarischen Inseln von einem hohen Berge aus; er fand ganz neue Erscheinungen im brechbarsten Theile des Sonnenspectrums und lieferte eine wichtige Ergänzung zu dem berühmten Cornu'schen Normalspectrum der Sonne. Die Vorbereitungen zur Herstellung der photographischen Himmelskarte schreiten rüstig vorwärts und man hofft, daſs an einigen Sternwarten noch im J. 1889 die Arbeit begonnen werden kann. (Fortsetzung folgt.)