Titel: | Rodary's elektrisches Eisenbahn-Blocksignal. |
Fundstelle: | Band 274, Jahrgang 1889, S. 537 |
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Rodary's elektrisches
Eisenbahn-Blocksignal.
Mit Abbildungen auf Tafel
28.
Rodary's elektrisches Eisenbahn-Blocksignal.
Die kaiserl. russische Nicolas-Eisenbahn-Gesellschaft
hat auf ihrer langen Linie von Moskau nach Brest-Litowsk in Litthauen eine Anzahl
von Blocksignalstationen mit Verriegelung der sichtbaren Signale in der von dem
Inspektor Rodary der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn
angegebenen Einrichtung ausführen lassen, die auch in Kl. 62 der Pariser Ausstellung
von Bréguet in drei zusammengehörigen Stationen
vorgeführt worden ist und im Betriebe bereits die befriedigendsten Ergebnisse
geliefert hat. Rodary hat seine Anordnung auch auf
eingeleisige Bahnen anwendbar gemacht und in dieser Anwendung ist sie besonders
interessant. Für eingeleisige Bahnen sind ja die Anforderungen an die Blockanlage
weitere als bei zweigeleisigen Bahnen, weil bei ersteren nicht bloſs das Auffahren
zweier in gleicher Richtung fahrender Züge, sondern besonders auch ein Zusammenstoſs
zwischen zwei einander entgegenfahrenden Zügen verhütet werden muſs.
Bedingungen für das Blocksystem. Bedeuten in Fig. 1
I, II und III drei auf
einander folgende Blockstationen, so mögen die wesentlichen Signale, z.B. die
Flügelsignale S, mit den Ziffern 1, 2 und 3 als in den
Stationen I, II und III
befindlich bezeichnet und durch den noch beigesetzten Buchstaben p oder i angegeben werden,
ob das Signal für die Fahrtrichtung der geraden oder der ungeraden Züge (sens pair,
sens impair) gilt.
Bezüglich der in gleicher Richtung fahrenden Züge sind dann folgende Bedingungen zu
erfüllen:
1) Damit die Signale nicht willkürlich umgestellt werden können, müssen sie in der
Haltstellung verriegelt werden, wenn man sie in diese Stellung bringt;
2) damit jeder Zug beständig durch mindestens ein Signal geschützt sei, darf die
Station II z.B. dem Posten I nicht freie Fahrt signalisiren können, wenn sie nicht den letzten Zug,
den sie von daher bekommen hat, gedeckt hat, d.h. die Station II darf S1
i nicht frei machen, wenn sie nicht vorher S2
i auf Halt festgemacht hat;
3) damit sich nicht mehrere Züge zugleich in einer vor derselben Blockstation
liegenden Strecke befinden können, darf der Posten II,
nachdem er der Station I freie Fahrt gegeben hat, ihr
nicht noch ein zweites Mal dieses Signal geben können, bevor er nicht den von I abgelassenen Zug wirklich von II hat weiter fahren lassen, d.h. bevor er nicht das Signal S2
i geöffnet Und wieder verriegelt hat.
Diese drei Bedingungen genügen für zweigeleisige Bahnen. Die für eingeleisige Bahnen
in Betreff der in entgegengesetzter Richtung fahrenden Züge noch nöthigen besonderen
Bedingungen lauten:
4) Bevor der Posten II der Station I freie Fahrt geben kann, muſs das Signal S2
p auf Halt verriegelt sein, damit die Abfahrt eines
geraden Zuges aus II von jetzt ab verhindert werde,
welcher dem zur Abfahrt aus I ermächtigten ungeraden
Zuge zwischen I und II
begegnen könnte;
5) Eben dieses Signal S2
p darf nicht frei gemacht werden können, bevor nicht
der zur Abfahrt von I bereits ermächtigte ungerade Zug
wirklich in II angekommen (und weitergefahren) ist,
d.h. bevor nicht S2i
geöffnet und dann wieder verriegelt worden ist.
Beschreibung der Apparate. Mit Hilfe der Fig. 2 (Gesammtbild in 1 :
20 der natürlichen Gröſse) und 3 bis 6 (Aufriſs und Schnitte nach ab, mn, pq und cd in 1 : 5
der natürlichen Gröſse), welche nach Génie Civil, 1889
Bd. 15 * S. 238, einen,
für eine Zwischenblockstation bestimmten, doppelten Apparat darstellen, soll nun
gezeigt werden, wie die aufgeführten Bedingungen erfüllt werden.
Bedingung 1. Der den Signalflügel durch steife Stangen
oder Ketten bewegende Hebel L (Fig. 2) ist durch einen
Daumen auf der Welle Z, eine Zugstange Y und einen Winkelhebel fest mit dem Schieber T verbunden, welcher in den Blockapparat hineinreicht.
In Fig. 3
erscheint der Schieber T durch den Riegel N festgelegt, der sich in dem Einschnitt t herabgesenkt hat. Dieser Riegel V wird aber durch den zweiarmigen Hebel C emporbewegt, wenn letzterer, dem Zuge der Feder K folgend, sich von dem Kerne der Elektromagnetrolle
B los macht, was geschieht, wenn B durch einen (von III
kommenden) elektrischen Strom durchlaufen wird, der zufolge seiner Richtung an den
Enden der Kerne Magnetpole entwickelt, welche mit den von dem Hufeisenmagnete A in dem gabelförmigen Hebel C hervorgerufenen gleichnamig sind.
Ist V gehoben, so kann der Schieber T herausgezogen und dabei das Signal auf Frei gestellt
werden.
Bei seiner Bewegung nach links hebt der Schieber T
mittels des Ansatzes D den Daumen E empor und dieser legt den Hebel C wieder an den Kern der Rolle B an; wenn dann T in seine frühere Lage
zurückkehrt, so fällt der Riegel V wieder in den
Einschnitt t herab, verriegelt T wieder und dadurch das zugehörige, wieder auf Halt gestellte Signal S2
i.
Bedingung 2. Eine Fallklappe H, die in Fig. 3 und 4 in ihrer oberen Stellung
ist, aber herabgleiten kann, ruht für gewöhnlich in dem Einschnitte p des Druckknopfes P und
verriegelt ihn, so lange nicht der um i drehbare Winkel
J die Fallklappe H
gehoben hat. Die Hebung von H tritt aber nur ein, wenn
der Schieber T erst heraus gezogen und dann wieder nach
rechts hinein geschoben worden ist und dabei mittels der unteren Kante des Ansatzes
D (Fig. 3 und 6) den Winkel J eine Schwingung hat machen lassen. Der Winkel J wird beständig durch eine hinter ihm liegende
Plattfeder r (Fig. 3 und 6) aufgerichtet. Der Knopf
P, mittels dessen ein elektrischer Strom zum
Freigeben des Flügelsignales S1
i des vorhergehenden Postens I entsendet werden kann, ist also unbeweglich, so lange T nicht in die Lage zurückgeführt worden ist, welche
den Signalflügel S2
i desselben Postens II auf
Halt festmacht.
Bedingung 3. Ist der Knopf P frei beweglich, wie es in Fig. 3 und 4 gezeichnet ist, und
drückt man ihn hinein, um den Signalflügel S1
i der vorhergehenden Blockstation I frei zu machen, so schiebt der Ansatz e (Fig. 4) den unter H eingeschnappten Stift K
zurück und deshalb fällt die nun nicht mehr unterstützte Klappe H durch ihr Gewicht herab und verriegelt dann P, indem es in dessen Einschnitt p eintritt. Wenn man daher den Knopf P einmal gedrückt hat, so kann er nicht wieder
gebraucht werden, bis eine neue Verstellung des Schiebers T stattgefunden, also der in den Abschnitt II,
III eingelassene Zug durch das Signal S2
i gedeckt worden ist.
Diese Einrichtungen allein braucht der Blockapparat, wenn er auf einer zweigeleisigen
Eisenbahn verwendet werden soll.
Bedingung 4. Der Knopf P
kann nicht gedrückt werden, um S1
i frei zu geben und einem Zuge die Erlaubniſs zum
Abfahren von I zu geben, wenn nicht der Riegel O (Fig. 3) aus einem zweiten
Einschnitte p herausgezogen ist, in den er von der
Seite her sich einsenkt. Dazu dient der Hebel M, den
eine in Fig. 3
nicht sichtbare Spiralfeder neigt und zum Einschieben des Riegels O in den seitlichen Einschnitt p zwingt, so lange der Schieber T1 nach rechts hin herausgezogen ist; ist dagegen der
Schieber T1 ganz
hineingeschoben, d.h. ist der die geraden Züge in der Strecke II, I deckende Flügel S2
p auf Halt festgestellt, so ist der Hebel M aufgerichtet und der Riegel O aus dem Loche p herausgezogen.
Bedingung 5. Gibt Station II dem Posten I freie Fahrt, so drückt sie,
wie schon bei Bedingung 3 angegeben, den Knopf P und
bringt die Klappe H zum Fallen. Diese Klappe nimmt
durch ihr Gewicht das rückwärtige Ende N' des Daumens
E' (Fig. 3) mit und macht es
fest, indem sie den kleinen Stift n' unter die Zinken
des Ankers Q legt, der an dem Winkel J angebracht ist. Da der Daumen E' auf diese Weise gehoben erhalten wird, so verhindert er den Hebel C', sich von dem Kerne der Rolle B' zu entfernen, dadurch den Riegel V' zu heben und die Umstellung des zu S2
p gehörigen Stellhebels L'
auf Frei zu ermöglichen, selbst wenn der Posten I
seinerseits jetzt unerlaubter Weise der Station II
freie Fahrt signalisiren wollte.
Damit das Flügelsignal S2
p in II wirklich frei
gemacht werden könne, muſs das Signal S2
i geöffnet und dann wieder verriegelt worden sein, um
den von I kommenden ungeraden Zug in die Strecke II, III einzulassen und zu decken; denn dann hat der
Winkel J, durch die Bewegung des Schiebers veranlaſst,
eine Schwingung gemacht, die Klappe H ist emporgehoben
worden und der Stift n', der durch den Druck der
Plattfeder h (Fig. 3 und 4) auf den Stift nach oben
gedrängt wird, macht sich aus den Zinken des Ankers Q
frei. Da dann der Daumen E' nicht mehr unterstützt ist,
so fällt er herab Und gestattet nun eine Hebung des Riegels V', die dann S2
p frei gibt.
Nebenbestandtheile: 1) Signalscheiben. Hinter den Fenstern G und g (Fig. 4 und 2) sind Signalscheiben
angebracht, welche die eine an dem Riegel V, die andere
an der Fallklappe H befestigt sind und darüber
Aufschluſs geben, ob der Schieber T und somit auch der
zugehörige Signalflügel frei ist bezieh. der Knopf P
gedrückt werden kann. Mittels dieser Scheiben werden folgende Meldungen über den
Zustand der vorliegenden und der rückwärtsliegenden Bahnstrecke gegeben:
am Fenster g:
Bahn besetzt durch einen von I abgelassenen
Zug;Bahn von I nach II frei;
am Fenster G:
Bahn besetzt durch einen gegen III hin
abgelassenen Zug;Bahn von II nach III frei.
2) Telegraphirdruckknöpfe. Bisher ist bloſs von dem
Signaldruckknopfe P die Rede gewesen, mittels dessen
zum Freimachen des die Signalflügelstellung beherrschenden Schiebers T ein elektrischer Strom von bestimmter Richtung
entsendet werden kann, z.B. ein negativer. Neben diesem
Druckknopfe liegt noch ein zweiter F, welcher Ströme
von der entgegengesetzten Richtung, also positive,
entsenden kann. Diese Ströme bringen in der Rolle B
nicht eine abstoſsende Wirkung hervor, sondern verstärken vielmehr die Anziehung der
Gabel C; sie können daher die Freigebung des Signales
nicht veranlassen, wohl aber können sie in einer elektrischen Klingel W (Fig. 2) oder in irgend
einem anderen Telegraphen hörbare oder schriftliche Zeichen geben, deren Bedeutung
vorher festzusetzen ist, und welche Meldungen über den Lauf der Züge zu machen
geeignet sind. Die Anordnung dieser Drücker und der zugehörigen Contacte kommt ganz
der im Tyer'schen Apparate gewählten gleich. Ohne
weiter ins Einzelne einzugehen, mag hier bloſs erwähnt werden, daſs Jeder Knopf,
z.B. P' an seinem Ende mit einer isolirenden Platte U' (Fig. 3, 4 und 5) ausgerüstet ist, worauf
zwei kleine Metallplatten a' und b' befestigt sind; die letztere ist etwas im Winkel
geformt, damit sie die mit der Leitungsklemme L'
verbundene Feder l' im Momente der Stromgebung ein
Stück von ihrer Contactschraube x' abheben kann. Aus
Fig. 3 und
5 wird die
Anordnung der Contactfedern und ihre Verbindung mit den Klemmen ersichtlich. Ein aus
der Leitung ankommender Strom geht von der Klemme L
über die Feder l, die Schraube x nach der Rolle B' und zur Klemme S', um sich von da durch die Klingel W zur Erde E zu begeben.
An die Klemmen C und Z
werden die beiden Pole der Batterie gelegt; erstere steht mit den Klemmen +,
letztere mit den Klemmen – in Verbindung. Beim Drucke auf den Knopf P' wird daher Z mit l', C dagegen mit E
verbunden, also ein negativer Strom in die Leitung und zum Apparate des zugehörigen
Postens geschickt; das Umgekehrte findet statt, wenn der Knopf F' gedrückt wird.
3) Die Ueberholung eines Zuges in einer Blockstation
ermöglicht eine weitere, sehr einfache Beigabe. Soll z.B. in Fig. 1 in der Station II ein von I kommender Zug
halten bleiben, so stellt der Beamte in II das Signal
S2
i auf Walt und gibt nach I
freie Fahrt. Nun ist in der nach III führenden Leitung
eine Unterbrechungsstelle mit einem besonderen Taster v
eingefügt, mittels Jessen man von einer Batterie aus einen Strom durch die Rolle B senden kann; dieser Strom vermag das Signal S2
i frei zu machen, so daſs man einen öderen dem zum
Halten in der Station gebrachten Zuge nachfolgenden Zug weiter fahren lassen kann. Der
Taster v muſs aber in einem besonderen Zimmer
aufgestellt oder in einem verschlossenen Kasten untergebracht werden, so daſs nur
der diensthabende Beamte ihn benutzen kann. Er könnte selbst mit der das
Ueberholungsgeleise verschlieſsenden gelben Scheibe so verbunden werden, daſs sich
die Freigabe des Signales nicht vollziehen kann, bevor nicht diese Scheibe auf Halt
gestellt worden ist, und daſs dann umgekehrt das Oeffnen der Scheibe die
Verriegelung des Signales zum Schütze des aus dem Ueberholungsgeleise nach dem
nächsten Posten abgegangenen Zuges im Gefolge hat.
Aufstellung und Handhabung des Apparates. Die
Durchführung dieser Blocksignaleinrichtung erfordert keine besonderen Vorkehrungen.
Da der Apparat in eine wetterdichte Büchse aus Guſseisen eingeschlossen ist, so kann
er selbst im Freien aufgestellt werden, oder höchstens unter einem leichten Dache in
einem nicht mehr als 2 bis 3qm groſsem Raume,
sogar zugleich unter Beigabe anderer zur Bewegung der übrigen Signale und Weichen
dienenden Stellhebel Es genügt ein einziger Signalmast mit zwei Flügeln. Die Signale
müssen für gewöhnlich auf Halt stehen, aber ihre Bewegung erfordert keinen
beständigen Hilfsbeamten in den Stationen, auſser etwa bei ganz auſsergewöhnlichem
Verkehre der Züge. In der That sind die bei der Einfahrt und Ausfahrt der Zuge zu
verrichtenden Thätigkeiten nicht verwickelter als ohne Blockanlage Man braucht nur
etwas laute Rufklingeln aufzustellen, mittels deren eine benachbarte Station freie
Fahrt verlangen kann, was ja überdies zu bekannten branden geschieht.
In dem verwickeltesten Falle, daſs zwei Züge fast zur nämlichen Zeit von I und III abgehen, um sich
in II zu kreuzen, drücken I und III die Ruf knöpfe und fordern freie
Fahrt mittels der betreffenden Rufklingeln; der Posten II macht dann ihre Signale S1
i und S3p mittels der zugehörigen
Signaldruckknopfe frei, blockirt dadurch aber seine eigenen Signale S2
i und S2
p Die beiden Züge kommen darauf in der Kreuzungsstation
II an, diese deckt sie mittels der Distanzsignale
und fordert nun ihrerseits freie Fahrt von III und I läſst die beiden Züge in entgegengesetzten Richtungen
weiterfahren und deckt sie mittels der Flügelsignale.
Stets hat eine auf offener Strecke liegende oder von den Zügen ohne Aufenthalt
durchfahren Station von der benachbarten freie Fahrt immer einige Minuten vor der
fahrplanmäſsigen Ankunft jedes Zuges zu fordern damit dieser nicht in seiner Fahrt
aufgehalten wird.