Titel: Ueber die praktische Verwendbarkeit der Zirkonerdeleuchtkörper in der Leuchtgas-Sauerstoffflamme; von Dr. W. Kochs, Privatdocent an der Universität Bonn.
Autor: W. Kochs
Fundstelle: Band 278, Jahrgang 1890, S. 235
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Ueber die praktische Verwendbarkeit der Zirkonerdeleuchtkörper in der Leuchtgas-Sauerstoffflamme; von Dr. W. Kochs, Privatdocent an der Universität Bonn. Ueber die praktische Verwendbarkeit der Zirkonerdeleuchtkörper. Seit Einführung des elektrischen Bogenlichtes in die Beleuchtungstechnik hat man sich eifrig bemüht, die bisher durch Oele oder Gas erzeugten Leuchteffecte erheblich zu steigern, um den hohen Lichtintensitäten des elektrischen Lichtes möglichst nahe zu kommen. Groſse Lichtintensität kann aber nur durch sehr hohe Temperatur des lichtausstrahlenden Körpers erzielt werden. Feste Körper beginnen bei 400° im Dunkeln schwach zu leuchten, sogen. dunkle Grauglut, bei etwa 600° werden sie rothglühend, bei 900° bis 1000° weiſsglühend, während Gase selbst bei 1500° bis 2000° noch nicht leuchtend werden, wenigstens nicht unter gewöhnlichen Verhältnissen. Man hat daher durch Zuführung heiſser Verbrennungsluft und Erhitzen der zu verbrennenden Gase die Flammentemperatur wesentlich erhöht. Die Flamme selbst wird dadurch kürzer, heller und heiſser, weil der Verbrennungsprozeſs schneller verläuft und weniger kalte Luft mit den verbrennenden Gasen in Berührung kommt. Der in den Flammen, ob Oel oder Gas ist gleich, glühende feste Kohlenstoff strahlt in der heiſseren Flamme mehr Licht aus und, da er in der kleineren Flamme auf einem kleineren Raume zusammengedrängt ist, wächst die Intensität des Lichtes beträchtlich. Die verschiedenen jetzt gebräuchlichen Regenerativlampen haben nach dieser Richtung hin zumeist so ziemlich das Maximum des Möglichen erreicht. Jedoch ist das Licht dieser Lampen immerhin so stark gelb, daſs es in dieser Hinsicht mit dem elektrischen Bogenlichte, welches dem Tageslichte in seiner Qualität gleichkommt, nicht verglichen werden kann. Nach dem Gesagten muſs zur Erzeugung von intensivem weiſsem Licht die heiſseste herstellbare Flamme mit einem festen Glühkörper, welcher in dieser Temperatur beständig ist, die theoretisch vollkommenste Gasbeleuchtung geben. Die höchste auf dieser Erde durch chemische Prozesse erreichbare Temperatur besitzt nun eine Kohlenoxydgasflamme, welche in reinem kauerstoffgase verbrennt. Sehr nahe dieser Temperatur kommt unter gleichen Verhältnissen eine Wasserstoff- oder eine Leuchtgasflamme. Seit langer Zeit benutzte man solche Flammen zur Erzeugung des Kalklichtes, welches seiner Zeit in den Vereinigten Staaten für Leuchtthürme, Signale und groſse Bauten, sowie im Secessionskriege bei der Belagerung einiger Forts mit Nutzen verwandt wurde. Groſse Mängel hafteten jedoch diesen Einrichtungen an. Die Erzeugung des Sauerstoffgases war sehr mühsam und viel zu kostspielig. Die verwendeten Brenner waren ungeeignet construirt, so daſs viel zu viel Gas verbraucht wurde, und die Leuchtkörper, cylindrische Stücke Aetzkalk, muſsten fortwährend gedreht werden, hielten nur wenige Stunden und waren bei feuchter Witterung nicht zu gebrauchen, da sie zu Staub zerfielen. Ihre Aufbewahrung muſste in hermetisch verschlossenen Gefäſsen geschehen. Nichts desto weniger hat man immer auch noch nach Verbreitung des elektrischen Lichtes, besonders in England, für viele Zwecke sich des Kalklichtes bis heute bedient. In den letzten Jahren hat durch die Errichtung von Sauerstofffabriken, auf die ich weiter unten zurückkomme, der Gebrauch des Kalklichtes besonders in England sehr zugenommen. Da jedoch jedes Kalklicht in Folge der schnellen Abnutzung des Leuchtkörpers einer fortwährenden Beaufsichtigung und Regulirung durch einen Menschen bedarf, so ist es nur für kurze Beleuchtungen auf der Bühne und zu Projectionszwecken in Anwendung. Besonders geeignet und schon vielfach angewendet ist das Kalklicht für ärztliche Zwecke zum Beleuchten von Körperhöhlen. Die hohe Intensität macht es möglich, mit passenden Reflectoren auch in der Tiefe enger Körperräume noch alle Einzelheiten zu erkennen, und die weiſse Farbe des Kalklichtes läſst feine Farbenveränderungen der röthlichen Schleimhäute so hervortreten, daſs krankhafte Vorgänge in Stadien diagnosticirbar sind, wo dieses mit dem gelben Lampen- oder Gaslichte nicht möglich ist. Als ich vor einigen Jahren genöthigt war, derartige Studien an mir selber eingehend zu betreiben, sah ich mich wegen der Mängel des Kalklichtes veranlagst, Versuche mit Zirkonerde zu machen, und bin ich dann schlieſslich zu den weiterhin zu beschreibenden Zirkonerdeleuchtkörpern gekommen. Schon in den fünfziger Jahren soll der französische Techniker Tessié du Mothay durch aus Zirkonerde hergestellte Stifte und Erhitzen derselben im Knallgasgebläse bedeutende Lichtwirkungen erzielt haben. Spätere praktische Versuche auf der Ausstellung in Paris 1867, sowie auf dem Westbahnhofe in Wien 1870 muſsten in Folge der schnellen Abnutzung der Leuchtkörper, sowie des hohen Preises des Sauerstoffgases bald aufgegeben werden. Wie Tessié seine Glühkörper herstellte, ist nicht bekannt geworden. Die Zirkonerde ist von Klaproth Ende des vorigen Jahrhunderts entdeckt und dargestellt worden, aber erst Berzelius machte auf das überaus hohe Lichtemissionsvermögen dieser Erde aufmerksam. Dasselbe wird auch jetzt nur noch von der kaum je in gröſseren Mengen beschaffbaren Erbinerde etwas übertroffen. Die Zirkonerde ist absolut unschmelzbar bei den durch chemische Vorgänge auf unserer Erde erreichbaren Temperaturen. Ihr hohes Lichtemissionsvermögen ist aber an ihre chemische Reinheit geknüpft, und so konnte man bisher nur durch starkes Zusammenpressen unter hohem Drucke Glühkörper erhalten. Die Linnemann'schen ZirkonerdeplättchenSitzungsberichte, der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Wien (mathem. naturw. Klasse), 1885 Bd. XCII S. 124, Monatshefte d. Chemie, Bd. 6 S. 899, und Chem. News, Bd. 52 S. 222. 233. 240., welche in einen Platinteller eingelassen werden, sind so hergestellt. Selbstverständlich springen dieselben in der Hitze sehr bald und schmilzt dann der Platinteller leicht ab, wodurch die ohnehin ziemlich kostspieligen Glühkörper noch erheblich theurer werden. Aehnlich war CaronComptes rendus, Bd. 66 S. 1040, und Jahresb. f. Chemie, 1868 S. 979. verfahren. Linnemann hat jedoch das Verdienst, die Grundsätze erkannt und hervorgehoben zu haben, nach denen ein guter Brenner für Leuchtgas-Sauerstoffflamme construirt sein muſs, um mit möglichst wenig Gas bei möglichst geringem Drucke die gröſsten Wärme- und Lichteffecte zu geben. Er will, daſs die chemische Vereinigung der beiden Gase etwa 0,5 bis 1cm vor der Brennermündung stattfinde, daſs also die Flamme vor dem Brenner und nicht am Brenner brennt. Damit dieses dauernd stattfindet, muſs die Ausströmungsgeschwindigkeit des Gasgemenges gröſser sein als die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Explosion in demselben. Bei richtiger Brennerconstruction muſs der Druck des Sauerstoffgases 15mal so groſs sein als der des Leuchtgases, dann befindet sich etwa 1cm vor der Brennermündung eine kugelförmige hellblaue Stelle – die eigentliche active Flamme –, welche die höchste Temperatur besitzt, und das Metall des Brenners wird kaum warm, geschweige an der Spitze angegriffen. Ist der Sauerstoffdruck geringer, so schlägt die Flamme zurück, d.h. dieselbe beginnt trichterförmig an der Sauer-Stoffausströmung, ist weniger heiſs und erhitzt den Brenner in kurzer Zeit sehr stark. Ist die Flamme, wie oben angegeben, richtig gebildet, dann concentrirt sich die ganze producirte Wärmemenge auf einen kleinen, vom Metalle entfernten, Punkt und kann ohne Verlust auf den Glühkörper wirken. Der Linnemann'sche Brenner eignet sich in Folge der guten Regulirbarkeit der Flamme für Experimentirzwecke ganz vorzüglich, für den Gebrauch des Arztes oder zur Beleuchtung von Wohn- oder Arbeitsräumen ist er, abgesehen von seiner Kostspieligkeit, durch seine Gröſse und Complicirtheit unbrauchbar. Herr Mechaniker Max Wolz in Bonn hat nun einen compendiösen, einfachen und billigen Brenner hergestellt, welcher die Vorzüge des Linnemann'schen in hohem Maſse besitzt und so construirt ist, daſs, selbst wenn der Druck des Sauerstoffgases um ¼ bis ½cm Quecksilber Wechselt, die Flamme nicht wesentlich alterirt wird. Diese durch die wechselnde Reibung des Gases an der eigenthümlich construirten Ausströmungsöffnung bewirkte Selbstregulirung macht den Brenner erst Praktisch brauchbar. Die Dimensionen desselben sind so gewählt, daſs mit dem kleinsten Gasquantum ein Maximum von Licht erreicht wird. Gröſsere Brenner zu construiren wird jedenfalls nicht ökonomisch sein, da bei einem dickeren centralen Sauerstoffstrahle die Mischung der Gase immer unvollkommener wird und sehr leicht unverbrannter, im Vergleiche mit den übrigen Theilen der Flamme kalter Sauerstoff gegen den heiſsen Glühkörper geschleudert wird. Man erkennt ein solches fehlerhaftes Brennen der Flamme, wenn man die leuchtende Fläche des Glühkörpers durch ein schwarzes Glas betrachtet. Die Stelle, wo unverbrannter Sauerstoff den Glühkörper trifft, ist als schwarzer Punkt kenntlich. Selbstverständlich müssen so erhebliche Temperaturdifferenzen den Leuchtkörper bald rissig machen und zerstören. Uebrigens wird selbst bei fehlerhaftem Brennen der Flamme stets nur eine 1 bis 2mm dicke Schicht des Leuchtkörpers nach einiger Zeit abbröckeln. Durch eine geringe Vorwärtsbewegung des Leuchtkörpers, dessen Fläche nicht glatt zu sein braucht, ist die Lampe wieder in Ordnung. Die von mir dargestellten Zirkonerdeleuchtkörper sind durch Fritten der reinen Zirkonerde mit einem Minimum anderer Substanz erhalten. Dieselben sind porös, um den heftigen, schnellen Temperaturwechseln besser zu widerstehen, und sind doch so hart, daſs man sie gut anfassen und befestigen kann. Nach meinem Verfahren können homogene Zirkonerdekörper jeder Form und Gröſse erhalten werden. Am besten bewährt sich ein cylindrischer Körper von 0m,02 Länge und 0m,008 Dicke, und gibt derselbe an einem Ende angeblasen mit 30l Leuchtgas und 30l Sauerstoff in der Stunde ein Licht von 40 bis 50 Kerzenstärken. Ich habe diese Bestimmungen vielfach wiederholt mit einem mir von der Bonner Gasfabrik freundlichst zur Verfügung gestellten Photometer mit Amylacetat-Normallampe. Ferner zeigte sich, daſs 30l Gas in der Stunde aus runder Oeffnung ausströmend fast genau eine Kerzenstärke geben. Durch Hinzufügung von 30l Sauerstoff und Verwendung des Zirkonerdeleuchtkörpers wird die Lichtmenge für die Praxis jedenfalls 40mal gröſser, ohne die Wärmemenge zu vermehren. Im Vergleich mit einem Argandbrenner, der 250l Gas in der Stunde gebraucht, ist dieselbe sehr gering. Das Licht ist genau so weift wie das elektrische Bogenlicht, und da die einzelne Flamme des Zirkonerdelichtes nur gegen 50 Kerzen gibt, so ist die Lichtvertheilung speciell in Arbeitsräumen eine weit bessere wie bei den starken elektrischen Bogenlichtern, wo in Folge der störenden starken Schatten bei jeder einzelnen Maschine noch besondere Beleuchtung nöthig ist. Genaueres über die Zusammensetzung des Lichtes meiner Leuchtkörper, sowie ihre Verwendung zu spektroskopischen Untersuchungen findet sich in einer Arbeit von BettendorfLiebig's Annalen der Chemie, Bd. 256 S. 167., welcher die hohe Intensität, sowie die Ausdehnung des Spektrums nach der Seite des Violett hin hervorhebt und zu seinen Messungen von Absorptionsspektren benutzt hat. Das elektrische Lieht bietet den groſsen Vortheil, daſs von einem Punkte aus alle Lichter auf einmal in Thätigkeit gesetzt bezieh. gelöscht werden können. Bei Zirkonerdelichtern kann man durch alleiniges centrales Absperren des Sauerstoffgases sozusagen Dunkelheit herstellen und durch Wiederöffnen des Sauerstoffhahnes sofort wieder volle Helligkeit herbeiführen. Da die Leuchtgas-Sauerstoffflamme eine Stichflamme ist und der Sauerstoffstrahl auch bei Lageveränderungen des Brenners die Flamme immer in der Achse des Brenners hält, so kann man die Lampen ohne Weiteres invertiren bezieh. das Licht von der angeblasenen, hellglühenden Fläche des Leuchtkörpers leicht in jede Richtung bringen. In Folge der Kleinheit der intensiv leuchtenden Fläche läſst sich das Licht durch Linsen oder Hohlspiegel sehr günstig concentriren und auf weite Entfernungen hin wirksam machen. Ist der Zirkonerdeleuchtkörper einmal im Brennpunkte eines Linsensystemes genau fixirt, so behält er diese Stellung stundenlang unverändert bei, während die besten Kalkcylinder so stark sintern, daſs in kürzester Zeit die hellste Stelle bis 0cm,5 weit verschoben ist. Es braucht wohl nicht besonders hervorgehoben zu werden, daſs für feinere Projectionsapparate und mikrophotographische Aufnahmen dieser Umstand Kalkglühkörper fast unbrauchbar macht. Obwohl nun das Zirkonerdelicht vom theoretischen Standpunkte leicht als das rationellste Beleuchtungssystem zu rechtfertigen ist und viele Vortheile selbst gegenüber dem elektrischen Lichte für manche Zwecke und Verhältnisse bietet, so ist seine praktische Verwendbarkeit doch lediglich von dem Preise und der bequemen Beschaffbarkeit des Sauerstoffgases abhängig. Selbst für Naturforscher, welche Laboratorien haben, und für Aerzte ist die Darstellung des Sauerstoffgases auf die Dauer zu mühsam und zeitraubend. Seit einigen Jahren hat man nun in England in groſsem Maſsstabe nach dem Brin'schen Verfahren Sauerstoff aus atmosphärischer Luft dargestellt und in Stahlcylindern comprimirt versandfähig gemacht. Zur Zeit hat in Berlin Herr Dr. Theodor Elkan eine Sauerstofffabrik nach Brin's System errichtet und liefert derselbe sehr reinen Sauerstoff auf 100at comprimirt in leichten, sicheren, amtlich geprüften Stahlcylindern. Die vorzügliche Construction des Verschluſshahnes gestattet durch einfache Drehung eines Schlüssels so kleine Gasmengen ausströmen zu lassen, daſs man die Lampen direkt mit der Flasche verbinden kann, ohne Zwischengasometer oder Gummisack. Erst nach mehreren Stunden wird es nöthig, den Hahn etwas mehr zu öffnen. In neuester Zeit werden auſserdem Reducirventile geliefert, welche so vollkommen functioniren, daſs der Gaszufluſs von Anfang bis zu Ende ganz gleich bleibt. Hierdurch ist erst die praktische Verwendbarkeit des Zirkonerdelichtes gegeben. Gesetzt auch, man legte neben den Gasfabriken Sauerstofffabriken an, um dem Leuchtgase die Concurrenz mit dem elektrischen Bogenlichte zu ermöglichen, es wird kaum möglich sein, in längeren verzweigten Röhrenleitungen den erforderlichen Druck des Sauerstoffgases von 2cm Quecksilber zu halten, und werden die Verluste bei jeder Undichtigkeit unverhältniſsmäſsig groſs werden. Durch das Flaschensystem ist es ferner möglich, an jeder Stelle einer Gasleitung vorübergehend ein intensives Zirkonerdelicht anzubringen, und läſst sich die Leistungsfähigkeit der bestehenden Gasleitungen auf diese Weise 40mal gröſser machen.