Titel: | Zur Werthbestimmung der Kohle. |
Fundstelle: | Band 280, Jahrgang 1891, S. 89 |
Download: | XML |
Zur Werthbestimmung der Kohle.
(Fortsetzung des Vortrages von Prof. H.
Bunte, auf S. 63 d. Bd.)
Mit Abbildungen.
Zur Werthbestimmung der Kohle.
Fast ebenso wichtig, wie die Kenntniss der wahren Verbrennungswärme, des Heizwerthes
der Kohle, ja öfters noch wichtiger, ist die Kenntniss der Bedingungen für die beste
Ausnutzung der Brennstoffe; denn in vielen Fällen der Praxis handelt es sich weniger
um die Auswahl und Bewerthung verschiedener Brennstoffe, als vielmehr darum, mit
einem vorhandenen, dem ortsbilligsten Brennstoff, die höchste Leistung zu erzielen.
Mit anderen Worten, wir müssen die bei der Verheizung der Brennstoffe entstehenden
Verluste möglichst zu vermindern suchen, sei es durch die Einrichtung oder die Art
der Bedienung der Feuerung. Wenn wir nun die einzelnen Verluste ins Auge fassen, so
finden wir, dass in den allermeisten Fällen, selbst bei solchen Feuerungen, welche
mit niedrigen Abgangstemperaturen arbeiten, wie die Dampfkesselfeuerungen, der
weitaus grösste Verlust auf die mit höherer Temperatur entweichenden Rauchgase
trifft. Die Grösse dieses Verlustes ist unmittelbar abhängig von dem
Kohlensäuregehalt der Rauchgase: er ist um so grösser, je weniger Kohlensäure die
Rauchgase enthalten, je grösser also der Luftüberschuss ist, mit dem die Feuerung
betrieben wird; er ist um so kleiner, je mehr Kohlensäure die Rauchgase enthalten,
je mehr sich die zur Verbrennung verbrauchte Luftmenge der theoretisch nothwendigen
nähert. Auf diesen Umstand kann nicht oft genug hingewiesen werden, da die Bedeutung
desselben immer noch unterschätzt wird; ich möchte deshalb den Einfluss des
Kohlensäuregehaltes, der Verbrennungsluft auf die Ausnutzung der Kohle, bezieh. den
Wärmeverlust durch die heissen Rauchgase, an einigen Beispielen erläutern, welche
ich den schon öfters erwähnten Berichten der Heizversuchsstation München
entnehme.
Es ist eine bekannte Thatsache, dass man in einer und derselben Feuerung, etwa einem
Dampfkessel, mit genau demselben Brennmaterial sehr verschiedene Leistungen erhält,
je nach der Art der Verheizung; während heute bei aufmerksamer Bedienung eine
achtfache Verdampfung erreicht wird, erhält man morgen bei mangelhafter Besorgung
des Feuers nur eine siebenfache Verdampfung. Daraus geht zunächst hervor, dass
der Heizwerth der Kohle nicht ohne weiteres durch einen einfachen
Verdampfungsversuch festgestellt werden kann, da das Ergebniss einer solchen Prüfung
bis zu einem gewissen Grade ebenso sehr von der Art der Verbrennung als von der
Heizkraft des Brennstoffs selbst abhängig ist. Um dies zu zeigen, mögen zunächst
vier Heizversuche mit Koks aus Saarkohlen, welche in dem vorhin geschilderten Kessel
der Heizversuchsstation München verbrannt wurden, näher erläutert werden. Bei diesen
vier Versuchen sind alle Verhältnisse gleich, nur die Menge der zur Verbrennung
zugeführten Luft und damit der Kohlensäuregehalt der Rauchgase wurde geändert. Im
Versuch I betrug der CO2-Gehalt 8 Proc., im II. 10,8
Proc., im III. und IV. Versuche 13,8 und 14,9 Proc. Von welchem Einfluss diese
Veränderung auf die Leistung des Brennstoffs gewesen ist, geht daraus hervor, dass
beim ersten Versuch eine 8,6 fache, beim vierten Versuch eine 9,6 fache Verdampfung
erhalten wurde. Zur Vergleichung der Wärmevertheilung bei den vier Versuchen sind
dieselben in Fig. 4 nach dem Kohlensäuregehalt der
Rauchgase geordnet neben einander gestellt; die gesammte, bei der Verbrennung
entwickelte Wärmemenge ist, ähnlich den früher gegebenen Zeichnungen, durch eine
senkrechte Linie dargestellt, welche im Verhältniss der Wärmeverluste und der von
dem Kessel aufgenommenen Wärme getheilt ist. Der Wärmeverlust durch die Rauchgase
ist durch Streifung abgegrenzt, und man erkennt sofort, dass mit zunehmendem
Kohlensäuregehalt der Verlust durch die Rauchgase geringer, die von dem Kessel
aufgenommene, die ausgenutzte Wärme, erheblich grösser wird.
Textabbildung Bd. 280, S. 90Fig. 4. Genau ebenso wie bei Koks verhält es sich auch bei anderen Brennstoffen;
zum Vergleich habe ich noch zwei Darstellungen Fig. 5
und 6 beigefügt, welche sich auf Versuche mit
Saarkohlen, St. Ingbert und Mittelbexbach, und sächsischen Kohlen,
Bürgergewerkschaft, beziehen; die Anordnung ist die gleiche wie bei den
Koksversuchen; wenn die Grenzlinien bei den Fig. 5
und 6 nicht so regelmässig verlaufen, wie bei den
Koksversuchen, so liegt dies mit darin, dass die Versuche theils mit verschiedenen
Kohlensorten ausgeführt sind, theils wechselnde Mengen Kohle in der Stunde verbrannt
oder die Versuchsbedingungen, welche die Ausnutzung beeinflussten, geändert worden
sind. Jedenfalls aber tritt auch hier die Abnahme des Verlustes durch die Rauchgase,
die Zunahme des Nutzeffectes mit steigendem Kohlensäuregehalt der letzteren deutlich
hervor. Einem Kohlensäuregehalt von 9 Proc. entspricht bis zu einer mittleren
Abgangstemperatur der Rauchgase von 250° C. ein Wärmeverlust von etwa 20 Proc.,
während unter gleichen Verhältnissen, bei nur 7 Proc. CO2, die Rauchgase etwa 26 Proc. der Verbrennungswärme entführen; da aber
bei grösserem Luftüberschuss die Abgangstemperatur sich unter sonst gleichen
Umständen in der Regel beträchtlich erhöht, so wachsen die Verluste bei abnehmendem
Kohlensäuregehalt der Rauchgase in weit stärkerem Masse.
Textabbildung Bd. 280, S. 90Fig. 5.Textabbildung Bd. 280, S. 90Fig. 6. Es ist nun von besonderer Wichtigkeit, die Beziehungen zu kennen, welche
zwischen dem Kohlensäuregehalt der Rauchgase und der Wärmeausnutzung bestehenEs sei hier
auf die früheren Vorschläge zur Vereinfachung der Formeln zur Berechnung des
Nutzeffectes der Feuerungen bezieh. der Grösse des Wärmeverlustes durch die
Rauchgase verwiesen: Bunte, einfache Methode
zur Berechnung des Nutzeffectes der Feuerungen; Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung, 1878 S. 62.
Ferner Siegert, Zeitschrift des Vereins deutscher
Ingenieure, 1888 S. 1099, gelegentlich der Beschreibung seines
Dasimeters. Lunge, Zeitschrift für angewandte
Chemie, 1889 S. 240.; ich möchte mir deshalb erlauben,
den Zusammenhang zwischen Kohlensäuregehalt und Abgangstemperatur der Rauchgase
einerseits und den durch die letzteren veranlassten Wärmeverlust andererseits in
möglichst anschaulicher Weise darzulegen. Zunächst wollen wir die Vorgänge bei der
Verbrennung von reinem Kohlenstoff, etwa Holzkohle, näher verfolgen. Denken wir uns
in einem abgeschlossenen Volumen von 100 cbm Luft 0,536 k Kohle zu Kohlensäure
verbrannt, so enthält die Verbrennungsluft 1 cbm CO2
oder 1 Proc. Kohlensäure. Bei der Bildung dieser Kohlensäuremenge ist eine gewisse
Menge Wärme frei geworden, welche die Temperatur des Gases, welche anfänglich 0° C.
gewesen sein soll, erhöht hat. Diese Temperaturerhöhung lässt sich leicht berechnen
aus der entwickelten Wärme 8080 × 0,536 = 4343 W. dividirt durch die Wärmecapacität
von 100 cbm Luft 100 × 0,31 = 31.
Es ergibt sich \frac{4343}{31}=141^{\circ}\mbox{ C}. Wenn wir in
gleicher Weise wie vorhin die doppelte Menge Kohle in 100 cbm Gas verbrennen, so
erhalten wir ein Gas mit 2 Proc. Kohlensäure, und durch die Verbrennungswärme wird
die Temperatur um etwa den gleichen Betrag ansteigen. Die Temperatursteigerung ist
thatsächlich eine etwas geringere, weil mit zunehmendem Kohlensäuregehalt der Luft
die Wärmecapacität sich erhöht. Bei genauer Rechnung erhalten wir bei 2 Proc. CO2 eine Temperatursteigerung von 0 auf 281° C. Fahren
wir nun in gleicher Weise fort, so erhalten wir für jeden Kohlensäuregehalt der
Verbrennungsluft eine gewisse Temperatur T, die sogen.
Anfangstemperatur, welche in der folgenden Tabelle für 1 bis 19 Proc. Kohlensäure
unter Voraussetzung reiner Holzkohle eingetragen ist.
Beziehung zwischen Kohlensäuregehalt der Verbrennungsluft
und Anfangstemperatur bei reiner Holzkohle.
Kohlen-säure-gehalt
Anfangs-temperatur
Differenzfür 0,1 Proc.CO2etwa ±
Kohlen-säure-gehalt
Anfangs-temperatur
Differenzfür 0,1 Proc.CO2etwa ±
1 Proc.
141
11 Proc.
1490
2 „
280
14
12 „
1620
13
3 „
419
14
13 „
1750
13
4 „
557
14
14 „
1880
13
5 „
694
14
15 „
2005
13
6 „
830
14
16 „
2130
12
7 „
962
13
17 „
2255
12
8 „
1096
13
18 „
2375
12
9 „
1229
13
19 „
2500
12
10 „
1360
13
Diese in der Tabelle eingeschriebenen Anfangstemperaturen sind für uns, wie aus der
Ableitung deutlich hervorgeht, gewissermassen nur eine Form des Ausdruckes, mit der
die Temperatursteigerung bezeichnet werden soll, welche durch die Vertheilung der
gesammten Verbrennungswärme auf die Verbrennungsproducte hervorgebracht werden kann.
Ob diese Temperaturen wirklich erreicht werden, ist zunächst für unsere
Betrachtungen gleichgültig, da sie nur Rechnungselemente sind, um das Verhältniss
der gesammten entwickelten Wärme zu der in den heissen Bauchgasen entweichenden
festzustellen. Aus der Differenz der entwickelten Wärme und dem Wärmeverlust durch
die Rauchgase ergibt sich dann unmittelbar die Ausnutzung, d.h. diejenige
Wärme, welche an den Heizkörper, etwa einen Dampfkessel oder einen Gasretortenofen,
abgegeben worden ist; diese letztere ist offenbar abhängig von dem Temperaturgefälle
zwischen Anfangstemperatur T und der Abgangstemperatur
der Rauchgase t. Hiernach lässt sich der Wärmeverlust
durch die Rauchgase allgemein darstellen durch den Bruch
\frac{t}{T}; der an die Feuerung abgegebene Wärmebetrag, die
Ausnutzung durch \frac{T-t}{T}. Beide Ausdrücke lassen sich in
einfachster Weise durch ein Diagramm (Fig. 7) zur
Anschauung bringen.
Textabbildung Bd. 280, S. 91Fig. 7. In Fig. 7 ist auf der linken Seite der
Kohlensäuregehalt der Rauchgase in Abständen, entsprechend den zugehörigen
Anfangstemperaturen T aufgetragen, auf der rechten
Seite sind in gleichem Massstab die Endtemperaturen t,
mit welchen die Rauchgase die Feuerung verlassen, verzeichnet; von den Punkten,
welche dem Kohlensäuregehalt der Rauchgase entsprechen, sind ferner Strahlen nach
dem Nullpunkt gezogen, welche durch senkrechte Linien in 100 bezieh. 20 gleiche
Theile getheilt sind. Es lässt sich nun aus dem Kohlensäuregehalt und der
Abgangstemperatur in einfachster Weise der relative Wärmeverlust durch die Rauchgase
V ermitteln, indem man den Punkt sucht, wo der nach
dem CO2-Gehalt gezogene Strahl von der durch die
Abgangstemperatur gezogenen wagerechten Linie geschnitten wird; die oben bezieh.
unten aufgetragenen Zahlen geben dann unmittelbar den Wärmeverlust durch die
Rauchgase bezieh. die Wärmeausnutzung \left(\frac{T-t}{T}\right)
in Procenten der gesammt entwickelten Wärme.
Nehmen wir z.B. an, wir hätten Rauchgase von einem Kohlensäuregehalt von 5 Proc. (T = 694) und eine Abgangstemperatur (bezieh. einen
Temperaturüberschuss über die äussere Luft) von 300° (t
= 300), so ergibt sich der Wärmeverlust durch die Rauchgase V zu 43 Proc.
\left(V=\frac{t}{T}=\frac{300}{694}=0,43\right)
oder wenn wir Rauchgase mit 10 Proc. CO2 und 300° C. beobachtet haben, so ergibt die Formel
wie die graphische Darstellung einen Wärmeverlust von
\left(V=\frac{t}{T}=\frac{300}{1361}=0,22\right)=22\
\mbox{Proc.}
Ebenso für jeden beliebigen anderen Kohlensäuregehalt oder Abgangstemperatur, z.B.
bei Gasretortenöfen mit Rostfeuerung,
CO2 10 Proc., t = 800° ergibt sich: V=\frac{800}{1360}=49\
\mbox{Proc.}, oder CO2 = 15 Proc.
(Gasfeuerung) t = 800° ergibt
V=40\ \mbox{Proc.}\
\left(\frac{t}{T}=\frac{800}{2000}=0,4\right)
17 Proc. CO2 gibt nur etwa 35
Proc. Verlust!
Es wird sich nun fragen, inwieweit diese theoretischen Auseinandersetzungen den
thatsächlichen Verhältnissen entsprechen und eine praktische Anwendung gestatten. Um
diese Frage zu prüfen, können wir ebenfalls die an der Münchener Station ermittelten
Beobachtungen benutzen, welche – soweit Dampfkesselheizungen in Betracht kommen –
alle erforderlichen Daten enthalten. Da Koks beim Verbrennen unter den hier in Frage
stehenden Umständen sich ähnlich verhält wie Holzkohle, so werden diese Versuche zu
einer Vergleichung der für reinen Kohlenstoff berechneten theoretischen Ergebnisse
mit den thatsächlichen Verhältnissen sich verwenden lassen. Bei den oben angeführten
vier Koksversuchen ist beobachtet worden:
I.
II.
III.
IV.
CO2-Gehalt der
Rauchgase
8,0
10,2
13,8
14,9
Temperaturüberschuss
t
218° C.
203° C.
192° C.
174° C.
Es wurde gefunden ein Wärme- verlust in Procenten der
ent- wickelten Wärme von
21
15
12
10 Proc.
Demgegenüber ergibt sich aus der Formel
\frac{t}{T} mit Hilfe der oben gegebenen
Tabelle oder dem Diagramm ein Verlust durch die Rauchgase
von
20
14,6
10,4
8,7
Rechnung und Versuch zeigen also in diesen extremen Fällen eine genügende
Uebereinstimmung (grösste Abweichung 1,6 Proc.), um die Brauchbarkeit der Formel
bezieh. der graphischen Darstellung für viele praktische Zwecke zu erweisen.Eine Probe mit
den an der Heizversuchsstation ausgeführten Versuchen mit Holzkohlen führte
zu dem gleichen Ergebniss.
In bei weitem der Mehrzahl der Feuerungen kommt aber nicht Koks, sondern Steinkohle
zur Verheizung und es erhebt sich nun die weitere Frage, ob diese einfache Formel
für die Berechnung des Wärmeverlustes durch die Rauchgase aus Abgangstemperatur und
Kohlensäuregehalt auch auf diese anwendbar ist. Eine genauere Ueberlegung
zeigt, dass innerhalb gewisser Grenzen auch in diesen Fällen noch praktisch
brauchbare Resultate erhalten werden, obwohl durch den Wasserstoffgeh alt dieser
Brennstoffe und den bei der Verbrennung entstehenden Wasserdampf eine Verschiebung
der Verhältnisse eintritt. Soweit es sich um Dampfkesselfeuerungen, also um relativ
niedrige Abgangstemperaturen handelt, wird man auch bei wasserstoffreichen
Brennstoffen, z.B. Saarkohlen, auf eine Uebereinstimmung von etwa 2 bis 4 Proc.
rechnen dürfen, und wir könnten die für die Koksversuche angestellten Proben mit
annähernd dem gleichen Ergebniss bei Ruhrkohlen, Saarkohlen oder den oben gegebenen
Beispielen von Heizversuchen mit sächsischer Kohle wiederholen.Eine genauere
Darstellung der Verhältnisse bei Kohlen und anderen wasserstoffreichen
Brennstoffen soll später folgen.
Selbstverständlich kann der Werth der oben gegebenen einfachen Formel und der
graphischen Darstellung nicht nach der Genauigkeit des erzielten Resultates bemessen
werden. Ich suche denselben vielmehr darin, dass beide in schlagender Weise den
Zusammenhang zwischen der Ausnutzung der Brennstoffe bezieh. dem Wärmeverlust durch
die Rauchgase mit dem Kohlensäuregehalt derselben zahlenmässig erkennen lässt.
Ich hege die Hoffnung, dass diese Betrachtungsweise, welche auch noch andere
werthvolle Aufschlüsse gibt, für die ökonomische Verwendung der Brennstoffe, die
zweckmässige Gestaltung unserer Feuerungsanlagen und die Ueberwachung derselben im
praktischen Betrieb von einigem Werth sein wird, und möchte die Benutzung der
Tabelle und der bildlichen Darstellung zu häufigem Gebrauch empfehlen.
(Schluss folgt.)