Titel: | Der Roheisenerzprocess im basischen Martinofen. |
Autor: | Leo |
Fundstelle: | Band 282, Jahrgang 1890, S. 42 |
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Der Roheisenerzprocess im basischen
Martinofen.
Von Dr. Leo.
(Fortsetzung des Berichtes S. 13 d.
Bd.)
Der Roheisenerzprocess im basischen Martinofen.
Nach Verlauf von 1 Stunde sind die Ziegel schwammig geworden und ihr Volumen hat sich
auf die Hälfte vermindert; nach 1½ Stunden, vom Anfange des Chargirens an gerechnet,
setzt man auf den teigig gewordenen und grossentheils geschmolzenen Schwamm der
Erzkohlenziegel die noch fehlenden 800 k Stahlschrott und 1 Stunde später wird Probe
genommen.
Der Stahl lässt sich schmieden; er wird zur Scheibe von etwa 8 cm Durchmesser bei 6
mm Dicke gedrückt und in kaltem Wasser aus Rothglut gehärtet. Man constatirt durch
Bruch sehr feines Korn. Man nimmt Schlacke, die glasartig und von hellgrüner Farbe
ist, wie beim Hochofen im normalen Gange, und einige Kügelchen weiches Metall
enthält: Granalien, wie sie Converterschlacken beim Bessemerbetriebe enthalten.
Nach Verlauf von 3 Stunden, vom Beginne des Chargirens an gerechnet, trägt man 50 k
Stückerz von Elba ein, die man auf die Mitte des Bades wirft.
Dies ist verfrüht solange das Bad einen gewissen Hitzegrad noch nicht angenommen
hat; anderenfalls wirkt das Erz auf den Kohlenstoff des Bades nicht ein und es wird
kalt.
Unmittelbar nach Zusatz des Erzes färbt sich die Schlacke schwarz.
3 Stunden 10 Minuten nach Chargenbeginn zweite Probe: das Bad ist nahezu entkohlt; 10
Minuten später werden nochmals 30 k Erze eingeworfen und wird drittmals Probe
genommen; 10 Minuten darauf kocht das Bad nicht mehr; man nimmt die letzte Probe,
die sehr weich ist und sich nicht mehr härten lässt; man schlägt sie kalt ohne
'Bruch zusammen; das Bad ist völlig entkohlt.
3 Stunden 40 Minuten nach Anfang der Arbeit werden 25 k Ferrosilicium mit 14 Proc.
Silicium und 25 k 40procentiges Ferromangan und 5 Minuten darauf noch 30 k
Ferromangan mit 72 Proc. Mangan gegeben und wird zum Abstich geschritten. Die
Schlackenmenge ist ziemlich gross. Es wurden fünf Blöcke zu 407 k gegossen,
sämmtlich fehlerfrei und gut. Der Stahl stand vollkommen ruhig in den Coquillen.
In der Pfanne verblieb eine Kappe, 49 k schwer, was natürlich ist und genugsam durch
die kleine Charge erklärt wird; eine 12tonnige Charge genügt kaum, die Pfanne soweit
zu erwärmen, dass Schalenbildung in ihr ausgeschlossen bleibt.
Es waren zwei Proben vom Gusse genommen und zu Stäbchen mit 15 mm Seite
ausgeschmiedet worden; sie fielen scharfkantig aus und Hessen sich kalt
zusammenschlagen ohne Bruch; das Metall war zäh und vollkommen walzbar.
Die gegossenen fünf Blöcke wurden auf helle Gelbglut gebracht und zu fünf durchaus
guten Vignolschienen im Metergewichte von 36 k ausgewalzt. Von zweien derselben
wurden drei 2 m lange Stücke genommen, die man der Rammprobe unterwarf, bei der der
Bär 600 k wog und aus einer Höhe von 8 m herabfiel. Die Entfernung der
Unterstützungen von einander maass 1,10 m. Die Probestücke zeigten nach drei
Schlägen und dreimaligem Zurückbiegen an den Schlagstellen keinerlei Risse oder
Sprünge, ebenso wenig nahe den Unterstützungen. Diese Proben waren ungleich
strenger, als die von den Bahnen vorgeschriebenen.
Eine Zerreissprobe an einem Schienenkopfstücke aus dieser Charge, auf 16 mm abgedreht
und 160 mm lang, ergab als Widerstandscoefficienten 56 k auf den Quadratmillimeter,
als Verlängerung 20,10 und als Contraction 41 Proc; der Stahl Hess in keiner
Beziehung zu wünschen; die Analyse wies in ihm nach:
Kohlenstoff
0,252
Silicium
0,250
Phosphor
0,060
Schwefel
0,100
Mangan
1,090
Der Gehalt an Silicium ist hoch; er sollte normal 0,12 nicht übersteigen; er ist
durch die Menge des zugesetzten Siliciums allein bedingt und hat nichts zu bedeuten.
Im Ganzen wurden dem Bade im Ferrosilicium 3,50 k Silicium zugesetzt, während die
Analyse 5,16 k gefunden hat.
Der Schwefel im Stahl ist grösstentheils der Kohle in den Erzkohlenziegeln
zuzuschreiben; eine längere Lagerung der Ziegel würde durch die Berührung derselben
mit Luft und Feuchtigkeit bewirkt haben, dass sich das Bisulfat
der Ziegelmasse in Sulfat umgewandelt hätte, welches sich im Ofen unmittelbar
zersetzen musste. Für den sauren Process wäre das Lagern der Ziegel an der Luft das
einzige Mittel, den Schwefel zu beseitigen.
Augenscheinlich ist der Stahl ein Manganstahl; sein Mangangehalt nähert sich schon
der höchsten zulässigen Grenze; normal hergestellter Stahl soll 0,35 Kohlenstoff und
0,8 Mangan enthalten. Da der Mangangehalt von Qualität und Quantum des
Ferromanganzusatzes zum Bade abhängig zu bleiben pflegt, so hängt seine Grösse vom
Belieben und von den begleitenden Umständen ab.
Das Ausbringen der behandelten Charge stellt sieb wie folgt:
Man
setzte ein:
Roheisen
800
k
Schrott
800
„
FerromanganFerrosilicium
80
„
––––––––
Summa
1680
k
Hiervon ab der erfahrungs- mässige Abbrand mit 7
Proc.
118
„
––––––––
bleibt
1562 k
Man
brachte aus:
Fünf Blöcke zu 407 k
2035
k
Probenahme
35
„
Pfannenschale
49
„
––––––––
Total
2119 k
–––––
Somit ein Mehrausbringen von
557 k
Dies entspricht einem Nettoausbringen aus den mitverwendeten 1110 k Erz von 50 Proc.
und es lässt sich behaupten, dass nahezu das gesammte Eisen des Erzes in das Bad
übergegangen ist.
Wenn man im Auge behält, dass das Erz von Elba 52 bis 60 Proc. Eisen enthält, dass
das Erz der Ziegel erst 2 bis 3 Tage nach dem Pulvern gewogen wurde und damals
bereits durch seine Färbung erkennen Hess, dass sein Gewicht durch Absorption von
Wasser vergrössert war, endlich dass man mit einer kleinen Menge und auf saurem
Herde arbeitete, so kann dies Resultat nur zur Weiterverfolgung dieser Arbeitsart
ermuntern. Der Herd war nicht merklich angegriffen und das Gewölbe hatte nicht
gelitten.
Bei einer zweiten Versuchsarbeit wurde bei Anfertigung der Erzziegel behufs
Verkleinerung deren Volumens, um sämmtliche Ziegel auf einmal eintragen zu können,
wie dies mit dem Schrott geschieht, die Steinkohle durch Koks ersetzt. Nach der
Berechnung enthält das Cubikmeter Erzziegel (Mischungsverhältniss 100 Erz + 35
Steinkohle) 610 k metallisches Eisen. Dieses beträchtliche Volumen würde bei Chargen
von 6 bis 8 t in mehreren Partien eingetragen werden müssen, weil für ungetheilte
Chargirung der Fassungsraum des Ofens nicht ausreicht und dadurch ausserdem der
Durchzug der Gase beeinträchtigt werden würde; 100 g Kokspulver besitzen ein Volumen
von 100 cc, 100 g Steinkohlenpulver dagegen von 175 cc. Ausserdem entsteht aus dem
Ersätze der Kohle durch Koks ein weiterer Vortheil in Bezug auf Raumerforderniss
insofern, als eine kleinere Gewichtsmenge von Koks gegen Kohle erforderlich ist.
Dieser Minderbedarf kann zu etwa 30 Proc. angenommen werden; bei einer Reduction
durch Contact kann nur allein der feste Kohlenstoff in Rechnung gezogen werden.
Es wurden sieben Probeziegel aus Elbaerz, Kokspulver in verschiedenen
Procentverhältnissen und Kalkmilch gefertigt, an der Luft, in einer
Trockenkammer und durch Ofenhitze getrocknet und endlich in dem Thürraume eines
Martinofens aufgestellt. Auch sie zerfielen weder in Pulver noch in Stücke und
schmolzen auf dem Aufstellungsplatze ein. Die Probeziegel
Nr.
1
bestanden
aus
100
Erz,
25
Kokspulver
und
10
Kalkmilch
„
2
„
„
100
„
22
„
„
10
„
„
3
„
„
100
„
20
„
„
10
„
Nur der aus den Ziegeln Nr. 1 erhaltene Eisenschwamm Hess sich
zu einem vollkantigen Stäbchen ausschmieden und ohne Bruch soweit zusammenbiegen,
dass seine Seiten mit einander parallel lagen; ein Kokszusatz von 25 Proc. ist also
vollständig hinreichend.
Die Erzziegel zur zweiten Versuchsarbeit wurden in gleicher Weise wie bei der ersten
Probe angefertigt: man verbrauchte dazu 2856 k Erz von Elba, 807 k Koks und 48 k
Kalk in 400 l Kalkmilch verwandelt. Diese Mischung ergab 129 Ziegel. Es berechnen
sich hieraus 28,2 k Koks auf 100 Erz anstatt der beabsichtigten 25 k, was eine Folge
kleiner Maassüberschreitungen bei Herstellung der Mischung ist.
Es werden 3000 k Bilbaoroheisen auf den Ofenherd und auf diese die vorher vollständig
getrockneten 129 Ziegel, zerstückelt, aufgesetzt; letzterer Modus ergab sich später
als schädlich. Die ganze Arbeit des Einsetzens nahm 45 Minuten in Anspruch.
Aus den Ziegelstücken entwickeln sich zahlreiche kleine Flammen und dem Schornsteine
entströmt dichter, schwarzer Rauch, ein Beweis unvollkommener Verbrennung in Folge
eines Ueberschusses an Gas im Ofen. Das Zutrittsventil für das Gas wird soweit
geschlossen, dass Flammen nicht mehr aus den Ofenthüren herausdrängen und der
Schornsteinrauch nahezu farblos erscheint; nach Verlauf einer Stunde 20 Minuten wird
der Gaszutritt vergrössert. Nach 4 Stunden waren die Ziegelstücke noch nicht völlig
geschmolzen; zerschlug man sie weiter mit einer eisernen Stange, so enthielten sie
im Inneren noch Pulver; die Schmelzung war nur oberflächlich eingetreten und das
Material erwies sich sehr schwerschmelzig. Eine jetzt dem Bade entnommene Probe ist
kaum schmiedbar; ihr Bruch lässt sehr hartes Metall erkennen. Die Schlacken,
flaschengrün von Farbe, zeigen, dass ein Ueberschuss von Oxyd in den Ziegeln nicht
vorhanden war. Eine herausgenommene Probe halbteigiger Ziegelmasse besteht aus wenig
schmiedbarem Eisen schwamm.
Um die Masse schneller zum Schmelzen zu bringen, werden 6 Stunden nach Beginn des
Chargirens 200 k Spiegeleisen mit 9 Proc. Mangan aufgesetzt; dieser Satz wird 1
Stunde später wiederholt. Die Ziegelstücke schmelzen nunmehr vollständig. Noch ist
das geschmolzene Bad stark gekohlt in Folge des in der Ziegelmasse im Ueberschusse
vorhandenen Koks; es werden in wiederholten Reprisen während 1 Stunde 410 k Elbaerze
zur endlichen Entkohlung nachgetragen; nach jedem Nachtrage wird Probe genommen.
9 Stunden 20 Minuten nach Arbeitsbeginn ist das Bad entkohlt; 80 k Ferromangan mit 40
Proc. Mangan und 80 k Ferrosilicium mit 14 Proc. Silicium werden zugesetzt; vorher
genommene Schlackenprobe ist hellgrün im Bruche.
10 Stunden nach Anfang des Chargirens ist das Metall in der Pfanne.
Das Metall ist warm, die Schlacken menge nicht zu
gross. Es werden 17 Blöcke zu 400 k und 1 Block zu 30 k gegossen; die Pfanne
ist schalenlos geleert.
Diese zweite Arbeit stellt zweierlei ins helle Licht:
1) dass Erzziegel mit einem Ueberschusse an Koks sehr schwer schmelzbar sind und das
Bad sehr hart machen;
2) dass Ziegel in grossen Partien und zu Stücken zerschlagen den Gang der Arbeit
stören und über das zulässige Maass hinaus verlängern.
Die Notwendigkeit weiterer Erzzusätze zur Entkohlung des Bades beweist einen
Ueberschuss von Kohle in demselben, der bessere Verwendung zur Reduction des Erzes
in den Ziegeln gefunden hätte.
Das Ergebniss der Charge bezieh. das Ausbringen aus dem Erze berechnet sich wie
folgt:
Einsatz:
Graues Roheisen von
Bilbao Spiegeleisen Eisen- und
Stahlschrott Ferromangan Ferrosilicium
3000 4001800 80 80
k„„„„
5360
k
Eisen undEisenlegi-rungen
Erz in den Ziegeln „ „ Stücken
2856 410
„„
3266
k
Erz
––––––––
6800
k
Ausbringen:
18 Blöcke
6830
k
An metallischen Materialien
wurden eingesetzt
5360
k
Ab hiervon das normale 7proc. Kalo
375
„
––––––––
4985
k
Ausgebrachter Stahl
6830
„
––––––––
Ausbeute aus den 3266 k Erz in
den Ziegeln und als Stückerz gesetzt.
1845
k,
entspre-
chend einem Ausbringen von 56,1 Proc.
Die Blöcke waren vollendet gut und wurden zu 9 m langen Schienen im Metergewichte von
36 k ausgewalzt. Der fertige Stahl war sehr weich; die Proben liessen sich kalt bis
zur Seitenberührung ohne Bruch zusammenschlagen und härteten sich gut.
Drei Schienen wurden mit der Ramme in gleicher Weise probirt, wie die Schienenstücke
nach der ersten Arbeit; sie überstanden die Probe gut. Die Zerreissprobe ergab an
einem rite vorgerichteten Probestabe eine Zugfestigkeit von 48,2 k, eine
Verlängerung um 19,1 und eine Contraction von 48 Proc.
Die Analyse des Stahls ermittelte:
0,21
Kohlenstoff
0,44
Mangan
0,10
Schwefel
0,10
Phosphor.
Die Neigung des Verfahrens, weiches Metall zu geben, ist in die Augen fallend. Die
Schlackenanalyse stellte fest: SiO2 = 58,5, Fe =
3,61, Rest: Kalk, Thonerde und Mangan. Die Schlacke war mithin sehr sauer und
eisenarm.
Auch der benutzte Koks ist analysirt worden, er enthielt Asche 12,79, Schwefel 1,23
und Phosphor 0,0464, war mithin aschen- und schwefelreich, überhaupt von schlechter
Qualität; die sehr saure Schlacke begünstigte den Uebertritt von Schwefel an das
Metall. Das Bad enthielt
\frac{6830\,\times\,0,10}{100}\,k=6,83\,k Schwefel, die
verziegelten 800 k Koks mit 1,23 Proc. enthielten 9,80 Schwefel und davon traten, da
das Erz schwefelfrei war, mehr als ⅔ zum Metall.
Aus den bis dahin abgeführten beiden Hitzen ergibt sich: das dem Erze zuzusetzende
Koksquantum muss verkleinert werden, um die Erzkoksziegel leichtschmelziger zu
machen.
Wenn man den Kohlenstoff verringert, so wird eine bestimmte Menge von Eisenoxyd
von der Reduction ausgeschlossen bleiben, die das Silicium des Erzes zu sättigen
dienen wird, sofort ein leichtschmelziges Silicat bildend; das leichtflüssigste von
allen ist das Protosilicat 3FeOSiO2 mit 70,5 FeO und
29,5 SiO2.
Wenn man eine kleine Menge einer anderen Base – Dolomit oder Kalk – der
Erzziegelmasse zusetzt, wird eine noch sehr leichtschmelzige Schlacke – ein
vielfaches Silicat – erzielt und die Reduction des Eisenoxydes, welches von der
Schlacke absorbirt ist, auf Kosten des Kohlenstoffes im Eisen des Bades befördert
werden; mit anderen Worten: es ist angezeigt, von vornhinein auch auf die
reducirende Wirkung des Kohlenstoffes im Roheisenbade zu rechnen und die Menge des
dem Erze zuzugebenden Koks zu verringern.
Der Process theilt sich dann in zwei bestimmte Abschnitte: in
1) die Schmelzung der Erzziegel unter Bildung weichen Eisens und eisenoxydulreicher
Schlacke und
2) die Reduction des Eisenoxyds der Schlacke durch die Wirkung des Kohlenstoffes im
Roheisenbade.
Der zweite Abschnitt ist identisch mit dem, welcher im Erzprocesse (im sauren Ofen)
beobachtet wird. Bei diesem Processe wird das Erz auf Kosten des Kohlenstoffes im
Roheisen und nur in kleinem Umfange durch directen Contact mit dem Bade reducirt
(das Erz schwimmt auf der Schlacke, welche das Bad bedeckt, hat also mit diesem eine
beschränkte Berührung), wohl aber in grosser Menge und rapid, nachdem es sich in der
Schlacke auflöste. Das Bad entkohlt sich also auf Kosten des Sauerstoffes des in der
Schlacke geschmolzenen Erzes.
Abgesehen von der Brennstoffersparung, welche man bei Anwendung einer kleineren
Koksmenge erreicht, hat man auch noch den indirecten Vortheil, einen geringeren
Schwefelgehalt ins Bad überzuführen; ausserdem aber vergrössert sich dadurch die
Schmelzbarkeit der Erzziegel und verkürzt sich die Dauer des Processes, wodurch eine
weitere Ersparung an Brennmaterial und eine Vergrösserung der Production gewonnen
wird.
Es war zweifelhaft, ob die bei der Anfertigung der Erzkoksziegel in der beschriebenen
Art zugesetzte Kalkmilch die Reduction hindere oder nicht wenigstens verzögere; weil
alle Kokspartikelchen wie von einer Kalkhaut umhüllt blieben, konnte man annehmen,
ihr Contact mit dem Erze werde nicht so innig sein, als bei Abwesenheit der
Kalkmilch der Fall gewesen wäre. Konnte die feste Kohle nun hier nicht durch innige
Berührung mit dem Erze reducirend wirken, so entspringt der Verwendung von Kalkmilch
augenscheinlich ein Nachtheil: der Kalk muss mit der Kieselerde des Erzes eine
Schlacke bilden (dazu ist eine sehr hohe Temperatur erforderlich), bevor die
Reduction vor sich gehen kann.
Auf Grund dieser Folgerung wurden Erzkoksziegel ohne Kalkmilch angefertigt.
Es war auch nöthig, die Chargirung der Erzziegel zu modificiren. In Anbetracht ihrer
geringen Schmelzbarkeit ist es augenscheinlich besser, sie ganz und nicht in
Stücken, auch nicht getheilt und in verschiedenen Wiederholungen einzutragen, um
nicht das Bad abzukühlen; diese zweifellos vortheilhaftere Eintragsweise weicht von
der beim gewöhnlichen Processe üblichen erheblich ab.
Um die Wirklichkeit der vorher entwickelten Thatsachen ausser Frage zu stellen,
bevor zu einem neuen Schmelzen geschritten wird, werden die nachfolgenden Versuche
ausgeführt.
Es werden Erzziegel hergestellt aus 100 Erz- und 20 bezieh. 22 Kokspulver, beide
Arten zur Erreichung nöthiger Bindung mit einer genügenden Menge von Kalkmilch
angemacht und nach erfolgter völliger Trocknung in der Thüre eines Martinofens
aufgestellt. Die erstere Sorte schmilzt innerhalb 40 Minuten vollständig; es
resultirt Eisenschwamm und viele Schlacke. Die letztere Sorte ist nahezu in
derselben Zeit geschmolzen und gibt einen sehr reinen Eisenschwamm nebst weniger
Schlacke.
Man fertigt weiter Proben an, um andere Flussmittel und die Abwesenheit von Kalkmilch
in Wirkung treten zu lassen. Die ersteren dieser Proben (a) wurden zusammengemischt
aus
1500
k
Elbaerz,
entsprechend
100
Raumtheilen,
und
330
„
Koks
„
22
„
behufs Bildung eines genügend consistenten Teiges wird reines
Wasser zugesetzt; Formen, Trocknen u.s.w. erfolgt in bereits früher mitgetheilter
Art und Weise. Die andere (b) Mischung wird gleich der vorherigen zusammengesetzt,
doch wird zur Teigbildung anstatt süssen Wassers Meerwasser verwendet und weiterhin
ebenfalls in bereits bekannter Weise verfahren.
Beide Probesorten Hessen sich ungebrochen aus der Form nehmen und besassen bereits
nach 24 Stunden einen gewissen Grad von Festigkeit; nach 5tägigem Lagern aber an der
Luft sind sie hart geworden, wie die mit Kalkmilch hergestellten, jedenfalls in
Folge der Hydratirung der Oxyde des Magneteisensteins, des Eisenglanzes u.s.w. in
Berührung mit feuchter Luft und Wasser. Auch Walzsinter kittet sich in den Gruben
unter den Walzen in kurzer Zeit so zusammen, dass sehr feste, harte Massen
entstehen, die Schlägen mit schweren Hämmern Widerstand leisten; das Oxydhydrat des
Eisens (Fe2O33H2O), welches das Bindemittel abgibt, wie in den
Kalkbindemitteln ein Kalksilicat, wird bei der Hydratirung hart. In der Natur finden
sich vollständig compacte Limonide, und Oxydhydrate von Eisen findet man überall
zwischen den Lagern von Magneteisenstein eingeschlossen, als eine Umbildung dieses
unter Einwirkung der Feuchtigkeit. (Brauner Hämatit von Rio o Capo Calamita, Insel
Elba, 85,56 Fe2O3,
14,44 H2O.)
Die Festigkeit, welche die Erzziegel im Verlaufe einiger Tage erlangen, genügt, um
sie ohne Bruch in den Ofen eintragen zu können. Die Probeziegel a und b, in der Nähe
der Oefen während einiger Stunden völlig getrocknet, wurden in die Thüröffnung eines
Martinofens gesetzt: der Ziegel b war bereits nach 25 Minuten äusserlich völlig
geschmolzen und, nach 30 Minuten aus dem Ofen genommen, Hess man ihn unter einem
Haufen Walzzunder erkalten.
Der Probeziegel a enthielt metallischen Schwamm, eingebettet in halbgeschmolzene
Schlacke; das Steinfutter des Ofens war durch den Ziegel nicht angegriffen; der
Schwammkuchen liess sich leicht ablösen.
Der Ziegel b gab ganz schlackenfreie Schwammstücke, die Schlacke war sehr flüssig und
überall vertheilt, sie hatte die Steine des Ofenfutters tief angefressen und in
verschiedenen Höhlungen derselben sassen kleine Metallkügelchen von 4 bis 5 mm
Durchmesser.
Der Ziegel b musste 7 Minuten früher aus dem Ofen zurückgezogen werden als a:
die Schmelzbarkeit eines mit Meerwasser angefertigten Ziegels ist also etwa um 1/4
grösser als die eines mit Hilfe süssen Wassers hergestellten, alle sonstigen
Erscheinungen waren die gleichen wie bei b. Das Steinmaterial des Ofenherdes war
thonerdehaltig. Wird die Schmelzdauer dieser Probeziegel a und b mit der bei den
vorhergegangenen Proben verglichen, zu deren Herstellung Kalkmilch und eine grössere
Menge Kokspulver verwendet worden waren, so ergibt sich, dass die Schmelzbarkeit
derselben um das Doppelte grösser ist.
Ein schädlicher Einfluss des zur Anfertigung der Erzziegel verwendeten Meerwassers
bezieh. der in ihm enthaltenen schwefelsauren Erden und Alkalien auf die Qualität
des Metalles ist nicht zu befürchten; dasselbe enthält im Liter 0,094 Schwefel und
ist zusammengesetzt aus:
Wasser
96,69
Chlornatrium
2,510
Bromverbindungen
0,032
Schwefels. Kalk „ Kali
„ Magnesia
0,204 0,171 0,061
entspr.„„
0,0480,0310,015
Schwefel„„
0,094 Schwefel
Chlorsaurer „
0,326
Zum Formbarmachen von 20 k Erzkokspulver wurden 4 l Meerwasser erfordert, mit denen
also 3,76 g Schwefel zugeführt werden; im Vergleiche mit dem Schwefel im Kokspulver
ist dieses Schwefelquantum unbedeutend; mit letzterem gehen in die 20 k des Ziegels
ein
\frac{20\,\times\,201}{100}=44
Auf 100 k Erz berechnet bringt das Meerwasser 12,80 g, der
Koks aber 220,80 g Schwefel ins Bad, und das Erzausbringen zu 50 Proc. angenommen
ergibt sich auf 100 k Metall aus den Erzkoksziegeln 0,037 Proc. Schwefel aus dem
Meerwasser, dagegen 0,44 Proc. aus dem Koks; maschinengepresste Ziegel werden nur
die Hälfte des Wassers benöthigen.
Man vermag sich unschwer zu überzeugen, dass der im Meerwasser der Masse zugeführte
Schwefel auf das Endresultat einen merkbaren Einfluss nicht ausüben wird; ausserdem
ist zuzugeben, dass, wenn man vom Magnesiumsulfate des Meerwassers angesichts der
geringen Affinität des Magnesiums zum Schwefel wissen kann, dass in Gegenwart von
Kohlenstoff und einer sehr sauren Schlacke der Schwefel zum Eisen des Bades tritt,
man dasselbe doch nicht mit gleicher Sicherheit vom Kalksulfate zu behaupten vermag;
weil diese Verbindung eine sehr beständige ist und das Kalisulfat durchaus nicht wie
das Natriumsulfat in Gegenwart von Eisen und Kohlenstoff Doppelsulfate von Eisen und
Kalium bildet, die in der Schlacke bleiben und als energische Lösungsmittel dienen.
Man würde im Ganzen in 100 Theilen Eisenerz etwa 0,300 k alkalische und erdige Salze
haben, welche auf das Schmelzen der Schlacke und auf das der Erzziegel wohl einen
grösseren Einfluss ausüben, als man ihrer kleinen Menge zuschreibt.
Zuweilen wird Quarz an der Meeresküste gesammelt, der analytisch 99 Proc. Kieselerde
und nur Spuren von Alkalien enthält, gleichwohl aber zur Fabrikation feuerfester
Steine seiner Leichtschmelzbarkeit halber völlig unverwendbar ist; diese Beobachtung
mag zur Erhärtung vorhergehender Annahme dienen.
Zuletzt wurde eine dritte Ziegelprobe mit Wasser aus 100 Volumtheilen Elbaerz, 22
Koks und 5 pulverisirtem
Dolomit hergestellt und unter Zuhilfenahme der Ofenhitze schnell getrocknet.
Auch dieser Ziegel hielt fest zusammen. In früher beschriebener Weise in den Ofen
gebracht und nach Verlauf von ½ Stunde daraus zurückgezogen, lieferte derselbe einen
durchaus metallischen Schwamm; die Schlacke war überall ausgetreten.
Diese Probe zeigte klar, dass die Verminderung der Koksmenge, das Weglassen der
Kalkmilch und die Beimischung eines kleinen Quantums Dolomit die Reductionszeit um
die Hälfte verkürzt und eine vorzügliche Schlackenschmelzung herbeiführt.
Es war nun nur noch vor Aufnahme einer neuen Arbeit festzustellen, ob man die
Erzziegel auch kalt ohne Nachtheil eintragen könne. Es wurde zu diesem Zwecke ein
Ziegel in die Mitte des im vollen Schmelzen begriffenen Bades eingeworfen; er
zerfiel in drei Stücke und es fand keine heftige Reaction statt; nach etwa 20
Minuten waren dieselben vollständig geschmolzen.
Für den Augenblick wurde von der Benutzung von Meerwasser bei der
Erzziegelfabrikation abgesehen, die doch nur für am Meeresgestade belegene Werke ein
Interesse haben kann, und es wurden auf Grund der mit der letzten Erzziegelprobe
erzielten Resultate aus 2625 k Erzpulver, 551 k Kokspulver (21 Proc), 131 k Dolomit
(5 Proc.) und 10 Proc. Wasser Ziegel in Gewichtsmengen von je 500 k auf einmal mit
Maschine geknetet, in Formen gebracht und innerhalb 7 Tagen vollständig
getrocknet.
Die Ladung des Ofens erfolgte in nachstehend beschriebener Weise: 5 t Bilbaoroheisen
werden innerhalb 20 Minuten eingetragen; hierauf werden 4 t Schrott – alte Feilen,
Federn, Räder u.s.w. – mit der Schaufel eingesetzt, wozu 2 Stunden Zeit verbraucht
werden. Während der ganzen Zeit war der Gaseinlass fast ganz geschlossen, die
Eintragsthür fast stets geöffnet, so dass sich der Ofen bedeutend abkühlte; es ist
deshalb angezeigt, auf Mittel und Wege zu sinnen, wie eine Beschleunigung der
Eintragsarbeit bei Verarbeitung namentlich kleinen Schrotts herbeigeführt werden
könne. 3 Stunden 20 Minuten nach Beginn der Arbeit ist das Bad noch nicht
vollständig eingeschmolzen; man beginnt mit dem Einsetzen der Erzziegel in kleinen
Quantitäten und fährt damit in Intervallen von 10 bis 15 Minuten fort bis sämmtliche
120 Stück sich im Ofen befinden.
3 Stunden 10 Minuten später ist das Bad völlig eingeschmolzen, aber noch nicht warm
genug; es entwickeln sich zahlreiche kleine bläuliche Flammen daraus. Aus den Thüren
treten Flammen hervor, ein Zeichen von Gasüberschuss. Probenahme. Der Bruch der
Probe lässt hartes Metall, hochgekohlten Stahl, erkennen. 7 Stunden 30 Minuten nach
Anfang des Einsetzens Zusatz von 230 k Stückerz von Elba in verschiedenen,
zeitlichen Zwischenräumen; das Bad hat die nöthige Temperatur erreicht; eine jetzt
genommene Probe bestätigt die erfolgte vollständige Entkohlung. 8 Stunden 30 Minuten
nach Arbeitsanfang Zusatz vorher erhitzter 70 k Ferrosilicium mit 11 Proc. Silicium
und 100 k Ferromangan mit 40 Proc. Mangan.
Ein Unfall an der Schiebebühne für die Handhabung der Gusspfanne verspätet den
Abstich um 30 Minuten; das Metall ist in Folge dessen sehr weich, zu Schienen fast
zu weich; es ist homogenes Eisen geworden. Es steigt nicht in der Coquille und
glänzt nicht; die Schlackenmenge ist eine sehr begrenzte.
Es werden gegossen:
9 Blöcke à 410 k
3690
k
32½ „ à 200 „
6500
„
Pfannenschale und Proben wogen
60
„
–––––––––
Summa
10250
k
Der Einsatz bestand aus:
Erz in den Ziegeln
2625
k
„ „ Stücken
230
„
––––––––
Summa
2855
k
Bilbaoroheisen
5000
k
Abbrand, normal 6 Proc.
300
„
––––––––
4700
k
Ferromangan u. Ferrosilicium
230
k
Abbrand, im Mittel 15 Proc.
35
„
––––––––
195
„
Schwacher, oxydirter Schrott
4000
k
Abbrand, im Mittel 7 Proc.
280
„
––––––––
3720
„
–––––––––
Summa
8615
k
Ausbeute an Metall
10250
„
–––––––––
Mehrausbeute
1635
k
aus den miteingesetzten 2855 k Erz in den Ziegeln und in
Stücken, welche somit ein Ausbringen von 57,2 Proc. lieferten.
Der bei dieser Charge gemachte Fortschritt ist augenfällig: 2 Stunden Zeitersparniss,
geringeres Verbrauchsquantum von Koks (21 statt 28,2) und dadurch, sowie in Folge
des Dolomitzusatzes ein geringerer Schwefelgehalt des Metalles – 0,07 in Stelle von
0,10 Proc. –
Das Metall hielt:
0,17
Kohlenstoff
0,095
Silicium
0,1013
Phosphor
0,0741
Schwefel
0,5315
Mangan.
Diese Zusammensetzung übertrifft die im vorhergehenden
Versuche erzeugte durch den Mindergehalt an Schwefel: die rechtwinkelig auf 2,5 cm
ausgeschmiedeten Stäbchen lassen sich kalt zusammenschlagen, ohne Risse zu
zeigen.
(Schluss folgt.)