Titel: | Die Theerölseifenlösungen und das Lysol, ein neues Desinficiens; von C. Engler. |
Fundstelle: | Band 278, Jahrgang 1890, S. 27 |
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Die Theerölseifenlösungen und das Lysol, ein
neues Desinficiens; von C.
Engler.Nach Pharmaceutische Centralhalle, 1890 N. F. Bd. 11 Heft
31 S. 449.
Die Theerölseifenlösungen und das Lysol, ein neues
Desinficiens.
Unter den zahlreichen Desinfectionsmitteln, welche aus Lösungen von Seifen mit
Steinkohlentheerölen und deren Bestandtheilen, insbesondere den Phenolen,
hergestellt worden sind, müssen zwei von einander verschiedene Kategorien aus
einander gehalten werden: die Lösungen der Seifen in den Theerölen und die Lösungen
der Theeröle in den Seifen. Der Unterschied beider Gruppen macht sich ganz besonders
in dem Verhalten dieser Lösungen gegen Wasser bemerklich; die ersteren (Seife in
Theeröl) scheiden beim Verdünnen mit Wasser das Oel gröſstentheils aus und bilden
Emulsionen, die letzteren (Theeröl in Seife) lassen sich dagegen mit beliebigen
Mengen Wasser ohne Ausscheidung von Oel verdünnen, sie bleiben klar.
1) Die Lösungen von Seifen in
Kohlenwasserstoffölen (Erdöl, Theerölen
u.s.w.).
Vor mehreren Jahren haben Engler und Kneis Untersuchungen begonnen und theilweise
veröffentlichtD. p. J., 1887 263193., welche sich mit der Frage der Löslichkeit der Metalle in
Kohlenwasserstoffen, speciell in Terpentinöl, Harzöl und Erdöl befaſsten und aus
denen sich ergab, daſs diese schon früher bemerkte Löslichkeit von der Mitwirkung
des Sauerstoffes der Luft abhängig ist, indem dadurch Oxydation sowohl der Oele als
auch der Metalle bewirkt und so die Bildung von „Seifen“ veranlaſst wird,
welche ihrerseits dann in den Kohlenwasserstoffen sich auflösen. Um die Richtigkeit
dieser Annahme zu prüfen, wurde später die Löslichkeit einiger fettsauren Salze in
den Kohlenwasserstoffen des Erdöls und in Terpentinöl, sowie in neuester Zeit die
Löslichkeit von Metalloxyden in Erdölkohlenwasserstoffen, die mit Oelsäure versetzt
sind, näher studirt.
Als Materialien zu diesen Untersuchungen dienten sowohl die Fraction von Elsäſser
Erdöl, welche von 150 bis 250° siedet, als auch, um die Verschiedenheit des
Verhaltens festzustellen, der über 250° siedende Theil jenes Oeles, als Oelsäure
gewöhnliche käufliche Oelsäure, von Kahlbaum oder von
Trommsdorff bezogen.
Die Einwirkung erfolgte, unter vorheriger Vermischung der Materialien,
Oelsäure in g
Petrol-kohlen-wasser-stoffein g
Temperatur
Dauer
Gelöste MengeMetalloxyd
inGewichts-procenten derFlüssigkeit
g
150/250°
über250°
Ca(OH)2
4
10
–
100
Lufttemp.
einige Tage
0,031 CaO
desgl.
4
10
–
100
Wasserbad
einige Stund.
0,60 „
desgl.
6
10
–
100
desgl.
desgl.
1,11 „
CaCO3
4
10
–
100
desgl.
desgl.
0,032 CaCO3
Fe(OH)3, gefällt
und bei 100° getrocknet
5
5
–
100
Lufttemp.
einige Tage
0,60 Fe2O3
desgl.
5
5
–
100
Wasserbad
24 Stunden
0,90 „
PbO, durch Glühen von PbCO3
20
30
100
–
Lufttemp.
einige Tage
6,71 PbO
desgl.
20
30
100
–
Wasserbad
24 Stunden
14,13 „
desgl.
20
30
–
100
desgl.
desgl.
11,73 „
desgl.
32
40
100
–
desgl.
desgl.
17,59 „
desgl.
32
40
–
100
desgl.
desgl.
15,50 „
PbO2
30
40
–
100
desgl.
desgl.
9,47 „
desgl.
30
40
–
100
desgl.
36 Stunden
11,19 „
desgl.
30
40
–
100
desgl.
48 Stunden
12,65 „
desgl.
30
40
–
100
Lufttemp.
einige Tage
1,44 „
AgOH, gefällt, luft- trocken
40
80
–
100
desgl.
desgl.
0,36 Ag2O
desgl.
40
80
–
100
Wasserbad
24 Stunden
0,56 „
Au2O3, lufttrocken
0,6
2
–
10
desgl.
desgl.
0,07 Au2O3
in Glaskölbchen bei gewöhnlicher Temperatur oder auf dem
Wasserbade; die Bestimmung der gelösten Metalloxyde meistens durch Veraschung.
Die bei den Versuchen erhaltenen Resultate sind in der vorstehenden Tabelle
zusammengestellt.
Diese Versuche ergaben eine ganz besonders starke Löslichkeit des Bleioxydes bezieh.
also des gebildeten ölsauren Bleies in den Kohlenwasserstoffen und die Resultate mit
geringeren Mengen von Bleioxyd sind nur nicht angeführt, weil sie werthlos sind
gegenüber den bei der Steigerung der Mengen des Bleioxydes erhaltenen viel höheren
Werthen.
Sehr oft werden die Erdölfractionen durch Aufnahme der Seifen gallertartig, beinahe
fest, eine Erscheinung, die übrigens nicht neu ist, da das sogen. „feste
Erdöl“ weiter nichts ist, als ein mit etwas Aluminiumseife, Magnesiumseife
u.s.w. versetztes Erdöl; auch verwendete man bekanntlich Kalkseifen schon seit
langer Zeit zum Verdicken von mineralischen Schmierölen. Kurz, die Löslichkeit der
Seifen in Kohlenwasserstoffölen darf als eine schon lange bekannte Thatsache
bezeichnet werden.
Alle derartigen Lösungen scheiden beim Versetzen mit Wasser das Kohlenwasserstofföl
wieder ab und nur die Seife geht, sofern sie selbst löslich ist, theilweise mit ganz
geringen Mengen des Oeles in die wässerige Flüssigkeit.
Das Pearson'sche Kreolin (Jeyes) gehört in diese Kategorie von Lösungen, es enthält nach Th. WeilBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft,
1889 S. 138. 56,9 Proc. indifferente Kohlenwasserstoffe, 22,6
Proc. Phenole, 0,4 Proc. Säuren, 2,4 Proc. Natrium, nach anderen AnalysenA. Henle, Archiv für
Hygiene, 1889 S. 193. dagegen sind 66,0 Proc.
indifferente Kohlenwasserstoffe, 27,4 Proc. Phenole (fast ganz frei von
Carbolsäure), 2,2 Proc. pyridinartige Basen und 4,4 Proc. Asche (im Wesentlichen
Alkalicarbonate) darin enthalten, und wieder andere Zahlen führen R. Otto und BeckurtsPharmaceutische
Centralhalle, 1889 S. 227., BielChemiker-Zeitung, 1887 S. 1583. u.a.
auf. Jedenfalls enthalten aber die Phenole dieses Kreolins wenig oder gar keine
Carbolsäure, und ist dieses Gemenge als eine Lösung von Harzseife in höher siedenden
Theerölen zu betrachten von nicht constanter Zusammensetzung. Vermischt man dieses
Kreolin mit Wasser, so scheiden sich die Theeröle gröſstentheils wieder aus und es
entsteht eine feine Emulsion. In dem wässerigen Theile dieser Emulsion muſs ein
Theil der Phenole gelöst sein. Dagegen, daſs sie sämmtlich in die wässerige
Seifenlösung gehen, spricht das Verhältniſs zu der Seifenmenge, sowie die
Anwesenheit groſser Mengen ungelöster Kohlenwasserstoffe, die ohne Zweifel einen
Theil der Phenole zurückhalten.
Auch das Artmann'sche Kreolin scheint dieser Kategorie
von Lösungen anzugehören, wenigstens scheidet es beim Verdünnen mit Wasser neutrale
Kohlenwasserstofföle aus. Nach Th. WeylBerichte der deutschen
chemischen Gesellschaft, 1889 S. 138. enthält es 84,9
Proc. Kohlenwasserstoffe, 3,4 Proc. Phenole, 1,5 Proc. Säuren und 0,8 Proc. Natrium,
doch soll es seit einiger Zeit phenolfrei in den Handel kommen. Worauf die
Emulgirbarkeit desselben beruht, ist noch nicht mit Sicherheit bekannt; der Ansicht,
daſs es lediglich eine gummiartige Substanz sei, wie Henle vermuthet, möchte ich mich noch nicht ohne Weiteres anschlieſsen.
Nach desselben Forschers bakteriologischen UntersuchungenArchiv für
Hygiene, 1889 S. 188. ist aber jedenfalls der
Desinfectionswerth des Artmann'schen Kreolins geringer,
als derjenige des Pearson'(Jeyes)schen; überhaupt ist man noch nicht ganz im Klaren darüber, auf
welchem Bestandtheile des ersteren seine desinficirende Wirkung beruht.
In die gleiche Kategorie von desinficirenden Lösungen gehört auch das Kresolin,
Littles Soluble Phenyle u.a., auch das Schenkel'sche
Sapocarbol, wenn wenigstens damit ein Präparat gemeint ist, welches, wie nach der
kurzen Beschreibung in der Chemiker-ZeitungChemiker-Zeitung,
1887 II S. 1229 und 1888 I S. 186. angenommen werden muſs, mit
Wasser Emulsionen bildet.Ein in diesen Tagen
durch eine hiesige Apotheke von mir bezogenes „Sapocarbol“ läſst sich
allerdings mit Wasser ohne Oelausscheidung, also ohne Emulsion zu bilden,
beliebig verdünnen.Engler.
Als charakteristisch für alle derartigen Lösungen von Seifen (seien es Harz- oder
Fettseifen) in Theerölen u.s.w. darf bezeichnet werden, daſs sie beim Verdünnen mit
Wasser Emulsionen bilden und zwar erst in Folge davon, daſs das Wasser den
Präparaten die Seife entzieht und eine Flüssigkeit bildet, in der sich vermöge ihrer
Consistenz und ihres specifischen Gewichts die fein ausgeschiedenen Oele nur schwer
und langsam zu Tröpfchen vereinigen.
2) Die Lösungen von
Kohlenwasserstoffölen und Phenolen (Theerölen)
in Seifen.
Das W. Damann'sche D. R. P. Nr. 52129 vom 8. Mai 1889
war Engler die Veranlassung, sich mit dieser Frage der
Löslichkeit von Theerölen in Seifen etwas eingehender zu befassen, denn es schien
damit eine Frage von groſser technischer und sanitärer Tragweite gelöst zu sein: die
Möglichkeit der Ueberführung der schweren Theeröle in neutralen wasserlöslichen
Zustand und die erweiterte Verwendung derselben zu Desinfectionszwecken. War es doch
a priori kaum zu bezweifeln, daſs derartige Lösungen in Bezug auf ihre
bakterientödtende Wirkung die Emulsionen übertreffen würden, wie dies nachträglich
nun auch durch die vergleichenden Untersuchungen von M.
Schottelius über die desinficirende Wirkung des Lysols gegenüber englischem Kreolin (Pearson) dargethan worden ist.
Um die Richtigkeit der Angaben in dem oben bezeichneten Patent zu prüfen, wurden im
Engler'schen Laboratorium eine Reihe von Lösungen
nach den Angaben der Patentbeschreibung hergestellt.
Zur Lösung kamen verschiedene fette Oele, auch Thran und Harz, mit Theerölen, als
„rohe Carbolsäure“ aus zwei benachbarten Fabriken (I und II) bezogen, und
nach den vorgenommenen Bestimmungen 82 Proc. Phenole (gröſstentheils Kresole und
Xylenole) enthaltend, also etwa 18 Proc. neutrale Kohlenwasserstoffe, desgleichen
ein Theeröl (III) mit nur 13 Proc. Phenolen, also reich an neutralen
Kohlenwasserstoffen. Die angewendeten Mischungen und die damit erhaltenen Resultate
sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengestellt, wobei noch zu bemerken ist, daſs
man in der That den zur besseren Verseifung und Lösung zugesetzten Alkohol nach dem
Löseprozeſs ohne Beeinträchtigung der Lösung groſsentheils wieder verjagen kann.
A
B
C
D
E
F
Leinöl
30,8
30,8
30,8
–
–
–
Thran
–
–
–
30,8
–
–
Rüböl
–
–
–
–
30,8
–
Colophonium
–
–
–
–
–
33,1
Kalilauge (1 festes Aetz- kali: 2 Wasser)
18,4
18,4
18,4
18,4
18,4
30,5
Alkohol
20,0
20,0
20,0
20,0
20,0
23,2
Theeröl I
30,8
–
–
–
–
–
„ II
–
30,8
–
30,8
30,8
13,2
„ III
–
–
30,8
–
–
–
Die erhaltenen Lösungen sind braungelb bis dunkelbraun gefärbt und beim Verdünnen mit
Wasser bilden sie durchweg klare durchsichtige Flüssigkeiten; nur die Lösung C ergab
beim Vermischen mit Wasser eine noch trübe Flüssigkeit, was vielleicht von etwas
asphaltartiger Beimischung des rohen Theeröls III herrührt. Die Menge der letzteren
Ausscheidung ist jedoch nur gering. Selbstverständlich treten bei allen Lösungen
Trübungen ein, wenn man sie mit Wasserleitungsoder Brunnenwasser versetzt, da sich
alsdann etwas unlösliche Kalkseife bildet.
Obgleich auch die Wahrnehmung dieser Löslichkeit von Theer-ölen, und insbesondere der
neutralen Kohlenwasserstoffe in Seifen, gewisse Vorläufer aufzuweisen hat, so ist
früher doch noch nirgends ausdrücklich darauf hingewiesen und auf ihre eminente
praktische Bedeutung aufmerksam gemacht worden. Jedenfalls bilden derartige beim
Vermischen mit Wasser klar bleibende Lösungen gegenüber den mit Wasser bloſs
Emulsionen bildenden Präparaten einen nicht zu unterschätzenden Fortschritt.
Vor Allem erschien es wichtig, zu untersuchen, ob die in den Theerölen enthaltenen
Phenole in Salzform, also in chemisch gebundenem, oder in freiem Zustande in den
Seifen enthalten seien. In dieser Beziehung gibt eigentlich schon das Verhältniſs
des fetten Oeles (Leinöl, Rüböl u.s.w.) zu dem verwendeten Alkali einen ziemlich
sicheren Anhaltspunkt dafür, daſs die Phenole nur in freiem Zustande vorhanden sein
können, da die Menge des Aetzkalis gerade ausreicht, um das betreffende fette Oel zu
verseifen. Auſserdem haben zahlreiche Versuche gelehrt, daſs man durch einen
einfachen Destillationsprozeſs die gelösten Theeröle (Kohlenwasserstoffe und
Phenole) wieder überdestilliren kann. Die zu diesem Behufe nach obigen Angaben
hergestellten Lösungen ergaben dabei die in der zweiten Reihe der folgenden
Zusammenstellung enthaltenen Mengen an Theeröl.Bei
Präparat C trat stets so heftiges Stoſsen ein, daſs die Destillation damit
nicht zu Ende geführt werden konnte. Des Vergleichs halber sind
in der ersten Reihe die in dem betreffenden Präparate enthaltenen, d.h. zur
Anwendung gebrachten Theerölmengen nochmals aufgeführt:
Präparat
A
B
D
E
F
Gelöst waren Gew.- Proc. Theeröl
30,8
30,8
30,8
30,8
13,2
Durch Destillation konnten abgetrie- ben
werden Gew.- Proc. Oel
30,2
27,7
29,9
28,8
17,0Da dieses
Präparat nach früherer Zusammenstellung Colophonium enthält, dürfte
sich die zu groſse Menge Destillat durch Bildung von
Zersetzungsproducten des Harzes erklären.
Durch Untersuchung der übergetriebenen Oele überzeugte man sich des Weiteren davon,
daſs die in den Theerölen ursprünglich vorhanden gewesenen Phenole noch in gleichem
Mengenverhältnisse vorhanden waren, insoweit dies wenigstens bei derartigen
Versuchen erwartet werden kann.
Um endlich auch noch den Einwurf, der möglicher Weise gemacht werden könnte, zu
entkräften, beim Vermischen von Fett, Alkali und Phenolen treibe nach der Verseifung
das Phenol die Fettsäure aus, in der Kälte seien demgemäſs die Phenole gebunden und
würden nur durch den Kochprozeſs wieder durch die Fettsäuren frei gemacht, um dann
überzudestilliren, wurden kalte Lösungen von Phenol-Kalium und Kresol-Kalium mit
Oelsäure versetzt, wobei starke Erwärmung eintrat, ein Zeichen des chemischen
Umsatzes und der Ausscheidung der Phenole, während umgekehrt neutrales ölsaures Kali
von Phenol nicht in irgend merklicher Weise umgesetzt wurde.
Es unterliegt nach allen diesen Versuchen also keinem Zweifel, daſs die Theeröle und
insbesondere auch die in denselben enthaltenen Phenole in den obigen Damann'schen Präparaten in freiem Zustande sich finden.
Unabhängig von Damann, jedoch nach Anmeldung des D. R.
P. Nr. 52129 veröffentlichte Dr. NochtZeitschrift für
Hygiene, 1889 S. 521. Versuche über die Herstellung von
Lösungen von „100procentiger“ roher Carbolsäure in Seifenflüssigkeiten und
empfahl dieselben zu Desinfectionszwecken. Ob das „Sapocarbol“ schon früher
in der Beschaffenheit hergestellt war, daſs es mit Wasser klar blieb, wie ein dem
Verfasser in diesen Tagen unter gleicher Bezeichnung zugegangenes Präparat, ist
nicht bekannt. Die Angaben Schenkel'sChemiker-Zeitung,
1887 II S. 1229 und 1888 I S. 186. lassen vermuthen, daſs man
früher darunter ein mit Wasser emulgirendes Präparat verstand.
3) Das Lysol.
Unter der Bezeichnung „Lysol“ wird von der Firma Schülke und Mayr in Hamburg ein Präparat fabricirt, welches ohne Zweifel
in die Kategorie der Lösungen von Theeröl bezieh. von einzelnen oder mehreren seiner
Bestandtheile in Seife hineingehört. M.
SchotteliusMünchner Medic. Wochenschrift, 1890 Nr.
20. hat über die desinficirende Wirkung dieses Präparates
Untersuchungen veröffentlicht, aus denen sich ergibt, daſs in demselben ein ganz
vorzügliches neues Desinficiens vorliegt.
Die Engler zuerst zur Verfügung gestellten beiden Sorten
von Lysol (Nr. II und III) waren dieselben, mit denen Schottelius seine Versuche durchgeführt hat und es muſste deshalb von
besonderem Interesse sein, deren allgemeine Eigenschaften und Zusammensetzung kennen
zu lernen.
Lysol II: spec. Gew. 1,0525, ist eine braune
durchsichtige syrupöse Flüssigkeit, die mit Wasser verdünnt vollständig klar bleibt;
rothes Lackmuspapier wird gebläut, doch enthält es keine Spur von freiem Alkali,
kurz, es liegt offenbar eine Lösung von Theerölen in neutraler Seife vor.
Lysol III: spec. Gew. 1,038, zeigte im Uebrigen
dieselben allgemeinen Eigenschaften wie Lysol II, insbesondere bildet es auch mit
Wasser vollständig klare Mischungen.
Später wurde von der Firma Schülke und Mayr noch ein
Präparat, mit „Lysolum purum“ bezeichnet, zur Verfügung gestellt, wie solches
für Desinfectionszwecke fernerhin in den Handel kommen soll. Auch dieses Präparat,
dessen spec. Gew. 1,042 (bei 19°) beträgt, besitzt die allgemeinen Eigenschaften der
beiden ersteren, insbesondere vollständige Wasserlöslichkeit. Es ist etwas heller
von Farbe und in nicht zu dicken Schichten durchsichtig.
Auſser der Asche wurden in den vorliegenden drei Lysolsorten die durch Destillation
bis 225° neben Wasser übergehenden Oele, sowie die in den letzteren enthaltenen Phenole bestimmt, wobei
sich fand, daſs dieselben so viel wie gar keine Carbolsäure, sondern nur die nächst
höheren Homologen enthalten. Die Untersuchung ergab in Gewichtsprocenten:
Asche(K2CO3)
auf KOHbe-rechnet
OeligesRoh-Destillat(bis
225°)
Phenole(Kresole)
NeutraleKohlen-wasser-stoffe(Differenz)
Lysol II
5,91
4,8
46,8
44,1
2,7
Lysol III
6,29
5,1
50,8
46,2
4,6
Lysolum purum
6,52
5,3
51,0
47,4
3,6
Da es durch die Untersuchungen A. Henle'sArchiv für
Hygiene, 1889 S. 211., Carl
Fränkel'sZeitschrift für Hygiene, 1889 S.
530. u.a. festgestellt ist, daſs den höheren Homologen der
Carbolsäure, insbesondere auch den Kresolen, eine besonders stark desinficirende
Wirkung zukommt, darf es als ein entschiedener Vorzug des Lysols betrachtet werden,
daſs die in demselben enthaltenen Phenole fast vollständig zwischen 187 und 200°
übergehen, also fast nur aus Kresolen bestehen. Ein weiterer Vorzug besteht in der
vollständigen Wasserlöslichkeit des Präparates und man hat in demselben – constante
Zusammensetzung vorausgesetzt – ein Desinficiens, dessen Kresolgehalt durch
Verdünnen mit Wasser auf beliebige Procente gestellt werden kann. Schon HueppeBerliner Klinische Wochenschrift, 1888 Nr.
37. weist auf die Vortheile wasserlöslicher Phenolpräparate hin,
desgleichen hebt Fränkela. a. O., S. 528. die Vorzüge der
durch Mischen von Schwefelsäure mit Phenolen erhaltenen „sulfirten Phenole“
gegenüber den in Wasser schwer-und unlöslichen Phenolen hervor. Gegenüber den
Kreolinen, dem Kresolin, Littles Soluble Phenyle und ähnlichen Präparaten, welche
mit Wasser nur Emulsionen bilden, muſs deshalb die vollständige Wasserlöslichkeit
der Lysol-Präparate als ein entschiedener Fortschritt bezeichnet werden, denn auch
die feinste Emulsion bedingt keine so feine Vertheilung, innige Berührung und
Durchdringung wie die vollständige Lösung. Dabei sind, wie die weiter oben
mitgetheilten Versuche beweisen, die Phenole nicht chemisch gebunden, sondern frei
in den neutralen Seifen gelöst und kommen, im Gegensatze zu den löslichen Salzen der
Carbolsäure und deren Homologen, mit ihrer vollen Desinfectionskraft zur Wirkung.
Dies ist zweifellos auch die Ursache der überaus günstigen Resultate, welche Schottelius hinsichtlich der bakterientödtenden Wirkung
des Lysols erhalten hat. Aehnliches bemerkt übrigens auch schon Fränkel über die desinficirende Kraft der in der Kälte
mit Schwefelsäure vermischten Kresole; es ist nach ihm nicht die dabei vielleicht in
geringer Menge entstehende Kresolsulfosäure, sondern das durch Behandlung mit
Schwefelsäure wasserlöslich gemachte Kresol selbst, welches jenen hohen Effect
bedingt. Vor diesen stark sauren Kresol-Schwefelsäuremischungen hat aber das Lysol jedenfalls
den Vorzug voraus, daſs es das Kresol in einer neutralen Lösung enthält. Welches der
drei Kresole, das Ortho-, Meta- oder Para-Kresol, in Form des Lysols die
desinficirenden Eigenschaften in höchstem Grade besitzt, und ob auch und in wieweit
die mitgelösten neutralen Kohlenwasserstoffe als Desinficientien mitwirken, müſste
durch weitere bakteriologische Untersuchungen festgestellt werden.
Nach den hier mitgetheilten, im Engler'schen
Laboratorium durchgeführten Versuchen über das Lysol liegt in demselben ein
vollständig neues Präparat vor, welches nach seiner Darstellung, seinen
Bestandtheilen und seinem gesammten chemischen Verhalten ein für die verschiedensten
Zwecke brauchbares Desinfectionsmittel darstellt. In Folge seiner vollständigen
Wasserlöslichkeit und seiner reinigenden Eigenschaften eignet es sich nicht bloſs
als Desinficiens im engeren Sinne, sondern gleichzeitig auch zu Waschzwecken, und es
zeichnet sich hierdurch vor anderen ähnlichen Desinfectionspräparaten ganz
entschieden aus. Es ist auch nicht ausgeschlossen, daſs den Damann'schen Präparaten eine noch ausgedehntere Verwendung bevorsteht,
insbesondere ist es möglich, daſs sie auch als Antiparasitica gute Dienste leisten.
Es wäre zu wünschen, daſs von landwirthschaftlich-sachverständiger Seite Versuche
über die Brauchbarkeit des Lysols als Mittel gegen gewisse Pflanzenkrankheiten,
wobei in erster Reihe auch an die Phyloxera zu denken wäre, angestellt würden und es
mag in dieser Beziehung auf die nicht ungünstigen Resultate hingewiesen werden,
welche man schon mit Erdöl erzielt hat und daſs man in dem Damann'schen Verfahren zugleich auch ein Mittel besitzt, um neutrale
Kohlenwasserstofföle in wässerige Lösung zu bringen.
(Schluſs folgt.)