Titel: | Die Legung des Kabels für den Telephonverkehr zwischen London und Paris. |
Fundstelle: | Band 280, Jahrgang 1891, S. 157 |
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Die Legung des Kabels für den Telephonverkehr
zwischen London und Paris.
Die Legung des Kabels für den Telephonverkehr zwischen London und
Paris.
Die auf S. 24 gegebenen kurzen Angaben über die Vollendung der Telephonlinie
Paris-London ergänzen wir hier vorwiegend nach dem Electrician, 1891 Bd. 26 * S. 604 und 632.
Die englische Landlinie läuft entlang der South Eastern Railway bis zu einer Stelle
nächst Sidcup, dann auf der Strasse und Bahn durch Swanley, Maidstone und Ashford
bis zur Kabelhütte an der Küste von St. Margarets Bay, zwischen Dover und Deal.
Diese 85 Meilen lange (vgl. Lumière Électrique, 1891
Bd. 39 S. 629) Linie ist aus Kupfer und wiegt 400 engl. Pfund auf 1 engl. Meile
(111,5 Pfund auf 1 km). Sie hat 2,25 Ohm Widerstand für 1 Meile bei 60° F. Sie liegt
auf kreosotirten Holzsäulen, in Abständen von 64 m, und zwar auf Doppelglocken aus
Porzellan, etwa 7,5 m über dem Boden. Der Hin- und der Rückleitungsdraht für jeden
Stromkreis sind spiralförmig um einander gewickelt, auf dem ganzen Wege, und
wechseln ihren Platz an jedem Tragarme; jede Windung erstreckt sich über 256 m, so
dass also der Draht erst an der vierten Säule wieder in seine frühere Lage
zurückkehrt. Die inducirende Wirkung ist so auf das kleinste Mass gebracht. Arbeitet
ein Wheatstone'scher selbsthätiger Geber mit grosser
Geschwindigkeit in dem einen Stromkreise, so hört man ihn kaum in einem in den
anderen Stromkreis eingeschalteten Telephon. Das jetzt benutzte Telephon ist die vom
General Post Office benutzte Sorte des Gower-Bell-Apparates; doch sind auch die Apparate von Hunnings, Berliner, Ader u.a. probirt worden.
Die französische Landlinie ähnelt der englischen in ihrer Ausführung, nur ist bis
jetzt bloss ein Stromkreis hergestellt, und der Draht
wiegt 600 Pfund auf 1 Meile. Ihre Länge misst 204 engl. Meilen (326 km); das
Sprechen mit den in Frankreich üblichen D'Arsonval-Apparaten ist ebenfalls vortrefflich. Leider sind in dieser Linie
nicht weniger als 7 km unterirdische Leitung in Paris enthalten; dieselbe ist nach
Fortin-Hermann's Weise ausgeführt und ist durch mit
Paraffin getränkte Holzknöpfe isolirt.
Das Kabel gehört den beiden Regierungen gemeinschaftlich. Seine Länge misst 21
Seemeilen (vgl. 1890 279 120 und Lumière Électrique, 1891 Bd. 39 S. 628). Es ist nach Preece's
Angaben angefertigt worden und enthält vier Adern, je zwei für einen
Stromkreis. Jede Ader ist eine Litze aus sieben reinen Kupferdrähten von 72,6 k
Gewicht auf 1 Seemeile (1851 m); der Widerstand beträgt 7,478 bis 7,632 Ohm für 1
Knoten bei einer Temperatur von 75° F. Sie ist bedeckt mit drei abwechselnden Lagen
von Chatterton-Compound und Guttapercha, von 136,2 k Gewicht für einen Knoten; das
Gesammtgewicht jeder Ader beträgt also 208,8 k (160 + 300 = 460 Pfund) für 1 Knoten.
Der Isolationswiderstand von jedem Leiter zum Wasser mass nicht weniger als 500
Megohm für 1 Knoten, nachdem das Kabel vor der Messung 24 Stunden in Wasser von 75°
F. gelegen hatte und nachdem der Leiter 1 Minute lang elektrisirt worden ist. Die
Capacität übersteigt nicht 0,3045 Mikrofarad für 1 Knoten.Nach Electrician, Bd. 26 S. 632, ist das Kabel 24
Meilen lang und hat 0,23 Mikrofarad auf 1 Meile Capacität. Die Capacität der
83 Meilen langen englischen Landlinie bis Dover beträgt 0,015 Mikrofarad für
1 Meile, die der 204 Meilen langen französischen Landlinie nur 0,012
Mikrofarad. Das ganze Kabel befindet sich in einem so gut gewählten
Zustande, dass die Einfügung von 0,1 Mikrofarad in jeden Draht das Sprechen
ganz ernstlich gefährdet. Die vier Adern sind spiralförmig zu
einem Tau um einander gewickelt, so dass sie auch, ähnlich wie die Landleitungen,
ihren Platz wechseln; und damit das Mitsprechen so viel wie möglich verhütet wird,
sollen die gegenüberliegenden Adern zu einem Schliessungskreise verbunden werden.
Das aus den Adern gebildete Tau ist mit getheertem Hanf umwickelt und darüber sind
16 galvanisirte Eisendrähte von je 7,11 mm Dicke und 1,61 k Bruchfestigkeit. Clark's Ueberzug aus Mineralpech und Sand schützt das
Ganze.
Das Product KR aus Capacität und Widerstand der ganzen
Linie von London bis Paris wird auf 5300 geschätzt. Nach der Theorie beginnt die
Deutlichkeit des SprechensVgl. 1889 274 575. sich zu verlieren, wenn KR bei oberirdischen Kupferleitungen 10000, bei
Leitungen unter der Erde oder unter Wasser 8000 übersteigt. Das Kabel wurde von Siemens Brothers unter der Aufsicht des obersten
Leiters Mittelhausen und des Oberelektrikers F. Jacob der Fabrik und der Ingenieure des Post Office
gelegt.
Am Montag den 9. März begann die Legung. Am frühen Morgen wurden die Vorbereitungen
zum Landen des Küstenendes bei Sangate, wo der Monarch,
ein Kabelschiff des General Post Office, schon mehrere Tage lag und schon seit dem
2. März das ganze Kabel an Bord hatte. Nach der Landung des Küstenendes fuhr der Monarch sofort ab, nach St. Margaretes Bay zu und legte
das Kabel aus. Im Anfange war kein Zeichen von der Annäherung eines Sturmes zu
bemerken. Bald indessen begann ein feiner Regen zu fallen und die Brise wurde
frischer, gegen 3 Uhr aber, als schon 10 Meilen Kabel gelegt waren, kam ein kühler
Wind, das Wasser wurde ungestüm und ein verdunkelnder Schneesturm fegte über das
Schiff. Schliesslich beschloss man zu ankern, bis ein Nachlassen des Sturmes das
Land wieder sichtbar werden liesse. Das Kabel ward fest gemacht und der Anker
rasselte hinab kurz nach 4 Uhr. Etwa um 5 Uhr liess das Schneien nach, und man
merkte, dass der Monarch vor St. Margaret's Bay lag,
etwa 1 Meile von dem Ufer und östlich von der Kabelhütte. Man versuchte den Anker zu
lichten, um das Kabel vollends zu legen, aber der kräftige Wellenschlag, unterstützt
von dem Winde, hatte das Kabel mit dem Anker verwickelt, und nach einem vergeblichen
Versuche, es frei zu machen, liess man den Anker mit 12,7 m Kette entwischen. Es war
jetzt 81/4 Uhr Abends und ganz dunkel, der Monarch aber
legte den Rest des Kabels, um dasselbe nicht kappen zu müssen, und befestigte das
Ende desselben an einer Boje in entsprechender Entfernung von der Küste östlich von
St. Margaret's Bay, etwa 20 Minuten nach 9 Uhr; er fuhr dann nach den Dunen (Downs)
des Hafens Deal und ankerte daselbst bald nach 10 Uhr.
Am nächsten Morgen verhinderte ein heftiger Ostwind jedes weitere Vorgehen, und am
Mittwoch war es nicht viel besser. Am Donnerstag war es schön; nach dem Aufnehmen
des Kabels von der Boje ging man daran, es von dem verlorenen Anker freizumachen.
Das Kabel war viermal rund um den Anker gewickelt und konnte nur dadurch frei
gemacht werden, dass man das beschädigte Stück herausschnitt. Dies geschah, Anker
und Kette ward wiedergewonnen und das Ende des Kabels an einer Boje befestigt.
Am Freitag liess sich nichts thun wegen des heftigen Windes und der hoch gehenden
See. Am Sonnabend (den 14. März) Morgens aber wurde das Kabel aufgenommen und man
hob etwa 5 Meilen davon wieder empor, um eine Schleife im Calais-Dover-Kabel zu
umgehen. Endlich kam der Monarch etwa 20 Minuten nach 3
Uhr Nachmittags in St. Margaret's Bay an, wo er etwa 910 m vom Landungsplätze entfernt
vor Anker ging. Man bildete rasch ein Floss aus Rettungsbooten und landete das
Küstenende. Das Ende ward von den Matrosen 10 Minuten nach 6 Uhr aus Land gezogen
und 12 Minuten später in die Kabelhütte gebracht. Das Telegraphenamt in St. Martins
le Grand in London ward sofort gerufen und die gute Botschaft dahin gemeldet; drei
Freudenrufe wurden im Post Office und in der Kabelhütte gegeben, und die von London
klangen so kräftig, dass man erklärte, sie hätten die Platte des Telephons
gesprengt. Das Ende des Kabels ward dann aufgestreift und die Schutzhülle abgefeilt,
wobei man das Kratzen der Feile in London hörte. Die Adern wurden darauf beschnitten
und ein Morseapparat eingeschaltet, um die Hütte mit Sangate zu verbinden. Zum
Schlusse telegraphirten die französischen Elektriker von dort ein Hurrah aufs
Telephon.
Es war festgesetzt worden, dass kein telephonisches Gespräch zwischen London und
Paris gehalten werden sollte, bis die französischen Ingenieure in London angekommen
wären. Dienstag den 17. März wurden die ersten Worte von dem Generalinspector Amiot gesprochen. Um 41/4 Uhr Nachmittags redete er
seine Collegen in Paris an; seine ersten Worte waren: Hallo, Hallo! Graves, Preece u.a. sprachen nachher noch auf der
Linie. Die formelle Eröffnung erfolgte am Mittwoch, wo die erste Botschaft vom Prinz von Wales an Carnot
befördert wurde. Dann folgte ein Austausch von Glückwünschen zwischen dem
Generalpostmeister Raikes und dem Minister Jules Roche, deren Wortlaut im Journal télégraphique, Bd. 15 S. 71, abgedruckt ist. Im Pariser
Centraltelegraphenamte waren ausser Röche und dessen
Frau zugegen Lord Lytton, Joseph Reinach, Broquisse und
de Selves; Raikes sprach von seinem Zimmer im Post
Office, bei Anwesenheit von Blackwood und Lamb. Auch Lytton und de Selves wechselten einige Worte mit Raikes und seinen Begleitern. Am Nachmittage endlich um
2 Uhr sprachen eine Anzahl eingeladener Vertreter der Presse in London mit
eingeladenen Vertretern der Pariser Presse.
Dem öffentlichen Verkehre ist das Kabel am 1. April übergeben worden, und der Dienst
währt ununterbrochen Tag und Nacht. Bis auf weiteres haben sich die Personen, welche
von Paris aus mit London zu sprechen wünschen, zu den öffentlichen Telephonstellen
der Börse oder in das Centralamt in der Avenue de l'opéra zu begeben. Ein Gespräch
bis zu 3 Minuten kostet 8 Shillinge oder 10 Frcs. – Zum Rufen werden 12
Leclanché-Elemente benutzt, beim Sprechen nur zwei.