Titel: Ueber Fortschritte in der Spiritusfabrikation.
Autor: Morgen
Fundstelle: Band 277, Jahrgang 1890, S. 183
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Ueber Fortschritte in der Spiritusfabrikation. (Schluſs des Berichtes S. 130 d. Bd.) Ueber Fortschritte in der Spiritusfabrikation. Ueber Invertin hat auch A. Fernbach Untersuchungen ausgeführt (Centralblatt für Bakteriologie Bd. 6 S. 668). Derselbe prüfte den Einfluſs, welchen Aenderungen in der Reaction auf die Wirkung des Invertins ausüben, ferner den Einfluſs des Lichtes und des Sauerstoffs. Bei abgestuftem Zusatz kleiner Mengen verdünnter Sodalösung zur ursprünglich schwach sauer (Oxalsäure) reagirenden Zuckerlösung wurde eine entsprechende allmähliche Verminderung der invertirenden Wirkung festgestellt. Gleiche Mengen des Ferments können deshalb unter scheinbar gleichen Bedingungen möglicherweise sehr ungleiche Quantitäten von Zucker invertiren, wenn nämlich die Reaction sich ändert. Schon durch die Entwicklung von Mikroorganismen, welche die Reaction ändern, können auf diese Weise Unterschiede entstehen. Sauerstoff vermindert ebenfalls die Wirksamkeit des Fermentes, aber nur in alkalischer Lösung; in neutraler öder schwach alkalischer Lösung ist dieser Einfluſs nur gering, in saurer ist er gar nicht vorhanden. Sonnenlicht besitzt auf das Ferment im Vacuum keine Einwirkung, Lichtzutritt bewirkt Oxydation und begünstigt die Vernichtung der Wirkung. Die sauere Reaction wirkt im dunkeln Raum der Oxydation entgegen und befördert diese bei Einwirkung des Lichtes. (Nach Wochenschrift für Brauerei Bd. 7 S. 254). Ueber Milchsäuregährung schreibt H. Scholl im botanischen Centralblatt, Bd. 7 S. 310. Der Verfasser wendet sich gegen die Ansicht Fokker's (vgl. 1890 275 140) und führt Gährversuche an, welche er mit Lösungen von Milchzucker unter Zusatz von Fleischextract, Eiweiſs, Eigelb, Fibrin und Pepton bei gleichzeitiger Infektion mit Milchsäureferment angestellt hat und welche den Beweis dafür lieferten, daſs das Caseïn nicht, wie Fokker annimmt, die Rolle eines Fermentes, sondern zunächst diejenige eines stickstoffhaltigen Nährstoffes für die Bakterien ausübt, denn es zeigte sich, daſs die Säurebildung um so gröſser war, je gröſser die Nährkraft der in den betreffenden Lösungen vorhandenen Eiweiſskörper ist. Würde aber die Milchsäuregährung durch ein chemisches Ferment herbeigeführt, so hätte die Menge des vergohrenen Zuckers von der Menge des gegenwärtigen Eiweiſsstoffes abhängig sein müssen. Auf die weiteren rein theoretischen Ausführungen des Verfassers können wir hier nur hinweisen, ebenso auf eine Arbeit Fokker's in den Therapeutischen Monatsheften, Bd. 8 S. 127, in welcher derselbe die von Scholl angeführten Gründe gegen seine früheren Behauptungen nicht anerkennt. Ueber Milchsäuregährung bringt die Zeitschrift für Spiritusindustrie Bd. 13 S. 93 als Antwort auf eine Anfrage folgende Mittheilung: „Es sind verschiedene, die Milchsäuregährung erregende Fermente bekannt und auch rein dargestellt worden. In Brennereimaischen ist auſser dem bekannten Stäbchenferment noch der von Lindner beschriebene Pediococcus Acidi Lactici (ebendaselbst Bd. 10 S. 169) isolirt worden. Ob das stäbchenförmige Milchsäureferment wieder, ähnlich wie die Hefe, in verschiedene Arten getrennt werden kann, ist bisher nicht bekannt. Auch in der sauren Milch sind verschiedene Milchsäuregährung erregende Fermente gefunden worden. Wir wollen noch bemerken, daſs die Frage der Reincultur auch bezüglich der Milchsäurebildung in den Maischen von Werth werden kann, insofern es möglich ist, ebenso wie Hefereinculturen Reinculturen von Milchsäureferment herzustellen, welche für die Einleitung einer reinen Milchsäuregährung im Brennereibetriebe zur Verwendung gelangen können.“ Milchsäure in der Melasse haben K. Beythien, E. Parcus und B. Tollens nachgewiesen. Zur Prüfung der Melasse auf Milchsäure wurden die Verfasser durch die von ihnen gemachte Beobachtung geführt, daſs durch Einwirkung von Kalk oder Strontian auf Rohrzucker Milchsäure entsteht. Die Menge der in der Melasse gefundenen Milchsäure betrug bis zu 0,5 Proc. (Liebig's Annalen der Chemie, Bd. 255 S. 228). Untersuchungen über Fäulniſsorganismen theilt H. W. Dallinger im Journal of the Royal Microscopical Society, 1888 Bd. 2 S. 177, mit. Neue Untersuchungen über den Einfluſs einiger physikalischer Bedingungen auf das Leben der Mikroorganismen veröffentlichen Bonardi und Gerosa in Arch. ital. de Biol. 12 S. 89. Die Versuche erstreckten sich auf die Prüfung des Einflusses, welchen die Dichte der Nährlösung, die Kohlensäure, der Stickstoff, Magnetismus, Elektricität und Licht auf die Entwickelung der Mikroorganismen ausüben. Ueber die bakterientödtenden Wirkungen des Blutes und Blutserums und über die nähere Natur der wirksamen Substanz im Serum berichtet H. Buchner im Centralblatt für Bakteriologie und Parasitenkunde, Bd. 5 Nr. 25 und Bd. 6 Nr. 1 und Nr. 21. Wir entnehmen den Mittheilungen hier nur die sehr interessante Beobachtung, daſs der bakterientödtende Einfluſs des Blutserums aufgehoben werden kann, wenn dem wirksamen Serum Bakteriennährstoffe zugesetzt werden, daſs also der ernährende Einfluſs dem tödtenden entgegenwirkt. Zur Bestätigung dieser bei einem Versuch mit Blutserum gemachten Beobachtung führt der Verfasser noch folgenden Versuch an. Wenn man eine Lösung von 0,75 Proc. salicylsaurem Natrium, welche bei Mangel an nährenden Elementen tödtlich auf Typhusbacillen wirkt, mit reichlichen Nahrungsstoffen versetzt, so verliert sie ihre tödtenden Eigenschaften und verwandelt sich sogar, trotz der gleichen Concentration des salicylsauren Natriums, in ein gutes Nährmedium. Ueber den Einfluſs der Kohlensäure auf die Producte der Gährung hat Lindet Untersuchungen ausgeführt, nach denen ein entwickelungshemmender Einfluſs der gebildeten Kohlensäure auf die Lebensfähigkeit der Hefe nicht stattfand (Wochenschrift für Brauerei, Bd. 7 S. 89, daselbst nach Bulletin de la Société chimique de Paris, Ser. 3 Bd. 2 Nr. 4. Vgl. auch 1889 273 285.) Ueber den Nachweis der Metaphosphorsäure im Nuclein der Hefe. L. Liebermann ist es gelungen, die Zweifel zu beseitigen, welche darüber aufgetaucht waren, ob der von ihm aus der Hefe abgeschiedene phosphorhaltige Körper wirklich Metaphosphorsäure ist, indem er bei einer neuen Untersuchung (Sitzungsbericht der mathematisch naturwissenschaftlichen Klasse der ungarischen Akademie der Wissenschaften, Januar 1890) die Metaphosphorsäure im Nuclein der Hefe direkt in Form des Barytsalzes nachweisen konnte (vgl. 1890 275 141). Untersuchungen über die Kohlenstoffernährung der Bierhefe hat H. Bokorny angestellt (Wochenschrift für Brauerei, Bd. 7 S. 69; daselbst nach Annales de l'Institut Pasteur). Auf Grund zahlreicher Versuche konnte der Verfasser folgende Körper als günstige Kohlenstoffquellen für Bierhefe bezeichnen: essigsaure Salze, Aethylenglykol, malonsaures Kalium, Milchsäure, Bernsteinsäure, brenzweinsaures Kalium, Glycerin, Apfelsäure, Erythrit, Weinsäure, Citronensäure, Querzit, Mannit, Mono- und Disaccharate, Lichenin, Glykogen, Gummi arabicum, Erythrodextrin und Dextrin, Fumarsäure, Schleimsäure, Leucin, Asparaginsäure, Glutaminsäure, Salycin, Amygdalin, Aesculin, Coniferin, Arbutin, Saponin, Atropin, Colchicin, Gelatine, Eieralbumin, Caseïn, Pepton. Als nicht assimilirbar erwiesen sich: Methyl-, Aethyl-, Propyl-, Butylalkohol, Acetaldehyd, Paraldehyd, Ameisen-, Propion-, Butter-, Baldriansäure, Oxalsäure und Oxalate, Methylamin, Propylamin, Glykokoll, hippursaures Natrium, Formamid, Acetamid, Harnstoff, Phenol, Pikrinsäure, Hydrochinon, Phloroglucin, Chinon, Saligenin, benzoesaure Salze, Saccharin, salicylsaure Salze, gerbsaures Ammoniak, Anilin, Diphenylamin, Coffeïn u.s.w. Wichtig ist noch die Thatsache, daſs zur Assimilirung der oben als geeignet aufgeführten Stoffe bei sämmtlichen, mit Ausnahme der gährungsfähigen Zuckerarten, der Zutritt von Luft nothwendig ist. Versuche darüber, was aus den aufgenommenen Verbindungen wird, wenn die Hefe sie zu ihrer Ernährung benutzt hat, zeigten, daſs Glykogen daraus gebildet wird, ein Kohlehydrat, welches nach L. Errera ganz allgemein bei Pilzen diejenige Form ist, in welcher überschüssiger Kohlenstoff abgelagert wird; es ist gleichsam der Reservestoff, wie die Stärke in grünen Pflanzen. Ueber das Weichwerden der Preſshefe berichtet Schrohe in der Zeitschrift für Spiritusindustrie, Bd. 13 S. 97, daſs zu Folge einer Mittheilung in The Brewers Journal Alfred J. M. Lasche einen Mikroorganismus entdeckt und isolirt hat, welchem er das Weichwerden der Preſshefe zuschreibt. Die Beschreibung seiner Untersuchungen hat Lasché in einer Abhandlung niedergelegt, welche in der Uebersetzung den Titel führt: „Die Fabrikation der Preſshefe und ihre Verunreinigung durch schädliche Keime.“ Untersuchungen über die Desinfektion von Räumen durch schweflige Säure haben B. Dubief und J. Brühl ausgeführt (Comptes rendus, 108 824). Dieselben führten zu folgenden Resultaten: 1) Die gasförmige schweflige Säure tödtet in der Luft enthaltene Keime. 2) Diese Einwirkung macht sich hauptsächlich bei Sättigung mit Wasserdampf geltend. 3) Die schweflige Säure wirkt hauptsächlich auf Bakterien. 4) Reine schweflige Säure kann bei länger andauernder Einwirkung Keime selbst im ausgetrockneten Zustande abtödten (vgl. 1890 275 140). Ueber doppeltschwefligsauren Kalk und Natriumbisulfit schreibt Windisch in der Wochenschrift für Brauerei, Bd. 7 S. 2. Er macht darauf aufmerksam, daſs der doppeltschwefligsaure Kalk vor Allem der darin enthaltenen freien oder nur lose gebundenen schwefligen Säure seine Wirkung verdankt, daſs es dagegen noch sehr zweifelhaft ist, ob die schwefligsauren Salze an sich überhaupt eine desinficirende Wirkung besitzen. Die Vorzüge, welche dem Natriumbisulfit in Prospekten zugeschrieben werden, kommen demselben, wie der Verfasser des Näheren ausführt, durchaus nicht zu, im Gegentheil hätte die Anwendung desselben so viele Nachtheile, daſs man selbst unter der Annahme, daſs es gut desinficirend wirkte, von der Verwendung des auch verhältniſsmäſsig theueren Präparates abrathen und die Beibehaltung des in seiner Wirkung erprobten doppeltschwefligsauren Kalkes, dessen einzige üble Eigenschaft der stechende Geruch ist, empfehlen müsse. Eine unvergährbare rechtsdrehende Substanz hat E. von Raumer aus dem Honig isolirt und untersucht, dieselbe ist dem Gallisin von Schmitt sehr ähnlich, zeigt jedoch ein anderes Reductionsvermögen (Zeitschrift für angewandte Chemie, 1889 S. 607). Die Wirkung des Saccharins hat F. Jessen einer Prüfung unterzogen. Danach besitzt das Saccharin nur in geringem Maſse eine hemmende oder verzögernde Wirkung auf die Fermentthätigkeit, übt auch bei längerem Gebrauch in Gaben von 0,1 bis 0g,2 für den Tag keine schädlichen Wirkungen auf den Menschen aus, ebenso wenig war eine einmalige groſse Gabe von 5g von irgend welchem Nachtheil; auch die Ausnutzung der Nahrungsmittel wurde durch das Saccharin nicht hindernd beeinfluſst (Archiv für Hygieine, 1890 S. 64). An derselben Stelle, S. 81, äuſsert sich auch Lehmann über das Saccharin. Er hält dasselbe für ein Gewürz ohne Nährwerth, dasselbe kann daher auch keinen Ersatz für den Zucker bieten, seine Zugabe zu Nahrungsmitteln sei zulässig, jedoch müsse diese Beigabe angegeben, also das Fabrikat als saccharinhaltig bezeichnet werden, in gleicher Weise, wie man z.B. bei der Kunstbutter eine derartige Angabe verlangt (vgl. die den vorliegenden Versuchen zum Theil widersprechenden Arbeiten 1889 273 469 und 1890 275 429). Absinth besteht im Allgemeinen nach einer der Académie des Sciences gemachten Mittheilung von Cardiac und Meunier aus 6g Anisöl, 4g Sternanisöl, 2g Wermuthöl, 2g Corianderöl, 2g Fenchelöl, 1g Pfeffermünzöl, 1g Ysopöl, 1g Angelikaöl und 1g Melissenöl, welchen Oelen 70procentiger Alkohol zugesetzt ist, dem durch Petersilien oder Nessel eine grüne Farbe ertheilt worden ist. Die schädlichen Wirkungen schreiben die Verfasser dem Anis- und Sternanisöl zu, während Olliver und Laborde im Moniteur scientifique 1889 das Absinthöl für besonders giftig halten (Zeitschrift für angewandte Chemie, 1890 S. 158). Ueber die technische und wissenschaftliche Entwickelung der Brennerei in den letzten fünfzehn Jahren sprach Märcker in der Generalversammlung des Vereins der Spiritusfabrikanten Deutschlands (Ergänzungsheft der Zeitschrift für Spiritusindustrie, Bd. 13 S. 20). Mit bekannter Meisterschaft gab der Redner ein anschauliches Bild über die Entwickelung der Spiritusfabrikation, indem er alle diejenigen Fortschritte in der Wissenschaft und Technik hervorhob, welche eine Umgestaltung und Weiterentwickelung des Gewerbes im Gefolge gehabt haben. Wir empfehlen den hochinteressanten Vortrag, welcher sich in kurzen Worten nicht wiedergeben läſst, unsern Lesern angelegentlichst. Ueber die wirthschaftliche Lage des Brennereigewerbes mit Bezug auf das bestehende Branntweinsteuergesetz berichtet von Bismarck in dem Ergänzungsheft der Zeitschrift für Spiritusindustrie, Bd. 13 S. 33. Ueber die Entwickelung und die Zukunft der Spiritusindustrie in Ungarn veröffentlicht Alex. von Asboth eine Abhandlung in der Chemikerzeitung, 1890 S. 65 und 127. Untersuchungen der im Handel vorkommenden Spiritusgattungen Ungarns theilt Julius Szilágyi in der Chemikerzeitung, 1890 S. 66 mit. Tafel zur Ermittelung des Alkoholgehaltes von Spiritusmischungen. Die Zeitschrift für Spiritusindustrie, Bd. 13 S. 83, bringt zur Kenntniſs, daſs in der „Tafel zur Ermittelung des Alkoholgehaltes von Spiritusmischungen“ (rother Umschlag) sowohl als in der „Anleitung zur steueramtlichen Ermittelung des Alkoholgehaltes im Branntwein“ (grüner Umschlag) der Gehalt an reinem Alkohol bei einem Nettogewicht von 99k und einer wahren Stärke von 43,5 Gewichtsprocenten nicht, wie auf S. 74 der Tafel in Folge eines Druckfehlers angegeben, 53l,4, sondern 54l,4 beträgt. Verfahren zur Fabrikation von Papierstoff aus Holz oder holzigen Substanzen unter gleichzeitiger Gewinnung von Zucker bezieh. Alkohol von Georg Hesse in Köpenick bei Berlin (D. R. P. Nr. 49641 vom 25. Januar 1889). Wird eine Dampfersparniſs durch den Gehre'schen Dampfüberhitzer erzielt, und wie groſs ist dieselbe? Nach dem Ergebniſs von Versuchen, welche der bayrische Dampfkessel-Ueberwachungsverein ausführte und über welche die Zeitschrift für Spiritusindustrie, Bd. 13 S. 3, berichtet, wird es sich bei etwaiger Anschaffung von Dampfüberhitzern empfehlen, alle einschlägigen Verhältnisse sorgfältig zu prüfen und, indem man die zugesagte Kohlenersparniſs mit den Kosten für Instandhaltung der Ueberhitzer, sowie für Verzinsung und Abschreibung des betreffenden Anlagekapitals vergleicht, genau zu berechnen, ob ein wesentlicher Vortheil zu erwarten ist. In der Regel wird man den angestrebten Zweck der Kohlenersparniſs auf anderem Wege, z.B. durch Vermehrung der Heizfläche, Verbesserung der Feuerung, vortheilhafteres Brennmaterial u.s.w. einfacher und sicherer erreichen können. Morgen.